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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.12.2006
Aktenzeichen: 3 TG 2484/06
Rechtsgebiete: AufenthG, SGB III


Vorschriften:

AufenthG § 2 Abs. 3
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 9 Abs. 1 Nr. 2
SGB III § 116
SGB III § 163
SGB III § 421 Abs. 1

Entscheidung wurde am 21.02.2008 korrigiert: die Entscheidung wurde wegen nicht vollständiger Anonymisierung ersetzt
1. Ob der Existenzgründungszuschuss des § 421 l SGB III auf Beitragsleistungen im Sinne des § 2 Abs. 3 AufenthG beruht oder nicht, kann nicht losgelöst von der der Leistungsgewährung zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage entschieden werden.

2. Soweit die Gewährung des Existenzgründungszuschusses gemäß § 421 l SGB III ihren Ursprung in der Gewährung von Arbeitslosengeld I hat, erfolgt hiermit die beitragsbezogene Verknüpfung zu der Gewährung des Zuschusses mit der Konsequenz , dass der Bezug derartiger Leistungen dem Ausländer aufenthaltsrechtlich nicht entgegengehalten werden kann. Gleiches hat bei dieser Konstellation jedoch auch für den ergänzenden Bezug von dem grundsätzlich nicht auf Beiträgen beruhenden Arbeitslosengeld II zu gelten. Wird Arbeitslosengeld II lediglich deshalb gewährt, weil der Betroffene aufgrund des von dem Gesetzgeber gewünschten und entsprechend bezuschussten Gangs in die Selbstständigkeit (§ 421 l SGB III) keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld I hat, ist auch insoweit die Verknüpfung zu den in § 2 Abs. 3 AufenthG genannten Beitragsleistungen hergestellt.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 TG 2484/06

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann

am 12. Dezember 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 26. September 2006 - 6 G 2186/06 - abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Klage - 6 E 1721/06 - gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Juni 2006 angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat mit den von dem Antragsteller vorgetragenen Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) Erfolg.

Der Antragsteller trägt zur Beschwerdebegründung zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht seinem Anspruch auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis den Bewilligungsbescheid der GIAG betreffend den Anspruch auf Arbeitslosengeld II entgegengehalten. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass er sozialrechtlich zwar einen solchen Anspruch habe, es habe es jedoch unterlassen, zu überprüfen und zu berechnen, inwieweit ihm dieser Anspruch infolge seiner Erwerbstätigkeit entsprechend der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 14.03.2006 - 9 TG 512/06 -) aufenthaltsrechtlich und insoweit anspruchsvernichtend zugerechnet werden könne. Das Verwaltungsgericht habe nicht einmal im Ansatz geprüft, welcher Betrag sich ergeben hätte, wenn die GIAG bei der Berechnung des (sozialrechtlichen) ALG II-Bedarfs den 20-prozentigen Abschlag vom Einkommen (wegen der Erwerbstätigkeit des Antragstellers) nicht vorgenommen hätte. Hätte es dies getan, wäre es zu dem Ergebnis gekommen, dass ihm unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ausländerrechtlich ein Anspruch auf ALG II nicht zugestanden habe, sodass der aufenthaltsrechtliche Anspruch durch den Bewilligungsbescheid der GIAG nicht tangiert werde. Tatsächlich habe er trotz des entsprechenden Bewilligungsbescheides auch zu keinem Zeitpunkt die dort bewilligten ALG II Leistungen erhalten.

Die fehlende Unterscheidung zwischen den sozialrechtlichen und den ausländerrechtlichen Aspekten der Bewilligung und des Bezugs öffentlicher Mittel liege auch der Bewertung des Existenzgründungszuschusses im Sinne des § 421 l SGB III zugrunde. Die Heranziehung der zu dieser Frage ergangenen sozialrechtlichen Rechtsprechung helfe nicht weiter, weil der sozialrechtliche Zweck des Existenzgründungszuschusses für die ausländerrechtliche Wertung ohne jede Bedeutung sei. Ausländerrechtlich entscheidend sei ausschließlich, dass diese öffentliche Leistung auf Beitragsleistungen beruhe. Davon sei auszugehen, da der Existenzgründungszuschuss an die Berechtigung zum Bezug von Entgeltersatzleistungen (ALG I) oder geförderte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem SGB III geknüpft sei, woraus sich ergebe, dass auch der Existenzgründungszuschuss nur ehemaligen Arbeitnehmern gewährt werde, die entsprechende Beitragszahlungen geleistet hätten. Die in § 421 l SGB III in Bezug genommenen Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III und geförderten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem SGB III könne nur derjenige erhalten, der über einen entsprechend langen Zeitraum Beiträge an die Bundesanstalt geleistet habe.

Schließlich sei er seit Oktober 2006 in der Lage, seinen Lebensunterhalt auch ohne Inanspruchnahme eines Existenzgründungszuschusses zu bestreiten, da er ausweislich des in Kopie eingereichten Arbeitsvertrages vom 9. Oktober 2006 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der Firma L., H-straße .. in ..... M. mit einem monatlichen Bruttoverdienst von 1.250,00 € stehe.

Auch sei er Vater des am 8. Mai 2004 in A-Stadt geborenen Kindes deutscher Staatsangehörigkeit, J... H..., für den er mittlerweile mit Urkunde vom 12. Oktober 2006 die Vaterschaft anerkannt habe. Er habe jeden Samstag ganztägig Umgang mit dem Kind, spiele mit diesem und gehe mit ihm spazieren und übernehme im Übrigen die altersüblichen Betreuungsleistungen. Er leiste nunmehr Unterhaltsleistungen über das Kreisjugendamt A-Stadt, in der Vergangenheit habe er finanzielle Unterstützung in Form von Geschenken, Essen, Kleidung, Spielzeug etc. geleistet.

Aufgrund dieser im maßgeblichen Zeitpunkt der Senatsentscheidung zu berücksichtigenden Sach- und Rechtslage (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Auflage, § 80 Rdnr. 147) stellt sich die Entscheidung der Antragsgegnerin ohne weitere Sachverhaltsermittlung als offensichtlich rechtsfehlerhaft mit der Folge dar, dass das öffentliche Interesse an dem weiteren sofortigen Vollzug das private Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen weiteren Verbleib im Bundesgebiet nicht überwiegt (vgl. BVerfG, 21.03.1985 - 2 BvR 1642/93 -, BVerfGE 69, 220 = EZAR 622 Nr. 1, BVerfG, 18.07.1973 - 1 BvR 23, 155/73 -, BVerfGE 35, 382; BVerfG, 12.09.1995 - 2 BvR 1179/95 -; Hess. VGH, 09.11.1995 - 12 TG 2783/05 -; Hess. VGH, 22.09.1988 - 12 TH 836/88 -, EZAR 622 Nr. 6 = InfAuslR 1998, 14).

Zunächst bestehen von Seiten des Senats ernsthafte Bedenken, ob dem Antragsteller tatsächlich der Bezug von Leistungen gemäß § 421 l SGB III (Existenzgründungszuschuss) sowie der Bezug von ergänzendem Arbeitslosengeld II (ALG II) bei der Frage, ob sein Lebensunterhalt gemäß den §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG als gesichert anzusehen ist, entgegengehalten werden kann.

Unter welchen Voraussetzungen der Lebensunterhalt eines Ausländers aufenthaltsrechtlich als gesichert angesehen werden kann, bestimmt § 2 Abs. 3 AufenthG näher. Danach ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Dabei bleiben das Kindergeld und Erziehungsgeld sowie öffentliche Mittel außer Betracht, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.

Auf Beitragsleistungen im Sinne des § 2 Abs. 3 AufenthG beruhen Leistungen etwa aus der Kranken- oder Rentenversicherung und der Bezug von Arbeitslosengeld I. Hingegen sind Leistungen nach dem 2. und 12. Buch des Sozialgesetzbuches sowie das Wohngeld keine auf einer Beitragsleistung beruhenden öffentlichen Mittel und stehen daher in der Regel der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegen (vgl. Vorläufige Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren zum Aufenthaltsgesetz und zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 22. Dezember 2004, dort 2.3.4; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, § 2 Rdnr. 22 mit Nachweisen; Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 8. Aufl., § 2 Rdnr. 21 am Ende).

Im Fall des Antragstellers spricht - vorbehaltlich weiterer Sachverhaltsaufklärung durch die Antragsgegnerin - überwiegend viel dafür, dass die Gewährung des Existenzgründungszuschusses ebenso wie die ergänzende Gewährung von Arbeitslosengeld II auf Beitragszahlungen beruhen und daher dem Antragsteller aufenthaltsrechtlich nicht entgegen gehalten werden dürfen.

Gemäß § 421 l SGB III haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss. Der Zuschuss wird geleistet, wenn der Existenzgründer

1. in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch bezogen hat oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buch gefördert worden ist,

2. nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen nach § 15 des 4. Buches erzielen wird, das voraussichtlich 25.000,00 € im Jahr nicht überschreiten wird und

3. eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

Ob der Existenzgründungszuschuss des § 421 l SGB III auf Beitragsleistungen im Sinne des § 2 Abs. 3 AufenthG beruht oder nicht, kann nicht losgelöst von der der Leistungsgewährung zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage entschieden werden. Zumindest in den Fällen, in denen der Existenzgründungszuschuss des § 421 l SGB III aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld I, mithin einer beitragsgebundenen Leistung, gewährt wird, kann dies dem Antragsteller aufenthaltsrechtlich nicht entgegengehalten werden. Anderenfalls würde dies nämlich zu dem nicht nachvollziehbaren Ergebnis führen, dass demjenigen, der sich freiwillig aus dem - aufenthaltsrechtlich nicht relevanten, da beitragsgebundenen - Bezug von Arbeitslosengeld I begibt und den von dem Gesetzgeber gewünschten und geförderten Weg der Gründung einer selbständigen Existenz (mit entsprechender Bezuschussung) beschreitet, dies aufenthaltsrechtlich zum Verhängnis würde, demgegenüber der Weiterbezug von Arbeitslosengeld I jedoch aufenthaltsrechtlich irrelevant wäre.

Soweit die Gewährung des Existenzgründungszuschusses gemäß § 421 l SGB III ihren Ursprung in der Gewährung von Arbeitslosengeld I hat, erfolgt hiermit die beitragsbezogene Verknüpfung zu der Gewährung des Zuschusses mit der Konsequenz , dass der Bezug derartiger Leistungen dem Ausländer aufenthaltsrechtlich nicht entgegengehalten werden kann. Gleiches hat bei dieser Konstellation jedoch auch für den ergänzenden Bezug von dem grundsätzlich nicht auf Beiträgen beruhenden Arbeitslosengeld II zu gelten. Wird Arbeitslosengeld II lediglich deshalb gewährt, weil der Betroffene aufgrund des von dem Gesetzgeber gewünschten und entsprechend bezuschussten Gangs in die Selbstständigkeit (§ 421 l SGB III) keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld I hat, ist auch insoweit die Verknüpfung zu den in § 2 Abs. 3 AufenthG genannten Beitragsleistungen hergestellt.

Zwar hat der Vertreter der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass der Antragsteller selbst nicht dezidiert vorgetragen hat, Bezieher von Arbeitslosengeld I gewesen zu sein, vielmehr sei ihm nach Aktenlage ein Anspruch auf Auszahlung von Arbeitslosengeld II zugestanden worden. Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat jedoch auch im Beschwerdeverfahren dezidiert darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung der Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III nur unter den Voraussetzungen bezogen werden kann, die auch für die Gewährung von Arbeitslosengeld I erforderlich sind und damit konkludent zum Ausdruck gebracht, der Antragsteller habe einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I gehabt.

Zwar ist es nach der Systematik des § 421 l SGB III durch die Bezugnahme auch auf die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der §§ 260 ff. SGB III nicht gänzlich ausgeschlossen, dass ausnahmsweise auch Bezieher von Arbeitslosenhilfe II in den Genuss eines Existenzgründungszuschusses kommen. Bei der Beantwortung der Frage, ob der Bezug eines Existenzgründungszuschusses aufenthaltsrechtlich schädlich ist oder nicht, ist daher zunächst abzuklären, aus welchem Rechtsgrund dieser gewährt worden ist.

In Anbetracht der Tatsache, dass der Antragsteller über mehrere Jahre in einem Angestelltenverhältnis gearbeitet hat und er über ausreichende Verdienste verfügt hat, die die zweifache Verlängerung seiner auch nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilten Aufenthaltserlaubnis gerechtfertigt haben, spricht einiges dafür, dass er tatsächlich Anspruch auf Arbeitslosengeld I gehabt hat. Hierfür spricht im Übrigen auch der auf Bl. 435 der Behördenakte befindliche Vermerk, nachdem eine telefonische Rücksprache mit dem Arbeitsamt (Herrn Hoffmann) ergeben habe, dass es sich bei dem Existenzgründungszuschuss tatsächlich um Leistungen des Arbeitsamtes handele, die im Rahmen der Gewährung von Arbeitslosengeld I gezahlt würden.

Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller demgegenüber als Arbeitslosengeld II - Empfänger ausnahmsweise ein Existenzgründungszuschuss gewährt wurde, ergeben sich demgegenüber aus dem dem Senat vorliegenden Aktenmaterial nicht. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller tatsächlich wohl bis zum 31. August 2006 ergänzend Arbeitslosengeld II bezogen hat (vgl. Telefonvermerk Bl. 70 der GA), da die Gewährung von ergänzendem Arbeitslosengeld II, wie bereits ausgeführt, auf Grund der Gewährung des Existenzgründungszuschusses den beitragsbezogenen Bezug zu den Voraussetzungen des Arbeitslosengeldes I nicht verloren hat.

Haben die bereits erwähnten Leistungen insgesamt ihren Bezug in einem Anspruch auf Arbeitslosengeld I, kann dies dem Antragsteller, wie bereits ausgeführt, aufenthaltsrechtlich nicht entgegen gehalten werden.

Auf die in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung umstrittene Frage, ob es sich bei Existenzgründungszuschüssen nach § 421 l SGB III um zweckbestimmte Einnahmen im Sinne des § 11 Abs. 3 a) SGB II handelt, die nicht als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II berücksichtigt werden dürfen (verneinend: Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29.06.2005 - L 7 AS 22/05 ER - in juris-online; bejahend: Landessozialgericht Niedersachsen - Bremen, Urteil vom 25.04.2006 - L 8 AS 29/06 - in juris-online, Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.08.2006 - L 8 AS 2198/06 ER-B -, Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10.01.2006 - L 3 B 233/05 AS-ER -) kommt es dabei nicht entscheidungserheblich an, da selbst dann, wenn der Existenzgründungszuschuss als zu berücksichtigendes Einkommen anzusehen wäre, dies die Frage noch nicht beantworten würde, ob dieser öffentliche Zuschuss auf Beitragsleistungen beruht oder nicht. An dieser Stelle wäre allenfalls zu erörtern, ob der Existenzgründungszuschuss, wovon die Landessozialgerichte mit Ausnahme des Hessischen Landessozialgerichts ausgehen (s.o.), ohnehin nicht der Sicherung der Existenz, sondern anderen arbeitsmarktpolitischen Zielen dient und insoweit gänzlich, auch bei der Frage der Sicherung des Lebensunterhalts, außen vor zu bleiben hat. Dies musste hier unter den entscheidungsrelevanten aufenthaltsrechtlichen Fragestellungen nicht abschließend entschieden werden.

Auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Antragsteller nach seinem Vortrag mittlerweile in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der Firma L., H-straße .. in ..... M. mit einem monatlichen Arbeitslohn von 1.250,00 € brutto steht (Blatt 35 der GA), kann die Frage, aus welchen Rechtsgrund er den Existenzgründungszuschuss erhalten hat , auch unter Berücksichtigung der bei der Prüfung der Lebensunterhaltssicherung anzustellenden Prognose, nicht außer Betracht bleiben. Aufenthaltsrechtsrechtlich nicht erheblich kann dabei sein, ob der Anntragsteller sozialrechtlich berechtigt war, neben dem Bezug des Existenzgründungszuschusses ein Angestelltenverhältnis einzugehen, wogegen jedoch der Wortlaut des § 421 l SGB III spricht.

Abgesehen von den Fragen rund um die Gewährleistung des Lebensunterhaltes bestehen jedoch auch ernsthafte Bedenken an dem angefochtenen Beschluss aufgrund der sich nunmehr im maßgeblichen Zeitpunkt der Senatsentscheidung dargestellten familiären Bindungen des Antragstellers im Bundesgebiet. Der Antragsteller hat dabei mehrere widersprüchliche Angaben gemacht, wobei jedoch im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt überwiegende (und teils noch aufklärungsbedürftige) Gründe dafür sprechen, dass er eine schützenswerte sozialfamiliäre Bindung im Bundesgebiet hat.

Der Antragsteller behauptet, Vater des am 8. Mai 2004 in A-Stadt geborenen Kindes deutscher Staatsangehörigkeit, J... H... zu sein und hat insoweit eine Kopie der Vaterschaftsanerkennungsurkunde vom 12. Oktober 2006 (Blatt 63 GA) und eine Erklärung über die Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung der leiblichen Mutter vom 20. Oktober 2006 (Blatt 62 GA) zu den Gerichtsakten gereicht und in diesem Zusammenhang vorgetragen, er habe bisher jeden Samstag ganztägig Umgang mit dem Kind gehabt, Barunterhalt für das Kind an die Kindesmutter gezahlt und übe den Umgang mit dem Kind in Abstimmung mit der Kindesmutter weiterhin regelmäßig jeden Samstag aus, wodurch er Betreuungsleistungen für das Kind erbringe.

Die Antragsgegnerin hat in diesem Zusammenhang in ihrem Schriftsatz vom 20. November 2006 zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anerkennung der Vaterschaft erst zwei Jahre nach der Geburt des Kindes erfolgt ist und der Antragsteller sowohl am 2. Januar 2006 als auch am 1. Juni 2006 gegenüber der Beklagten mitgeteilt hat, dass er kein Kind habe, das Kind nicht von ihm sei und er nichts mit ihm zu tun habe. Entsprechende Aktenvermerke befinden sich in der beigezogenen Ausländerakte (Blatt 398 und 422 der BA). Gleichwohl hat der Antragsteller bereits in seinem Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vom 2. Mai 2005 sowie im Rahmen seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für eine selbständige Tätigkeit (Blatt 364, 374 der BA) angegeben, Vater des deutschen Kindes J... H... zu sein.

Der Antragsteller hat zu seinem widersprüchlichen Verhalten ausgeführt, Hintergrund seiner Unterschrift unter die Erklärungen, mit denen er die Vaterschaft bestritten habe, sei der Umstand gewesen, dass er sein Aufenthaltsrecht zu diesem Zeitpunkt unabhängig von seinem Verhältnis zu dem Kind und der Kindesmutter habe halten wollen. Er gebe zu, die Unwahrheit gesagt zu haben, er habe weder seinen Sohn noch die Mutter des Sohnes in seine behördlichen Angelegenheiten hineinziehen wollen, falls Zweifel an seiner Vaterschaft bestünden, sei er zu einem Gentest im Hauptsacheverfahren bereit. Entscheidend für dieses Verfahren sei die Tatsache, dass es sich bei den vom ihm vorgelegten Urkunden über die Anerkennung der Vaterschaft als auch derjenigen der Kindesmutter über die Zustimmung der Vaterschaftsanerkennung um öffentliche Urkunden handele, denen Beweiskraft gemäß § 415 ZPO zukomme.

Zwar spricht tatsächlich gegen den Antragsteller, worin der Antragsgegnerin zuzustimmen ist, dass er sich im Laufe des aufenhaltsrechtlichen Verfahrens widersprüchlich verhalten hat, gleichwohl ergibt sich aus der Ausländerakte (Vermerk vom 11. August 2006, Bl. 435 der Behördenakte), dass auch nach Kenntnis der Sachbearbeiterin der Gesellschaft für Integration und Arbeit in A-Stadt (GIAG) der Antragsteller regelmäßig von seinem Sohn besucht wird, für den er allerdings, nach Mitteilung der dortigen Sachbearbeiterin, zum damaligen Zeitpunkt die Vaterschaft auf Anordnung der Mutter nicht anerkennen durfte. Dieser Sachverhalt wurde durch die zuständige Sachbearbeiterin der GIAG auf telefonische Nachfrage der Berichterstatterin nochmals bestätigt, wobei die Sachbearbeiterin darüber hinaus ausführte, der Antragsteller sei regelmäßig gemeinsam mit seinem Kind bei der Beratungsstelle erschienen, er habe ihr gegenüber erwähnt, dass es sich um sein Kind handele.

Die Antragsgegnerin wird daher ebenfalls zu prüfen haben, ob dem Antragsteller gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG als nichtsorgeberechtigtem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, wobei die Ermessensausübung durch die §§ 5 Abs. 2 bis 4, 11 und 27 Abs. 3 begrenzt wird. Der Nachzug kommt dabei nur in Betracht, wenn eine Beistands- oder Betreuungsgemeinschaft im Bundesgebiet schon besteht. Bei der Ermessensausübung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob das deutsche Kind in seiner Entwicklung auf den ausländischen Elternteil angewiesen ist, der nichtsorgeberechtigte Elternteil seit der Geburt des Kindes seinen Unterhaltsverpflichtungen regelmäßig nachgekommen ist und das Kindeswohl einen auf Dauer angelegten Aufenthalt des nichtsorgeberechtigten Elternteils im Bundesgebiet erfordert (vgl. Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 8. Auflage, § 28 AufenthG unter Hinweis auf die Vorläufigen Anwendungshinweise zu § 28, Ziff. 28.1.6 AufenthG). Dabei braucht die nach § 28 Abs. 1 AufenthG geforderte Gemeinschaft nicht in einer ständigen Hausgemeinschaft gelebt zu werden, muss aber über eine bloße Begegnungsgemeinschaft hinausgehen. Vom Sorgerecht abgesehen muss ein gemeinsames Leben ähnlich wie in einer Familie mit gemeinsamem Sorgerecht der Eltern geführt werden. Es brauch nicht unbedingt in einer häuslichen Gemeinschaft gelebt zu werden; regelmäßige Besuche, Gespräche und Betreuungsleistungen können ausreichen (vgl. Renner, Ausländerrecht a.a.O. § 28 Rdnr. 11 AufenthG mit Rechtsprechungsnachweisen).

Der Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht vorgenommene Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 52, 47 und 53 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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