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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.06.2007
Aktenzeichen: 3 TJ 966/07
Rechtsgebiete: RVG VV, VwGO


Vorschriften:

RVG VV Vorbemerkung 3.4 zu Nr. 3100
VwGO § 154 Abs. 1
VwGO § 162 Abs. 1
VwGO § 162 Abs. 2
Erstattungsfähig sind nach den Vorschriften der §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO ausschließlich die Kosten, die dem Kostengläubiger tatsächlich entstanden sind.

Auch wenn die Regelungen des RVG nur das Innenverhältnis zwischen Rechtssuchendem und Anwalt regeln, kann kostenrechtlich im Außenverhältnis nur das geltend gemacht werden, was im Innenverhältnis geschuldet wird.

Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VVRVG wird die gerichtliche Verfahrensgebühr, nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr gemindert (im Anschluss an BGH, Urteil vom 07.03.2007, VIII ZR 86/06).

Anhaltspunkte dafür, dass die Regelungen des RVG hinsichtlich der Anrechnung vorgerichtlicher Tätigkeiten eine planwidrige Regelungslücke enthalten, bestehen bereits deshalb nicht, da der Vorschrift augenscheinlich die Überlegung zugrunde liegt, die Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren auch danach zu bemessen, ob der Bevollmächtigte bereits im Ausgangsverfahren tätig war und bereits im Ausgangsverfahren erbrachte Leistungen nicht nochmals im gerichtlichen Verfahren honoriert werden sollen.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 TJ 966/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kostenfestsetzung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann

am 8. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 2007 - 4 J 582/07 - wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen den die Erinnerung des Beschwerdeführers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 27. Oktober 2006 zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. März 2007 hat in der Sache keinen Erfolg.

Zur Begründung nimmt der Senat zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts. Die Beschwerdebegründung rechtfertigt keine dem Beschwerdeführer günstigere Entscheidung.

Hinsichtlich der von ihm geltend gemachten Anwaltskosten trägt der Beschwerdeführer zunächst vor, das Verwaltungsgericht gehe unzutreffend davon aus, Kostenerstattungen für angefallene Aufwendungen im Verwaltungsverfahren gebe es nach geltender Rechtslage nicht. Die Ansicht des Verwaltungsgerichts sei darüber hinaus hinsichtlich der Kürzung/Anrechnung der Gebühren, insbesondere der abgesetzten Terminsgebühr für das Widerspruchsverfahren, unzutreffend.

Dem kann nicht gefolgt werden.

Das Verwaltungsgericht hat in dem Urteil vom 31. Mai 2005 unter anderem entschieden, dass die Kosten des Verfahrens der Beklagte zu tragen hat (Blatt 155 der GA), und auf Antrag des Klägers am 18. Juli 2006 ergänzend beschlossen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war (Blatt 206 der GA). Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO, der den Kostenbegriff und die Erstattungsfähigkeit der Kosten näher regelt, sind Kosten die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO sind, soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, Gebühren und Auslagen allerdings nur erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.

Nach einhelliger Rechtsprechung und Kommentarliteratur versteht die VwGO unter dem Begriff "Vorverfahren" nur das Widerspruchsverfahren. Zu den erstattungsfähigen Kosten des Verfahrens gehören nicht die Kosten, die dem Beteiligten durch das Verwaltungsverfahren bei der Ausgangsbehörde entstanden sind (vgl. Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 2. Auflage, § 162 Rdnr. 91 mit Rechtsprechungsnachweisen; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Auflage, § 162 Rdnr. 16 mit Rechtsprechungsnachweisen), so dass der Kläger insoweit keinen Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten hat.

Auch die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in Höhe von 0,35 ist jedenfalls hier, wo die Heranziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt worden ist, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden.

Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend auf die Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 des Vergütungsverzeichnisses zum Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG -) vom 5. Mai 2004 verwiesen. Danach wird, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2400 bis 2403 entstanden ist, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet.

Erstattungsfähig sind nach den Vorschriften der §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO ausschließlich die Kosten, die dem Kostengläubiger tatsächlich entstanden sind. Bereits aus dieser Erwägung kommt im Anwendungsbereich der Vorbemerkung 3 Abs. 4 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG ausschließlich die Erstattung der "angerechneten", also der reduzierten Gebühr in Frage, da nur diese von dem Kläger im Innenverhältnis seinem Bevollmächtigten zu erstatten ist. In seiner Entscheidung vom 7. März 2007 (VIII ZR 86/06 in juris-online) weist der BGH zudem zutreffend darauf hin, dass eine bereits entstandene Geschäftsgebühr unangetastet bleibt und durch die hälftige Anrechnung sich eine (später) nach Nr. 3100 VV RVG angefallene Verfahrensgebühr verringert. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die gerichtliche Verfahrensgebühr zu mindern, nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr. Die von der Rechtsprechung strittig behandelte Frage, ob die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur das interne Verhältnis zwischen Anwalt und Mandanten betrifft und mithin im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren keine Anwendung findet oder ob diese Regelung auch im Außenverhältnis Wirkung entfaltet, kann nach Auffassung des Senats dahingehend beantwortet werden, dass die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG vorgesehene Anrechnungsklausel bereits deshalb auch auf das Außenverhältnis durchschlägt, weil der Gesetzgeber jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall eines Beschlusses nach § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO nur die geminderte Verfahrensgebühr hat festsetzen lassen wollen mit der Folge, dass auch nur diese als außergerichtliche Kosten geltend gemacht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2007 - VIII ZR 86/06 - in juris-online; Bay. VGH, Beschluss vom 06.03.2006 - 19 C 6.268 - in juris-online; Bay. VGH Beschluss vom 14.05.2007 - 25 C 07.754 - in juris-online; VG Freiburg, Beschluss vom 21.03.2007 - 2 K 1377/06 - in juris-online; Bay. VGH, Beschluss vom 10.07.2006 - 4 C 06.1129 - in juris-online; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.04.2006 - 7 E 410/06 - in juris-online). Hierbei spielt es bereits deshalb keine Rolle, dass die Regelungen des RVG nur das Innenverhältnis zwischen Rechtssuchendem und Anwalt regeln, da kostenrechtlich im Außenverhältnis nur das geltend gemacht werden kann, was im Innenverhältnis tatsächlich geschuldet wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Regelungen des RVG, insbesondere die Vorbemerkung zu 3 Abs. 4 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG eine planwidrige Regelungslücke enthalten, die den Weg für eine (entgegen gerichtete) Auslegung eröffnen könnte, bestehen bereits deshalb nicht, da der Vorschrift augenscheinlich die Überlegung zugrunde liegt, den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren auch danach zu bemessen, ob der Bevollmächtigte bereits im Ausgangsverfahren tätig war und bereits im Ausgangsverfahren erbrachte Leistungen nicht nochmals im gerichtlichen Verfahren honoriert werden sollen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 06.03.2006, a.a.O.).

Auch hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die von dem Kläger bzw. dessen Architekten eingeholten Katasterauszüge hat die Beschwerde keinen Erfolg.

Der Katasterauszug vom 20. Juli 2004 mit einem Kostenbetrag von 52,00 € ist im Bauantragsverfahren und nicht im Widerspruchsverfahren eingeholt worden - der Bauantrag datiert vom 26. Juli 2004 -, so dass nach den oben gemachten Ausführungen diese Aufwendungen als Auslagen des Ausgangsverfahrens nicht erstattungsfähig sind.

Die Kostenerstattung für den im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eingeholten Katasterauszug vom 1. November 2004 in Höhe von 909,00 € - der Widerspruch des Klägers datiert vom 6. Oktober 2004 - ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, der Kläger hat jedoch nicht dargelegt, dass diese Kosten tatsächlich in der geltend gemachten Höhe zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige Aufwendungen waren.

Bei dem Katasterauszug vom 1. November 2004 handelt es sich um einen digitalisierten Auszug mit Punktinformationen, Format strukturiertes DXF (Bl. 198 der GA), der offensichtlich um ein vielfaches aufwendiger und komplizierter gestaltet ist als der im Ausgangsverfahren eingeholte Katasterauszug für zwei Flurstücke mit einer Kostenlast von 52,00 €. Der Kläger hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen ein derart aufwendiger Katasterauszug für die Beantwortung der Frage, ob sich das von ihm geplante Bauvorhaben - Umbau des bestehenden Imbisses in eine Schank- und Speisegaststätte - in die nähere Umgebung im Sinne des § 34 BauGB einfügt, erforderlich und notwendig war.

Das Bauvorhaben des Klägers war von dem Verwaltungsgericht sowie der Ausgangs- und Widerspruchsbehörde nach § 34 BauGB zu beurteilen. Das Verwaltungsgericht hat in dem Urteil vom 31. Mai 2005 - 4 E 1716/05 - zutreffend ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Frage des Sich-Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB vorrangig auf diejenigen Kriterien des Maßes der baulichen Nutzung abzustellen ist, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt. Dies sind in erster Linie die Umstände, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen. Dies sind die (absolute) Größe der Grundfläche, die Geschosszahl und die Höhe des Gebäudes, die vorrangig das Bild der maßgeblichen Umgebung prägen und sich deshalb als Bezugsgrößen des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung anbieten. Die Berücksichtigung der anderen Maßfaktoren wie der Grundflächen- und der Geschossflächenzahl ist deshalb zwar nicht ausgeschlossen. Diese relativen Maßgrößen haben jedoch vielfach nur eine untergeordnete Bedeutung für die Frage des Einfügens, weil sie in der Örtlichkeit häufig nur schwer ablesbar sind, vielmehr erst errechnet werden müssen (BVerwG, Urteil vom 23.03.1994, 4 C 18.92, UPR 1994, 268).

Dass es zur Beurteilung der Rechtsfrage, ob sich das Vorhaben des Klägers in die nähere Umgebung einfügt, eines derart aufwendigen Katasterauszugs bedurft hat, hat der Kläger bei alledem nicht dargelegt.

Gleiches gilt für die von dem Kläger geltend gemachte Architektenrechnung in Höhe von 928,12 € vom 30. Juni 2005. Ausweislich Bl. 201 der GA hat der Architekt F. I. dem Kläger unter dem 30.06.2005 eine Rechnung erstellt für Beratung, Wahrnehmung von Bauamts- und Katasteramtsterminen sowie für die Berechnung von GRZ/GFZ und die Vorbereitung und Teilnahme an der Anhörungsausschusssitzung. Der Kläger hat unter Berücksichtigung der oben gemachten Ausführungen zu den bei einer Prüfung nach § 34 BauGB zu berücksichtigenden Maßstäben nicht dargelegt, dass die geltend gemachten Kosten für seine zweckentsprechende Rechtsverfolgung als notwendige Aufwendungen im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO anzusehen sind, insbesondere, dass es zur Beantwortung der Frage, ob sich das Bauvorhaben in die nähere Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB einfügt, des Beistandes eines Architekten im Anhörungsausschuss und der komplizierten Berechnung von GRZ und GFZ bedurft hat.

Soweit der Kläger abschließend in seinem Beschwerdeschriftsatz die Übernahme der Kosten für den ablehnenden Bescheid/die Erteilung der Genehmigung einfordert und auch in diesem Zusammenhang nochmals die Verrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren rügt, kann er damit nicht durchdringen. Es kann auf die bereits oben gemachten Ausführungen zu den Kosten des Vorverfahrens bzw. denjenigen des Ausgangsverfahrens sowie zu der zulässigen Anrechnung der Gebühren gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG verwiesen werden.

Gemäß § 154 Abs. 2 VwGO trägt der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da für das Beschwerdeverfahren gemäß Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG eine Festgebühr von 50,00 € anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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