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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.02.2001
Aktenzeichen: 3 UE 1296/94
Rechtsgebiete: GG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 16 a Abs. 1
AuslG § 51 Abs. 1
AuslG § 53 Abs. 4
AuslG § 53 Abs. 6
1. Syrisch-orthodoxe Christen aus Syrien werden als Gruppe in Syrien derzeit nicht politisch verfolgt.

2. Sippenhaft bzw. sippenhaftähnliche Verfolgungsmaßnahmen drohen in Syrien grundsätzlich nicht.

3. Syrische Staatsangehörige haben allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu der Organisation "Shuraya" in ihrem Heimatstaat nicht mit politischer Verfolgung zu rechnen.

4. Allein die Asylantragstellung führt auch bei einer zwangsweisen Rückkehr nach Syrien nicht zu politischer Verfolgung. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, die geeignet sind, bei den syrischen Behörden den Verdacht einer oppositionellen politischen Betätigung des Asylbewerbers zu erregen.

5. Die Nichtableistung des Wehrdienstes führt zwar möglicherweise zu einer Bestrafung in Syrien bei einer Rückkehr; insoweit liegt aber lediglich eine Ahndung kriminellen Unrechts vor.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

3 UE 1296/94

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Eisenberg, Richterin am Hess. VGH Schott

am 09. Februar 2001 beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 23. September 1993 - Az.: 2 E 5443/89 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, sofern nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der am 24.09.1968 in Malkeia geborene Kläger begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Er reiste gemeinsam mit seiner Mutter N.D. und seinen Geschwistern Josef und Wolga gemeinsam am 23.07.1986 auf dem Luftweg über Damaskus und das damalige Ost-Berlin in die Bundesrepublik ein. Im Rahmen seiner Anhörung an der Grenzschutzstelle Bebra/Bahnhof erklärte er am 24.07.1968, er wolle zu seinem Vater J.T. nach Bad Vilbel. Er habe als Christ in Syrien Schwierigkeiten bei Mitschülern und Lehrern. Das Haus sei vor drei Monaten zusammengebrochen und die Regierung stelle Christen keine neuen Wohnungen mehr zur Verfügung.

Im Rahmen der Vorprüfung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erklärte er am 12. Februar 1988, er sei syrisch-orthodoxer Christ und habe in Syrien von 1973 bis 1986 die Schule besucht und mit dem Abitur abgeschlossen. Das Zeugnis habe er sich nach Deutschland schicken lassen. Er hätte im Oktober 1986 zur Untersuchung wegen des Wehrdienstes kommen sollen, sei jedoch zuvor ausgereist. Er habe versucht, Mitglied in der assyrischen Partei zu werden. Wegen der Verfolgung des Vaters werde auch die restliche Familie verfolgt. Deshalb habe er der Partei nicht beitreten können. Er sei in der Schule Belästigungen durch die moslemischen Mitschüler ausgesetzt gewesen. Die Lehrer hätten die Christen benachteiligt. Sie hätten Unterschiede gemacht, in dem sie nur den Moslems geholfen hätten. Es hätte zwar auch christliche Lehrer gegeben, sie hätten aber unter dem Druck der Regierung gestanden und sich nicht frei bewegen können. Außerdem sei nach der Flucht seines Vaters der militärische Nachrichtendienst zu ihnen gekommen. Er sei mehrere Male von dem militärischen Nachrichtendienst von zu Hause mitgenommen worden. Zweimal sei er auch geschlagen worden, und man habe ihn gefragt, wo sein Vater sei. Dies habe er aber nicht genau gewusst. Schließlich habe ein Bruder des Vaters ihnen erzählt, dass der Vater in Deutschland sei. Dies hätte die Familie etwa ein bis zwei Wochen vor seiner Ausreise erfahren. Es könne auch früher gewesen sein. Er könne sich nicht mehr genau daran erinnern. Er selbst habe gewusst, dass der Vater bei der geheimen assyrischen Partei und der kommunistischen Partei gewesen sei. Auf die Frage, ob die kommunistische Partei in Syrien verboten sei, erklärte er, es gebe einen rechten und einen linken Flügel. Er habe nicht gewusst, welchem Flügel sein Vater angehört habe. Es sei jedoch der Flügel gewesen, der von der syrischen Regierung unterstützt werde. Der Vater sei dann aber aus der Partei ausgetreten. Kurz vor seiner Ausreise sei der Vater gedrängt worden, wieder einzutreten und den syrischen Geheimdienst zu unterstützen. Für seine Ausreise sei ausschlaggebend gewesen, dass er Schwierigkeiten mit den moslemischen Mitschülern gehabt habe und dass wegen seinem Vater Druck auf ihn ausgeübt worden sei. Ihm sei vorgeworfen worden, der Kataeb anzugehören oder aber der assyrischen Partei. Man habe zuerst bei der Passausstellung im April 1986 Probleme gehabt und zunächst keinen Pass erhalten. Durch Beziehung und Bestechung sei dies dann aber möglich gewesen. Der Pass habe nur für kurze Zeit ausgestellt werden können, da er zur Untersuchung wegen des Militärdienstes habe kommen sollen. Er habe auch nicht gewusst, ob er das Abitur bestanden habe, denn er sei vor der Zeugnisausstellung ausgereist.

Mit Bescheid vom 01.12.1988 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass der Asylantrag des Vaters des Antragstellers ebenfalls abgewiesen worden sei und der Kläger auch nicht habe deutlich machen können, dass er in Syrien politische Verfolgung habe erleiden müssen. Insbesondere habe er bei der Anhörung in Bebra nichts davon gesagt, dass er politische Schwierigkeiten mit dem syrischen Geheimdienst gehabt habe. Auch sei von der Schwere des Eingriffs her keine Asylrechtsrelevanz gegeben. Auch bei einer Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt müsse er keine politische Verfolgung befürchten. Denn die Christen seien eine nicht unbedeutende Minderheit und viele Christen bekleideten hohe Stellungen in der Wirtschaft und im Staatsdienst.

Mit Verfügung vom 15.03.1989 erließ der Beklagte zu 2. eine Ausreiseaufforderung nach § 28 AsylVfG vom 16. Juli 1982. Er setzte eine Frist von einem Monat nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und der Ausreiseaufforderung. Zugleich wurde die Abschiebung angedroht.

Mit Schreiben vom 06.04.1989, bei Gericht am 11. April 1989 eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben und unter anderem vorgetragen, er sei seit 1990 Mitglied der Partei Shuraya. Er legte zugleich einen Mitgliedsausweis in syrischer Sprache vor.

Im Rahmen der informatorischen Anhörung des Klägers am 23. September 1993 vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger ferner eine deutschsprachige Bescheinigung der assyrisch-national-demokratischen Partei - Shuraya - vorgelegt, wonach ihm die aktive Mitgliedschaft in der Partei bestätigt wurde. Es wurde ihm auch die Teilnahme an Sitzungen und Veranstaltungen und die Flugblattverteilung bescheinigt. Die Bescheinigung trägt das Datum vom 20. September 1993. Im Rahmen der informatorischen Anhörung hat der Kläger ferner erklärt, eine Rückkehr nach Syrien bedeute ein sehr hartes Schicksal für ihn, weil er seinen Wehrdienst nicht abgeleistet habe und weil er sich für die Shuraya betätige. Er beteilige sich sehr aktiv an der Parteiarbeit. Insbesondere sorge er dafür, dass das Bild der Parteizeitschrift sowie das Impressum und das Drucken von ihm übernommen werde. Man organisiere auch Demonstrationen. Man richte sich dabei vorwiegend an die Jugend. Man veranstalte auch Folkloreabende, Parties und pflege die Kontakte der einzelnen Gruppen der Shuraya untereinander bundesweit. Es gehe darum, für die Jugend das eigene Land geschichtsbewusst werden zu lassen. Man fordere das von Seiten der Shuraya für Assyrien. Die Shuraya sei in Syrien verboten. Sein Vater sei in Syrien nicht Mitglied dieser Partei gewesen und er ebenfalls nicht. Es handele sich bei dieser Partei nicht um eine terroristische Organisation.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 1.2.1988 und den Bescheid des Landrates des Wetteraukreises vom 15.3.1989 aufzuheben und das Bundesamt zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gegeben sind, ferner festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG bei dem Kläger vorliegen.

Die Beklagten haben unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den Bescheiden beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 23.09.1993 hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, in Syrien sei die Religionsfreiheit garantiert und werde auch gewährleistet, denn Christen seien in allen Bereichen auf öffentlichen, führenden Positionen vertreten. Zwar bestehe ein gewisser Assimilationsdruck, jedoch könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass Christen generell in Syrien verfolgt würden. Die vom Kläger behaupteten Vorfälle vor seiner Ausreise ließe nicht die erforderliche Eingriffsintensität erkennen. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG seien nicht erfüllt. Weder die Stellung eines Asylantrages führe zu politischer Verfolgung in Syrien noch stelle die Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung politische Verfolgung dar. Auch die Tätigkeit des Klägers für die Shuraya führe nicht zu einem Abschiebungshindernis. Die Shuraya habe kein echtes politisches Programm. Man sei vielmehr um den Erhalt des assyrischen Kulturguts und der assyrischen Sprache bemüht und setze sich für die Einhaltung der Menschenrechte der assyrischen Volkszugehörigen ein. Damit sei auch der gegen den Beklagten zu 2. gerichteten Anfechtungsklage der Erfolg zu versagen.

Gegen das am 12. Dezember 1993 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schreiben vom 14. Dezember 1993, bei Gericht per Fax am selben Tage eingegangen, die Zulassung der Berufung begehrt.

Mit Beschluss vom 03. Mai 1994 hat der damals zuständige 10. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs die Berufung zugelassen und ausgeführt, dass dem Kläger im Hinblick auf die vom Gericht im angefochtenen Urteil zitierten Auskünfte und Erkenntnisse zur Shuraya kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Denn diese seien zuvor nicht in das Verfahren eingeführt worden.

Der Kläger beruft sich im Berufungsverfahren im Wesentlichen auf seine Tätigkeit für die Shuraya und auf die Situation der Christen in Syrien. Dazu überreicht er mit Fax vom 03. Juni 1994 einen Auszug aus einem Gutachten der niederländischen Stiftung INLIA.

Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 23.09.1993 aufzuheben und den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen, sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen der §§ 51, 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte zu 1. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung macht sie Ausführungen zur Situation der Christen in Syrien, zur Situation der wehrpflichtigen Syrer und zu den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers für die Organisation der Shuraya.

Der Beklagte zu 2. und der Beigeladene haben keinen Antrag gestellt.

Die Berichterstatterin hat am 16. November 2000 mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Der Kläger hat dabei vorgetragen, dass seine Eltern inzwischen aufgrund eines Folgeantragsverfahrens als Asylberechtigte anerkannt worden seien. Seine vier Geschwister seien ebenfalls nicht mehr in Syrien. Sein Bruder R. sei 1 1/2 Jahre vor seinem Vater in die Bundesrepublik gekommen und als Asylberechtigter anerkannt worden. Dieser sei Vorsitzender der Shuraya für die Sektion Deutschland. Sein Bruder Josef betreibe sein Einbürgerungsverfahren und studiere Jura. Sein Bruder T. sei ca. 2 Jahre nach seiner Mutter und ihm in die Bundesrepublik gekommen, nachdem er zunächst die Schule in Syrien mit dem Abitur abgeschlossen habe. Es habe des öfteren Schlägereien zwischen moslemischen und christlichen Schülern gegeben. Er habe nicht genau gewusst, was sein Vater politisch getan habe. Er habe aber gewusst, dass er der kommunistischen Partei angehört habe und Assyrer sei. Er vermute, dass man das in der Schule auch gewusst habe. Er sei 1990 in die Shuraya eingetreten und der Zelle Bad Vilbel zugeordnet worden. Diese Zelle bestehe aus 8 Personen. Man treffe sich jede zweite Woche bei einem der Mitglieder zu Hause. Früher habe er von Bad Vilbel aus mit seinem Bruder gemeinsam die Zeitung für die Shuraya herausgegeben. Dann habe der Vorsitzende der Shuraya vom Libanon aus angeordnet, die Herausgabe der Zeitung einzustellen. Für die inzwischen wieder erscheinende vom Umfang her kleinere Zeitung schreibe er nicht mehr. Er kenne praktisch niemanden in Syrien mehr. Er befürchte eine Verhaftung, weil man ihn im Zusammenhang mit seinem Bruder, der in Syrien sehr bekannt sei, bringen werde. Er sei zwar nicht so politisch aktiv wieder dieser, aber er mache doch auch mit.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten zu 1. und des Beklagten zu 2. sind ebenso wie das Verfahren des Vaters des Klägers (Az. des Verwaltungsgericht Wiesbaden: II E 5396/89) beigezogen und zum Gegenstand der Beratung gemacht worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf das Protokoll über die Anhörung des Klägers vor der Berichterstatterin Bezug genommen. Den Verfahrensbeteiligten ist eine Erkenntnisquellenliste Syrien, Stand: November 2000 übersandt worden. Auf diese wird ebenfalls Bezug genommen.

II.

Über die Berufung des Klägers kann der Senat gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss entscheiden, weil er sie nach Anhörung der Beteiligten einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die zugelassene und auch ansonsten zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat das Begehren des Klägers auf Gewährung von Asyl- und Abschiebungsschutz zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat in dem nach § 77 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte zu 1. ihn als Asylberechtigten nach Art. 16 a Abs. 1 GG anerkennt. Deshalb ist auch der Bescheid des Beklagten zu 2. nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG.

Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG genießt, wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 - BVerfGE 54, 341). Wer unverfolgt seinen Heimatstaat verlassen hat, ist gemäß § 28 AsylVfG nur dann als Asylberechtigter anzuerkennen, wenn ihm auf Grund eines beachtlichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung droht (BVerfG, Beschluss vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 - BVerfGE 74, 51). Eine Verfolgung ist in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschnitt A Nr. 2 Genfer Konvention - GK - als politisch im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG anzusehen, wenn sie auf die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische Überzeugung des Betroffenen zielt (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86 - BVerfGE 76, 143; BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1984 - 9 C 185.83 - BVerwGE 69, 320). Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck, nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 - BVerfGE 80, 315). Werden nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaates auf Grund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86 - a.a.O.). Die Gefahr einer derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1985 - 9 C 22.85 - NVwZ 1986, 760). Die Prüfung der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert eine qualifizierende Betrachtungsweise, die neben der Eintrittswahrscheinlichkeit auch die zeitliche Nähe des befürchteten Eingriffs berücksichtigt (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1993 - 9 C 45.92 - EZAR 200 Nr. 30). Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 - a.a.O.). Auf Grund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht ist der Asylbewerber gehalten, von sich aus umfassend die in seine Sphäre fallenden Ereignisse substantiiert und in sich schlüssig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen, sodass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1988- 9 C 32.87 - EZAR 630 Nr. 25). Insbesondere muss das Vorbringen den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen deutlich hervortreten lassen (BVerwG, Urteil vom 22. März 1983 - 9 C 68.81 - Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es dagegen, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben. Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist (BVerwG, Urteil vom 12. November 1985 - 9 C 27.85 - InfAuslR 1986, 79).

Nach diesen Grundsätzen kann aufgrund der persönlichen Angaben des Klägers zu seinem Asylbegehren im Rahmen der Anhörung bei der Grenzschutzstelle und beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sowie seiner Anhörung vor dem Verwaltungsgericht und seiner Anhörung vor der Berichterstatterin im zweiten Rechtszug sowie der übrigen schriftlichen Angaben, beigezogenen Akten und Dokumente nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, dass dem Kläger wegen seiner Tätigkeit in Syrien oder wegen seiner Asylantragstellung in Deutschland und seinen sonstigen Tätigkeiten in der Bundesrepublik oder wegen des bisher nicht geleisteten Wehrdienstes politische Verfolgung bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Der Kläger ist nicht vorverfolgt ausgereist, und es droht ihm bei einer Rückkehr nach Syrien derzeit und in absehbarer Zukunft keine politische Verfolgung. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen, denn jedenfalls kann bei einer Rückkehr im jetzigen Zeitpunkt politische Verfolgung ausgeschlossen werden.

Der Kläger hat Syrien nicht aus begründeter Furcht vor eingetretener oder unmittelbar bevorstehender politischer Verfolgung in auswegloser Lage verlassen. Die Reibereien, Schlägereien und sonstigen Misshelligkeiten, die es den Angaben des Klägers zufolge zwischen moslemischen und christlichen Schülern in seiner Heimatstadt gegeben hat, stellen keine politische Verfolgung durch den Staat dar, denn insoweit handelt es sich um Schwierigkeiten zwischen Privatleuten. Auch wenn die Lehrer möglicherweise die Christen benachteiligt haben sollten und darin ein staatliches oder durch den Staat geduldetes Tun gesehen werden könnte, erreicht es jedenfalls nicht die Intensität, die für die Annahme politischer Verfolgung notwendig ist. Im Übrigen ist der Kläger insoweit auch sehr vage geblieben und hat nicht genau geschildert, welcher Art die Ungerechtigkeiten gewesen sein sollen. Im Übrigen wurde auch nicht deutlich, ob man sich gegen diese Ungerechtigkeiten ggf. hätte wehren können bzw. müssen und ob der Kläger solche Versuche unternommen hat. Er hat angegeben, dass es auch christliche Lehrer an seiner Schule gegeben habe, es jedoch offen gelassen, inwieweit Hilfe von diesen gekommen ist. Jedenfalls sind die Schwierigkeiten mit den Lehrern nicht so gravierend gewesen, dass sie es dem Kläger unmöglich gemacht hätten, sein Abitur im Heimatland abzulegen. Asylrechtliche Relevanz haben diese Schwierigkeiten nicht.

Soweit der Kläger seine Ausreise auch mit den Nachforschungen des Geheimdienstes hinsichtlich seines Vaters in Verbindung bringt, hat das Gericht Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers. Denn dieser hatte bei seiner Einreise auf der Grenzschutzstelle Bebra lediglich angegeben, Schwierigkeiten mit den Mitschülern und Lehrern in der Schule gehabt zu haben und überdies wegen des zusammengebrochenen Elternhauses Syrien verlassen zu haben. Der Umstand, dass der Kläger zunächst sein Abitur abschloss und sodann erst die Heimat verließ, spricht dafür, dass der Kläger die Festnahmen durch den Geheimdienst nicht zu erleiden hatte. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, würde diesen kurzfristigen Festnahmen und Verhören jedenfalls die Asylrelevanz fehlen.

Allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der syrisch-orthodoxen Christen war der Kläger vor seiner Ausreise keiner dem syrischen Staat zurechenbaren unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung ausgesetzt. Insoweit nimmt das Gericht zur Begründung zunächst auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden in der angefochtenen Entscheidung (Seite 10 ff.) Bezug. Darüber hinaus ist festzustellen, dass das Auswärtige Amt in den von ihm herausgegebenen Lageberichten kontinuierlich bis heute darauf hingewiesen hat, dass die christliche Minderheit in Syrien, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung ca. 12 % betrage, keiner Verfolgung durch syrische Sicherheitsorgane ausgesetzt sei. Sowohl die syrische Verfassung als auch die Ideologie des syrischen Regimes gingen von einer Respektierung auch der christlichen Bevölkerungsminderheit aus. Wo es Anlass zu Klagen gebe, gingen diese in den meisten Fällen auf versteckte Diskriminierungen zurück, die in dem komplizierten gesellschaftlichen Miteinander östlicher Religionsgemeinschaften schwer zu vermeiden seien. Eine zusätzliche Rolle dürfte auch die wirtschaftliche Unzufriedenheit der christlich geprägten Bevölkerungsteile im Norden des Landes spielen. Dagegen entspreche es nicht der Wirklichkeit des syrischen Alltags, von einer "Verfolgung" der Christen zu sprechen. Auch das Deutsche Orient-Institut verneint durchgehend eine Verfolgung oder erniedrigende Behandlung von Syrern christlichen Glaubens in ihrem Heimatland (vgl. z.B. Deutsches Orient-Institut an VG Sigmaringen vom 30.03.1999; vom 02.05.2000 an VG Gießen). Die meisten Christen Syriens gehörten danach der syrisch-orthodoxen Kirche an, die eine in jeder Hinsicht anerkannte christliche Kirche sei und keinerlei Verfolgung unterliege (vgl. im Ergebnis mit derselben Begründung auch VGH Kassel, B. v. 02.12.1993 - 13 UZ 1990/93 -; VGH Mannheim, st. Rspr., zuletzt U. v. 19.05.1998 - A 2 S 28/98 -; OVG NRW, B. v. 07.10.1991 - 16 A 1644/91.A -). Geschehnisse und Erkenntnisquellen, die für die Zeit bis zur Ausreise des Klägers eine andere Einschätzung rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Politische Verfolgung kann für den Kläger auch bei einer Rückkehr im heutigen Zeitpunkt ausgeschlossen werden. Es liegen weder objektive noch subjektive Nachfluchtgründe vor.

Dies gilt zunächst im Hinblick auf die allgemeine Situation der syrisch-orthodoxen Christen in Syrien. Denn in der oben aufgezeigten Einschätzung der Lage ist in der Zwischenzeit keine wesentliche Änderung eingetreten. Wie bereits oben ausgeführt, vertreten sowohl das Auswärtige Amt als auch das Deutsche Orient-Institut kontinuierlich die Auffassung, eine Gruppenverfolgung in Syrien sei nicht gegeben.

Das Auswärtige Amt vertritt in seinem Lagebericht vom 19. Juli 2000 die Auffassung, dass die innenpolitische Lage stabil erscheine. Nach wie vor betrage der Prozentsatz christlicher Minderheiten an der Gesamtbevölkerung knapp 10 %, d.h. ca. 1,4 Millionen. Die auftauchenden Klagen insbesondere der syrisch-orthodoxen Christen (ca. 600.000) über Verfolgungsmaßnahmen durch syrische Sicherheitsorgane erschiene nicht gerechtfertigt, denn Verfassung und Ideologie des syrischen Regimes respektierten auch die christliche Bevölkerungsminderheit. Stellenweise würden Christen sogar als natürliche Verbündete der alevitischen Minderheit gegenüber der semitischen Mehrheit angesehen. Das Regime versuche, jeden Eindruck der Benachteiligung zu vermeiden, insbesondere wenn es um die Verfolgung von an Christen begangenen Straftaten gehe. Es gäbe zwar versteckte Diskriminierungen, wie es bei dem Miteinander unterschiedlicher Religionsgemeinschaften wohl schwer zu vermeiden sei, jedoch könne von einer Christenverfolgung im syrischen Alltag keinesfalls gesprochen werden.

Auch das Deutsche Orient-Institut vertritt kontinuierlich seit der Zeit der Ausreise des Klägers die Auffassung, dass Christen in Syrien nicht verfolgt werden. So führt es zuletzt in seiner Auskunft vom 2. Mai 2000 an das Verwaltungsgericht Gießen aus, die syrisch-orthodoxe Kirche sei eine in jeder Hinsicht akzeptierte christliche Kirche.

Auch der Bericht vom 11. November 1997 durch den Council der Europäischen Union an Cirea bestätigt die beiden o.g. Auffassungen. Dort wird ausgeführt, dass in Syrien verschiedene christliche Gruppen existierten, die im Ganzen eine Minorität von ungefähr 12 % ausmachten. Zwar würden die syrischen Autoritäten ein Auge auf alle Aktivitäten der individuellen und religiösen Gruppen haben, es gebe jedoch keine Berichte von Diskriminierungen auf der Grundlage des Glaubens als solchem. Die Christen könnten in jeder Hinsicht am politischen, sozialen und ökonomischen Leben partizipieren und spielten eine wichtige Rolle innerhalb des Baath-Regimes. Durch die Ideologie des Baath-Systems werde gerade die säkulare Natur der Regierung garantiert. Dies habe einen schützenden Effekt für religiöse Minderheiten im Land.

Die Auffassung vertritt auch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in seiner Syrien-Information vom November 1999. Es führt darin aus, dass die Verfassung Religionsfreiheit garantiere und die Regierung dieses Recht in der Praxis im Großen und Ganzen respektiere. Es gäbe nur selten Hinweise auf soziale Diskriminierung oder gar Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft, z.B. zur christlichen, führe nicht zu einer generellen Gefährdung durch staatliche Verfolgung. Vielmehr könnten Minderheiten ohne Einschränkung am politischen System teilnehmen.

Amnesty international (ai) hat seit einer Auskunft vom 02. September 1993, soweit ersichtlich, nicht mehr dezidiert zu der Frage Stellung genommen, ob Staatsangehörige christlichen Glaubens allein auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit in Syrien politischer Verfolgung ausgesetzt sind. In der genannten Auskunft an das VG Schleswig, die wegen des Umstands, dass sie veraltet ist, nicht mehr in die vom Senat übersandte Liste aufgenommen wurde und sich auch in der vom Verwaltungsgericht übersandten Liste nicht findet, wurde angenommen, dass eine solche Verfolgung nicht existiere. Aus diesen Gründen werden aus dieser Auskunft vom Senat keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen gezogen.

Das vom Kläger überreichte Gutachten der niederländischen Stiftung INLIA fasst Eindrücke aus dem Jahr 1993 zusammen und ist damit ebenfalls nicht mehr aktuell. Soweit darin geschildert wird, wie Christen in Syrien diskriminiert würden, handelt es sich weder um die Schilderung bestimmter Einzelschicksale noch um Angaben zu staatlicher Verfolgung. Vielmehr werden überwiegend Schikanemaßnahmen der moslemischen Bevölkerung geschildert. Zwar werden auch die Beschwerden der Betroffenen geschildert, wonach die Polizei keinen ausreichenden Schutz biete, jedoch wurde diesen Beschwerden von INLIA nicht nachgegangen und eine erkennbare Überprüfung fand nicht statt.

Zusammenfassend gibt es daher keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass allein die christliche Religion bei einer Rückkehr im heutigen Zeitpunkt politische Verfolgung auslöst. Dies gilt auch in Anbetracht des Todes des langjährigen Präsidenten Syriens, Hafez Al-Assad im Juni 2000. In den dem Tod nachfolgenden Tagen wurde sein Sohn, Dr. Bashar Al-Assad, zunächst zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte sowie zum Führer der Baath-Partei und später zum Kandidaten für die Präsidentschaft benannt. Am 17.07.2000 wurde er in sein Präsidentenamt eingeführt (AA, Lagebericht vom 19.07.2000), das er bis heute innehat. Das Auswärtige Amt stellte in seinem Lagebericht vom Juli 2000 zunächst vorsichtig die Frage, ob es dem neuen Präsidenten gelingen werde, sich ebenso wie sein Vater "das ausbalancierte System persönlicher Verpflichtungen, das weit über die Kreise der alawitischen Bevölkerungsgruppe hinausreicht, zu eigen zu machen." Ein verändertes Verhalten gegenüber den Christen lässt sich jedenfalls bis heute den eingeführten Informationen nicht entnehmen. Eher scheint Bashar Al-Assad ein reformwilliger Präsident zu sein, der beispielsweise das Internet - und damit die Kommunikationsmöglichkeiten - fördert und der Presse mehr Freiheit lässt. Auch weitere Neuerungen werden in Syrien diskutiert (beispielsweise der Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon, Forderungen nach der Zusammenlegung der vielen, untereinander konkurrierenden Geheimdienste und der Rückzug der gesamten alten Bürokraten- und Politikergarde, vgl. Süddeutsche Zeit vom 20.12.2000, Damaszener Morgenluft, Heiko Flottau). Dies alles sind aber Bestrebungen in ihren Anfängen, deren Auswirkungen auf das gesamte politische System in Syrien sich der derzeit nicht abschätzen lassen. Für die Christen und ihre Situation in Syrien ist daher weiterhin davon auszugehen, dass sich ihre Lage unter dem neuen Präsidenten jedenfalls nicht verschlechtert hat und sie keiner politischen Verfolgung in Syrien als Gruppe unterliegen.

Der Kläger muss auch nicht aufgrund der Tatsache, dass seinem Vater und seinem Bruder politisches Asyl gewährt wurde und seiner familiären Verbundenheit mit diesen Verwandten mit politischer Verfolgung als einer Art von Sippenhaft rechnen. Dies gilt bereits deshalb, weil diese beiden Angehörigen des Klägers sich schon längere Zeit vor ihm in der Bundesrepublik Deutschland befunden haben, ohne dass ihm deshalb in Syrien politische Verfolgung bevorstand oder er sie zu erdulden gehabt hätte. Nach der Einschätzung des Auswärtigen Amtes und des Deutschen Orient-Institutes, der sich der Senat anschließt, kann von einer generellen Praxis der Sippenhaft in Syrien nicht ausgegangen werden (vgl. AA, Lagebericht vom 19.07.2000). Aktuelle Stellungnahmen anderer Organisationen, wonach dies der Fall sein könnte, sind dem Senat nicht bekannt. Sippenhaft kommt danach nach besonderen Umständen des Einzelfalls in Betracht, insbesondere bei starker familiärer Verbundenheit und dem Grad des mutmaßlichen Verfolgungsinteresses an den in Deutschland verbliebenen Verwandten. Es ist zu prüfen, ob die syrischen Behörden den Rückkehrer dem Umfeld der Regimegegner zurechnen oder jedenfalls zur Ausforschung der Verhältnisse seiner verdächtigen Angehörigen gegen ihn vorgehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Mai 1998 - A 2 S 28/98 -; VGHBW RSpD 1998, Beil. 8, B 3 - 4; OVG Saarlouis, Urteil vom 08. Dezember 1998 - 3 R 72/98 -). Solche Umstände sind im Falle des Klägers nicht gegeben, denn er hat sich an den politischen Aktivitäten seines Vaters in Syrien nicht beteiligt, und es ist auch nicht vorgetragen, dass er dies in der Bundesrepublik getan hätte. Die Tätigkeit für die Shuraya, in der der Bruder des Klägers Vorsitzender ist, ist keine Organisation, an der die syrischen Behörden ein besonderes politisches oder sonstiges Interesse hätten, wie im Folgenden auszuführen sein wird.

Die Tätigkeit des Klägers für die Shuraya stellt keinen beachtlichen Nachfluchtgrund dar, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der Kläger sich bereits vor seiner Ausreise in seinem Heimatland für die Mitarbeit in einer assyrischen Organisation interessiert und sich bereits vor seiner Ausreise in einer latenten Gefährdungslage befunden hätte.

Die assyrische nationaldemokratische Partei Shuraya versteht sich nach ihrer eigenen Einschätzung als Untergrundpartei des assyrischen Volkes (vgl. Anlage zur Auskunft von ai vom 10.11.1998 an VG Freiburg: eigene Angaben der Shuraya). Sie kümmere sich um die Rechte der assyrischen Libanesen und der assyrischen Emigranten aus Mesopotamien. Sie sei 1987 im Libanon gegründet worden. Die Shuraya habe ihre Aktivitäten in Syrien verbreiten können, sei allerdings nur im Untergrund aktiv. Sie kämpfe inzwischen als internationales Institut um die Erhaltung der assyrischen Identität und der assyrischen Kultur und fördere die Muttersprache assyrisch.

In der o.a. Auskunft vom 10. November 1998 geht ai davon aus, dass die assyrische Organisation Shuraya existiere, wenn auch über in Syrien agierende assyrische Oppositionsgruppen keine eigenen detaillierten und dokumentierten Informationen vorlägen.

Auf die Frage, ob die Shuraya in Deutschland von syrischen Geheimdiensten beobachtet werde, führt ai zunächst grundsätzlich aus, dass der syrische Geheimdienst gezielt Informationen über im Ausland lebende Syrer sammele. Die Aufmerksamkeit werde verstärkt, wenn sich diese Personen oppositionell betätigten oder bereits früher betätigt hätten oder nur im Verdacht stünden, oppositionell tätig zu sein. Aus diesen grundsätzlichen Erwägungen schließt ai, dass insoweit auch für die Organisation Shuraya vom Interesse des syrischen Geheimdienstes ausgegangen werden müsse; allerdings lägen keine Informationen über Umfang und Intensität der Überwachungsmaßnahmen vor.

Das Auswärtige Amt teilte zur Shuraya in seiner Auskunft vom 03. August 1999 an das Verwaltungsgericht Gießen mit, eine Gruppierung mit diesem Namen sowie weitere Gruppierungen mit vergleichbaren Namen existierten in Syrien. Die weitgehenste Übereinstimmung ergäbe sich für die Gruppe "al-Hizb al-Qaumi al-Dimuqrati al-Ashuri (Shuraya)". Daneben existierten noch zwei Organisationen, wovon eine sich mit Assyrian Demokratic Party und eine weitere Organisation, sich mit Shuraya Demokratic Organisation übersetzen ließe. Die Partei setze sich für die Gründung eines assyrischen Staates ein. Dabei könne nicht abgeschätzt werden, wie stark jeweils die politische Orientierung sei. Häufig liege die Ausrichtung vorwiegend im religiös kulturellen Bereich, d.h. auf Erhaltung der kulturellen Identität. Nach Meinung des Auswärtigen Amtes handele es sich bei der zuerst genannten Gruppierung um eine Organisation, die kaum den Namen einer Partei verdiene, denn es solle lediglich 20 bis 30 Mitglieder, verteilt auf Syrien, Libanon und einige europäische Repräsentanten, geben. Über die Strukturen im Übrigen sei dem Auswärtigen Amt nichts bekannt. Die geringe Mitgliederzahl dürfte besondere Strukturen im Sinne eines Zentralkomitees oder Politbüros kaum zulassen. Alle bekannten Repräsentanten dieser Gruppierung hielten sich wohl im Libanon auf, nicht in Syrien. Zur ethnischen und religiösen Struktur der Assyrer sei zu sagen, dass diese eine christlich geprägte Minderheit darstellten, deren traditionelle Siedlungsgebiete auf dem Gebiet der heutigen Staaten Türkei, Irak und Syrien lägen. Der Schwerpunkt der Besiedlung habe in der Vergangenheit im heutigen Irak gelegen und läge dort auch zur Zeit noch. In Syrien gäbe es insgesamt ca. 1,5 Mio. Assyrer. Sie hielten sich insgesamt im Norden Syriens, angrenzend zur irakischen Grenze auf. Nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes sei die Gruppierung so geheim, dass sie den Sicherheitsbehörden des Staates Syrien bis heute im Grunde genommen nicht bekannt sei. Es sei allerdings unwahrscheinlich, dass die syrischen Geheimdienste von den Aktivitäten der Mitglieder nichts wüssten. Denn gemeinhin würden alle politischen Aktivitäten genauestens beobachtet und überwacht. Einzelfälle der Verfolgung von Mitgliedern der Gruppierung seien dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. Nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes handele es sich bei der Shuraya um eine Vereinigung von Libanesen assyrischer Herkunft. Der Sitz der Vereinigung sei inzwischen Tripolis im Nord-Libanon. In Deutschland sei davon auszugehen, dass, wie auch sonst im Ausland, die Mitglieder die wirtschaftliche Basis für die Arbeit der Gruppierung sichern sollten. Dem Auswärtigen Amt sei auch nicht bekannt, welche Aktivitäten der syrische Geheimdienst in Deutschland zur Beobachtung von syrischen Exilorganisationen entfalte. Das Auswärtige Amt gehe allerdings davon aus, dass die syrischen Sicherheitsbehörden versuchten, jede politische Aktivität von Syrern in Deutschland zumindest im Ansatz zu kennen und zu beobachten. Eine Gefährdungsprognose für die Rückkehrsituation könne nicht erstellt werden.

In seiner Auskunft vom 30. Juni 1999 an das Verwaltungsgericht Gießen nimmt das Deutsche Orient-Institut zu den Anfragen bezüglich der Shuraya Stellung. Es macht zunächst grundsätzliche Ausführungen zu dem Begriff "Assyrer" im Sinne der religiös kirchlichen und der ethnischen Bedeutung, und kommt zu der Erkenntnis, dass die Vorstellung eines assyrischen Volkes von irakischen Assyrern stamme. Denn die Ende des vorletzten Jahrhunderts im heutigen Irak durchgeführten Ausgrabungen machten es möglich, das historische Reich Assur mit einiger Genauigkeit im geschichtlichen Verlauf zu rekonstruieren. Dies historische Reich von Assur sei bereits im 7. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung untergegangen. Das dem alten Mesopotamien entsprechende Gebiet - im Wesentlichen der heutige Irak - sei seitdem Schauplatz zahlreicher Völkerdurchzüge und ethnisch-stammesmäßiger Gemengelagen geworden. Deshalb wirke der insbesondere von irakisch-assyrischen Christen erhobene Anspruch, die volksmäßigen Nachfolger des Reiches Assur zu sein, aus der Sicht des Institutes nicht überzeugend. Die irakischen Assyrer würden im Sinne ihrer nationalpolitischen Vorstellungen die Angehörigen aller syrischen Kirchen unterschiedslos als Angehörige eines einheitlichen Volkes der Assyrer ansehen. Insbesondere bei den in der Isolation lebenden Gemeinden anderer syrischer Kirchen habe die Idee eines politischen nationalen Assyrertums Anklang gefunden. Der syrische Klerus im Orient sei den Politisierungsbestrebungen der syrischen Kirchen durch die Exilgemeinden entschiedenen entgegen getreten. So habe die Synode der syrisch-orthodoxen Kirche, deren Patriarch in Damaskus residiere, die Bezeichnung "assyrisch" und "aramäisch" verboten und lediglich die Bezeichnung "syrisch" anerkannt, um den assyrischen Nationalbewegungen und dem politischen Bekenntnis zum Assyrertum schon begrifflich den Boden zu entziehen. Nachdem dies zu erheblichen Protesten der Exilgemeinden geführt habe, habe der seit 1980 amtierende Patriarch den Streit dahin entschieden, dass diese Frage eine weltliche Angelegenheit sei, die nicht in die Zuständigkeit der Kirche falle. In Syrien spielten die Vorstellungen von einem assyrischen Volk etc. keine Rolle. Syrisch-orthodoxe Christen würden es auf Fragen hin in der Regel vehement verneinen, zum Volk der Assyrer zu gehören. Mit der Frage nach einem assyrischen Volk könnten sie ersichtlich nichts anfangen. Die politisch nationale Aufladung der Bezeichnung "Assyrer" sei erst in der Diaspora aufgegriffen worden. Erst in den 70-er Jahren sei die Forderung nach einem assyrischen Staat anlässlich des 7. Kongresses der in Amerika ansässigen Assyrian Universal Alliance in Chicago nach Wissen des Instituts erstmals erhoben worden. Dies sei als Forderung nach der Erhaltung der eigenen Identität als Glaubensgemeinschaft zu verstehen. Im Orient selbst würden diese Forderungen nach Wissen des Institutes nicht ernsthaft erhoben. Selbst auch diejenigen irakischen Assyrer, die die Ideen am lebhaftesten verträten, forderten lediglich die Verwirklichung ihrer kulturellen, politischen und sozialen Minderheitenrechte im Rahmen des einheitlichen Iraks. Ideen vom assyrischen Volk spielten in Syrien keine politische Rolle, denn die überwiegende Mehrheit der in Syrien lebenden Christen habe von nationalen Rechten und von einem Volk der Assyrer noch nie etwas gehört. Dies gelte nicht deshalb, weil solche Vorstellungen verboten wären, sondern auch deshalb, weil diese Vorstellungen irreal seien. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil die Christen Syriens unabhängig davon, welcher syrischen Kirche sie angehörten, in Syrien nicht verfolgt würden, vielmehr - gerade auch, soweit es die syrisch-orthodoxe Kirche angehe - vollkommen in den syrischen Staat und seine Verhältnisse integriert seien und keine nationalpolitischen Aspirationen hätten. Hinzu komme, dass die Christen Syriens überall verteilt in Syrien wohnten und insoweit auch die Vorstellung einer national-territorialen Autonomie irreal sei. Denn diesen Vorstellungen entspreche kein auch nur annähernd zusammenhängendes Siedlungsgebiet der Christen. Man habe keine Belege für die Existenz einer Partei mit dem Namen "Shuraya" und/oder "Assyrian National Demokratic Party". Dies verwundere auch nicht, da unter den in Syrien lebenden Christen derartige Vorstellungen nicht vertreten seien. Im Exil gäbe es diese Gruppen, die unter ähnlichen Namen aufträten, sowohl in Deutschland als auch in anderen, vor allen Dingen außereuropäischen, Ländern. Besonders vertreten seien diese Gruppen in Amerika. Es könne sein, dass sich im Libanon derartige Gruppen erhalten könnten, da es dort etwas freiheitlicher zuginge und eine sehr kleine assyrische Gemeinde existierte. Es gebe keine Informationen darüber, ob die Organisation von den Nachrichtendiensten beobachtet würde. Es sei aber nicht damit zu rechnen, dass die Nachrichtendienste diese als Opposition, die sie interessieren könnte, einschätzen würden. Da sich die Aktivität der Vereine vorwiegend im Ausland entfalte und keinen nach Syrien wirkenden konkreten Bezug habe, erschiene es nicht plausibel, dass der syrische Nachrichtendienst an diesen Informationen Interesse haben könnte.

Aus diesen Informationen, insbesondere aus der zuletzt genannten Auskunft des Deutschen Orient-Institutes, wird nach Ansicht des Senats deutlich, dass es sich bei der Shuraya nicht um eine vorwiegend politische Organisation handelt. Auch der Kläger hat in seiner informatorischen Anhörung vor der Berichterstatterin dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte gegeben. Zwar hat der Kläger ausgeführt, man verstehe sich als politische Organisation, jedoch sind die geschilderten Aktivitäten, die eine solche politische Ausrichtung nahelegen könnten, nicht geschildert worden. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Angaben des Klägers in der informatorischen Anhörung vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden. Er hat damals ausgeführt, man sei dabei, Flugblätter zu verteilen und veranstalte Sitzungen. Das Bild der Parteizeitschrift sowie das Impressum und das Drucken werde von ihm übernommen. Man organisiere auch Demonstrationen, dabei beteilige er sich. Ihr Ziel sei quasi, für die Jugend das eigene Land geschichtsbewusst werden zu lassen. Das Ganze richte sich vorwiegend an die Jugend, damit diese ihre Identität nicht verliere. Aus diesem Grund veranstalte man auch Folkloreabende, Parties und pflege die Kontakte zu einzelnen Gruppen der Shuraya untereinander. Aus den Angaben wird eher deutlich, dass es sich um eine kulturelle als eine politische Identität handelt. Soweit der Kläger von Demonstrationen spricht, an deren Organisation er teilgenommen habe, wird nicht deutlich, mit welcher Zielrichtung diese Demonstrationen stattgefunden haben sollen und ob er selbst auch an der Demonstration teilgenommen hat. Ähnliches gilt für die Anhörung vor der Berichterstatterin am 16. November 2000. Einzig die Teilnahme an einer Demonstration in Brüssel, zu der aber auch genaue Angaben fehlen, habe der Kläger besuchen wollen. Ansonsten würden zu nationalen und religiösen Feiertagen Zettel verteilt und Spenden gesammelt. Der Vorsitzende der Organisation sei im Libanon ansässig, was insoweit mit den Informationen des Auswärtigen Amtes in der zuvor gegebenen Auskunft hinsichtlich des Hauptsitzes der Organisation übereinstimmt. Die Informationen des Deutschen Orient-Institutes und des Auswärtigen Amtes legen es im Übrigen auch eher nahe, dass die Organisation sich um die ethnische und religiöse Identität ihrer Mitglieder kümmert und um den Erhalt des assyrischen Kulturgutes und der assyrischen Sprache bemüht ist. Die Aktivitäten als "politisch" zu bezeichnen kann - im Sinne der Auffassung des Deutschen Orient-Institutes in der o.a. Auskunft - nur als gewisse "politische Überhöhung" der Tätigkeiten angesehen werden.

Aus diesen Gründen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der syrische Geheimdienst in den Mitgliedern der Shuraya politisch Oppositionelle vermutet und sie deshalb im Ausland besonderer Beobachtung unterzieht. Selbst wenn herausragende Köpfe der Organisation dieser Beobachtung unterlägen, träfe dies jedenfalls nicht auf den Kläger zu. Denn dieser ist im Wesentlichen im Schatten seines Bruders, der Vorsitzender der Organisation in Deutschland ist, tätig geworden. Auch die frühere Tätigkeit für die Herausgabe der Zeitschrift vermag der Tätigkeit des Klägers kein besonderes Gewicht zu verleihen. Insoweit sind auch keine Details bekannt, die eine solche Annahme gerechtfertigt erschienen ließen. Der Kläger hat lediglich angegeben, er habe seinem Bruder dabei geholfen, die Zeitung herauszugeben und er habe zum Teil auch Artikel verfasst. Er hat jedoch nichts über den Inhalt dieser Artikel bzw. über die sonstige inhaltliche Qualität seiner Arbeit an der Zeitung mitgeteilt. Seit längerer Zeit wird diese Zeitung nicht mehr herausgegeben; für die inzwischen wiedererscheinende veränderte Version der ursprünglichen Zeitung arbeitet der Kläger nicht mehr. Aus all diesen Umständen lässt sich nicht erkennen, dass der Kläger in dieser Organisation eine besondere Funktion einnähme, die es wahrscheinlich machen könnte, dass der syrische Geheimdienst gerade an seiner Person ein besonderes Interesse hätte. Auch angesichts der Gesamtgröße der Organisation - der Kläger hat in seiner Anhörung vor der Berichterstatterin angegeben, die Vollversammlung im Jahr 1999 habe aus 60 bis 70 Menschen bestanden - kann nicht davon ausgegangen werden, dass der syrische Staat und damit der syrische Geheimdienst diese Organisation als in irgendeiner Weise politisch gefährlich einstuft. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Angaben von ai. ai ist zwar der Meinung, dass die Organisation Shuraya von Interesse für den syrischen Geheimdienst sei, jedoch begründet sie dies Interesse lediglich mit sehr allgemeinen Erwägungen. Im Hinblick auf die ausführlichen Angaben des Deutschen Orient-Instituts und des Auswärtigen Amtes zur historischen Situation der Assyrer und zur Entstehungsgeschichte der Bewegung ist der Senat der Auffassung, dass es für eine wirklich politische Arbeit der Organisation keine Anhaltspunkte gibt, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Shuraya als oppositionelle Organisation vom syrischen Staat angesehen wird.

Politische Verfolgung hat der Kläger auch nicht deshalb zu befürchten, weil der Bruder des Klägers R. in der Organisation eine herausragende Rolle einnimmt. Denn Sippenhaft wird grundsätzlich in Syrien, wie bereits ausgeführt, nicht praktiziert und es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Shuraya dem Umfeld der Regimegegner zugerechnet wird.

Auch die Asylantragstellung führt nicht zur Annahme politischer Verfolgung. So hält der Council der Europäischen Union (Bericht vom 11. November 1997) eine politische Verfolgung allein wegen der Asylbeantragung für ausgeschlossen. Es seien keine Fälle bekannt, in denen zurückgewiesene Asylbewerber, die von westeuropäischen Ländern abgeschoben worden seien, in Syrien schwerwiegende Probleme allein deshalb bekommen hätten, weil sie das Land ohne Erlaubnis verlassen oder Asyl begehrt hätten.

Auch das Deutsche Orient-Institut führt in der Auskunft vom 30.06.1999 (a.a.O.) aus, dass es nach langjährigem Auslandsaufenthalt zu intensiven Fragen nach dem Aufenthaltszweck und der Aufenthaltsform in Deutschland kommen könne und dass vielleicht "kleine Geschenke" überreicht werden müssten, da der durchschnittliche syrische Beamte davon ausgehen werde, dass der Betreffende in Deutschland reich geworden sei. Es gäbe aber keine Anhaltspunkte für eine ernsthafte, politisch zielgerichtete Verfolgung von Personen, die als syrische Christen in Deutschland lange Zeit gelebt hätten.

Auch das Auswärtige Amt hält eine Befragung für wahrscheinlich (Auskunft vom 12.01.1999 an VG Freiburg). Es teilt mit, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die syrischen Behörden aus der Stellung eines Asylantrages für den Bewerber nachteilige Schlussfolgerungen ziehen und sie ihn deshalb nach Rückkehr in Syrien einer Befragung aussetzen werden, bei der eine willkürliche bzw. menschenrechtswidrige Behandlung nicht ausgeschlossen werden könne. In seinem Lagebericht vom 19. Juli 2000 führt das Auswärtige Amt ferner aus, dass die Einreisekontrollen an den syrischen Grenzen umfassend seien. In aller Regel erfolge die Einreise auch der abgeschobenen Personen unbehelligt. Eine vorangegangene Asylantragstellung oder der längerfristige Auslandsaufenthalt seien ohne weitere Umstände kein Grund für ein Einschreiten der Geheimdienste. Bei Zweifeln an der Identität des Einreisenden sei eine mehrtägige Verhaftung möglich. Es seien keine Vorwürfe bekannt geworden, dass abgeschobene Asylbewerber gefoltert worden wären. Bei aktiver, an herausragender Stelle gegen Syrien gerichteter Tätigkeit, die den syrischen Behörden bekannt geworden sei, müsste mit Inhaftierung und anschließender eventueller Misshandlung gerechnet werden. Für Abgeschobene gebe es keine besondere Behandlung.

ai führt in seiner Auskunft vom 09.12.1998 an das VG Sigmaringen aus, dass syrische Staatsangehörige nach einem längeren Auslandsaufenthalt in der Regel bei der Einreise nach Syrien einem eingehenden Verhör unterzogen würden. Dieses könnte zum Teil mehrere Tage dauern. ai lägen jedoch keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, nach welchen Kriterien die Verhöre länger dauerten. Es sei aber zu vermuten, dass dies bei illegalen Auslandsaufenthalten der Fall sei. Bei tatsächlichen oder vermuteten oppositionellen Aktivitäten vor der Ausreise müsste im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit Inhaftierung sowie mit Verhören und der Anwendung von Folter gerechnet werden. Der Anfangsverdacht entstehe durch einen längeren illegalen Auslandsaufenthalt. Abgeschobene Asylbewerber verfügten in der Regel nicht über einen regulären Aufenthaltstatus, dies werde aus den Reisedokumenten ersichtlich. Auch eine vermutete Asylantragstellung wirke sich dahingehend aus, dass exilpolitische Aktivitäten vermutet würden. Bei Verdichtung des Verdachts oppositioneller Tätigkeit sei in der Regel mit Überstellung des abgeschobenen Asylbewerbers an einen der Geheimdienste zu rechnen.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gibt in seiner Syrieninformation vom November 1999 an, es gebe keine Beweise dafür, dass die Regierung abgelehnte Asylbewerber allein aufgrund der Asylantragstellung nach ihrer Rückkehr nach Syrien verfolge. Den syrischen Behörden sei vielmehr bekannt, dass der Asylantrag eine der wenigen Möglichkeiten darstelle, um in der Bundesrepublik eine vorübergehende Aufenthaltsgestattung zu erlangen. Eine andere Behandlung sei aber anzunehmen, wenn der Antragsteller durch seinen Asylantrag zu erkennen gebe, dass er in Gegnerschaft zum herrschenden Regime stehe. Sollten sich solche Verdachtsmomente nicht ergeben, wird ein längerer Auslandsaufenthalt vom syrischen Staat nicht als Ausdruck von Illoyalität ihm gegenüber gewertet.

Zusammenfassend vermag der Senat der Auffassung von ai nicht zu folgen, wonach allein ein Asylantrag repressive Maßnahmen in Syrien auslöse. Es trifft - jedenfalls für die Bundesrepublik Deutschland - bereits die Annahme von ai nicht zu, dass ein Aufenthalt mit dem Ziel der Asylerlangung illegal wäre. Vielmehr ist dem Ausländer in dieser Zeit der Aufenthalt gestattet, § 55 AsylVfG. Auch vermag ai keine Referenzfälle zu benennen, in denen allein der Asylantrag repressive Maßnahmen in Syrien ausgelöst hätte. Soweit früher in anderen Berichten von ai solche Referenzfälle benannt wurden, liegen diese Angaben mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt der heutigen Entscheidung und vermögen somit die tatsächliche Situation nicht mehr maßgeblich zu schildern. Dies gilt insbesondere für die Auskunft von ai vom 29.03.1990, in der sechs Fälle aus den Jahren von 1986 bis 1989 dokumentiert werden, wobei insoweit nur zwei Fälle syrische Staatsangehörige betrafen. Der Senat rekurriert insoweit ausschließlich auf neuere Auskünfte, in denen solche Referenzfälle nicht mehr benannt werden. Vielmehr wird in Übereinstimmung mit den ansonsten referierten Auskünften davon ausgegangen, dass allein die Stellung eines Asylantrages nicht zu weiteren Maßnahmen des syrischen Staates - abgesehen von einer intensiven Befragung bei der Einreise - führt (vgl. auch VGH Mannheim, U. v. 19.5.1998 a.a.O.; OVG Lüneburg, U. v. 22.06.1999 Az.: 2 L 666/98; OVG Saarlouis, U. v. 08.12.1998 Az.: 3 R 72/98 m.w.N.; VGH Kassel, B. v. 02.12.1993 - 13 UZ 1990/93 -). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass gemäß den Auskünften des Auswärtigen Amtes in den letzten Jahren kontinuierlich Abschiebungen aus europäischen Staaten nach Syrien in erheblicher Zahl durchgeführt wurden und bis heute durchgeführt werden. Insbesondere die Niederlande und Schweden, die in der Vergangenheit mehr als 100 Personen jährlich nach Syrien abgeschoben hätten, nähmen nach wie vor in erheblichem Ausmaße Abschiebungen nach Syrien vor. Auch Norwegen schiebe ebenso wie die USA, Kanada und Dänemark nach Syrien ab. In keinem dieser Fälle sei es über zum Teil mehrtägige Befragungen hinaus zu Unregelmäßigkeiten gekommen (vgl. Lagebericht vom 19.07.2000). In ähnlicher Weise äußert sich der Council der European Union vom 11. November 1997. Dort wird ausgeführt, dass Deutschland im Jahre 1996 44 Personen nach Damaskus abgeschoben habe. Ebenso hätten Frankreich und Norwegen abgeschoben. Seit 1992 seien ungefähr 100 Syrer von Schweden aus abgeschoben worden. In allen Fällen hätten Überprüfungen stattgefunden um Gewissheit zu erlangen, ob die Personen Probleme mit den syrischen Autoritäten gehabt hätten. Angesichts dieser erheblichen Zahlen erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass es im Falle von tatsächlichen menschenrechtswidrigen Behandlungen nicht zu Beschwerden und Veröffentlichungen solcher Fälle gekommen wäre. Vielmehr sprechen alle diese Umstände dafür, dass auch der syrische Staat davon ausgeht, dass die Asylantragstellung in den genannten Exilstaaten in erster Linie aus ökonomischen Gründen erfolgt und nicht als politische Illoyalität oder oppositionelles Verhalten gewertet wird.

Auch der Umstand, dass der Kläger sich durch seine Ausreise möglicherweise der Wehrdienstentziehung strafbar gemacht hat, löst keine politische Verfolgung aus. Die Heranziehung zum Wehrdienst und die Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung sind nur dann politische Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG, wenn sie neben der Erfüllung einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht bzw. der Ahndung kriminellen Unrechts auch darauf gerichtet sind, den Betreffenden wegen eines asylerheblichen Persönlichkeitsmerkmals zu treffen (vgl. BVerwG, U. v. 24.11.1992 - Az.: 9 C 70.91 -, DVBl. 1993, 325; BVerfG, B. v. 11.12.1985 - Az.: 2 BvR 361, 449/83 -, BVerfGE 71, 276, 294). Dies lässt sich in Syrien nicht feststellen.

Der 1968 geborene Kläger hat Syrien 1986 17-jährig verlassen. Die Wehrpflicht beginnt mit 18 Jahren (European Union vom 11.11.1997). Wehrpflichtige Syrer, die den Wehrdienst noch nicht geleistet haben, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen, denn die Entziehung vom Wehrdienst ist strafbar. Die Strafandrohungen sind unterschiedlich: Wehrdienstverweigerung wird mit bis zu 6 Monaten Gefängnis, Kriegsdienstverweigerung mit Gefängnis bzw. Internierung mit bis zu 5 Jahren bestraft. Insbesondere bei Personen, die sich der Wehrpflicht durch Aufenthalt im Ausland unterzogen haben, erfolge - so das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht vom 19. Juli 2000 - die Bestrafung faktisch damit, dass die 30-monatige Dienstzeit bei Wiedereinreise nach Syrien verdoppelt werde. Militärstrafverfahren seien eher die Ausnahme. Dass diese Heranziehung zum Wehrdienst und die Verdoppelung der Zeit neben der Ahndung kriminellen Unrechts auch darauf gerichtet sein könnten, den Betreffenden wegen eines asylerheblichen Persönlichkeitsmerkmals zu treffen, lässt sich nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln nicht feststellen (vgl. auch OVG Lüneburg, U. v. 22. Juni 1999 a.a.O.; VGH Mannheim, U. v. 19.05.1998, a.a.O.).

Dem Kläger kann auch nicht der ausländerrechtliche Abschiebungsschutz für politisch Verfolgte nach § 51 Abs. 1 AuslG gewährt werden. Mit der Neufassung des AsylVfG und der Neubestimmung des Asylantragsbegriffs durch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 09. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354) ist der Inhalt des Asylantrags und damit der Gegenstand des Asylverfahrens erweitert worden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in der seit 01. Januar 1991 geltenden Fassung der Bekanntmachung des Gesetzes vom 09. April 1991 (BGBl. I S. 869) liegt ein Asylantrag vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Geltungsbereich dieses Gesetzes entweder Schutz vor politischer Verfolgung oder aus den in § 51 Abs. 1 Satz 1 AuslG 1990 bezeichneten Gründen Schutz vor Abschiebung sucht. Aufgrund dieser Neufassung ist ein Asylantrag somit ab dem 01. Januar 1991 dahin auszulegen, dass damit nicht nur die Asylanerkennung, sondern auch die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch das Bundesamt begehrt wird (vgl. BVerwG, U. v. 18. Februar 1992 Az.: 9 C 59/91 - NVwZ 92, 892). Der Kläger hat bereits in der ersten Instanz seinen Asylantrag dahingehend erweitert, sodass insoweit auch § 51 Abs. 1 AuslG in die Prüfung mit einzubeziehen ist.

Insoweit ist für die Feststellung dieses Anspruch dergleiche Prognosemaßstab wie für Art. 16 a Abs. 1 GG anzuwenden. Gemäß § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Da nach den Feststellungen des Senats zum Asylbegehren des Klägers die Voraussetzungen einer politischen Verfolgung nicht erfüllt sind, gilt dies auch hinsichtlich eines Anspruchs nach § 51 Abs. 1 AuslG.

Auch die Abschiebungsandrohung des Beklagten zu 2. ist nicht zu beanstanden. Die Verfügung wurde auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 AsylVfG a.F. erlassen. Danach forderte die Ausländerbehörde den Ausländer unverzüglich zur Ausreise auf, sobald das Bundesamt den Asylantrag abgelehnt hatte. Ausnahmen galten für den Fall, dass der Ausländer aus anderen Gründen berechtigt sei, sich im Geltungsbereich des Gesetzes aufzuhalten oder dass ihm aus anderen Gründen der Aufenthalt ermöglicht wurde. Zwar gilt § 77 Abs. 1 AsylVfG auch in am 01. Juli 1992 bereits bei Gericht anhängigen Altverfahren, sodass auf die Rechtslage im heutigen Zeitpunkt abzustellen ist. Allerdings hat der Gesetzgeber für das Asylverfahrensrecht ausdrücklich die Anwendung bisherigen Rechts angeordnet (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG 1992). Ansonsten wäre die Abschiebungsandrohung nach § 28 Abs. 1 AsylVfG a.F. bereits deshalb aufzuheben, weil nach heutigem Recht das Bundesamt für den Erlass der Abschiebungsandrohung zuständig ist. Insoweit gilt die Anwendung neuen Rechts nur hinsichtlich der tatsächlichen Entwicklung und der Rechtslage außerhalb der asylverfahrenrechtlichen Vorschriften. In diesem Bereich ist auch in Altfällen auf die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestehenden Verhältnisse abzustellen (vgl. VGH Kassel, U. v. 20.02.1995 - 12 UE 2241/93 - m.w.N.). Danach ist hier zu prüfen, ob Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG gegeben sind. Aus der rechtlichen Würdigung des im vorliegenden Fall zu Grunde zu legenden Sachverhalts ergibt sich jedoch zugleich, dass auch Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG nicht bestehen. Denn der Kläger steht nicht im Verdacht oppositioneller Aktivitäten, sodass für ihn auch nicht die konkrete Gefahr besteht, im Falle der Abschiebung in Syrien der Folter im Sinne des § 53 Abs. 1 AuslG oder sonstigen im Rahmen des § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK bzw. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG relevanten staatlichen Maßnahmen unterzogen zu werden. Insoweit wird zunächst auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Auch wegen des bisher nicht geleisteten Wehrdienst droht dem Kläger keine Folter oder sonst menschenrechtswidrige Behandlung. Das Auswärtige Amt geht davon aus (AA vom 19.05.1998 an VG Sigmaringen), dass eine Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung nicht erfolge, sofern der Betroffene bei seiner Ausreise noch minderjährig gewesen sei. Aber selbst wenn der Kläger eine Bestrafung zu erwarten hätte, weil er seinen Angaben in der informatorischen Anhörung vor dem Bundesamt zufolge bereits zur Untersuchung wegen des Wehrdienstes aufgefordert worden war, bevor er ausreiste, wäre nicht wahrscheinlich, dass ihm bei der Befragung bzw. Inhaftierung Misshandlungen drohen. Der Kläger hat sich in der Bundesrepublik Deutschland nicht in einer Weise betätigt, die die syrischen Behörden zu der Annahme veranlassen könnte, er sein ein politisch Oppositioneller. Der Kläger ist auch insoweit für seine Tätigkeit bei der Shuraya nicht in größerem Umfang öffentlich tätig geworden. Insofern spricht vieles dafür, dass er unmittelbar dem Wehrdienst zugeführt wird, ggfs. unter Verlängerung der Wehrdienstzeit. Es gibt ansonsten von den sachverständigen Stellen keine dezidierten Aussagen zur Wahrscheinlichkeit von Inhaftierung unter Einfluss von Misshandlung und Folter, und es werden auch keine einschlägigen Beispielsfälle dargetan.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Beschlusses ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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