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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 24.02.2005
Aktenzeichen: 3 UE 231/04
Rechtsgebiete: BauGB, HBO, HGO


Vorschriften:

BauGB § 135 a
BauGB § 24
BauGB § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
HBO § 92
HGO § 71 Abs. 2 Satz 2
Willigt die Gemeindevertretung in die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts ein, scheitert die Ausübung nicht daran, dass nur der Bürgermeister den entsprechenden Bescheid unterschreibt.

Die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts beim Verkauf eines ehemaligen Bundeswehrdepots kann dem Wohl der Allgemeinheit entsprechen, wenn ein privater Grundeigentümer eine geordnete städtebauliche Entwicklung nicht in gleicher Weise erwarten lässt wie die Gemeinde


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

3 UE 231/04

verkündet am 24. Februar 2005

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausübung eines Vorkaufsrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann, ehrenamtliche Richterin Frau Rahusen-Marsch, ehrenamtliche Richterin Frau Bungert

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 10. November 2003 - 1 E 4136/02 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Beklagte.

Die Klägerin kaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 6. März 2002 zur Urkunden-Nr. 31/2002 des Notars Dr. Sollmann von der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesvermögensamt Kassel, das in der Gemarkung xxxxxxxxx, Flur 5, Flurstück 27 gelegene Grundstück des ehemaligen Bundeswehrdepots mit NATO-Lager mit einer Fläche von 417.632 qm zu einem Kaufpreis von 337.093,00 €.

Nach Aufgabe der Nutzung des Bundeswehrdepots und NATO-Lagers beschloss die Gemeindevertretung der Beklagten am 23. März 2000 die Aufstellung eines Bebauungsplans für diesen Bereich mit der Bezeichnung Nr. 2.14 "Ehemaliges Bundeswehrdepot mit NATO-Lager". Gleichzeitig beschloss sie eine Veränderungssperre und durch weiteren gesonderten Beschluss vom 23. März 2000 den Erlass einer Vorkaufsrechtssatzung. Begründet wurden Aufstellungsbeschluss, Veränderungssperre und Vorkaufsrechtssatzung damit, dass nach Aufgabe der militärischen Nutzung durch bauleitplanerische Absicherung zunächst die Nutzung der 29 größeren Bunker als Maschinenhalle für landwirtschaftliches Gerät und als Lagerhalle für landwirtschaftliche Produkte und die Nutzung der kleineren Bunker als Fledermausquartiere erfolgen sollte. Gleichzeitig war beabsichtigt, die mit Waldbäumen bestandenen Flächen analog dem angrenzenden Gemeindewald unter besonderer Berücksichtigung naturschutzfachlicher Kompensationsmaßnahmen zu nutzen und die sonstigen Flächen zur Anerkennung als Kompensationsflächen und -maßnahmen für zukünftige Eingriffe in Natur und Landschaft zu verwenden.

Mit Bescheid vom 14. Mai 2002 übte die Beklagte für das genannte Grundstück gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB und der gemeindlichen Vorkaufsrechtssatzung das gemeindliche Vorkaufsrecht gegenüber der Beigeladenen aus. Am Ende des Bescheids befindet sich neben dem gemeindlichen Dienstsiegel nur die Unterschrift des Bürgermeisters. Mit Schreiben vom gleichen Tage gab die Beklagte auch der Klägerin die Ausübung des Vorkaufsrechts bekannt, verbundenen mit einer Rechtsmittelbelehrung, dem gemeindlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Bürgermeisters.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 14. Mai 2002 unter dem 13. Juli 2002 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2002 zurückwies.

Die Klägerin hat am 14. Oktober 2002 Anfechtungsklage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, die Ausübung des Vorkaufsrechts sei bereits aus formellen Gründen rechtswidrig. Als eine die Gemeinde verpflichtende Erklärung habe die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 71 Abs. 2 Satz 2 HGO von dem Bürgermeister und einem weiteren Mitglied des Gemeindevorstands handschriftlich unterzeichnet und mit Dienstsiegel versehen werden müssen, woran es hier fehle. Der Bürgermeister habe als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt. Eine fristgerechte Genehmigung sei nicht erfolgt. Die Beschlüsse der Gemeindevertretung der Beklagten vom 7. Mai 2002 und des Gemeindevorstands vom 13. Mai 2002 enthielten keine Bevollmächtigung des Bürgermeisters zur Ausübung des Vorkaufsrechts. Jedenfalls sei den Erfordernissen einer schriftlichen Vollmacht nicht genügt. Sie, die Klägerin, könne sich auch auf die Verletzung der genannten Formvorschrift berufen. Beim Beschluss der Gemeindevertretung vom 7. Mai 2002 habe ein wegen Interessenkollision befangener Gemeindevertreter mitgewirkt, der Mieter eines Bunkers auf dem fraglichen Gelände sei.

Darüber hinaus sei auch die dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte Vorkaufsrechtssatzung vom 23. März 2000 nichtig, weil sie nicht bestimmt genug sei. Soweit diese "zur Sicherung der geordneten städtebaulichen Entwicklung" erlassen worden sei, genüge dies nicht den rechtlichen Anforderungen. Der bloße Hinweis auf die Aufstellung eines Bebauungsplans erreiche das erforderliche Maß der Konkretisierung nicht. Es müsse in der Satzung erkennbar sein, welche Nutzung für das Satzungsgebiet erwogen werde und zu welchem Sicherungszweck das Vorkaufsrecht einsetzbar sei. Die Satzung sei auch deshalb nichtig, weil es nicht des gemeindlichen Grunderwerbs bedürfe, um die mit der Bauleitplanung beabsichtigte Nutzung der Flächen zu sichern. Nach dem Entwurf des Bebauungsplans sei für das streitgegenständliche Gebiet als Nutzung Landwirtschaft oder Wald vorgesehen, die sie, die Klägerin, selbst erfüllen könne. Zur Sicherung der städtebaulichen Entwicklung bedürfe es mithin der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte nicht.

Der angefochtene Bescheid sei auch wegen Ermessensfehlern rechtswidrig. Die Beklagte habe ihr Entschließungsermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt, da sie, die Klägerin, bereits eine Nutzung des Geländes beabsichtige, die der von der Beklagten beabsichtigten Verwendung entspreche. Aus diesem Grund widerspreche der Grundstückserwerb auch den allgemeinen Haushaltsgrundsätzen. Mithin habe die Beklagte das Vorkaufsrecht auch nicht zum Wohl der Allgemeinheit ausgeübt. Auch die Argumentation, die Flächen würden für das Öko-Konto der Beklagten benötigt, greife nicht durch. Der von der Beklagten beabsichtigte Handel mit Öko-Punkten mit anderen Gemeinden rechtfertige es nicht, ein gemeindliches Vorkaufsrecht auszuüben, da dies nicht dem Wohl der Allgemeinheit diene. Das erforderliche öffentliche Interesse könne auch nicht damit begründet werden, dass die Beklagte ihr Öko-Punktekonto für die Ausweisung eigener neuer Baugebiete benötige. Die Beschaffung der Öko-Punkte auf diese Weise sei zu teuer und in den nächsten 10 Jahren nicht erforderlich. In Wahrheit gehe es der Beklagten um die wirtschaftliche Verwertung der Bunkeranlagen zur Aufbesserung der Gemeindefinanzen. Diese wirtschaftlichen Ziele rechtfertigten die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 2002 aufzuheben.

Die Klägerin hat darüber hinaus beantragt,

die Anlagen zu dem Schriftsatz der Beklagten vom 21. Oktober 2003 nicht gegen die Klägerin zu verwerten, bevor nicht die Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme dazu gehabt habe. Weiter hat die Klägerin die Zulassung der Berufung beantragt.

Bei der genannten Anlage handelt es sich um das ökologische Gutachten mit Entwicklungsplanung eines Büros für Landschaftsanalyse aus dem Jahre 2002.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, die fehlende Unterschrift eines Beigeordneten unter den Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts begründe für die Klägerin keine subjektiv-rechtliche Rechtsposition aus § 71 Abs. 2 HGO. Diese Vorschrift diene lediglich dem Schutz der öffentlich-rechtlichen Körperschaft und ihrer Mitglieder. Im Übrigen sei inzwischen geklärt, dass § 71 Abs. 2 HGO keine Formvorschrift, sondern eine Vertretungsregelung sei, sodass bereits aus diesem Grunde der Verwaltungsakt nicht formell rechtswidrig sein könne. Eine zweite Unterschrift sei auch entbehrlich gewesen, weil die Gemeindevertretung zuvor am 7. Mai 2002 den Gemeindevorstand angewiesen habe, das Vorkaufsrecht auszuüben. Der Gemeindevorstand wiederum habe diesen Beschluss mit seinem Beschluss vom 13. Mai 2002 umgesetzt. Damit liege durch die beiden allein zuständigen Organe der Gemeinde eine vorherige Zustimmung vor.

Im Übrigen sei die Vorkaufsrechtssatzung nicht wegen fehlender Begründung nichtig. Sie sei mit der Sicherung naturschutzfachlicher Kompensationsmaßnahmen begründet worden. Dies reiche im Hinblick auf den Planungsstand aus. Die Erforderlichkeit der Satzung zur Sicherung des Planungsziels sei im Widerspruchsbescheid dargelegt.

Das Vorkaufsrecht sei ermessensfehlerfrei zum Wohle der Allgemeinheit ausgeübt worden. Die Rüge, aus haushaltsrechtlichen Gründen habe das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden dürfen, gehe ins Leere, weil subjektive Rechte der Klägerin dadurch nicht verletzt sein könnten. Der haushaltsrechtliche Vorwurf sei auch falsch, da das Vorkaufsrecht ausgeübt worden sei, um Öko-Punkte für den Ausgleich von Eingriffen in anderen Baugebieten zu schaffen. Diese Aufwendungen seien auf der Einnahmenseite durch die gesetzliche Verpflichtung zur Erhebung von entsprechenden Kostenbeträgen nach den §§ 135 a bis c BauGB gedeckt. Das Wohl der Allgemeinheit erfordere die Ausübung des Vorkaufsrechts, da man der Klägerin nicht auferlegen könne, die ökologische Aufwertung des Bebauungsplangebietes auch tatsächlich durchzuführen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag in der Sache gestellt und im Übrigen ebenfalls beantragt,

die Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 21. Oktober 2003 nicht gegen sich zu verwerten, bevor sie nicht Gelegenheit zur Stellungnahme dazu gehabt habe.

Die Beigeladene hat sich der Rechtsauffassung der Klägerin angeschlossen und die Ausübung des Vorkaufsrechts zum Wohle der Allgemeinheit in Frage gestellt. In dem streitbefangenen Grundstück sei auch dann eine Ausgleichsfläche für Eingriffe in neuen Baugebieten zu sehen, wenn die Klägerin selbst es in der von ihr vorgesehenen Weise nutze. Die von der Beklagten beabsichtigten umfangreichen Renaturierungsmaßnahmen seien dafür nicht notwendig.

Das Verwaltungsgericht Gießen hat die Anfechtungsklage mit Urteil vom 10. November 2003 abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz zugelassen. Formelle Rechtsfehler bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat das Verwaltungsgericht verneint. Der Erlass des Verwaltungsakts unterliege nicht den Anforderungen des § 71 Abs. 2 HGO und sei keine Vertretung der Gemeinde im Sinne dieser Vorschrift. Der Schutzzweck zu Gunsten der Gemeinde sei hier dadurch erfüllt, dass die Gemeindevertretung und der Gemeindevorstand die Ausübung des Vorkaufsrechts zuvor beschlossen hätten. Es könne offen bleiben, ob sich die Klägerin als Drittanfechtende auf eine Verletzung des § 71 Abs. 2 Satz 2 HGO berufen könne. Bei der Abstimmung in der Gemeindevertretung habe keine unzulässige Interessenkollision vorgelegen. Soweit ein Gemeindevertreter Mieter eines Bunkers auf dem betroffenen Gelände sei, werde mit der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht in bestehende Mietverträge eingegriffen. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts seien sämtlich erfüllt.

Dies betreffe insbesondere die Gültigkeit der Vorkaufsrechtssatzung und die Rechtfertigung der Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Wohl der Allgemeinheit. Die Beklagte plane dort städtebauliche Maßnahmen, wozu auch eine ökologische Aufwertung des Plangebiets zähle, um Öko-Punkte als Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in anderen Bebauungsplangebieten zu schaffen. Bei alledem hat sich das Verwaltungsgericht ausdrücklich nicht auf das ökologische Gutachten gestützt, das dem Schriftsatz der Beklagten vom 21. Oktober 2003 beilag.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 9. Dezember 2003 zugestellte verwaltungsgerichtliche Urteil am 29. Dezember 2003 Berufung eingelegt und diese am 9. Februar 2004 begründet. Die Klägerin vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie hält daran fest, die Ausübung des Vorkaufsrechts sei formell fehlerhaft erfolgt. Die zugrundeliegende Vorkaufsrechtssatzung sei mangels Bestimmtheit nichtig. Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 BauGB sei der Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben, wozu der angegebene Zweck der Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht ausreiche. Es müsse keine genaue Zielvorstellung angegeben werden, jedoch sicher sein, dass städtebauliche Maßnahmen in Angriff genommen und verwirklicht würden. Sie, die Klägerin, sei selbst in der Lage, die gebotenen landschafts- und naturschutzpflegerischen Maßnahmen durchzuführen. Ihr Ehemann sei privilegierter Landwirt und verfüge über ausreichende maschinelle und personelle Ressourcen zur naturschutzkonformen Pflege des Gebiets.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei nicht durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt. Den Naturschutzmaßnahmen der Gemeinde fehle eine realistische wirtschaftliche Grundlage. Die notwendigen Arbeiten zur Entsiegelung der Flächen und zum Abriss der Gebäude würden ausweislich eines eingeholten Angebots etwa 660.000,00 € betragen. Hinzukomme der Kaufpreis für das Grundstück. Dem stünden lediglich 2,9 Mio. erzielbare Öko-Punkte gegenüber, nicht 7,6 Mio., wie die Beklagte meine. Etwa 8 ha des Geländes seien zudem einer Nutzung durch die Beklagte entzogen. Ihr Ehemann habe mit dem Land Hessen einen Pflegevertrag im Rahmen des Hessischen Landschaftspflegeprogramms/HELP bis Dezember 2007 geschlossen. Im Übrigen verfüge die Beklagte anderweitig über ausreichende Ausgleichsflächen und Öko-Punkte. Es sei ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte das Vorkaufsrecht ausübe für Maßnahmen, die der Erwerber selbst beabsichtige und vornehmen könne. Damit verletze die Beklagte auch haushaltswirtschaftliche Grundsätze der §§ 92 ff. HGO.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 10. November 2003 - 1 E 4163/02 - abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Ausübung des Vorkaufsrechts sei formell fehlerfrei auch sonst rechtlich wirksam erfolgt. § 71 Abs. 2 Satz 2 HGO gelte als Vertretungsvorschrift nur für rechtsgeschäftliches Handeln, nicht für den Erlass von Verwaltungsakten. Soweit der Schutzzweck der Norm darin liege, die Gemeinde vor übereilten Entscheidungen des Bürgermeisters zu schützen, sei dieser Zweck hier durch die Vorabzustimmung der Gemeindevertretung erfüllt, die die Klägerin gekannt habe. Ohnehin könne sich die Klägerin nicht auf eine Verletzung des § 71 Abs. 2 Satz 2 HGO berufen. Es habe auch keine Interessenkollision nach § 25 Abs. 6 Satz 1 HGO vorgelegen. Die Vorkaufsrechtssatzung sei wirksam. Als Rechtsnorm bedürfe sie keiner Begründung. Sie sei zusammen mit der Aufstellung des Bebauungsplans "Ehemaliges Bundeswehrdepot mit NATO-Lager" beschlossen worden, womit die Verwirklichung städtebaulicher Maßnahmen hinreichend verdeutlicht worden sei. Eine Privatperson lasse die geplante ökologische Aufwertung des Geländes nicht in gleicher Weise erwarten, wie dies bei der Gemeinde der Fall sei. Festsetzungen eines Bebauungsplans könnten gegenüber einem privaten Eigentümer rechtlich nicht durchgesetzt werden. Es fehle auch an einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung der Klägerin. Es seien umfangreiche ökologische Aufwertungsmaßnahmen vorgesehen, die die Beklagte unter Hinweis auf das ökologische Gutachten mit Entwicklungsplanung eines Büros für Landschaftsanalyse aus dem Jahre 2002 im Einzelnen nennt. Es sollen Öko-Punkte für das gemeindliche Öko-Konto gesammelt werden, dessen Refinanzierung sich nach den §§ 135 a Abs. 2, 200 a BauGB richte. Der Vertrag des Ehemanns der Klägerin mit dem Land Hessen binde die Gemeinde nicht.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie beruft sich auch auf einen formellen Rechtsfehler bei der Ausübung des Vorkaufsrechts, die durch das Wohl der Allgemeinheit nicht gerechtfertigt sei. Eine wesentliche ökologische Verbesserung werde nicht eintreten. Die Beklagte sei auch nicht in der Lage, die notwendigen Kosten dafür aufzubringen.

Dem Senat liegen zwei Ordner Behördenvorgänge der Beklagten vor, sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird ebenso wie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Gemäß § 130 b Satz 2 VwGO nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts auf S. 8 bis 14 Mitte des angefochtenen Urteils vom 10. November 2003.

Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine der Klägerin günstigere Entscheidung. Eine zur Unwirksamkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts führende Verletzung des § 71 Abs. 2 Satz 2 HGO liegt hier nicht vor. Zweck der Norm ist der Schutz des Gemeindevermögens vor übereilten Entscheidungen eines einzelnen Mitglieds des Gemeindevorstands. Wenn, wie hier, die Gemeindevertretung mit Beschluss vom 7. Mai 2002 vorab der Ausübung des Vorkaufsrechts zugestimmt und darin eingewilligt hat, ist dieser Schutzzweck ausreichend erfüllt. Darin liegt ein entscheidender Unterschied zu dem Fall, den der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 11. Februar 1983 - 4 OE 57/81 - NVwZ 1983, 556 = ESVGH 33, 185 entschieden hat. Diese Auffassung steht auch im Einklang mit dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Februar 1996 - 5 UE 2836/95 - ESVGH 46, 169. Dort ist ausgeführt, soweit nach § 71 Abs. 2 Sätze 1 und 2 HGO bei der Abgabe von Verpflichtungserklärungen zu Lasten der Gemeinde bestimmte Förmlichkeiten zu beachten sind, handelt es sich nicht um Vorschriften über die Form von Rechtsgeschäften, sondern um Vertretungsregelungen, die die Vertretungsmacht von Gemeindeorganen beschränken. Verstöße können dadurch geheilt werden, dass die Gemeinde durch einen Beschluss ihres allgemeinen Vertretungsorgans der Verpflichtungserklärung zustimmt. Dies gilt auch bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungserklärungen. Soweit es hier nicht um die nachträgliche Heilung durch einen Beschluss der Gemeindevertretung geht, sondern um eine vorherige Zustimmung im Sinne einer Einwilligung nach § 183 BGB, ändert dies nichts daran, dass der Schutzzweck des § 71 Abs. 2 Satz 2 HBO, sofern die Norm überhaupt anwendbar wäre, erfüllt ist. In diesem Falle, wo über die Gemeindevertretung hinaus auch der Gemeindevorstand die Ausübung des Vorkaufsrechts am 13. Mai 2002 beschlossen hat, ist eine zweite Unterschrift eines Mitglieds des Gemeindevorstands unter den angefochtenen Bescheid nicht geboten und wäre eine bloße Förmelei. Auf das inhaltliche Einverständnis der Gemeindevertretung als des für die Willensbildung der Gemeinde maßgeblichen Beschlussorgans stellt auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 1989 - III ZR 100/87 - NVwZ 1990, 403 ab. Danach kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Zustimmung der Verpflichtungserklärung vorangeht oder nachfolgt. Im angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 2002 ist der Klägerin die Einwilligung der Gemeindevertretung vom 7. Mai 2002 auch bekanntgegeben worden.

Der Beschluss der Gemeindevertretung der Beklagten vom 7. Mai 2002 über die Ausübung des Vorkaufsrechts ist auch nicht deshalb unwirksam, wie die Klägerin meint, weil ein wegen Anmietung eines Bunkers auf dem betreffenden Gelände befangener Gemeindevertreter bei der Abstimmung mitgestimmt habe. Unabhängig davon, ob die Rechtsposition als Mieter eine unzulässige Interessenkollision bewirken kann oder nicht, gilt der betreffende Beschluss der Gemeindevertretung gemäß § 25 Abs. 6 Satz 2 HGO schon deshalb als von Anfang an wirksam zustande gekommen, weil er nicht innerhalb von sechs Monaten beanstandet worden ist. Im Übrigen bricht Kauf nicht Miete, so dass einem Mieter durch einen Grundstücksverkauf keine unmittelbaren rechtlichen Nachteile entstehen.

Auch die der Ausübung des Vorkaufsrechts zu Grunde liegende Vorkaufsrechtssatzung vom 23. März 2000 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ihre Rechtsgrundlage findet sie in § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Als Rechtsnorm bedarf die Satzung selbst keiner Begründung. Soweit sie zur Sicherung der geordneten städtebaulichen Entwicklung im betreffenden Bereich erlassen worden ist, entspricht diese Formulierung dem gesetzlichen Wortlaut. Einer näheren Konkretisierung des Satzungszwecks bedurfte es auch schon deshalb nicht, weil im Zusammenhang mit der am selben Tage beschlossenen Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 2.14 "Ehemaliges Bundeswehrdepot mit NATO-Lager" ein entsprechender innerer sachlicher Zusammenhang für die Öffentlichkeit erkennbar war. Es liegt auf der Hand, dass ein ehemaliges Militärdepot im Außenbereich beim Übergang zu zivilen Nutzungen eine Bauleitplanung vernünftigerweise geboten erscheinen lässt, was bei einem solchen größeren Objekt mit nachteiligen Landschaftseingriffen im Außenbereich auch für die Zusammenführung des Grundeigentums in der Hand der Gemeinde angemessen ist.

Auch sonst sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts erfüllt. Soweit gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 BauGB der Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben und das bereits zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts möglich ist, enthält der angefochtene Bescheid vom 14. Mai 2002 dazu entsprechende Ausführungen. Es geht um die teilweise Entsiegelung von Straßenflächen, den Abriss militärischer Baulichkeiten, die Umgestaltung der Freiflächen und eine ökologische, auch naturschutzfachlich abgestützte Aufwertung des gesamten Plangebiets, darunter die teilweise Entrohrung eines Bachlaufs. Ein wichtiger und beanstandungsfrei einzubeziehender Gesichtspunkt ist die Rückführung eines optisch und funktionell störenden Landschaftseingriffs im Außenbereich durch das ehemalige Militärdepot mit seinen vielfältigen militärtypischen Bau- und Erschließungsmaßnahmen. Das zudem verfolgte Ziel, das Öko-Punktekonto der Gemeinde zu mehren, ist angesichts der bauleitplanbezogenen Kompensationspflichten nach § 1 a Abs. 3 BauGB ebenfalls angemessen. Zu denken ist auch an die Möglichkeit der Gemeinde, entsprechende städtebauliche Verträge zu schließen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) und die mögliche Vorleistungspflicht der Gemeinde nach § 135 a Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der Möglichkeit nach Satz 2 der Vorschrift, die Maßnahmen zum Ausgleich bereits vor den Baumaßnahmen und der Zuordnung durchzuführen.

Die gesetzlichen Vorgaben und die satzungsrechtlichen Möglichkeiten der Gemeinde nach § 135 b und c BauGB sichern auch die Refinanzierung der Maßnahmen, sodass der Einwand einer Verletzung haushaltswirtschaftlicher Grundsätze nach den §§ 92 ff. HGO nicht durchgreift.

Soweit das Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur ausgeübt werden darf, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt, ist diese Voraussetzung hier erfüllt. Die Durchsetzung der mit der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 2.14 verfolgten Planungsziele für die Umnutzung und Umstrukturierung einer größeren militärischen Liegenschaft ist in der Hand der Gemeinde eher gewährleistet. Es geht um kostenträchtige und vorleistungspflichtige Maßnahmen wie die Renaturierung eines Baches, die Entsiegelung von Verkehrsflächen, den Abriss verschiedener Gebäude und damit um die Beseitigung bzw. Milderung eines großflächigen Landschaftseingriffs im Außenbereich, was bei privatem Grundeigentum nicht in gleicher Weise zu erwarten oder zu verlangen ist.

Eine mögliche Abwendungsbefugnis der Klägerin als Käuferin gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB kommt hier nicht in Betracht, da es an einer entsprechenden rechtzeitigen Verpflichtung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB fehlt. Auch ein entsprechender städtebaulicher Vertrag kam nicht zustande. Die Klägerin, die verschiedene der gemeindlich geplanten Maßnahmen nicht für erforderlich hält, hat auch zu erkennen gegeben, dass sie mit den planerischen Vorstellungen der Beklagten nicht in vollem Umfang übereinstimmt. Insofern führt auch der klägerische Vorwurf einer ermessenswidrigen Ausübung des Vorkaufsrechts nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheids über die Ausübung des Vorkaufsrechts.

Das gemeindliche Vorkaufsrecht ist auch nicht dadurch nachträglich ausgehöhlt oder unwirksam geworden, weil der Ehemann der Klägerin als Pächter einen Bewirtschaftungsvertrag mit dem Land Hessen bis Dezember 2007 abgeschlossen hat. Von dem Vertrag sind ohnehin nur 8 ha von insgesamt 41 ha Gesamtfläche erfasst. Gegebenenfalls kann die Beklagte den Vertragsablauf abwarten, sodass der Durchsetzung ihrer Planungsziele auf Dauer nichts Entscheidendes entgegensteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Billigkeit gebietet es nicht, gemäß § 162 Abs. 3 VwGO die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, zumal diese keinen Antrag gestellt und damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO kein Kostenrisiko auf sich genommen hat.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO entsprechend.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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