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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 02.04.2003
Aktenzeichen: 3 N 528/01
Rechtsgebiete: BBauG 1960, BauGB, LSchVO


Vorschriften:

BBauG 1960 § 5 Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 4
BauGB § 1 Abs. 6
BauGB § 2 Abs. 4
LSchVO "Vog. - Hess. Spess." § 1
LSchVO "Vog. - Hess. Spess." § 3
VwGO § 47
§ 1 Abs. 2 LSchVO "Vogelsberg-Hess. Spessart" von 1975 nimmt neue Bebauungspläne nicht von der Geltung des Landschaftsschutzrechts aus.

Eine Justizvollzugsanstalt kann nicht in einem Regionalen Grünzug errichtet werden.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes URTEIL

3. Senat 3 N 528/01

Verkündet am: 2. April 2003

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Normenkontrolle der Aufhebung des Bebauungsplans "Nr. 15 Neidhof" (Justizvollzugsanstalt Schlüchtern)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

aufgrund der mündlichen Verhandlung am 2. April 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die im Jahre 2000 erfolgte Aufhebung des Bebauungsplans der Antragsgegnerin von 1984 "Nr. 15 Neidhof" mit der Festsetzung eines Sondergebiets für die bisher nicht errichtete Justizvollzugsanstalt (JVA) Schlüchtern.

Der Antragsteller erwarb mit Kaufvertrag vom 14. Dezember 1981 im Außenbereich und im Geltungsbereich der Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen in den Landkreisen Gießen, Main-Kinzig, Vogelsberg und Wetterau, "Landschaftsschutzgebiet Vogelsberg-Hessischer Spessart" (LSchVO) vom 31. Juli 1975 (StAnz. 1975, S. 1486) etwa 10 1/2 ha Grundflächen für die Errichtung einer Justizvollzugsanstalt. Unter IV des Kaufvertrags ist vereinbart, dass dem Antragsteller als Käufer ab 1. Januar 1984 das Recht zum Rücktritt vom Vertrage für den Fall zustehe, dass der Verwirklichung seines Bauvorhabens von diesem Zeitpunkt an planungsrechtliche Gründe entgegenstehen sollten.

Um das von den Beteiligten zunächst gemeinsam verfolgte Ziel der Errichtung einer JVA zu erreichen, stellte die Antragsgegnerin den Bebauungsplan "Nr. 15 Neidhof" mit der Festsetzung eines Sondergebiets für die JVA Schlüchtern auf. Der damals geltende Regionale Raumordnungsplan der früheren Regionalen Planungsgemeinschaft Untermain - RPU - (StAnz. 1979 S. 1286) hatte in dem streitbefangenen Bereich einen Regionalen Grünzug festgelegt. Das frühere Hessische Ministerium für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten (HMLULF) ließ mit Erlass vom 13. November 1981 (Bl. 52 GA) gemäß § 8 Abs. 3 des Hessischen Landesplanungsgesetzes (HLPG) i.d.F. vom 15. Oktober 1980 (GVBl. I S. 377) für den Bau und Betrieb der geplanten JVA eine Abweichung von dem als Teilplan fortgeltenden Regionalen Raumordnungsplan zu. Am Ende des genannten Erlasses (Bl. 55 GA) heißt es, durch die Abweichungserklärung werden u.a. Genehmigungen und sonstige Entscheidungen, die nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich sind, nicht berührt.

Im Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan "Nr. 15 Neidhof" von 1984 gab es mehrfach Stellungnahmen der damaligen oberen Naturschutzbehörde, der Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz (BFN) in Darmstadt, vom 24. Juli 1981 (Bl. 62 GA), vom 4. Mai 1983 (Bl. 64 GA), vom 6. Juni 1983, 26. August 1983 (Bl. 479 BA-Ordner I) und vom 28. Oktober 1983, in denen die Lage der JVA-Flächen im Landschaftsschutzgebiet als besonderes Problem angesprochen und eine entsprechende Teillöschung der Verordnung nicht in Aussicht gestellt wurde. In ihrer Stellungnahme vom 26. August 1983 (Bl. 479 BA Ordner I) verwies die frühere Bezirksdirektion dafür, dass der vorgesehene Eingriff nicht ausgleichbar sei, auf ein ökologisches Gutachten der Arbeitsgruppe Ökologie - Zoologisches Institut, Fachbereich Biologie - der J.W.-Goethe Universität Frankfurt vom 11. Februar 1983. Die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin fasste am 15. August 1983 den ersten Satzungsbeschluss über den Bebauungsplan "Nr. 15 Neidhof". Die Bedenken der früheren Bezirksdirektion wegen der Lage der vorgesehenen Bauflächen für die JVA im Landschaftsschutzgebiet wies die Stadtverordnetenversammlung unter Hinweis auf einen Erlass des Hessischen Ministers für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten vom 31. August 1982 (Bl. 197 GA) zurück, weil dort darauf hingewiesen werde, dass der Passus in Landschaftsschutzverordnungen, Flächen innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans im Sinne des § 30 BBauG seien nicht Bestandteil des Landschaftsschutzgebietes, nicht nur für bereits bestehende, sondern auch für zukünftige Bauleitpläne gelte, und so verhalte es sich rechtlich auch hier in Bezug auf die einschlägige Landschaftsschutzverordnung "Vogelsberg-Hessischer Spessart" von 1975.

Darüber hinaus befinden sich die geplanten JVA-Flächen im gemäß § 24 HForstG a.F. festgelegten Naturpark "Hessischer Spessart" in einem Regionalen Grünzug.

Im Genehmigungsverfahren nach § 11 BBauG beim Regierungspräsidium in Darmstadt ergaben sich Bedenken wegen eines als "Zweiter Bauabschnitt" der JVA vorgesehenen, etwa 3 ha großen Teilbereichs des Bebauungsplans. Daraufhin beschloss die Stadtverordnetenversammlung am 6. Februar 1984, ihren Satzungsbeschluss vom 15. August 1983 zu ändern und den "Zweiten Bauabschnitt" aus dem "Sondergebiet Justizvollzugsanstalt" herauszunehmen. Mit Verfügung vom 24. Februar 1984 genehmigte das Regierungspräsidium in Darmstadt (Bl. 524 BA Ordner I) den Bebauungsplan Nr. 15 mit der Auflage, entsprechend dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 6. Februar 1984 im Bebauungsplan anstelle des ursprünglich vorgesehenen 2. Bauabschnitts die Festsetzung einer "Fläche für die Forstwirtschaft" aufzunehmen. Ohne eine erneute Beschlussfassung der Stadtverordnetenversammlung wurde der Bebauungsplan Nr. 15 am 30. März 1984 im "Mitteilungsblatt für die Stadt Schlüchtern" öffentlich bekannt gemacht.

In dem durch Vergleich vom 18. Februar 1988 erledigten Normenkontrollverfahren einiger der geplanten JVA benachbarter Grundstückseigentümer beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof - 4 N 1140/84 - teilte das Hessische Ministerium der Justiz mit Schreiben vom 20. Januar 1988 (Bl. 84 GA) mit, durch Parlamentsbeschluss vom 19. Juli 1985 sei im Haushaltsplan des Landes Hessen von 1985 festgelegt worden, dass der Neubau einer JVA auf dem Gelände "Neidhof" in Schlüchtern nicht mehr verwirklicht werde. Die vom Land Hessen erworbenen Flächen seien bereits im Jahre 1986 in das "Allgemeine Grundvermögen" überführt worden. Die Maßnahme sei im Haushalt nicht mehr veranschlagt. Dem entspricht die Annonce in der Fuldaer Zeitung vom 30. März 1996 (Bl. 85 GA), wonach in Schlüchtern AufŽm Neidhof, land- und forstwirtschaftliche Flächen von 105.404 qm (ohne Erfolg) öffentlich zum Verkauf angeboten wurden.

Diese Umstände führten dazu, dass die JVA nicht in den Regionalen Raumordnungsplan Südhessen (RROPS) vom 9. März 1995 (StAnz. 1995, 1877) aufgenommen wurde, der dort in der Teilkarte 2 - Siedlung und Landschaft - 4.95 (ebenso wie der mit Beschluss der hessischen Landesregierung vom 14. November 2000 genehmigte und am 5. Februar 2001 - StAnz. 2001, 614 - veröffentlichte Regionalplan Südhessen <RPS> 2000) einen Regionalen Grünzug festlegt. Planziffer 3.2 "Regionale Grünzüge" des RROPS 1995 lautet:

"In der Karte 'Siedlung und Landschaft' sind Freiräume in Bereichen, die dicht besiedelt sind oder hohe Umweltbelastungen aufweisen, als Regionale Grünzüge ausgewiesen.

Die Regionalen Grünzüge sollen den Freiraum als Träger lebenswichtiger Funktionen von Boden, Wasser, Luft, Klima, Wald und Landschaft sichern. Sie dienen insbesondere der Erhaltung und Entwicklung von Naherholungsgebieten, dem Schutz des Wasserhaushaltes und der klimatischen Verhältnisse sowie der Gliederung der Siedlungsgebiete. In ihnen sollen Entwicklungsmaßnahmen zur Verbesserung der genannten Freiraumfunktionen vorgesehen werden.

In den Regionalen Grünzügen sind bauliche Anlagen nicht statthaft, die zu einer Zersiedlung, zu einer Beeinträchtigung der Gliederung von Siedlungsgebieten, des Wasserhaushaltes oder der Freiraumerholung oder zur Veränderung der klimatischen Verhältnisse führen können. Bauliche Anlagen im Sinne einer Besiedlung sind in den Regionalen Grünzügen nicht zulässig."

Am 22. September 1997 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin die "23. Änderung und umfassende Fortschreibung" ihres Flächennutzungsplans, die das Regierungspräsidium Darmstadt am 19. März 1998 genehmigte. Ein "Sondergebiet Justizvollzugsanstalt" ist dort nicht mehr dargestellt.

Anfang Februar 2000 informierte das Hessische Ministerium der Justiz die Antragsgegnerin darüber, dass das Land Hessen seine Rechte aus dem Bebauungsplan Nr. 15 wahrnehmen und eine JVA im Bereich "Neidhof" errichten wolle. Daraufhin beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin am 28. Februar 2000, sie lehne den Bau einer JVA ab, der Bebauungsplan Nr. 15 sei aufzuheben. Dieser Beschluss wurde im "Amtsblatt für die Stadt Schlüchtern" vom 3. März 2000 öffentlich bekannt gemacht. Am 7. April 2000 folgte in demselben Amtsblatt die Bekanntmachung eines weiteren Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 3. April 2000 über die öffentliche Auslegung des zur Aufhebung vorgesehenen Bebauungsplans Nr. 15 gemäß § 3 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 BauGB. In dem Beschluss heißt es weiter, aufgrund der stattgefundenen Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative am 23. Februar 2000 und der Bürgerproteste werde gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB auf die Beteiligung der Bürger an der Bauleitplanung verzichtet. Gleichwohl erfolgte aufgrund einer weiteren Bekanntmachung im städtischen Amtsblatt vom 14. April 2000 die Einladung zur öffentlichen Anhörung gemäß § 3 BauBG, die am 10. Mai 2000 stattfand. In dieser Zeit kam es im Zusammenhang mit der geplanten Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 15 von 1984 auch zu Beschlüssen über eine Veränderungssperre, die noch den früheren 2. Bauabschnitt einbezog.

Die Auslegung des Entwurfs des streitbefangenen Aufhebungsbebauungsplans erfolgte in der Zeit vom 26. Juni bis 28. Juli 2000. Am 25. September 2000 entschied die Stadtverordnetenversammlung über vorgebrachte Bedenken und Anregungen und fasste den Satzungsbeschluss über den streitbefangenen Bebauungsplan. Der entsprechenden Magistratsvorlage vom 13. September 2000 waren verschiedene Unterlagen beigefügt, darunter Stellungnahmen des Antragstellers vom 18. Mai 2000, vom 3. Juli und (zweimal) vom 26. Juli 2000 sowie Anregungen des Regierungspräsidiums Darmstadt ebenfalls vom 26. Juli 2000 sowie ein Rechtsgutachten des jetzigen Bevollmächtigten der Antragsgegnerin zur Frage der Rechtmäßigkeit einer isolierten Änderung des Bebauungsplans Nr. 15. Der am 25. September 2000 gefasste Satzungsbeschluss zur Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 15 wurde am 29. September 2000 im "Amtsblatt für die Stadt Schlüchtern" öffentlich bekannt gemacht.

Mit Bescheid vom 20. März 2001 (Bl. 100 GA) beanstandete das Regierungspräsidium Darmstadt gemäß den §§ 138, 141 b HGO den Satzungsbeschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 25. September 2000 über die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 15. Die Antragsgegnerin legte dagegen mit anwaltlichem Schreiben vom 28. März 2001 (Bl. 103 GA) Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist. Die Beteiligten des Beanstandungsverfahrens wollen den Ausgang des vorliegenden Normenkontrollverfahrens abwarten.

Der Antragsteller hat am 15. März 2001 einen Normenkontrollantrag gegen die am 25. September 2000 als Satzung beschlossene Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 15 gestellt. Der Antragsteller macht geltend, der Normenkontrollantrag sei zulässig. Es sei nicht so, dass die Antragsgegnerin im Jahre 2000 mit dem Bebauungsplan Nr. 15 von 1984 einen von Anfang an ungültigen Bebauungsplan für das Sondergebiet der JVA aufgehoben habe. Soweit die geplanten Bauflächen von damals bis heute im Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung "Vogelsberg-Hessischer Spessart" von 1975 liegen, was jetzt durch ein bereits eingeleitetes Teillöschungsverfahren geändert werden solle, habe dieser Umstand nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 15 von Anfang an geführt. Dies beruhe darauf, dass gemäß § 1 Abs. 2 der genannten Landschaftsschutzverordnung Flächen innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans im Sinne des § 30 BBauG nicht Bestandteile des Landschaftsschutzgebiets seien. Dies gelte trotz der Aufhebung des § 5 Abs. 6 BBauG 1960 auch für zukünftige Bebauungspläne, wozu der Antragsteller auf Rechtsprechung des OVG Koblenz und den genannten Erlass des HMLULF vom 31. August 1982 (Bl. 197 GA) verweist.

Zur Begründung macht er geltend, der streitbefangene Bebauungsplan sei nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt. Die 23. Änderung des Flächennutzungsplans vom 22. September 1997 sei unwirksam, da weder in den zeichnerischen Darstellungen noch im Erläuterungsbericht, dort auch nicht unter den aufgegebenen Planungen, die Herausnahme des "Sondergebiets Justizvollzugsanstalt" klargestellt worden sei.

Darüber hinaus hält der Antragsteller das Abwägungsgebot für verletzt. Mehrfache schwerwiegende Bedenken des Antragstellers gegen die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 15 seien im Rahmen der Abwägung nicht berücksichtigt worden. Die vorgebrachten Bedenken seien nicht argumentativ und qualifiziert zurückgewiesen worden. Die Antragsgegnerin habe sich nicht für die vorgetragenen Probleme des Strafvollzugs mit der angewachsenen Überbelegung der Strafanstalten in Hessen und die finanziellen Probleme des Landes interessiert. Die Antragsgegnerin habe sich auch nicht mit der ausführlichen Begründung des früheren Bebauungsplans Nr. 15 befasst. Die Argumente des Antragstellers zur landschaftlichen Einbindung der JVA, zur Erhaltung der Erholungsfunktion des Gebiets und zur Landschaftsverträglichkeit seien nicht gewürdigt worden. Dasselbe gelte für die positiven Auswirkungen einer JVA auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Schließlich verweist der Antragsteller die Antragsgegnerin auf das kaufvertraglich vereinbarte Rücktrittsrecht für den Fall, dass der Verwirklichung des Bauvorhabens JVA ab 1. Januar 1984 planungsrechtliche Gründe entgegenstehen sollten.

Der Antragsteller beantragt,

die am 25. September 2000 von der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin als Satzung beschlossene Aufhebung des rechtskräftigen Bebauungsplans "Nr. 15 Neidhof" (Justizvollzugsanstalt Schlüchtern) für nichtig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Sie hält den Antrag schon für unzulässig, auch wenn der Antragsteller Eigentümer der streitbefangenen Grundstücke sei. Da die Genehmigung des Bebauungsplans Nr. 15 mit einer Auflage versehen worden sei, ohne dass die Stadtverordnetenversammlung einen entsprechenden Beitrittsbeschluss gefasst habe, sei der Bebauungsplan Nr. 15 von 1984 von Anfang an unwirksam. Auch eine Herausnahme der Planflächen aus der einschlägigen Landschaftsschutzverordnung sei nicht entbehrlich gewesen. Mithin beschwere die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 15 den Antragsteller nicht. Von Anfang an bis heute sei er lediglich Grundeigentümer von Flächen im Außenbereich, woran sich durch die formelle Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 15 rechtlich nichts geändert habe.

Sofern der Antragsteller seine Antragsbefugnis nicht aus dem Grundeigentum, sondern aus seiner Eigenschaft als Behörde herleite, fehle ihm gleichwohl das Rechtsschutzinteresse. Es liege nur vor, wenn die Behörde im Rahmen der Wahrnehmung der ihr zugewiesenen öffentlichen Aufgaben die betreffende Rechtsnorm anzuwenden habe. Dies sei bei dem streitbefangenen Bebauungsplan nicht der Fall.

Im Übrigen sei der Normenkontrollantrag nicht begründet. Ein Verstoß gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauBG liege nicht vor. Die 23. Änderung des Flächennutzungsplans sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsteller habe durch Haushaltsbeschlüsse des Landtags und das Verkaufsangebot der betreffenden Grundstücke zu erkennen gegeben, dass er an der Errichtung der JVA kein Interesse mehr habe. Mithin sei der Standort auch in den Regionalen Raumordnungsplan Südhessen von 1995 nicht mehr aufgenommen worden.

Das Abwägungsgebot sei ebenfalls nicht verletzt. Die Stadtverordnetenversammlung habe bereits in ihrer Sitzung vom 3. April 2000 die Gründe für eine Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 15 ausführlich dargelegt und ausgeführt, die Bebauung des Neidhofs solle zur Sicherung des Biotopschutzes, der Naherholung und der Landwirtschaft unterbleiben. Eine spezielle weitere Auseinandersetzung mit den bereits bekannten Argumenten des Antragstellers sei nicht erforderlich gewesen. Im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses seien in der Stadtverordnetenversammlung die Einwände des Antragstellers in schriftlicher Form und das Rechtsgutachten des jetzigen Bevollmächtigten der Antragsgegnerin, das sich mit den verfahrensrechtlichen Argumenten des Antragstellers auseinandersetze, bekannt gewesen.

Dem Senat liegen die Gerichtsakte des erledigten Normenkontrollverfahrens 4 N 1140/84 beim Hess. VGH und 4 Ordner bauleitplanerische Aufstellungsunterlagen der Antragsgegnerin vor, die den Bebauungsplan Nr. 15 von 1984, die 23. Änderung des Flächennutzungsplans von 1997 und den streitbefangenen Bebauungsplan betreffen. Auf den Inhalt dieser Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind, wird ebenso wie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist nach § 47 Abs. 2 VwGO statthaft. Die nach § 2 Abs. 4 BauGB als Satzung erlasse Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 15 von 1984 ist der abstrakten Normenkontrolle zugänglich.

Es kann offen bleiben, ob der Normenkontrollantrag auch sonst zulässig ist.

Allerdings kann der Antragsteller als Behörde hier zulässigerweise keinen Normenkontrollantrag stellen. Er braucht dazu zwar keine subjektive Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1, 1. HS VwGO geltend zu machen, ihm muss aber das allgemeine Rechtsschutzinteresse zur Seite stehen, das insoweit fehlt. Es wäre dann gegeben, wenn die Behörde die betreffende Rechtsnorm im Rahmen der Wahrnehmung der ihr zugewiesenen öffentlichen Aufgaben anzuwenden hat (vgl. BVerwG NVwZ 1989, 654 und 1990, 57). Die in Rede stehende Norm muss im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Behörde gelten. Die Antragsgegnerin bestreitet dies zu Recht und macht zutreffenderweise geltend, der Antragsteller habe den streitbefangenen Bebauungsplan bei der Bewältigung der ihm zugewiesenen öffentlichen Aufgaben nicht anzuwenden. Einen Bebauungsplan, der einen früheren Bebauungsplan aufhebt, kann im eigentlichen Sinne niemand "anwenden", allenfalls im Sinne einer feststellenden neuen Tatsache mit Tatbestandswirkung rechtlich beachten.

Der Antragsteller kann aber als Grundstückseigentümer geltend machen, durch die Aufhebung des früheren Bebauungsplans Nr. 15 in eigenen Rechten verletzt zu sein, weil ihm dadurch nach seinem Vorbringen unter Verletzung seines Rechts auf gerechte Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB ein bislang bestehendes Baurecht für eine JVA in Schlüchtern entzogen worden ist. Beeinträchtigende Planbestimmungen schließen die bauliche Nutzbarkeit aus, da wieder Außenbereich entsteht, wo nach § 35 BauGB eine JVA nicht errichtet werden darf. An sich ist eine mögliche Rechtsverletzung des Antragstellers in Ansehung der von ihm vorgetragenen Gründe nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen, gleichwohl ist es nicht zweifelsfrei, ob Rechtspositionen des Antragstellers insoweit tatsächlich "durch" den angefochtenen Bebauungsplan beeinträchtigt werden können und ihm insoweit das allgemeine Rechtsschutzinteresse zusteht, was die Rechtswirksamkeit des früheren Bebauungsplans voraussetzt.

Der Bebauungsplan Nr. 15 von 1984 war, soweit er von dem streitbefangenen Aufhebungsplan betroffen ist, nicht deshalb von Anfang an bereits unwirksam oder nichtig, weil das Regierungspräsidium in Darmstadt den Bebauungsplan Nr. 15 mit Verfügung vom 24. Februar 1984 unter einer Auflage genehmigte und die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin bis zur öffentlichen Bekanntmachung der Genehmigung am 30. März 1984 keinen entsprechenden Beitrittsbeschluss mehr gefasst hat. Dieser war jedenfalls insoweit nicht erforderlich, als die Auflage entsprechend einem vorangegangenen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 6. Februar 1984 eine Sonderbaufläche für einen 2. Bauabschnitt der JVA nicht festsetzt. Allenfalls für den zweiten Teil der Auflage, anstelle des 2. Bauabschnitts dort eine Fläche für die Forstwirtschaft "aufzunehmen", kann fraglich sein, ob dies bereits vom Beschlusswillen der Stadtverordnetenversammlung umfasst war, nach dem der vorhandene Waldbestand erhalten und die Nutzung gegenüber dem derzeitigen Zustand unverändert bleiben sollte. Dem Inhalt, weniger der rechtlichen Form nach, kann darin, wozu der Senat neigt, bereits der dokumentierte Festsetzungswille für eine Fläche für die Forstwirtschaft gesehen werden. Im Ergebnis kann diese Frage jedoch offenbleiben, da, sollte es an einem rechtlich notwendigen Beitrittsbeschluss fehlen, dies nur den nördlich des 1. Bauabschnitts gelegenen 2. Bauabschnitt betreffen würde, für den dann eine rechtlich beachtliche Festsetzung nach § 9 BBauG im Bebauungsplan Nr. 15 fehlen würde, insoweit also nur eine für den vorliegenden Fall unbeachtliche Teilunwirksamkeit des früheren Bebauungsplans vorläge, denn die hier streitbefangene Aufhebungssatzung bezieht sich nicht auf den früher vorgesehenen 2. Bauabschnitt.

Der Bebauungsplan Nr. 15 von 1984 ist auch nicht von Anfang an unwirksam oder nichtig, weil die festgesetzten Sonderbauflächen für die JVA von damals bis heute im Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung "Vogelsberg - Hessischer Spessart" von 1975 liegen. Eine landschaftsschutzrechtliche Genehmigung oder Befreiung für die Errichtung der JVA nicht vorlag und von der dafür zuständigen Behörde auch zu keiner Zeit in Aussicht gestellt worden ist.

Allerdings hat der bauliche Eingriffe zulassende Bebauungsplan Nr. 15 von 1984 die auf den Schutz der vorfindlichen Naturbestände gerichteten Bestimmungen der genannten Landschaftsschutzverordnung von 1975 nicht automatisch verdrängt, wie der Antragsteller meint. Der Auffassung des Antragstellers ist nicht zu folgen, soweit er unter Hinweis auf zwei Entscheidungen des OVG Koblenz vom 28. Januar 1987, NuR 1987, 231 und 18. September 2002, DVBl. 2003, 82 geltend macht, dass auch Bauflächen neuer Bebauungspläne nicht Bestandteil des Landschaftsschutzgebiets seien, wenn die Verordnung, wie in hier in § 1 Abs. 2 LSchVO, nach § 30 BBauG bzw. BauGB qualifiziert beplante Flächen nicht als Bestandteile des Landschaftsschutzgebiets bezeichne, und er dazu auf einen Erlass des HMLULF vom 31. August 1982 (Bl. 197 GA) und ihm folgend die gemeindliche Zurückweisung (Bl. 293, 302 BA - Ordner I -) der Bedenken der früheren Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in Darmstadt in deren Schreiben vom 4. Mai 1993 (Bl. 64 GA) verweist. Nach Ansicht des Antragstellers gilt die automatische Zurückweichung der Regelungen der Landschaftsschutzverordnung gegenüber den Festsetzungen neu hinzutretender Bebauungspläne entgegen dem Urteil des Hess. VGH vom 27. Juli 1988 - 3 UE 1870/84 - ESVGH 38, 310, bestätigt durch BVerwG, B. v. 28. November 1988 - 4 B 212.88 - NVwZ 1989, 662 = UPR 1989, 112 zur insoweit gleichlautenden Landschaftsschutzverordnung "Taunus" vom 20. Januar 1976 (StAnz. S. 294) und unabhängig von der ab 1. Januar 1979 geltenden Aufhebung des § 5 Abs. 6 BBauG 1960. Diese Regelung bestimmte, dass, soweit dies für die städtebauliche Entwicklung der Gemeinde erforderlich war und nicht überwiegende Belange des Natur- und Landschaftsschutzes entgegenstehen, bauleitplanerische Nutzungsregelungen getroffen werden konnten, und landschaftsschutzrechtliche Bestimmungen bei Inkrafttreten eines Bebauungsplans insoweit außer Kraft traten, als sie der Durchführung des Bebauungsplans entgegenstehen.

An der im VGH-Urteil vom 27. Juli 1988 (a.a.O.) vertretenen Auffassung ist entgegen der Rechtsprechung des OVG Koblenz festzuhalten. Ein automatisches Zurückweichen der Bestimmungen einer Landschaftsschutzverordnung gegenüber neuen Bebauungsplänen ohne jede Einschränkung fiele noch hinter die Anforderungen des § 5 Abs. 6 Satz 1 BBauG 1960 zurück, weil es dort noch auf die Erforderlichkeit für die Entwicklung der Gemeinde und eine Abwägung mit den Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes ankam. Es ist entstehungsgeschichtlich nichts dafür ersichtlich, dass der Verordnungsgeber der Landschaftsschutzverordnung "Vogelsberg - Hessischer Spessart" im Jahre 1975 angesichts des tatbestandlich speziell beschriebenen Abwägungsvorrangs bauleitplanerischer Festsetzungen im Einzelfall darüber hinaus eine generelle Entwehrung der gerade durch spezielle Verordnungen befestigten landschaftsschutzrechtlichen Belange im Blick hatte. Dass das Landschaftsschutzrecht nach Aufhebung der Rückweichklausel des § 5 Abs. 6 BBauG 1960 am 1. Januar 1979 eine zusätzliche rechtliche Befestigung und Immunität gegenüber naturschädigende Eingriffe zulassenden bauleitplanerischen Festsetzungen erfuhr, beruht auf dem Willen des Bundesgesetzgebers, nach den Jahrzehnten des Wiederaufbaus den Natur- und Landschaftsschutz zu stärken, wie dies bereits durch das am 23.12.1976 in Kraft getretene Bundesnaturschutzgesetz geschehen war. Bei alledem handelt es sich bei dem vom Antragsteller befürworteten Zurückweichen des Landschaftsschutzrechts nach § 1 Abs. 2 LSchVO "Vogelsberg - Hessischer Spessart" von 1975 gegenüber qualifiziert beplanten Flächen nach § 30 BBauG bzw. BauGB um eine landesrechtliche Frage, die der Senat in einem Parallelfall bereits entschieden hat, ohne dass wesentliche neue Gesichtspunkte erkennbar geworden sind. Die Staatspraxis in Hessen hat sich seit vielen Jahren darauf eingestellt und den Städten und Gemeinden durch mehrfache landschaftsschutzrechtliche Änderungsverordnungen im Wege der sogenannten Innenabgrenzung bauleitplanerische Entwicklungsmöglichkeiten geschaffen.

Im vorliegenden Fall ist auch keine landschaftsschutzrechtliche Genehmigung oder Befreiung mit Tatbestandswirkung ergangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.01.2003 - 4 C 14.01 -) und auch nicht in Aussicht gestellt worden, was mit der Folge zu berücksichtigen wäre, dass der Bebauungsplan Nr. 15 nicht wegen entgegenstehenden Landschaftsschutzrechts von Anfang an unwirksam gewesen ist.

Im Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans Nr. 15 von 1984 finden sich keine genügenden Anhaltspunkte für die Inaussichtstellung einer landschaftsschutzrechtlichen Genehmigung oder Befreiung. So ist mit dem Bescheid des HMLULF von 13. November 1981 (Bl. 52 GA) über die Abweichung vom früheren Regionalen Raumordnungsplan der RPU von 1979 auf der Ebene des Regionalen Raumordnungsplans nicht zugleich über die landschaftsschutzrechtliche Zulässigkeit des JVA-Vorhabens in Schlüchtern vorentschieden worden. Dies ist auch deshalb nicht der Fall, weil in dem Regionalen Raumordnungsplan ein Landschaftsrahmenplan integriert worden ist. Gegen eine landschaftsschutzrechtliche Zulässigkeitsentscheidung spricht, dass die Mehrheit der damals planerisch tätigen Akteure, darunter das HMLULF in seinem Erlass vom 31. August 1982 (Bl. 197 GA) selbst, von einem automatischen Zurückweichen der landschaftsschutzrechtlichen Vorschriften ausging und eine landschaftsschutzrechtliche Genehmigung oder Befreiung nicht für erforderlich hielt. Im Übrigen wird am Ende des Abweichungsbescheids vom 13. November 1981 (Bl. 52 GA) ausdrücklich erklärt, dass die regionalplanerische Abweichung andere Genehmigungen oder sonstige Entscheidungen nach anderen Rechtsvorschriften nicht entbehrlich mache oder gar ersetzen wolle.

An der auf der einschlägigen Verordnung von 1975 beruhenden landschaftsschutzrechtlichen Ausgangslage hat sich auch nicht dadurch etwas geändert, dass die frühere Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz als gemäß § 4 Abs. 3 HeNatG 1981 bei Bebauungsplänen gesondert anzuhörende Behörde ausweislich ihrer (als Anlage 6 in der Zusammenstellung der "BI keine JVA auf dem Neidhof in Schlüchtern" befindlichen) Stellungnahme vom 28. Oktober 1983 durch Weisung des HMLULF vom 18. Oktober 1983 angehalten wurde, ihre grundsätzlichen Bedenken gegen das Vorhaben JVA zurückzustellen, was in der Sache geschah. Die Inaussichtstellung einer landschaftsschutzrechtlichen Zulassung des Vorhabens war damit aber nicht verbunden, zumal die Bezirksdirektion nun entgegen früheren Stellungnahmen unter Nr. 5 ihres Schreibens vom 28. Oktober 1983 an das Regierungspräsidium Darmstadt ebenfalls (weisungsgemäß?) davon ausging, dass durch den Bebauungsplan Nr. 15 der Landschaftsschutz für den betreffenden Bereich außer Kraft gesetzt werde.

Auf den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 15 von 1984 wirkt es sich rechtlich nicht aus, dass der Landschaftsschutz jetzt im Jahre 2003 durch ein in Gang gesetztes Teillöschungsverfahren für den Bereich der JVA Neidhof aufgehoben werden soll.

Gleichwohl ist der Normenkontrollantrag der Antragsteller aufgrund der Fortgeltung der Landschaftsschutzverordnung "Vogelsberg - Hessischer Spessart" von 1975 für den Bereich der vorgesehenen JVA-Flächen im Neidhof nicht von vornherein mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil etwa bei Vorrang der Landschaftsschutzverordnung von 1975 gegenüber dem Bebauungsplan Nr. 15 von 1984 der im Streit befangene Aufhebungsbebauungsplan aus dem Jahre 2000 keine zusätzliche Rechtsbeeinträchtigung zu Lasten des Antragstellers mit sich brächte und er seine Rechtsposition durch einen Erfolg in diesem Normenkontrollverfahren nicht verbessern könnte. Das beruht darauf, dass die einschlägige Landschaftsschutzverordnung von 1975 dem die Errichtung einer JVA zulassenden Bebauungsplan von 1984 möglicherweise deshalb nicht entgegensteht, ohne dass dies im Rahmen des vorliegenden Normenkontrollverfahrens abschließend entschieden werden kann und muss, weil gemäß § 3 Abs. 6 Satz 2 LSchVO ein unmittelbarer landschaftsschutzrechtlicher Genehmigungsanspruch für die Errichtung einer JVA bestehen kann. Nach dieser Vorschrift muss die Genehmigung auch erteilt werden, wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls dies erfordern. Nach § 5 Abs. 1 LSchVO wäre Genehmigungsbehörde die Untere Naturschutzbehörde (UNB). Der Main-Kinzig-Kreis, der Träger der UNB, hatte als Träger öffentlicher Belange unter dem 12. April 1983 (Bl. 394 BA Ordner I), ohne konkret auf die Lage der geplanten JVA-Flächen im Landschaftsschutzgebiet einzugehen, eine nicht ablehnende Stellungnahme zum Bebauungsplanentwurf Nr. 15 abgegeben. Mit Schreiben vom 17. Mai 1983 (Bl. 246 BA Ordner I) leitete die UNB das Devolutionsverfahren ein und beantragte eine Weisung der früheren Bezirksdirektion als obere Naturschutzbehörde gemäß § 34 Abs. 3 HENatG 1981. Die Weisung der Bezirksdirektion erging unter dem 26. August 1983 (Bl. 479 BA Ordner I) dahin, dem Vorhaben könne nicht zugestimmt werden und die Stellungnahme der UNB vom 12. April 1983 sei zurückzuziehen. Damit liegt kein Fall vor, wie er dem Urteil des BVerwG vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 - DVBl. 2003, 797 entspricht, wonach eine Bauleitplanung auf Flächen, die im Geltungsbereich einer Landschaftsschutzverordnung einem naturschutzrechtlichen Bauverbot unterliegen, nicht an § 1 Abs. 3 oder § 6 Abs 2 BauGB scheitert, wenn eine Befreiung von dem Bauverbot in Betracht kommt, wofür die Stellungnahme der zuständigen Naturschutzbehörde ein wichtiges Indiz sei.

Ob für die Errichtung der JVA im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan Nr. 15 von 1984 ein zwingender Genehmigungsanspruch nach § 3 Abs. 6 Satz 2 LSchVO bestand oder nicht, hätte weiterer Aufklärung bedurft, wenn es darauf ankäme, was nicht der Fall ist. Insoweit sei nur darauf hingewiesen, dass die frühere Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz sich seit ihrer ersten Stellungnahme vom 24. Juli 1981 mehrfach gerade wegen der Lage der geplanten JVA-Flächen im Landschaftsschutzgebiet gegen das Vorhaben gewendet und sich dabei auf das Ökologische Gutachten des Zoologischen Instituts vom Fachbereich Biologie der J. W. Goethe-Universität Frankfurt am Main vom 11. Februar 1983 gestützt hatte. Im Hinblick darauf, dass hessenweit gesehen eine JVA nicht zwingend in einem hochwertigen Landschaftsschutzgebiet liegen muss, ist trotz des vom Land bereits 1981 getätigten Grunderwerbs, trotz der geltend gemachten damaligen Überbelegung der hessischen Gefängnisse und der im damaligen Zonenrandgebiet erwartbaren und besonders benötigten Arbeitsplätze davon auszugehen, dass ein zwingender landschaftsschutzrechtlicher Genehmigungsanspruch für den JVA-Komplex auf mehr als 10 ha Fläche nicht ohne Weiteres gegeben ist, aber auch nicht von vornherein auszuschließen war, womit die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags insoweit offenbleibt. Nur am Rande sei noch darauf hingewiesen, dass das im Jahre 2003 in Gang gesetzte landschaftsschutzrechtliche Teillöschungsverfahren für die Verordnung im Bereich der JVA Neidhof ein Beleg dafür ist, dass auch heute noch von den fachlich kompetenten Naturschutzbehörden selbst ein direkter Genehmigungsanspruch nach § 3 Abs. 6 Satz 2 LSchVO nicht bejaht wird, was alles in allem eher für die Unzulässigkeit des Normenkontrollantrags sprechen mag, ohne dass dies abschließend entschieden werden muss.

Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.

Der streitbefangene Bebauungsplan von 2000 scheitert nicht am Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB, wonach Bebauungspläne aus dem (wirksamen) Flächennutzungsplan zu entwickeln sind. Es ist entgegen der Ansicht des Antragstellers unbeachtlich, ob die 23. Änderung des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin von 1998 wegen eines Abwägungsfehlers in Bezug auf die deutliche Erkennbarkeit der Herausnahme der JVA aus dem Flächennutzungsplan unwirksam ist oder nicht. Einer bei Unwirksamkeit der 23. Änderung rechtlich wieder auflebenden Darstellung eines Sondergebiets JVA im 1983/84 parallel geänderten früheren Flächennutzungsplans käme keine Bindungswirkung im Sinne des Entwicklungsgebots des § 8 BauGB zu, da der Flächennutzungsplan seinerseits wegen der seit 1995 bis heute bestehenden regionalplanerischen Festlegung eines Regionalen Grünzugs ohne JVA seinerseits an den RROPS 1995 wie den Regionalplan Südhessen 2000 gemäß § 1 Abs. 4 BauGB anzupassen gewesen wäre (vgl. BVerwG, U. v. 30.01. 2003 - 4 CN 14.01 - DVBl. 2003, 733). Dabei ist davon auszugehen, dass die Abweichung vom RROP der RPU vom 13. November 1981, wo ebenfalls ein Regionaler Grünzug festgelegt war, in Bezug auf die neuen Regionalen Raumordnungspläne von 1995 und 2000 nicht mehr wirksam ist. Neue Abweichungsverfahren und -bescheide zugunsten der JVA Schlüchtern hat es insoweit nicht mehr gegeben, zumal der Antragsteller selbst die JVA über Jahre hinweg nicht mehr verwirklichen wollte.

Das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB ist nicht verletzt. Gemäß § 214 Abs. 3 ist für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bauleitplan maßgebend. Mängel im Abwägungsvorgang sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.

Soweit der Antragsteller vorträgt, die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin habe sich beim Satzungsbeschluss vom 25. September 2000 nicht für die zuletzt vorgetragenen Probleme des Strafvollzugs mit der angewachsenen Überbelegung der Strafanstalten in Hessen und die finanziellen Probleme des Landes interessiert, ist davon auszugehen, dass sämtliche Stellungnahmen des Antragstellers im Planaufstellungsverfahren und bezogen auf die 23. Änderung des Flächennutzungsplans von 1998, das sind die Stellungnahmen des Landes vom 18. Mai 2000, vom 3. Juli und (zweimal) vom 26. Juli 2000 sowie die Anregungen des Regierungspräsidiums Darmstadt ebenfalls vom 26. Juli 2000, der Stadtverordnetenversammlung bei der Zurückweisung der Anregungen und dem Satzungsbeschluss vom 25. September 2000 vorlagen, ebenso das Rechtsgutachten des jetzigen Bevollmächtigten der Antragsgegnerin zur Frage der Rechtmäßigkeit einer isolierten Änderung des Bebauungsplans Nr. 15. Dem Antragsteller ist zuzugeben, dass sich die Antragsgegnerin verbal-argumentativ nicht mehr ausdrücklich mit den zuletzt geltend gemachten Strafvollzugsproblemen in Hessen und der Finanzlage des Landes befasst, sondern sich im Wesentlichen auf ihren ausführlicher begründeten Stadtverordnetenbeschluss vom 3. April 2000 und eine öffentlich bekanntgemachte Begründung vom 13. Juni 2000 bezogen hat. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass bei der Aufhebung eines ein Großvorhaben wie eine JVA betreffenden Bebauungsplans die Hauptargumente des Antragstellers wie die Erforderlichkeit von Haftplätzen in Hessen und die Finanzlage des Landes bekannt gewesen und in die Abwägung eingestellt worden sind. Wie bei der gebotenen Beachtung des rechtlichen Gehörs ist nicht auf sämtliche vorgetragenen Gesichtspunkte, die im Übrigen auch schon bei der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 15 von 1984 eine Rolle spielten, im Einzelnen näher einzugehen. Angesichts der Zielfestlegung "Regionaler Grünzug" im RROPS 1995 unter Planziffer 3.2 mit dem Inhalt, zur Zersiedlung beitragende bauliche Anlagen in einem solchen Grünzug nicht zuzulassen, ist im Übrigen davon auszugehen, dass eventuelle Abwägungsfehler bezüglich der vorgebrachten Anregungen des Antragstellers im Einzelnen auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB).

Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB war die Antragsgegnerin gehalten, ihre Bauleitplanung, darunter den Bebauungsplan Nr. 15 von 1984, den Zielen des RROP-S von 1995 anzupassen, wie dies mit der 23. Änderung des Flächennutzungsplans von 1998 mit Genehmigung des Regierungspräsidiums Darmstadt, einer Landesbehörde, bereits geschehen war und mit dem streitbefangenen Aufhebungsbebauungsplan aus dem Jahre 2000 beanstandungsfrei fortgesetzt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO sowie § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO entsprechend.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Vermerk: Streitwert 100.000,00 €

Ende der Entscheidung

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