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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.12.2005
Aktenzeichen: 3 TG 3035/05
Rechtsgebiete: GWB, HessVwVfG, VwGO


Vorschriften:

GWB § 100
GWB § 99
HessVwVfG § 39
VwGO § 100
VwGO § 40 Abs. 1
VwGO § 44 a
Ist ein Investorenauswahlverfahren darauf ausgerichtet, einen Erwerber für das bzw. die Treuhandgrundstücke auszuwählen, der einen wirtschaftlich günstigen Preis für das/die Grundstücke bietet und dessen Bauabsichten den städtebaulichen Gestaltungsvorstellungen entsprechen, finden die vergaberechtlichen Vorschriften des GWB keine Anwendung.

Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach ständiger Rechtsprechung nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.

Werden in einem städtebaulichen Entwicklungsbereich durch eine von der Gebietskörperschaft eingeschaltete Treuhänderin Grundstücke veräußert, unterliegt die Tätigkeit der Treuhänderin zumindest insoweit den Vorgaben öffentlich-rechtlicher Normen, als sie gemäß § 167 Abs. 3 i.V.m. § 169 Abs. 5 bis 8 BauGB verpflichtet ist, nur unter Beachtung der besonderen städtebauentwicklungsrechtlichen Vorschriften, die von ihr treuhänderisch verwalteten Grundstücke zu veräußern.

Der Streit um eine Vergabeentscheidung hinsichtlich eines gemeindlichen Grundstücks stellt trotz der privatrechtlichen Abwicklung zumindest dann eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO dar, wenn die vergebende Stelle - sei es die Gebietskörperschaft selbst oder sei es ein von ihr eingesetzter Treuhänder - hinsichtlich der Vergabeentscheidung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorgaben in seiner Entscheidung gebunden ist.

Sowohl der isoliert geltend gemachte Akteneinsichtsanspruch sowie der Anspruch auf Vorlage einer Begründung einer ablehnenden Verwaltungsentscheidung zielen auf unselbständige Verfahrenshandlungen, die gemäß § 44 a VwGO nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 TG 3035/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Städtebaulicher Entwicklungsmaßnahme

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann

am 20. Dezember 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 3. November 2005 - 8 G 4223/05 (2) - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.375.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg, da das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht den Eilantrag der Antragstellerin abgewiesen hat. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen im Ergebnis keine andere Entscheidung in der Sache.

Allerdings ist dem Verwaltungsgericht nicht darin zu folgen, dass der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben sei.

Zunächst handelt es sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht um eine vergaberechtliche Streitigkeit nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2546), da gemäß § 100 Abs. 2 h) GWB dessen Vierter Teil, der die Vergabe öffentlicher Aufträge regelt, nicht für Aufträge über Erwerb oder Rechte an Grundstücken oder vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichen Vermögen ungeachtet ihrer Finanzierung gilt. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragstellerin ist das Investorenauswahlverfahren darauf ausgerichtet gewesen, einen Erwerber für das bzw. die Treuhandgrundstück(e) auszuwählen, der einen wirtschaftlich günstigen Preis für das/die Grundstück(e) bietet und dessen Bauabsichten den städtebaulichen Gestaltungsvorstellungen der Antragsgegnerin bzw. der Stadt Frankfurt am Main entsprechen. Demzufolge ist die Antragstellerin bei der von ihr kalkulierten Gesamtinvestitionssumme von etwa 55.000.000,00 € davon ausgegangen, dass ein maximaler Grundstückspreis von 9.000.000,00 bis 10.000.000,00 € realistisch sei (vgl. Anlage K 4 der von der Antragstellerin eingereichten Unterlagen). Bietet der Auftraggeber selbst Grundstücke zum Verkauf an, ist er nicht an das Vergaberecht gebunden (vgl. Zeiss, juris Praxis Kommentar, Vergaberecht, unter www.juris.de, § 99 Rdnr. 9 mit Nachweisen). Soweit mit einem städtebaulichen Vertrag keine Leistung, sondern "nur" die Umsetzung städtebaulicher Gestaltungsvorstellungen verbunden ist, braucht Vergaberecht nicht beachtet zu werden. Es ist unerheblich, wenn eine Gebietskörperschaft im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages (etwa aus Anlass eines Grundstücksverkaufs) ihre städtebaulichen Vorstellungen durchsetzen will. Selbst wenn die Stadt den Investor verpflichtet, einen bestimmten Architektenentwurf zu realisieren, führt dies nicht dazu, dass die Gebietskörperschaft zur Empfängerin der Architektenleistungen wird (vgl. Zeiss, a.a.O., § 99 Rdnr. 54 m.w.N.), wobei die Frage, ob ein öffentlicher Auftrag im Falle eines Investorenauswahlverfahrens vorliegt, letztendlich eine Frage des Einzelfalles bezogen auf den konkreten Ausschreibungsmodus darstellt (vgl. Immenga/Mestmäcker, GWB, Kommentar zum Kartellgesetz, 3. Auflage, 2001, § 99 Rdnr. 5).

Aufgrund der Tatsache, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragstellerin die Antragsgegnerin Grundstücke veräußert, um sie nach den im Rahmen der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme entwickelten planungsrechtlichen Vorstellungen der Stadt Frankfurt am Main beplanen zu lassen, findet Vergaberecht keine Anwendung (§ 100 Abs. 2 h) GWB ) .

Es handelt sich auch um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, für die gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

Ob eine Streitigkeit öffentlich rechtlich oder privatrechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach ständiger Rechtsprechung nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. BVerwGE 75, 109; BVerwGE 96, 71; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Auflage 2005, § 40 Rdnr. 6 m.w.N.). Entscheidend ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. März 1993 - 8 S 2554/92 - in juris-online). Zwar ist grundsätzlich ein Grundstücksverkauf gekoppelt mit Vorgaben zur Beachtung planerischer Grundentscheidungen zivilrechtlicher Natur, vorliegend tritt jedoch die Besonderheit hinzu, dass es sich um die Bebauung und Veräußerung von Grundstücken in einem städtebaulichen Entwicklungsbereich gemäß den §§ 165 ff. BauGB handelt, wobei die Tätigkeit der Antragsgegnerin als Treuhänderin der Stadt Frankfurt am Main zumindest insoweit den Vorgaben öffentlich-rechtlicher Normen unterliegt, als sie gemäß § 167 Abs. 3 i.V.m. § 169 Abs. 5 - 8 BauGB verpflichtet ist, nur unter Beachtung der besonderen städtebauentwicklungsrechtlichen Vorschriften, die von ihr treuhänderisch verwalteten Grundstücke zu veräußern (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.03.1993 - 8 S 2554/92 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.1995 - 8 S 841/94 -; Hess. VGH, Beschluss vom 01.07.1983 - 4 TG 35/83 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 01.09.1992 - 7 E 1159/92 -; OVG Münster, Beschluss vom 30.06.2000 - 21 E 472/00 -, alle Entscheidungen in juris-online ). Mag auch die weitere Vertragsabwicklung privatrechtlicher Natur sein, folgt hieraus keineswegs, dass auch die Auswahlentscheidung ausschließlich dem Zivilrecht zuzuordnen ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.03.1993, a.a.O.). Letztendlich kann die Antragstellerin einen Anspruch auf Übertragung eines Grundstücks und damit auf Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrages nur aus dem öffentlich-rechtlichen Sonderrecht der §§ 165 ff. BauGB herleiten, es sei denn, sie leitet ihren Rechtsanspruch aus sonstigen, dem Zivilrecht zuzuordnenden vorvertraglichen Regelungen ab, was dem Vortrag der Antragstellerin jedoch nicht entnommen werden kann.

Der Streit um Vergabeentscheidungen hinsichtlich eines gemeindlichen Grundstücks stellt trotz der privatrechtlichen Abwicklung eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit dar, zumindest, wenn die vergebende Stelle - sei es die Gebietskörperschaft selbst oder sei es ein von ihr eingesetzter Treuhänder -, der wie im Fall der Antragsgegnerin zu 100 % der Gebietskörperschaft gehört, hinsichtlich der Vergabeentscheidung aufgrund öffentlich rechtlicher Vorgaben in seiner Entscheidung gebunden ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 01.09.1992, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.1995, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.03.1993; OVG Münster, Beschluss vom 30.06.2000, a.a.O.; Hess. VGH, Beschluss vom 01.07.1983, a.a.O.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Treuhändervertrag vom 22. Dezember 1998 hoheitliche Befugnisse durch diesen Vertrag nicht übertragen werden (§ 1 Abs. 3 des Vertragstextes). Unabhängig von der Frage, ob die Antragsgegnerin befugt ist, hoheitlich tätig zu werden, unterliegt sie als Entwicklungsträgerin den besonderen Vorgaben der städtebauförderungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere des § 169 Abs. 6 BauGB, denen sich die Stadt Frankfurt am Main auch nicht durch Einschaltung eines privatrechtlich tätigen Dritten entziehen kann.

Ist mithin der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gleichwohl abzulehnen, da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.

Die Antragstellerin will mit ihrem Eilantrag den von ihr im Klageverfahren geltend gemachten Akteneinsichtsanspruch sowie die Vorlage einer Begründung zu der von der Antragsgegnerin getroffenen ablehnenden Entscheidung sichern. Beide von der Antragstellerin angestrengten Klageanträge zielen auf unselbständige Verfahrenshandlungen, die gemäß § 44 a VwGO nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können und daher einer isolierten, eigenständigen Geltendmachung entzogen sind. Gemäß § 44 a VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenhandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden, wobei als Verfahrenshandlungen alle Maßnahmen in Betracht kommen, die eine Behörde in einem Verfahren auf Antrag oder von Amts wegen vornimmt oder vorzunehmen ablehnt, auch konkludentes Verhalten oder bloßes Unterlassen (Kopp/Schenke, a.a.O., § 44 a Rdnr. 3).

Dass es sich bei dem von der Antragstellerin monierten Begründungserfordernis des § 39 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz - HessVwVfG - um eine Verfahrenshandlung im Sinne des § 44 a VwGO handelt, liegt auf der Hand, da das Begründungserfordernis nur im Zusammenhang mit einer anstehenden Sachentscheidung relevant werden kann. Doch auch hinsichtlich des von der Antragstellerin geltend gemachten Akteneinsichtsgesuchs mutet das Gesetz der Antragstellerin zu, den geltend gemachten Anspruch auf Akteneinsicht erst in einem sich möglicherweise anschließenden Gerichtsverfahren durchsetzen zu können (vgl. § 100 VwGO), da es sich auch insoweit um eine nicht selbstständig angreifbare Verfahrenshandlung im Sinne des § 44 a VwGO handelt. Die Antragstellerin kann nämlich ihren Anspruch auf Akteneinsicht innerhalb eines Verfahrens zur Durchsetzung ihres eigentlich verfolgten Anspruchs - letztendlich begehrt die Antragstellerin den Zuschlag für die Investitionsmaßnahme - geltend machen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.02.2000 - 2 B 10209/00 - in juris-online; Bay. VGH, Beschluss vom 18.05.1995 - 7 E 95.1069 - in juris-online). Der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG ist dabei dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass Mängel im Verwaltungsverfahren, die neben § 44 a VwGO nicht unmittelbar mit Rechtsbehelfen gegen die Verfahrenshandlung geltend gemacht werden können, im Rahmen eines gegen die Sachentscheidung zulässigen Klageverfahrens gerügt werden können und rechtlich geprüft werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.03.1997 - 11 VR 2/97 - in juris-online ). Dem damit verbundenen Kostenrisiko, erst nach ordnungsgemäßer Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen bzw. nach Vorlage der Gründe für die ablehnende Entscheidung beurteilen zu können, ob ein eingelegtes Rechtsmittel hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, trägt § 155 Abs. 4 VwGO ausreichend Rechnung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 50 Abs. 2 GKG entsprechend, §§ 52, 47, 53 GKG. Zwar findet § 50 Abs. 2 GKG aufgrund der Tatsache, dass es sich nicht um ein vergaberechtliches Verfahren handelt, keine unmittelbare Anwendung , die dort zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken hat der Senat jedoch im Rahmen der von ihm zu treffenden Ermessensentscheidung nach § 52 Abs. 1 GKG mit berücksichtigt, sodass es im Ergebnis bei der Berechnung des Verwaltungsgerichts verbleiben kann.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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