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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 15.02.2005
Aktenzeichen: 3 N 1095/03
Rechtsgebiete: BauNVO, BauGB


Vorschriften:

BauNVO § 5 Abs. 1
BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 6
Durch Bebauungsplan kann eine Gemeinde ein Dorfgebiet festsetzen, um eine schleichende Umwandlung in ein Wohngebiet zu verhindern, sofern im Planbereich noch landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetriebe vorhanden sind.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

3 N 1095/03

Verkündet am 15.02.2005

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Normenkontrolle des Bebauungsplans Nr. 3.06 "Dorfgebiet Berghausen" der Stadt Aßlar

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann, Richter am Hess. VGH Dr. Fischer, Richterin am Hess. VGH Lehmann

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu je 1/3 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Das Urteil ist wegen der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nichts zuvor die Antragsgegnerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich im Wege der Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan Nr. 3.06 "Dorfgebiet Berghausen" der Antragsgegnerin. Sie sind ebenso wie der Beigeladene Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet.

Am 12. August 2002 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 3.06 "Dorfgebiet Berghausen". Dieser Beschluss wurde am 18. September 2002 in "Aßlar Die Woche - Amtliche Bekanntmachungen der Stadt Aßlar" öffentlich bekannt gemacht. Die frühzeitige Bürgerbeteiligung gemäß § 3 Abs. 1 BauGB fand in der Zeit vom 19. September 2002 bis 25. September 2002 statt, worauf auch am 18. September 2002 öffentlich hingewiesen worden war. Die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange gemäß § 4 BauGB erfolgte in der Zeit vom 26. September 2002 bis 25. Oktober 2002. Die Offenlegung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB des Beschlussentwurfs vom 12. August 2002 erfolgte in der Zeit vom 26. September 2002 bis 25. Oktober 2002, worauf ebenfalls am 18. September 2002 öffentlich hingewiesen wurde. Der geänderte Beschlussentwurf vom 9. Dezember 2002 lag gemäß § 3 Abs. 2 BauGB in der Zeit vom 2. Januar 2003 bis 17. Januar 2003 öffentlich aus. Hierauf war im amtlichen Mitteilungsorgan der Antragsgegnerin am 18. Dezember 2002 hingewiesen worden. Am 10. März 2003 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. 3.06 als Satzung. Der Satzungsbeschluss wurde am 19. März 2003 öffentlich bekannt gemacht.

Parallel zum Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans wurde der Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin geändert. Die Änderung wurde vom Regierungspräsidium Gießen mit Verfügung vom 11. Februar 2003 genehmigt.

Mit am 28. April 2003 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom 24. April 2003 haben die Antragsteller einen Antrag auf Normenkontrolle gestellt und zur Begründung ausgeführt, der Bebauungsplan sei funktionslos, weil das Planungsziel MD nach § 5 BauNVO nicht erreicht werden könne. In der Planbegründung werde selbst festgestellt, dass eine Entwicklung hin zu einer überwiegend landwirtschaftlich geprägten Nutzung sich im Stadtteil Berghausen nicht einstellen werde. Ein Blick auf die Parzellengröße der mit Gebäuden bereits bebauten Grundstücke zeige, dass ein landwirtschaftliches Vorhaben keine Möglichkeit zur Entwicklung im Plangebiet habe, weil für heutige Betriebsgrößenerfordernisse keine Grundstücke zur Verfügung stünden. Von 101 betroffenen Grundstücken seien 87 bereits bebaut. Im Übrigen bestehe kein wirtschaftliches Umfeld, in dem die Neuansiedlung oder Wiederbelebung einer landwirtschaftlichen Hofstelle mit nennenswertem landwirtschaftlichen Betrieb im Plangebiet stattfinden könnte. Die Zahl der landwirtschaftlichen Haupt- oder Nebenbetriebe gehe in Deutschland und auch in der Region seit Jahren zurück. Die Festsetzung Dorfgebiet werde bzw. sei unwirksam, wenn in dem festgesetzten Bereich Wirtschaftsstellen land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe nicht mehr vorhanden seien und auch mit ihrer Errichtung in Zukunft auf unabsehbare Zeit nicht mehr gerechnet werden könne. Das Plangebiet sei dem Typ nach als allgemeines Wohngebiet einzustufen. Nunmehr erfolge eine Herabzonung auf das Niveau eines Dorfgebietes. Die dort möglichen störenden Belästigungen durch Landwirtschaft, Gewerbe und Handwerk minderten die Wohnqualität im vorhandenen faktischen allgemeinen Wohngebiet.

Die Aufstellung des Bebauungsplans sei nicht erforderlich, weil eine vorhandene Struktur im Sinne eines allgemeinen Wohngebietes sich verfestigt habe und weiter verfestige, weil Gewerbebetriebe und landwirtschaftliche Betriebe zurückgingen und die Wohnnutzung nachrücke. Landwirtschaftliche Nutzungen gebe es im Plangebiet nicht einmal in der Form der Hobbytierhaltung.

Der Bebauungsplan verstoße auch gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB. Die Ausweisung diene alleine dazu, den materiell und formell illegalen Schlachtbetrieb des Beigeladenen bauplanungsrechtlich überleben zu lassen. In den immissionsschutzrechtlichen Verfahren 1. und 2. Instanz (2 UZ 2794/99) sei festgestellt worden, dass selbst in einem Mischgebiet der Schlachthofbetrieb als erheblich belästigender Gewerbebetrieb bauplanungsrechtlich nicht zulässig sei. Erst recht müsse dies für ein faktisches Wohngebiet gelten. Die Störpotentiale des Schlachtbetriebes erschienen im Abwägungsvorgang nicht. Ebenso wenig sei abgewogen worden, dass die Schlachttiere am Wochenende aufgestellt würden. Die öffentlichen und privaten Belange seien nicht gerecht gegeneinander abgewogen worden, weil die Belange der Wohnbevölkerung mit der durch die Planausweisung herabgesetzten Qualität der Wohnnutzung nicht genügend Berücksichtigung gefunden hätten. Die planerische Zweckbestimmung entspreche weder der tatsächlichen Nutzung noch sei eine derartige Nutzung aufgrund der Kleinteiligkeit der Flurstücke und den Flächenansprüchen moderner Gewerbe und landwirtschaftlicher Betriebe realisierbar. Es sei nicht ausreichend, dass die frühere kleinbäuerliche landwirtschaftliche Nutzung an der vorhandenen Bausubstanz ablesbar sei. Entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin sei eine Wiederansiedlung landwirtschaftlicher Nebenerwerbsstellen im Plangebiet praktisch nicht möglich.

Die Antragsteller beantragen,

den am 10. März 2003 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 3.06 "Dorfgebiet Berghausen" der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Zur Begründung führt sie aus, den Antragstellern fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Der von ihnen befürchtete Zweck der Planung, die baurechtliche Legalisierung des Schlachtbetriebes in seinem jetzigen baulichen und Immissionen verursachenden Umfang, solle und werde nicht eintreten. Eine Legalisierung des vorhandenen Schlachtbetriebes in seiner jetzigen Größe und Ausformung sei mit der Festsetzung Dorfgebiet nicht zu erreichen, sodass den Antragstellern aus einer Ungültigerklärung des Bebauungsplanes kein rechtlicher und tatsächlicher Vorteil erwachse.

Der Normenkontrollantrag sei auch unbegründet. Von einer Funktionslosigkeit der Festsetzung MD könne nicht ausgegangen werden. Diese erfordere nicht, dass die gesamte bebaute Ortslage überwiegend der Unterbringung von Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe dienen solle. Vielmehr diene die Festsetzung des Dorfgebietes gerade einem gleichberechtigten Nebeneinander der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, der Wohnnutzung und der nicht störenden Gewerbebetriebe. Zwar werde die Bebauung derzeit überwiegend zu Wohnzwecken genutzt. Bei dem Plangebiet handele es sich jedoch historisch gesehen um einen dörflichen Ortskern, der in der Vergangenheit auch dorfgebietsspezifisch genutzt worden sei. Es gebe noch eine Vielzahl von Grundstücken, die zwar derzeit wohnlich genutzt würden, die aber von der baulichen Struktur her noch der Unterbringung von land- bzw. forstwirtschaftlichen Betrieben dienen könnten. Planungsziel sei es, diese dörfliche Ortskernstruktur auch landwirtschaftlich wieder zu beleben und hierbei die vorhandene Gebäudestruktur zu nutzen. Zu den vorhandenen Gewerbebetrieben sollten weitere kleine Gewerbe- und Handwerksbetriebe angesiedelt werden. Die Wiederansiedlung von Landwirtschaft (im Nebenerwerb) sei auch weiterhin möglich. Mit der Festsetzung Dorfgebiet solle kein Etikettenschwindel betrieben werden, denn es werde die Förderung der tatsächlichen Wiederbelebung mit landwirtschaftlicher Nutzung sowie dorfgebietsadäquaten Gewerbebetrieben in begleitenden Maßnahmen bezweckt. Aus diesem Grunde habe sie, die Antragsgegnerin, auch beim zuständigen Amt für Dorf- und Regionalentwicklung einen Antrag auf Aufnahme in das Landesprogramm Dorferneuerung für den Stadtteil Berghausen gestellt.

Zur Wiederbelebung des alten Dorfkerns von Berghausen in dem zuvor dargestellten Sinne sei die Festsetzung Dorfgebiet auch erforderlich, um der weiteren schleichenden Umwandlung in Wohnnutzung entgegenzuwirken.

Der Bebauungsplan genüge auch dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB. Mit den Anregungen, die von den Antragstellern im Offenlegungsverfahren vorgebracht worden seien, habe sie sich intensiv auseinandergesetzt. Aus der im Plangebiet mit der Festsetzung Dorfgebiet zulässigen Nutzung mit landwirtschaftlichen Betriebsstellen und nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben ergebe sich keine solche Erhöhung der zumutbaren Immissionen, dass eine solche Beeinträchtigung der Interessen der Wohnnutzung der Anlieger gegeben wäre, dass von den Planungszielen abgewichen werden müsste. Die Frage des Schlachtbetriebes bzw. seiner bauplanungsrechtlichen Legalisierung, wie er zuletzt betrieben worden sei, habe bei der Abwägung keine Rolle gespielt. Eine solche Legalisierung im jetzigen Umfang und Zustand mit den damit einhergehenden Emissionen sei nicht beabsichtigt und auch nicht möglich. Der Schlachtbetrieb sei in einem eventuellen Baugenehmigungsverfahren genauso zu beurteilen, wie jede andere gewerbliche Nutzung bzw. ein landwirtschaftliche Erzeugnisse verarbeitender Betrieb im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO. Dies bedeute, dass er nur in Form eines nicht wesentlich störenden Betriebes zulässig sei.

Im Plangebiet seien eine Reihe landwirtschaftlicher Nebenerwerbsstellen noch vorhanden; außerdem gebe es Interessenten für die Aufnahme von Nebenerwerbslandwirtschaft.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Der Beigeladene tritt der Behauptung der Antragsteller entgegen, der Bebauungsplan sei in Kraft gesetzt worden, um den Betrieb seines Schlachthofes zu gestatten. Er betreibe keinen Schlachthof, sondern in der vierten Generation in Berghausen eine Metzgerei in handwerklichem Umfang. Der Metzgereibetrieb sei nicht nur seine Existenzgrundlage, sondern auch die von nahezu 40 Mitarbeitern. Die nach der 4. BImSchV festgelegten Werte würden in seinem Betrieb nicht erreicht. Die Schlachtmengen seien für eine ländliche Metzgerei, die das Schlachtvieh ausschließlich von ortsnahen bäuerlichen Betrieben beziehe und ihre Produkte ausschließlich im Gemeindegebiet absetze, üblich. Die Antragstellerseite verkenne, dass die Frage der angeblichen formellen und materiellen Illegalität seines Betriebes im Normenkontrollverfahren nichts zu suchen habe. Im Übrigen habe der Hessische Verwaltungsgerichtshof (4. Senat) in seiner Entscheidung vom 30. Mai 2003 festgestellt, dass seinem Betrieb der Vorwurf der Illegalität nicht gemacht werden könne und dass es sich bei dem maßgeblichen Bereich "wenn nicht um ein Mischgebiet, so doch um eine diffuse Gemengelage handeln dürfte, die sich einer Einordnung in einen der Gebietstypen der Baunutzungsverordnung entziehe und zur Bewältigung der daraus resultierenden Konflikte der Überplanung durch einen Bebauungsplan bedarf" (4 TG 2699/02). Die Antragsgegnerin habe zu Recht die Gemengelage zum Anlass genommen, das Gebiet sinnvoll zu überplanen.

Eine Funktionslosigkeit des beschlossenen Bebauungsplans könne nicht angenommen werden. Das überplante Gebiet werde keineswegs nur von Wohnbebauung geprägt. Vielmehr handele es sich bei der Bebauung und der Nutzung um ein geradezu typisches Dorfgebiet. Zu den dort zulässigen Nutzungen gehöre auch sein Metzgereibetrieb als Betrieb zur Be- und Verarbeitung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse. § 5 BauNVO solle, wie aus dem Begriff "Wirtschaftsstellen" hervorgehe, den eher dörflichen und traditionellen Nutzungscharakter absichern und planerisch fortentwickeln, um auch der Entwicklung einer Monokultur als Schlafstadt zu begegnen.

Dem Senat liegt ein Ordner Planaufstellungsunterlagen der Antragsgegnerin vor, ferner die Gerichtsakten Hess. VGH 2 UZ 2794/99 und 4 TG 2699/02. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

Er ist statthaft. Die Antragsteller wenden sich im Wege der Normenkontrolle gegen eine Satzung, die nach § 10 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1997 (BGBl. I S. 2141, ber. BGBl. 1998 I S. 137) i.V.m. § 233 Abs. 1 BauGB in der Fassung des EAG Bau vom 24. Juli 2004 (BGBl. § S. 1359) erlassen worden ist und damit gegen eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, deren Gültigkeit von dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO überprüft werden kann.

Die Antragsteller sind antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach ist antragsbefugt, wer geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Antragsteller sind Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet, welche von den planerischen Festsetzungen erfasst werden, sodass bereits hierdurch die Antragsbefugnis regelmäßig gegeben ist. Darüber hinaus machen die Antragsteller die Verletzung des drittschützenden Abwägungsgebots gemäß § 1 Abs. 6 BauGB 1998 (jetzt § 1 Abs. 7 BauGB 2004) sowie die Verletzung ihres Gebietserhaltungsanspruchs gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO (analog) geltend, wobei es ausreicht, wenn - wie hier - die Rechtsverletzung wie bei der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO möglich erscheint und nicht von vornherein ausgeschlossen ist.

Der Normenkontrollantrag ist jedoch unbegründet.

Der Bebauungsplan Nr. 3.06 "Dorfgebiet Berghausen" leidet nicht an beachtlichen Verfahrensfehlern. Rügepflichtige Verfahrensfehler sind nicht geltend gemacht, absolute Verfahrensmängel sind für den Senat nicht ersichtlich.

Der Bebauungsplan hält auch in materiell-rechtlicher Hinsicht einer Überprüfung stand. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch einen zulässigen Normenkontrollantrag ein Bebauungsplan zwar in vollem Umfang zu überprüfen ist, im vorliegenden Fall jedoch zwischen den Beteiligten lediglich die Festsetzung der Gebietsart streitig ist, wohingegen andere Festsetzungen weder angegriffen noch gegen sie Bedenken ersichtlich sind.

Die Aufstellung des Bebauungsplans und die Änderung des Flächennutzungsplans sind parallel erfolgt und genügen den Anforderungen des § 8 Abs. 3 Satz 1 BauGB.

Der angegriffene Bebauungsplan verstößt nicht gegen das Gebot der Erforderlichkeit des § 1 Abs. 3 BauGB, wonach die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen haben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung erforderlich ist. An der Erforderlichkeit der Bauleitplanung fehlt es nur dann, wenn sie von keiner erkennbaren Konzeption getragen ist. Welche städtebaulichen Ziele sich die Gemeinde setzt, liegt in ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die "Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (BVerwG, B. v. 14.08.1996 - 4 NB 21.95 -, Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 86). Ein Bebauungsplan ist im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich, soweit er nach der städtebaulichen Konzeption der Gemeinde vernünftigerweise geboten ist (BVerwG, U. v. 07.05.1971 - IV C 76.68 - BRS 24 Nr. 15). Die städtebaulichen Gründe für die Planung ergeben sich in ausreichendem Maße aus der Begründung zum Bebauungsplan im Abschnitt 2 "Ziel und Zweck des Bebauungsplans". Dort wird der Funktionsverlust als primär landwirtschaftlicher Standort, der Wegfall zentraler örtlicher Einrichtungen wie Bürgermeisteramt und Schule und die Entwicklung zu einem reinen Wohnstandort konstatiert. Für die Perspektiven des Ortskerns von Berghausen werde dies von der Antragsgegnerin und dem Ortsbeirat nicht als sinnvolle Entwicklung angesehen. Ziel solle sein, die ursprüngliche Identität des Ortskerns, die gekennzeichnet sei von einer ländlich geprägten Funktions- und Nutzungsmischung sowie einer Vielfalt dörflicher Lebensformen, zu bewahren und weiterzuentwickeln. Für eine Umkehr der Entwicklung sei es noch nicht zu spät. Es gelte zunächst, noch bestehende Strukturen zu sichern. Der Plan solle sich als einfacher Bebauungsplan auf die absolut notwendigen Festsetzungen beschränken.

An der Erforderlichkeit des Bebauungsplans fehlt es auch nicht deshalb, weil die Festsetzung eines Dorfgebietes von vornherein funktionslos wäre.

Die Ausweisung eines Dorfgebietes gemäß § 5 BauNVO setzt das Vorhandensein von Wirtschaftsstellen land- bzw. forstwirtschaftlicher Betriebe voraus (vgl. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 22.09.2000 - 1 C 12156/99 - BRS 63 Nr. 12; VGH Baden-Württemberg, U. v. 21.01.2002 - 8 S 1388/01 - NuR 2002, 552). Fehlen sie und können sie auch nicht in absehbarer Zeit angesiedelt werden, ist die Ausweisung als Dorfgebiet unwirksam (OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Wird durch die tatsächliche Entwicklung die Verwirklichung der MD-Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen und ist dies deutlich erkennbar, tritt die planerische Festsetzung außer Kraft. Sind Wirtschaftsstellen land- bzw. forstwirtschaftlicher Betriebe im MD-Gebiet nicht mehr vorhanden, tritt Funktionslosigkeit ein, wenn nicht die ernsthafte Möglichkeit ihrer Errichtung in absehbarer Zeit besteht (BVerwG, B. v. 29.05.2001 - 4 B 33.01 - NVwZ 2001, 1055; VGH Baden-Württemberg a.a.O.).

Landwirtschaftliche Wirtschaftsstellen von Betrieben im Nebenerwerb sind in kleiner Zahl in Berghausen noch vorhanden, deren weiteres Betreiben von den Prozessbeteiligten unterschiedlich bewertet wird, das aber möglich und nicht in jeder Hinsicht ausgeschlossen erscheint. So verhält es sich hier. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses befand sich auf dem Grundstück des Beigeladenen noch die Hofstelle seiner Tochter, die von dort aus Landwirtschaft im Haupterwerb mit 900 Mutterschafen betrieb. Sie ist nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 18.03.2003 aus dem Dorfkern von Berghausen ausgesiedelt. Landwirtschaft im Nebenerwerb betreibt nach Auskunft seiner Tochter auch der Beigeladene selbst, welcher 6 ha Acker bewirtschafte und 40 Schafe halte. An der Betriebsstelle A-Straße befänden sich landwirtschaftliche Geräte wie Traktor und Heuwender. Nach Angaben von Vertretern der Antragsgegnerin ist auf dem Anwesen Hauptstraße X (xxxxxxx) noch bis 2003 Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieben worden. Die Tochter des Beigeladenen hat in der mündlichen Verhandlung weiter erklärt, ihr Cousin xxxxxxxxxxxxx betreibe von seinem Grundstück xxxxxxxxxxx aus im Nebenerwerb Schafhaltung. Diese Behauptung wird zwar vom Antragsteller zu 1. bestritten, zwischen den Beteiligten ist allerdings unstreitig, dass es noch landwirtschaftliche Wirtschaftsstellen im Dorfkern von Berghausen gibt und dass sich noch eine Reihe ehemaliger Hofstellen zur Wiederaufnahme von Landwirtschaft im Nebenerwerb eignen.

Aus alledem folgt die Zulässigkeit der planerischen Festsetzung MD, zumal Unsicherheit durch unterschiedliche Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in Bezug auf die Gebietseinstufung entstanden war (vgl. z. B. VG Gießen, U. v. 23.07.1999 - 8 E 1215/98 (2) -; B. v. 21.08.2002 - 1 G 1774/02 -; Hess. VGH, B. v. 01.10.2001 - 2 UZ 2794/99 -; B. v. 30.01.1998 - 14 TZ 2416/97 -; B. v. 30.05.2003 - 4 TG 2699/02 - dort wird von einer überplanungsbedürftigen Gemengelage gesprochen). Diese Unsicherheit brachte wiederum Unsicherheit über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einzelner Vorhaben mit sich, wie Vertreter der Antragsgegnerin berichteten.

Die Antragsgegnerin hat ferner das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB (jetzt § 1 Abs. 7 BauGB 2004) beachtet.

Das Abwägungsgebot verpflichtet den Träger der Bauleitplanung dazu, dass erstens eine Abwägung überhaupt stattfindet, zweitens in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, drittens weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt, noch viertens der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1969 - BVerwGE 34, 301 - seither ständige Rechtsprechung).

Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Die Kontrolle beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots auf die Frage, ob die Gemeinde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat.

Diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin beachtet. Es ist ihr weder im Abwägungsvorgang noch im Abwägungsergebnis ein Fehler unterlaufen.

Die planerische Abwägung der öffentlichen und privaten abwägungserheblichen Belange gegeneinander und untereinander ist nicht zu beanstanden. Sie orientiert sich an den Vorgaben des § 5 Abs. 1 BauNVO mit dem Ziel der Erhaltung bzw. Wiederbelebung dörflicher Strukturen. Die Antragsgegnerin hat sich eingehend mit den Anregungen der Antragsteller auseinandergesetzt (Bl. 84 - 90, 95 - 96 der Planaufstellungsunterlagen) und begründet, warum sie ihnen nicht gefolgt ist. Sie hat insbesondere das Gebäudepotential berücksichtigt, welches gerade für eine dörfliche Nutzungsmischung konzipiert sei und in keiner anderen Baugebietsart so je wieder entstehen könne. Die von den Antragstellern in den Vordergrund gestellte Lärm- und Geruchsbelästigung durch den Betrieb des Beigeladenen wurde von der Antragsgegnerin in die Abwägung eingestellt. Der Planbegründung und den den Antragstellern mitgeteilten Abwägungsüberlegungen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass sie nur dem Ziel zu dienen bestimmt sind, einen in einem allgemeinen Wohngebiet bzw. einem entsprechenden Gebiet gemäß § 34 Abs. 2 BauGB planungsrechtlich unzulässigen Schlachtbetrieb zu legalisieren, wie die Antragsteller meinen. Vielmehr hat die Antragsgegnerin mehrfach im Verlauf dieses Verfahrens darauf hingewiesen, dass der Betrieb des Beigeladenen nur nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zulässig ist, wenn er also handwerksmäßig unterhalb der Schwelle der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit geführt wird. Nach den von der Tochter des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Schlachtzahlen (an 3 Tagen wöchentlich jeweils etwa 3500 kg Lebendgewicht pro Tag) spricht manches dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Anhang 7.2 der 4. BImSchV).

Lässt die planerische Entscheidung für die Festsetzung eines Dorfgebiets Abwägungsfehler nicht erkennen und ist der Gebietscharakter damit geklärt, so ist der Betrieb des Beigeladenen im Plangebiet grundsätzlich bauplanungsrechtlich zulässig. Ob er den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 4 BauNVO genügt, insbesondere aber die Grenzen des § 15 Abs. 1 BauNVO nicht überschreitet, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Normenkontrollverfahrens, sondern wird von der Bauaufsicht des Lahn-Dill-Kreises zu prüfen sein, zumal das Baugenehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und in diesem Zusammenhang offene Fragen des Bestandsschutzes geklärt werden müssen (vgl. dazu bereits Hess. VGH, B. v. 30.05.2003 - 4 TG 2699/02 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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