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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 10.10.2005
Aktenzeichen: 3 N 710/05
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 7
Es ist kein Abwägungsfehler, in einem Bebauungsplan für ein neues Stadtviertel (hier: Bad Vilbel, Dortelweil-West) im Anschluss an eingeschossige Reihenhausgruppen an der Hauptsammelstraße als markantes Rückgrat des Stadtviertels Geschosswohnungsbau mit zwingend festgesetzten drei Vollgeschossen vorzusehen.

Es ist nicht abwägungsfehlerhaft, in einem Änderungsbebauungsplan die maximal zulässige Traufhöhe zu erhöhen, um behindertengerechte Wohnungen mit ebenerdigem Zugang zu ermöglichen.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 3 N 710/05

verkündet am 10. Oktober 2005

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Normenkontrolle des Bebauungsplans "Dortelweil-West" der Stadt A-Stadt, 7. Änderung hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, als Berichterstatter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Normenkontrollanträge werden abgelehnt.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu je 1/3 zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich im Wege der Normenkontrolle gegen die 7. Änderung des Bebauungsplans "Dortelweil-West". Die Antragsteller sind Eigentümer bzw. Miteigentümer von mit Reihenhäusern bebauten Grundstücken im Plangebiet des ursprünglichen Bebauungsplans "Dortelweil-West" von 1995, der südlich der Friedberger Straße die Errichtung eines neuen Stadtteils ermöglichte. Die durch den streitbefangenen Bebauungsplan abgeänderte 6. Änderung stammt aus dem Jahre 2003. Der Aufstellungsbeschluss für die 7. Änderung ist am 18. November 2003 gefasst und am 16. Dezember 2003 ergänzt worden, seine öffentliche Bekanntmachung ist am 18. März 2004 in der "Frankfurter Neuen Presse" erfolgt. Der Entwurf der 7. Änderung lag in der Zeit vom 5. Juli bis zum 6. August 2004 öffentlich aus. Dazu gingen Anregungen der Antragsteller zu 1. und 3. ein. Der Satzungsbeschluss über die 7. Änderung stammt vom 14. September 2004, die öffentliche Bekanntmachung in der "Frankfurter Neuen Presse" vom 5. Januar 2005.

Im streitbefangenen Bereich im westlichen Teil der Konrad-Adenauer-Allee als Hauptverkehrszug sah schon der ursprüngliche Bebauungsplan von 1995 in festgesetzten allgemeinen Wohngebieten beiderseits der genannten Allee dreigeschossigen Mehrfamilienwohnbau vor und in den Seitenstraßen, wo sich auch die Gebäude der Antragsteller befinden, eingeschossige Reihenhausbebauung. Die 6. Änderung von 2003 traf für die beiderseitige dreigeschossige Randbebauung am Hauptverkehrszug erstmals Bestimmungen über maximal 12 Wohneinheiten in jedem der betroffenen sieben Wohnblocks bei einer maximalen Traufhöhe von 9,60 m für drei dieser Gebäude südlich der Konrad-Adenauer-Allee und einer maximalen Traufhöhe von 6,60 m für vier Mehrfamiliengebäude nördlich dieser Straße. Streitgegenstand dieses Normenkontrollverfahrens ist im Wesentlichen die Heraufsetzung der Zahl der maximal zulässigen Wohneinheiten für die drei Wohnblocks südlich der Allee von 12 auf 16 und der hier maximal zulässigen Traufhöhe von 9,60 m auf 10,60 m sowie für die vier Blocks auf der nördlichen Seite von 6,60 m auf 7,60 m. Für die sieben Wohnblocks sind inzwischen sämtlich Baugenehmigungen des Wetteraukreises ergangen, gegen die die Antragsteller jeweils Widerspruch eingelegt haben, über den noch nicht entschieden worden ist. Die Antragsteller zu 1. und 3. fühlen sich insbesondere betroffen durch das mit Baugenehmigung vom 25. Februar 2005 genehmigte Geschosswohnungsgebäude Haus F mit 16 Wohneinheiten, darunter einer Behindertenwohnung mit ebenerdigem Eingang im "Kellergeschoss". Der Antragsteller zu 2. sieht sich besonders durch das mit Baugenehmigung vom 24. Februar 2005 mit 12 Wohneinheiten genehmigte Gebäude A beeinträchtigt.

Mit dem am 14. März 2005 gestellten Normenkontrollantrag wenden sich die Antragsteller gegen die gegenüber der 6. Änderung erhöhte bauliche Ausnutzung durch die 7. Änderung des Bebauungsplans. Sie werfen der Antragsgegnerin vor, mit ihrem erwerbswirtschaftlichen Bauträgergeschäft missbrauche sie ihre Planungshoheit, um Gewinne zu steigern. Sie habe sich mit der 7. Änderung ein maßgeschneidertes Bauplanungsrecht für ihre Bauträgerobjekte geschaffen und über nachbarliche Interessen hinweggesetzt. Die 7. Änderung sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Auch wenn die Anregungen aus der Bürgerschaft und das Prüfergebnis den Stadtverordneten im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses vorgelegen hätten, habe die Stadtverordnetenversammlung keinen Beschluss über die Anregungen der Bürgerschaft gefasst. Dies sei nur für die Anregungen der Träger öffentlicher Belange der Fall gewesen, wie sich aus im Einzelnen genannten Unterlagen ergebe. Mit der Erhöhung der Zahl der Wohneinheiten und der maximal zulässigen Traufhöhen würden abwägungsfehlerhaft riegelartige Häuserschluchten entstehen und die Reihenhäuser praktisch vor eine Mauer gestellt. Dies führe zu einer erheblichen Beeinträchtigung der nachbarlichen Privatsphäre, zumal die städtischen Hochbauten mit Fenstern und Balkonen versehen würden, die einen direkten Einblick auf und in die Reihenhäuser ermöglichten.

Die Antragsteller beantragen,

die am 14. September 2004 als Satzung genehmigte 7. Änderung des Bebauungsplans "Dortelweil-West" der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Normenkontrollanträge abzulehnen.

Sie erklärt, es sei zutreffend, dass sie seit einigen Jahren das Baugebiet in eigener Regie und Verantwortlichkeit errichte. Sie habe auch die dafür erforderlichen Grundstücke angekauft. Eine Gewinnerzielung stehe nicht im Vordergrund, die Verkaufserlöse flössen in das Baugebiet wieder ein. Sie habe eine entsprechende Infrastruktur geschaffen mit Kindergärten, einer Grundschule, öffentlichen Grünzügen sowie Sport- und Spielmöglichkeiten. Die jetzt maßgeblichen Ausnutzungsziffern der GRZ von 0,4, der GFZ von 1,2 sowie einer zwingenden dreigeschossigen Bebauung entlang der Konrad-Adenauer-Allee habe bereits der ursprüngliche Bebauungsplan enthalten, der ohne eine Begrenzung der Zahl der Wohneinheiten sowie der Traufhöhen sogar eine weit größere Ausnutzung zugelassen habe als jetzt die 7. Änderung. Entlang der Haupterschließungsstraße solle durch 7 Geschosswohnungsbauten eine markante städtebauliche Struktur geschaffen werden, auch um die im Abweichungsverfahren regionalplanerisch geforderte Bebauungsdichte von 45 Wohneinheiten pro Hektar zu erreichen. Die Steigerung der Zahl der Wohneinheiten in drei Geschossbauten südlich der Konrad-Adenauer-Allee von je 12 auf 16 sei aufgrund von Marktgegebenheiten geboten gewesen, um kleinere, bedarfsgerechte und besser veräußerbare Wohnungen anbieten zu können. Eine unzumutbare Zunahme des ruhenden Verkehrs sei damit nicht verbunden, zumal es im Plangebiet Reserveflächen gebe, um gegebenenfalls zusätzliche Parkdecks zu errichten. Die Heraufsetzung der Traufhöhen beiderseits der Hauptverkehrsstraße um je einen Meter sei besser geeignet, die Planungsvorgaben mit zwingend dreigeschossiger Bebauung durchzuführen. Bei den in der 6. Änderung festgesetzten Traufhöhen würden die erdgeschossigen Wohnungen sonst teilweise im Erdreich versinken. Für die drei Wohnblocks südlich der Hauptverkehrsstraße habe die Erhöhung der Traufhöhe um einen Meter auch damit zu tun, im unteren Geschoss jeweils eine Behindertenwohnung mit ebenerdigem Eingang herstellen zu können.

Formell sei die 7. Änderung des Bebauungsplans ordnungsgemäß zustande gekommen. Über die Anregungen aus der Bürgerschaft sei zusammen mit dem Satzungsbeschluss gemäß dem vorliegenden Prüfergebnis entschieden worden.

Der Berichterstatter hat zu Beweiszwecken eine Ortsbesichtigung in Dortelweil durchgeführt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Verhandlungsniederschrift vom 7. Oktober 2005 (Bl. 153 ff. der Gerichtsakte - GA -) Bezug genommen.

Dem Senat liegt ein Ordner Aufstellungsunterlagen für die streitbefangene Bauleitplanung vor, darunter Vorgänge zum Bebauungsplan von 1995, zur 6. Änderung von 2003 und zur 7. Änderung, jeweils mit den zugehörigen Plankarten. Darüber hinaus sind die Baugenehmigungen für den Geschosswohnungsbau Haus A, B und F beigezogen worden. Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf ihren Inhalt wird ebenso wie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 87 a Abs. 2 VwGO kann der Vorsitzende im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats entscheiden.

Die Normenkontrollanträge sind zulässig.

Sie sind statthaft. Die Antragsteller wenden sich im Wege der Normenkontrolle gegen eine Satzung, die nach § 10 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1997 (BGBl. I S. 2141, berichtigt BGBl. 1998, S. 137 i.V.m. § 233 Abs. 1 BauGB in der Fassung des EAGBau vom 24. Juli 2004 (BGBl. I S. 1359) erlassen worden ist und damit gegen eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, deren Gültigkeit von dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO überprüft werden kann.

Die Antragsteller sind antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach ist antragsbefugt, wer geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Antragsteller sind Eigentümer bzw. Miteigentümer von Grundstücken im Plangebiet des ursprünglichen Bebauungsplans "Dortelweil-West" von 1995, wenn auch nicht innerhalb des unmittelbar an der Konrad-Adenauer-Allee befindlichen Geltungsbereichs der 7. Änderung. Gleichwohl erscheint es möglich, dass die dort gegenüber der 6. Änderung zugelassene erhöhte bauliche Ausnutzung bei der Zahl der Wohneinheiten und der maximalen Traufhöhe zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung nachbarlicher Rechtspositionen der Antragsteller oberhalb der Geringfügigkeit führen kann, ohne dass dies ohne nähere rechtliche Prüfung von der Hand zu weisen ist. Darüber hinaus machen die Antragsteller eine Verletzung des drittschützenden Abwägungsgebots gemäß § 1 Abs. 6 BauGB (jetzt § 1 Abs. 7 BauGB 2004) geltend, wobei es ausreicht, wenn - wie hier - eine Rechtsverletzung wie bei der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO möglich erscheint und nicht von vornherein ausgeschlossen ist.

Die Normenkontrollanträge sind jedoch nicht begründet.

Zur Unwirksamkeit des streitbefangenen Bebauungsplans führende Verfahrensfehler liegen nicht vor. zwischen den Beteiligten ist unstreitig, wie dies im Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 154 GA) festgehalten worden ist, dass die Anregungen aus der Bürgerschaft und das zugehörige Prüfergebnis den Stadtverordneten bei der Sitzung am 14. September 2004, in der der Satzungsbeschluss gefasst worden ist, vorgelegen haben. Die endgültige Entscheidung über die Anregungen ist dabei mit der verbindlichen Entscheidung über den Bebauungsplan gefallen. Ein nach außen erkennbarer, vorhergehender zusätzlicher Beschluss über die Anregungen ist zulässig, aber bundesrechtlich nicht vorgeschrieben (vgl. BVerwGE 110, 118). Dies gilt auch dann, wenn nur über die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange eine vorhergehende isolierte Entscheidung getroffen worden sein sollte. Auch eine eventuelle ungenügende Protokollierung des tatsächlichen Geschehensablaufs ändert nichts daran, dass über die Anregungen aus der Bürgerschaft, darunter die der Antragsteller zu 1. und 3., hier abschließend zusammen mit dem Satzungsbeschluss zulässigerweise eine endgültige Entscheidung getroffen worden ist, die den betroffenen Antragstellern inzwischen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB auch mitgeteilt worden ist.

Die 7. Änderung hält auch in materiell-rechtlicher Hinsicht einer Überprüfung stand.

Der angegriffene Bebauungsplan verstößt nicht gegen das Gebot der Erforderlichkeit des § 1 Abs. 3 BauGB, wonach die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen haben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung erforderlich ist. An der Erforderlichkeit der Bauleitplanung fehlt es nur dann, wenn sie von keiner erkennbaren Konzeption getragen wird. Welche städtebaulichen Ziele sich die Gemeinde setzt, liegt in ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die "Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (vgl. BVerwG, B. v. 14.08.1996 - 4 NB 21.95 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 86). Ein Bebauungsplan ist im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich, soweit er nach der städtebaulichen Konzeption der Gemeinde vernünftigerweise geboten ist (BVerwG, U. v. 07.05.1971 - IV C 76.68 - BRS 24 Nr. 25). Bauleitpläne sind somit dann "erforderlich", wenn sie nach der planerischen Konzeption der Gemeinde als erforderlich angesehen werden können. Diese Konzeption (insbesondere im Sinne einer bewussten Städtebaupolitik) ist gerade Aufgabe der Gemeinde.

Die städtebaulichen Gründe für die Planung ergeben sich hier in ausreichendem Maße aus der Begründung zum Bebauungsplan. Insoweit wird auf Nr. 5.1 der Begründung und Erläuterung der Änderungen im Bereich der Konrad-Adenauer-Allee in vollem Umfang Bezug genommen. Danach soll die Verkleinerung der Wohneinheiten bei gleichzeitiger Erhöhung der zulässigen Anzahl auf 16 der Marktlage Rechnung tragen. Zugleich werde eine bessere Ausnutzbarkeit der betroffenen Grundstücke erreicht, da aufgrund der Topographie Souterrainwohnungen realisiert werden könnten. Der zusätzliche Stellplatzbedarf könne nachgewiesen werden. Mit der Erhöhung der zusätzlichen Traufhöhen um je 1 m solle u.a. verhindert werden, dass die Erdgeschosse teilweise im Erdreich versänken, indem ein kleiner Sockel ermöglicht werde. Zusätzlich ist im Verfahren vorgetragen worden, dass die größere Traufhöhe im westlichen Bereich auch dazu diene, im unteren Geschoss jeweils eine Behindertenwohnung mit einem ebenerdigen Eingang zu schaffen.

Diese städtebaulichen Zielsetzungen sind als hinreichender Planungsanlass nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hält sich damit im Rahmen der Grundsätze der Bauleitplanung, wie sie in § 1 Abs. 6 Nr. 2 und 3 BauGB niedergelegt sind. Mit dem Bezug zur Marktlage und möglichst günstigen Veräußerbarkeit berücksichtigt sie die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, mit dem Nebeneinander von marktfähigem Geschosswohnungsbau neben Einfamilien-Reihenhäusern schafft sie gemischte und damit sozial stabile Bewohnerstrukturen, wobei auch die Bedürfnisse von behinderten Menschen einbezogen worden sind. Mit einem wirtschaftlich sinnvollen Geschosswohnungsbau wird auch dem Gebot der Nachhaltigkeit des § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB Rechnung getragen. Es ist als vernünftigerweise geboten anzusehen, wenn die Antragsgegnerin, die nach ihren unwidersprochen gebliebenen Angaben in der mündlichen Verhandlung mit der Entwicklung des Stadtteils Dortelweil-West finanzielle Risiken in Millionenhöhe eingegangen ist, Möglichkeiten eines optimierten Geschosswohnungsbaus in topographisch ungünstiger Lage wegen schwierig einzuschätzender wechselnder Hanglagen nicht auslässt.

Die Antragsgegnerin hat auch das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB (jetzt § 1 Abs. 7 BauGB 2004) beachtet. Das Abwägungsgebot verpflichtet den Träger der Bauleitplanung dazu, im Rahmen seiner planenden Entscheidung sämtliche im Hinblick auf die konkrete Planungssituation relevanten öffentlichen und privaten Belange in seine Abwägung einzubeziehen, wobei die Bedeutung der betroffenen Belange weder verkannt werden noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise erfolgen darf, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des vorgenannten Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die planende Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurücksetzung des anderen Belangs entscheidet. Die Planungsbefugnis schließt Gestaltungsfreiheit ein; die Gestaltungsfreiheit wiederum umfasst verschiedene Elemente, insbesondere des Erkennens, des Bewertens und des Wollens. Innerhalb des vorbeschriebenen Rahmens ist das Vorziehen oder das Zurücksetzen bestimmter Belange, wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert, kein nachvollziehbarer Vorgang der Abwägung, sondern eine elementare planerische Entscheidung, die zum Ausdruck bringt, wie und in welche Richtung sich eine Gemeinde städtebaulich geordnet fortentwickeln will. Damit ist notwendig der Planungskontrolle der Verwaltungsgerichte eine enge Grenze gezogen (BVerwG, U. v. 12.12.1969 - 4 C 105.66 - BRS 22 Nr. 4; Hess. VGH, U. v. 08.07.2004 - 3 N 2094/03 -).

Soweit die Antragsteller den Eindruck erwecken, es stünde ihnen offen, im Rahmen ihres Vorgehens gegen die 7. Änderung noch einmal wesentliche Grundzüge der Planungskonzeption des Bebauungsplans Dortelweil-West mit einem bei zwingenden drei Vollgeschossen bis zu fünf Geschossen möglichen Geschosswohnungsbau an der Konrad-Adenauer-Allee als städtebaulich markante Einfassung des Hauptverkehrszugs in Frage zu stellen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass sie sich die maximale Ausnutzung der 6. Änderung als planerische und bei Durchführung der danach zulässigen Wohnblocks als optische Vorbelastung entgegenhalten lassen müssen. Sieht man von der Verschiebung der Baufenster südlich der Konrad-Adenauer-Allee um einen Meter in südliche Richtung und die ebenfalls nicht wesentlich ins Gewicht fallende Erweiterung der zulässigen Überschreitung der Baugrenzen durch Erker, Loggien und Balkone von bisher 0,50 m auf maximal die Hälfte der Länge jeder Fassadenseite auf bis zu 1,50 m auf maximal 2/3 der Länge jeder Fassadenseite ab, geht es bei der durch die 7. Änderung zugelassenen erhöhten baulichen Ausnutzung nur um jeweils vier zusätzliche Wohneinheiten in drei Geschosswohnungsbauten und in sieben dieser Gebäude um eine um je einen Meter erhöhte maximal zulässige Traufhöhe. Was die vom Antragsteller zu 1. in seiner Stellungnahme vom 4. August 2004 gerügte unangemessene Verdichtung mit sieben Wohnblocks und die von allen Antragstellern im Normenkontrollverfahren gerügte Riegelwirkung der Geschosswohnungsbauten anbelangt, sind diese Nachteile dem Grunde nach durch die 6. Änderung planerisch bereits angelegt und befestigt, ohne dass es auf den ursprünglichen Bebauungsplan 1995 insoweit noch entscheidend ankommt. Bereits die 6. Änderung beinhaltet die meisten der jetzt gegen die 7. Änderung geltend gemachten Nachteile für die jeweilige Nachbarschaft und die Antragsteller, sodass sich die gebotene gerechte Abwägung der privaten und öffentlichen Interessen nur noch auf die zusätzliche Spitze einer verhältnismäßig geringfügigen zusätzlichen Bauausnutzung beziehen konnte und musste. Dabei hat die Antragsgegnerin die Interessen der Antragsteller ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt und mit beanstandungsfreiem Ergebnis einer Abwägung unterzogen. Dass die Antragsgegnerin dabei zu einem anderen Ergebnis als dem von den Antragstellern gewünschten Ergebnis gekommen ist, stellt keinen Abwägungsfehler dar, wobei der Antragsteller zu 2. nicht einmal fristgerecht eine abwägungsbedürftige Stellungnahme eingereicht hat. Maßgeblich für die Frage, ob der Abwägungsvorgang fehlerfrei erfolgt ist, sind vor allem die Begründung des Bebauungsplans (hier die bereits in Bezug genommene Nr. 5.1) wie auch das den Antragstellern zu 1. und 3.mitgeteilte Ergebnis der Prüfung ihrer eingereichten Anregungen (vgl. Ordner, Anlage 8). Durch die Erhöhung der Zahl der Wohneinheiten und die Traufhöhe südlich der Konrad-Adenauer-Allee werden wesentliche Rechtspositionen der Antragsteller zu 1. und 3. nicht zusätzlich betroffen. Das Grundstück des Antragstellers zu 1. wird ohnehin durch das unmittelbar benachbarte Grundstück des Antragstellers zu 3. vom nächstgelegenen Geschosswohnungsbau des Hauses F abgeschirmt, der sich seinerseits im Norden beider Grundstücke befindet und deren Besonnung nicht beeinträchtigen kann. Soweit der Antragsteller zu 3. zum Wohnblock F hin zunächst seinen Hauseingang an der Querseite angelegt hat, fällt die gerügte zusätzliche Riegelwirkung nicht schwerwiegend ins Gewicht. Dasselbe gilt für die durch Baumbewuchs abgeschirmte Gartenseite. Eine um einen Meter erhöhte Traufhöhe macht bei einer bereits als Vorbelastung hinzunehmenden Höhe von 9,60 m keinen schwerwiegenden Unterschied mehr, der die von der Antragsgegnerin vorgetragenen öffentlichen Interessen überwöge. Soweit der Antragsteller zu 3. in seiner Stellungnahme vom 6. August 2004 einen ebenerdigen Zugang der Behindertenwohnungen nicht für erforderlich und statt der Barrierefreiheit Rampen und Aufzüge für möglich hielt, war die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung nicht gehalten, sich darauf einzulassen. Sie durfte die Ermöglichung eines barrierefreien, ebenerdigen Eingangs im Ergebnis vorziehen und bei der auch damit in Verbindung stehenden Erhöhung der Traufhöhe berücksichtigen.

Was den erhöhten Fahrzeugverkehr anbelangt, der durch die Erhöhung der Wohneinheiten von 36 auf 48 in drei Wohnblocks erwartbar ist, ist nicht davon auszugehen, dass die in einer verhältnismäßig ruhigen Seitenstraße wohnenden Antragsteller zu 1. und 3. dadurch wesentliche zusätzliche Nachteile erleiden werden. Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Antragsgegnerin kann der erforderliche zusätzliche Stellplatzbedarf nach dem insoweit maßgeblichen Ortsrecht nachgewiesen und gedeckt werden. Ohnehin hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, im großräumigen Planungsgebiet habe sie verschiedene Reserveflächen, um gegebenenfalls mit Parkdecks Probleme des ruhenden Verkehrs besser zu bewältigen. Zusätzlich ist zu beachten, dass der neue Stadtteil Dortelweil-West im fußläufigen Einzugsbereich des S-Bahn-Anschlusses Dortelweil liegt, was geeignet ist, Kraftfahrzeugverkehr zu vermindern.

Den den privaten Belangen der Antragsteller gegenüberstehenden öffentlichen Interessen an einer besseren Vermarktung kleinerer Wohnungen hat die Antragsgegnerin bei alledem beanstandungsfrei den Vorzug geben dürfen. Angesichts der erheblichen finanziellen Risiken, die die Antragsgegnerin mit der Selbstentwicklung eines so großen neuen Stadtteils eingegangen ist, ist sie nicht gehalten, suboptimale Vermarktungsmöglichkeiten an den Wohnbedürfnissen der Bevölkerung vorbei auf Dauer hinzunehmen. Bei einem so aufwendigen Planungsprojekt ist ihr hier eine nachträgliche Optimierung und Feinsteuerung der baulichen Ausnutzung ihrer Grundstücke nicht verwehrt, insbesondere dann nicht, wenn sich die Änderungen in einem verhältnismäßig schmalen Korridor von vier Wohneinheiten und 1 m Traufhöhe bewegen.

Soweit sich die nachbarliche Situation für den Antragsteller zu 2., der allerdings keine fristgerechte formelle Stellungnahme im Planfeststellungsverfahren eingereicht hat, aufgrund der 7. Änderung nachteiliger als bei den Antragstellern zu 1. und 3. auswirken mag, weil er mit seiner rückwärtigen Haus- und seiner Gartenfront dem im Westen geplanten Geschosswohnungsbau A gegenüberliegt, ist auch insoweit ein zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führender Abwägungsfehler nicht gegeben. Angesichts der fehlenden Stellungnahme musste sich der Antragsgegnerin eine besondere Betroffenheit des Antragstellers zu 2. und seines Grundstücks schon nicht aufdrängen. Die Zahl der bereits durch die 6. Änderung zugelassenen 12 Wohneinheiten ist beim Haus A auch nicht erhöht worden. Es geht lediglich um die um einen Meter erhöhte Traufhöhe, wobei die Erhöhung nur zu einer ursprünglich festgesetzten Traufhöhe von 6,60 m hinzutritt. Damit ist die unterschiedliche Topographie gegenüber dem Bereich südlich der Konrad-Adenauer-Allee, wo die maximal zulässige Traufhöhe 3 m mehr beträgt, auch planerisch schon angemessen berücksichtigt worden. Bei alledem muss sich auch der Antragsteller zu 2., der sich mit seiner Gartenfläche in einer Senke befindet, die planerische Vorbelastung durch die 6. Änderung entgegenhalten lassen. Bereits deren Ausnutzung lässt mit dem Geschosswohnungsbau A einen Querriegel entstehen, dessen optisch nachteilige Auswirkungen durch die Erhöhung der Traufhöhe um einen Meter nicht schwerwiegend verschärft werden. Gegebenenfalls kann der Antragsteller zu 2. im Wege der gärtnerischen Selbsthilfe durch geeignete Anpflanzungen eine gewisse Verbesserung der Situation und seiner Sichtbeziehungen herbeiführen. Dabei ist auch für die nachbarliche Situation der Antragsteller zu 1. und 3. darauf hinzuweisen, dass die Abwehr von Einsicht in das eigene Grundstück auch von höhergelegenen Gebäuden aus auch im Rahmen der Abwägung nicht verlangt werden kann. Mit der Wahrung der bauordnungsrechtlichen Mindestabstandsflächen wird insoweit dem Gebot der Rücksichtnahme auf nachbarliche Interessen hinreichend Rechnung getragen.

Berücksichtigt man gegenüber den schon durch die 6. Änderung in gewisser Weise beeinträchtigten Interessen des Antragstellers zu 2. die öffentlichen Interessen der Antragsgegnerin an einer verhältnismäßig geringfügigen Erhöhung der Traufhöhe, durfte die Antragsgegnerin ihren Interessen hier beanstandungsfrei den Vorzug geben. Trotz der wegen der Hangfälligkeit ungünstigen topographischen Situation besteht schon seit dem ursprünglichen Bebauungsplan von 1995 die zwingende Verpflichtung zur Errichtung von drei Vollgeschossen, was auch regionalplanerischen Interessen an der Herbeiführung einer angemessenen Siedlungsdichte im fußläufigen Einzugsbereich der S-Bahn dient. Dabei ist die Antragsgegnerin angesichts der ungünstigen topographischen Situation der vorfindlichen Hanglage nicht darauf verwiesen, sich mit einer als Missgriff erkannten Traufhöhe von nur 6,60 m gemäß der 6. Änderung und einem irgendwie gearteten dreigeschossigen Mehrfamilienhaus zufrieden zu geben, der ihrer seit dem ursprünglichen Bebauungsplan von 1995 bis zur 6. Änderung verfolgten Konzeption, die Bereiche entlang der Konrad-Adenauer-Allee dichter zu bebauen und diese Sammelstraße mit dem Geschosswohnungsbau als Rückgrat des Baugebietes räumlich zu fassen, zuwiderläuft. Dabei kann zulässigerweise auch berücksichtigt werden, dass es im Rahmen der gebotenen Wirtschaftlichkeit bei der Errichtung und Nutzung von Gebäuden nicht unüblich und angemessen ist, bei einer pflichtig vorgeschriebenen Zahl von Vollgeschossen zur Abrundung nach Bauordnungsrecht zulässige Nichtvollgeschosse hinzuzudenken und planerisch zu ermöglichen. Die Antragsgegnerin muss sich auch nicht damit zufrieden geben, an der straßenseitigen Front des Gebäudes A nur eine eingeschossige Bebauung festzusetzen, weil diese städtebaulich von zu geringem Gewicht bezogen auf die Grundkonzeption an der Sammelstraße wäre. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass, wie die Ortsbesichtigung vom Haus des Antragstellers zu 2. aus ergeben hat, in anderen Bereichen der Konrad-Adenauer-Allee diese Grundkonzeption bereits mit mehreren Geschosswohnungsbauten, die dem Haustyp F entsprechen bzw. ähnlich sind, teilweise verwirklicht worden ist.

Soweit die Antragsteller die erwerbswirtschaftliche Betätigung der Antragsgegnerin rügen, die sich bei der Plandurchführung der "Stadtwerke-Eigenbetrieb" und der "Stadtwerke-A-Stadt GmbH" bedient, liegt darin kein zur Unwirksamkeit der 7. Änderung führender Abwägungsfehler. Trotz mehrfacher Änderungen des ursprünglichen Bebauungsplans von 1995, die teilweise auch Interessen von privaten Grundeigentümern und Bauherren dienten, ist insoweit auch kein Missbrauch der Planungshoheit erkennbar. Die Antragsgegnerin ist dabei, mit erheblichen finanziellen Risiken und Vorschussleistungen ein sehr aufwendiges und finanziell ehrgeiziges Planungsprojekt zur Errichtung eines neuen Stadtteils zu verwirklichen, das offenbar bis auf die 7. Änderung auch die Zustimmung und die Kaufvertragspartnerschaft der Antragsteller einschloss. Wie dargelegt, hat die Antragsgegnerin für die verhältnismäßig geringfügige zusätzliche Ausnutzung durch die 7. Änderung vernünftige städtebauliche und wirtschaftliche Gründe angegeben, denen gegenüber der Vorwurf der bloßen Gewinnerzielung und der missbräuchlichen Ausnutzung der Planungshoheit deutlich zu kurz greift. Die Antragsgegnerin hat gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB bei der nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung auch soziale und wirtschaftliche Anforderungen in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen zu berücksichtigen, die sie, wie hier, durch eine rechtlich zulässige Bodenbevorratungspolitik wahrgenommen hat (vgl. dazu Schrödter, BauGB, Kommentar, 7. Auflage 2006, § 1 Rdnr. 86). Städtebaupolitik darf damit den Baulandmarkt beeinflussen und im Rahmen der gebotenen Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB planerisch auch auf Nachfrageänderungen am Bau- und Bodenmarkt reagieren. Im Hinblick auf eine angemessene Entlastung des kommunalen Haushalts zählen auch wirtschaftliche Gesichtspunkte zu den im Rahmen der Abwägung einzustellenden öffentlichen Interessen. Dabei ist für eine missbräuchliche Vorgehensweise der Antragsgegnerin nichts substantiiert vorgetragen worden und nichts ersichtlich. Die Einschaltung bestimmter zusätzlicher Institutionen mag steuerliche, auch vermarktungs- und planabwicklungsbedingte Gründe haben, die gewählten Formen der Verwaltungstätigkeit und Bauträgerschaft sowie der Planabwicklung lassen insgesamt keinen Formenmissbrauch erkennen, der auf das Abwägungsergebnis von unzulässigem Einfluss gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs.1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

Hinweis: Es bleibt bei dem mit Beschluss vom 14. März 2005 festgesetzten Wert des Streitgegenstandes in Höhe von 60.000,00 €.

Ende der Entscheidung

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