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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: 3 UE 3238/03.A
Rechtsgebiete: AufenthG, Richtlinie 2004/83/EG


Vorschriften:

AufenthG § 60
Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 (QRL) Art. 15 c
Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 (QRL) Art. 18
Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 (QRL) Art. 38
1. Bis zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 29.04.2004 (2004/83/EG, Qualifikationsrichtlinie) in nationales Recht tritt neben die in § 60 Abs. 7 AufenthG geregelten Fallgruppen als Unterfall ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß Art. 15 (Buchstabe c), Art. 18 QRL als unmittelbarer Rechtsanspruch hinzu.

2. Ein ernsthafter Schaden i. S. v. Art. 15 (Buchst. c) QRL setzt eine individuelle Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts voraus.

Die Wahl des völkerrechtlichen Begriffs des bewaffneten Konflikts als kriegsgleichem oder bürgerkriegsgleichem Zustand erfordert ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit der Auseinandersetzungen. Deren Folgen (schlechte Sicherheits- und Versorgungslage, Kriminalität usw.) fallen nicht in den Regelungsbereich der Vorschrift.

Sie betreffen die Bevölkerung allgemein, so dass § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG anzuwenden ist (ebenso Erwägungsgrund 26 QRL).


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 UE 3238/03.A

verkündet am 9. November 2006

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann, ehrenamtliche Richterin Frau Bungert, ehrenamtlicher Richter Herr Dornseiff

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 23. Oktober 2003 - 1 E 2156/03.A - wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu je 1/3 zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der außergerichtlichen Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo. Die ursprünglichen Asylanträge der Kläger zu 1. bis 5. sind rechtskräftig abgelehnt worden, woraufhin sie am 20. September 2001, 6. November 2001 bzw. 17. April 2003 jeweils Asylfolgeanträge stellten. Der Kläger zu 6. beantragte am 7. Januar 2003 seine Asylanerkennung unter Hinweis auf das Verfolgungsschicksal seiner Mutter, der Klägerin zu 3.

Mit Bescheiden vom 11. Juni 2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Anträge der Kläger zu 3. und 4. auf Durchführung von weiteren Asylverfahren ebenso ab wie die Anträge auf Abänderung der bisherigen Bescheide bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG. Den Asylantrag des Klägers zu 6. und seinen Antrag auf Feststellung der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG bzw. von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 18. August 2003 ab. Zugleich wurden die Kläger jeweils aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats zu verlassen, und für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihre Abschiebung angedroht. Mit Schriftsätzen vom 16. bzw. 26. August 2003 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Gießen Klage erhoben und beantragt,

den sie betreffenden Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 11.06.2003, 12.06.2003, 19.08.2003 bzw. 18.08.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte hat jeweils beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 23. Oktober 2003 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und bezogen auf die Kläger zu 1. bis 5. ausgeführt, dass ein Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Anerkennung als Asylberechtigte oder Feststellung der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG bzw. von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG nicht bestehe, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, die gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG allein eine Beachtlichkeit eines Folgeantrages begründen könnten, nicht vorlägen. Der Kläger zu 6. habe keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung der Voraussetzungen nach den §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG.

Für den Fall der Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo bestehe keine Gefährdung, wie sich bereits aus den Lageberichten des Auswärtigen Amtes seit 1998 ergebe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung, insbesondere Seite 7 bis 12 (Bl. 178 bis 183 GA) Bezug genommen.

Gegen das am 31. Oktober 2003 zugestellte Urteil haben die Kläger zu 3. bis 6. mit Schriftsatz vom 14. November 2003 die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 28. November 2003 - 3 UZ 3196/03.A - hat der Senat die Berufung zugelassen. Mit Beschluss vom 13. Februar 2004 wurde das Berufungsverfahren des Klägers zu 5. abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 3 UE 482/04.A fortgesetzt und abgeschlossen.

Zur Begründung ihrer Berufung führen die Kläger zu 3., 4. und 6. aus, es sei davon auszugehen, dass sie nach langjährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland bzw. als hier geborene Minderjährige im Falle einer Rückkehr in eine extreme Gefährdungslage im Sinne des § 53 AuslG auf dem Hintergrund der verheerenden wirtschaftlichen Lage und des völlig zusammen gebrochenen Gesundheitssystems gerieten. Ihnen sei eine Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo nicht, auch nicht nach Kinshasa, zumutbar. Sie müssten aufgrund der Sicherheitslage mit einem ernsthaften Schaden gemäß Art. 15 (c) Richtlinie 2004/83/EG rechnen, sodass eine erhebliche konkrete Gefahr gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG gegeben sei. Im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen komme es auch in Kinshasa täglich zu Ausschreitungen. Die Sicherheitslage sei äußerst fragil, da sich die Gewalt zwischen den Parteien auch auf die Zivilbevölkerung übertrage. Die Sicherheitslage habe sich auch durch den EUFOR-Einsatz nicht entschärft. Auch die Menschenrechtslage habe sich Insbesondere auch in Kinshasa dramatisch verschlechtert. Menschen, darunter auch zahlreiche Kinder, würden willkürlich festgenommen. Die Tochter Rita B. sei als Straßenkind Übergriffen von Soldaten und Zivilisten ausgesetzt gewesen, sodass das Verwaltungsgericht Gießen bei ihr die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG anerkannt habe. Sie - die Kläger - seien ohne Obdach und ohne verwandtschaftliche Kontakte und Beziehungen im Falle einer Rückkehr besonders gefährdet, Opfer von Gewalt zu werden. Im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen im August 2006 habe es gewaltsame Übergriffe sowohl der Präsidialgarde als auch der Milizen des Vizepräsidenten Bemba gegeben. Aufgrund der unsicheren Situation und der katastrophalen Versorgungslage könnten sie - die Kläger - nicht damit rechnen, in Kinshasa ohne Netzwerk und ohne bestehende Kontakte nach langer Abwesenheit zu überleben.

Die medizinische Grundversorgung sei nicht gewährleistet. Sie sei, wenn überhaupt, nur dann möglich, wenn die Patienten die nötigen Mittel dafür aufbringen könnten. Wichtige Arzneien oder auch Desinfektions- und Reinigungsmittel seien nicht vorhanden. Eine medizinische Behandlung sei nicht kostenlos erhältlich. Entgegen früherer Annahmen in der Asylrechtsprechung habe die Großfamilie aufgrund der jahrelangen Kriegssituation mit dem Staatsverfall und dem immer härter werdenden Überlebenskampf nicht mehr den Stellenwert, den sie früher gehabt habe. Ein gegenseitiges Beistehen unter Verwandten oder Nachbarn sei nicht mehr gewährleistet.

Für sie bestehe aufgrund der langjährigen Abwesenheit bzw. der Geburt in Deutschland die Gefahr eines ernsthaften Gesundheitsschadens wegen der fehlenden Semi-Immunität. Insoweit werde Bezug genommen auf die tropenmedizinischen Ausführungen von Dr. Junghanss vom 9. Februar 2001 gegenüber dem VGH Baden-Württemberg. Auch das Ergänzungsgutachten von Dr. Junghanss vom 15. Oktober 2001 belege das außerordentliche Risiko für Leib und Leben von Rückkehrern. Diese Einschätzung werde auch von Dr. Ochel, Missionsärztliches Institut Würzburg, in seiner Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main vom 27. Juni 2002 bestätigt. Das vom Bundesamt in Auftrag gegebene Gutachten von Prof. Dr. Dietrich (Tropeninstitut des Bernhard-Nocht-Instituts) sei demgegenüber als Parteigutachten zu bewerten und enthalte offenkundige Fehler. So beruhe seine Aussage, dass Mangelernährung zur Zeit in der Demokratischen Republik Kongo nicht bestehe, entweder auf Zynismus oder absoluter Unkenntnis der dortigen Verhältnisse.

Die Kläger zu 3., 4. und 6. beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 23. Oktober 2003 - 1 E 2156/03.A - sowie die Bescheide des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 11. Juni 2003 und 18. August 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 bzw. Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte und der Bundesbeauftragte haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Dem Senat haben 9 Behördenakten der Beklagten, 8 Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Gießen sowie 7 Akten der Ausländerbehörde, die Kläger und ihre ursprünglich am Verfahren beteiligten Angehörigen betreffend, vorgelegen. Diese wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gemacht. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnisquellen sowie die Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat wegen eines Verfahrensfehlers (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. Art. 103 GG, §§ 108, 138 Nr. 3 VwGO) zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Kläger zu 3., 4. und 6. ist nicht begründet, denn das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Kläger zu 3. und 4. haben keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (§ 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 VwVfG), der Kläger zu 6. hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16 a Abs. 1 GG) und auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 AufenthG.

I.

Der Asylantrag des Klägers zu 6. verbunden mit dem Antrag, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 AufenthG festzustellen, bleibt ohne Erfolg.

Ein Anspruch des Klägers zu 6. auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG wegen politischer Verfolgung scheidet aus. Ein individuelles Verfolgungsschicksal, das sich im Hinblick auf sein geringes Lebensalter im Zeitpunkt der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland (1996) nur vom Schicksal seiner Mutter, der Klägerin zu 3. ableiten könnte, hat der Kläger zu 6. nicht vorgetragen. Gleiches gilt für eine Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG.

Der Kläger zu 6. kann auch keinen Abschiebungsschutz (sog. subsidiärer Schutz) nach § 60 Abs. 7 AufenthG beanspruchen.

Nach dem derzeit geltenden Wortlaut des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Seit dem 10. Oktober 2006 ist mit Art. 15 (Buchstabe c) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden Qualifikationsrichtlinie - QRL -) ein neuer Unterfall zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinzugetreten, der bis zu seiner vollständigen Umsetzung in das deutsche Recht (vgl. Art. 38 QRL) unmittelbar anzuwenden ist (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. z.B. U. v. 25.05.1993 - Rs C - 193/91 - EuZW 1993, 482 f.; U. v. 23.02.1994 - Rs C - 236/92 - EuGRZ 1994, 110 f.; vgl. auch Oppermann, Europarecht, 3. Auflage 2005, § 6 Rdnr. 92; BVerwGE 74, 241 ff.; BVerfGE 75, 223, 237 ff.).

Nach Art. 15 (Buchstabe c) QRL gilt als ernsthafter Schaden "eine individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts". Droht einer Zivilperson ein solcher ernsthafter Schaden, erkennen die Mitgliedsstaaten gemäß Art. 18 QRL den subsidiären Schutzstatus zu. Im Hinblick auf die gewählte Formulierung "willkürliche Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts" liegt es nahe, eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne von Art. 15 (Buchstabe c) QRL nur dann anzunehmen, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zu Gewalt und Konflikt besteht, die hiermit allgemein für die Bevölkerung verbundenen nachteiligen Konsequenzen jedoch auszuschließen. Für diese einengende Interpretation spricht insbesondere die Verwendung des völkerrechtlichen Begriffs des "bewaffneten Konflikts" (vgl. Art. 2 der 4 Genfer Abkommen vom 12.08.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte sowie die Zusatzprotokolle I und II vom 08.06.1977 hierzu; vgl. ferner Ipsen, Völkerrecht, 4. Auflage 1999, § 65 Rdnr. 5 ff.), der mehr und mehr den traditionellen Rechtsbegriff des Krieges ersetzt und damit dem Umstand Rechnung trägt, dass eine förmliche Erklärung des Kriegszustandes in aller Regel nicht mehr stattfindet. Wenn aber bewaffneter Konflikt einen kriegsgleichen Zustand beschreibt und Art. 15 (Buchstabe c) QRL ihn auf innerstaatliche Auseinandersetzungen erstreckt, so muss daraus geschlossen werden, dass nur Konflikte ab einer bestimmten Größenordnung in den Regelungsbereich der Vorschrift fallen. Der Senat teilt die in den Hinweisen des Bundesinnenministeriums des Innern zur Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG ... in der Bundesrepublik Deutschland vom 13. Oktober 2006 vertretene Auffassung, dass für innerstaatliche bewaffnete Konflikte ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit erforderlich ist. Als typische Beispiele werden in diesem Zusammenhang Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe genannt. Weiter heißt es dort (S. 16/19): "Örtlich und zeitlich begrenzte Bandenkriege fallen regelmäßig nicht darunter. Allgemeine und mit dem bewaffneten Konflikt in Zusammenhang stehende Gefahren genügen allein nicht. Es muss für den Betroffenen eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben gegeben sein. Eine Verletzung der genannten Rechtsgüter muss gleichsam unausweichlich sein." Dem schließt sich der Senat an.

Nach Lage der herangezogenen Erkenntnisquellen ist nicht davon auszugehen, dass dem Kläger zu 6. im Falle seiner Rückkehr nach Kinshasa eine ernsthafte Gefahr im Sinne von Art. 15 (Buchstabe c) QRL im zuvor beschriebenen Sinne droht.

Die vom Kläger zu 6. mit der ergänzenden Berufungsbegründung vorgelegten Anlagen (Bl. 270 bis 289 der GA) machen deutlich, dass es im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen in der Demokratischen Republik Kongo im August 2006 (Stichwahl Oktober 2006) landesweit und so auch in Kinshasa zu Unruhen gekommen ist, wobei auch Menschen zu Tode gekommen sind. Den Berichten ist dabei zu entnehmen, dass die Übergriffe sowohl von staatlichen Sicherheitskräften als auch von dritter Seite erfolgten. Eine erhebliche Anzahl von geschilderten Zwischenfällen hat sich dabei nicht in Kinshasa selbst, sondern in der vom Bürgerkrieg besonders bedrohten Region im Osten der Demokratischen Republik Kongo zugetragen. Der Bericht der Konrad-Adenauer-Stiftung über die Situation in der Demokratischen Republik Kongo nach dem 21. August 2006 (Bl. 284 GA) schildert anschaulich die mangelnde Dialogbereitschaft der an den Wahlen beteiligten Konfliktparteien und ihre mangelnde demokratische Reife.

Dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5. September 2006 ist zu entnehmen, dass es im Osten und Norden des Landes zu gewaltsamen Übergriffen auf die Zivilbevölkerung kommt. "Hintergrund von Überfällen sind häufig Plünderungen bewaffneter Banden, die den Kampf gegen vermeintliche Kriegsgegner nur zum Vorwand nehmen, um auf Kosten der schutzlosen Zivilbevölkerung zu leben. Leidtragende sind vor allem Kinder und Frauen, die allen Arten sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Vergewaltigungen als "Vergeltungsmaßnahme" bewaffneter Gruppen gegen die Zivilbevölkerung, die der Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Gegner beschuldigt wird, sind an der Tagesordnung. Es kommt auch zu Entführungen von Frauen und Mädchen, die dann über lange Zeiträume sexueller Gewalt ausgesetzt werden. Eine Splittergruppe der FDLR ... , die Rastas, beging Überfälle auf Dörfer, bei denen Bewohner in ihren Häusern eingeschlossen wurden und lebendig verbrannt wurden." Für Kinshasa enthält der Lagebericht keine vergleichbaren Feststellungen. Zu Repressionen Dritter heißt es: "Gezielte Verfolgungen von Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder politischen Überzeugung durch nichtstaatliche Akteure sind insofern feststellbar, als die Zivilbevölkerung im Zusammenhang mit den bewaffneten Konflikten in verschiedenen Landesteilen Opfer von Repressalien nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen wird. Inwieweit in diesen Fällen allerdings eine bewusste staatliche Unterlassung die Repressionen ermöglichte oder förderte, ist nur fallbezogen zu beantworten. Ein systematisches Schema von Menschenrechtsverletzungen Dritter und staatlicher Unterlassung existiert nicht."

Der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 6. August 2006 (Demokratische Republik Kongo - DRC, update von Reto Kuster) bestätigt die Feststellungen des Auswärtigen Amtes zu den Zuständen im Osten des Landes. Weiter ist dort ausgeführt: "Im Westen des Landes, insbesondere in Kinshasa, nimmt die Kriminalität stark zu. Mit den Wahlen und der Präsenz von zahlreichen Kandidaten mit ihren jeweiligen Sicherheitsdiensten geht ein großes Aufgebot von schlecht ausgebildeten, nervösen und oft alkoholisierten Bodyguards einher, und Waffen sind allgegenwärtig. Zwischen den einzelnen Sicherheitsdiensten kommt es immer wieder zu Rivalitäten und Schießereien. Was mit den Privatarmeen der unterlegenen Kandidaten nach den Wahlen geschieht, ist noch unklar und muss Anlass zur Besorgnis geben. Oft ist in der Praxis kaum unterscheidbar, ob Überfälle in Kinshasa von Banditen, Militärs oder Polizisten verübt werden, da es üblich ist, dass Mitglieder der Sicherheitsorgane ihre Schusswaffen nachts gegen Bezahlung ausleihen oder gleich selbst agieren."

Es ist demnach davon auszugehen, dass die Sicherheitslage in Kinshasa instabil ist und dass jederzeit mit Übergriffen gerechnet werden muss. Gleichwohl kann nicht angenommen werden, dass damit bereits die Intensität eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erreicht wird, sodass dem Kläger zu 6. kein ernsthafter Schaden im Sinne von Art. 15 (Buchstabe c) QRL droht.

Auch außerhalb des von der Qualifikationsrichtlinie geregelten Unterfalls des ernsthaften Schadens kann der Kläger zu 6. keinen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen. Er beruft sich für das Vorliegen einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben im Sinne dieser Vorschrift auf die mangelhafte Grundversorgung sowie auf die unzureichende medizinische Versorgung in der DR Kongo. Beides muss in der Tat als besorgniserregend angesehen werden. Zur Grundversorgung äußert sich das Auswärtige Amt im Lagebericht vom 5. September 2006 wie folgt: "Ohne familiäre Bindung oder sonstige Unterstützung kann die Sicherung einer Existenzgrundlage für Rückkehrer schwierig sein.

Wegen der allgemeinen wirtschaftlich nach wie vor schlechten Lage leben viele Kongolesen am oder unter dem Existenzminimum. Auch innerhalb der Großfamilie gelingt es nicht immer, Härten durch wechselseitige Unterstützung aufzufangen.

Die Bevölkerung in Kinshasa ist in der Lage, mit städtischer Kleinstlandwirtschaft und Kleinviehhaltung die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern. Vor allem Frauen und Kinder tragen mit Kleinsthandel zum Familienunterhalt bei. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist für die Bevölkerung in Kinshasa zwar schwierig, dank verschiedener Überlebensstrategien herrscht jedoch keine akute Unterversorgung."

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe sieht die Möglichkeit des Überlebens im familiären Zusammenhang kritischer als das Auswärtige Amt. Im Bericht vom 6. August 2006 heißt es, Gewalt, Staatszerfall und der härter werdende Überlebenskampf hätten die sozialen Netze in der DR Kongo beeinflusst. "Gegenseitiges Beistehen genießt nicht mehr denselben Wert wie früher, Egoismus und der Einsatz von roher Gewalt (auch unter Nachbarn und Verwandten) ist verbreiteter geworden. Mit alten Tabus wurde gebrochen, und viele KongolesInnen beklagen einen Zerfall der traditionellen Normen und ein zunehmendes Klima des Misstrauens. Der informelle Sektor ist für die Mehrheit der Bevölkerung im täglichen Überlebenskampf existenziell ..."

Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt Göbel in seinem Bericht für die Deutsche Welle vom 16. Juli 2006 (Bl. 292 GA).

Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist in der DR Kongo unzulänglich. Im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5. September 2006 heißt es hierzu u.a.: "Das Gesundheitswesen ist nach wie vor in sehr schlechtem Zustand. Staatliche Krankenhäuser waren schon vor der Rebellion und den Plünderungen von 1998 heruntergewirtschaftet bzw. geplündert, und die Hygiene ist, vor allem bei komplizierten Eingriffen, problematisch. Der Großteil der Bevölkerung kann nicht hinreichend medizinisch versorgt werden. Ein funktionierendes Krankenversicherungssystem existiert nicht, in der Regel zahlen Arbeitgeber die Behandlungskosten ihrer Beschäftigten. Die Behandlungskosten Arbeitsloser werden unter erheblichen Anstrengungen von der Großfamilie aufgebracht. Nur wenn - im seltenen Fall - die Geldmittel zur Verfügung stehen, können die meisten in der Demokratischen Republik Kongo vorkommenden Krankheiten diagnostiziert und mit Einschränkungen fachgerecht behandelt werden. Für zahlungskräftige Patienten stehen hinreichend ausgestattete private Krankenhäuser und fachkundige Ärzte zur Verfügung. Ebenso gibt es in Kinshasa einen Pharmagroßhandel, der bei entsprechender Bezahlung binnen weniger Tage so gut wie alle auf dem europäischen Markt zur Verfügung stehenden Medikamente auch nach Kinshasa liefern kann."

Die Lageeinschätzung bestätigt die drastischen Schilderungen des Bundesamtes "DR Kongo" - online-Loseblatt-Werk 9. Gesundheitswesen" - wo zum Beispiel die Übernahme der Behandlungskosten durch Arbeitgeber dadurch relativiert wird, dass 90 % der Kongolesen arbeitslos sind. Auch wenn dort berichtet wird, dass eine ärztliche Erstversorgung auch mittellosen Patienten gewährt werde und eine zur Kostenübernahme bereite Institution anschließend gesucht werden müsse, dürfte nach den vorliegenden Erkenntnissen im Regelfall davon auszugehen sein, dass für die große Mehrheit der kongolesischen Bevölkerung medizinische Versorgung unerschwinglich ist.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (a.a.O.) kommt zum gleichen Fazit: "Die medizinische Versorgung ist prekär; im Osten des Landes werden Gesundheitszentren oft geplündert, und die auf der Straße angebotenen Medikamente sind nicht selten wirkungslose bis gesundheitsgefährdende Fälschungen. Wo medizinische Versorgung möglich wäre (etwa in Kinshasa), fehlt meist das Geld für eine Behandlung. Kann ein Patient nach einer Behandlung diese nicht bezahlen, wird er so lange festgehalten, bis Verwandte den Geldbetrag aufgetrieben haben."

Das Bundesamt kommt im Einzelentscheiderbrief 5/04 (Bl. 287 GA) zu einer ähnlichen Einschätzung.

Die mit der schlechten Versorgungslage verbundenen Gefahren betreffen die kongolesische Bevölkerung allgemein. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG setzt jedoch das Bestehen individueller Gefahren voraus. Diese Vorschrift erfasst allgemeine Gefahren i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (vgl. nunmehr auch Erwägungsgrund 26 QRL) auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen (BVerwG, U. v. 17.10.1995 - 9 C 15.95 -, NVwZ 1996, 476; U. v. 04.07.1996 - 9 C 124.95 - InfAuslR 1996, 289).

Die Gefahr einer Erkrankung, insbesondere an der vom Kläger zu 6. genannten Malaria, stellt eine für jeden mittellosen Kongolesen und damit allgemein für die Bevölkerung reale Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AufenthG dar. Der Kläger zu 6. kann sich jedoch nicht auf Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG berufen.

Der Senat hat hierzu in dem Beschluss vom 15. August 2003 - 3 UE 2870/99.A - zum früheren § 53 Abs. 6 AuslG unter anderem ausgeführt:

"...Beruft sich ein Ausländer lediglich auf allgemeine Gefahren im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, die - wie beispielsweise die typischen Bürgerkriegsgefahren - nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe drohen, wird Abschiebungsschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 54 AuslG gewährt ...

Soweit es die Gefahren durch Malaria betrifft, stellt diese Krankheit eine Gefahr dar, die der ganzen Bevölkerung droht, sodass grundsätzlich eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 54 AuslG notwendig wäre. Allerdings ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform dahin auszulegen und anzuwenden, dass von der Abschiebung eines unter diese Bestimmung fallenden Ausländers nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG abzusehen ist, wenn das Verfassungsrecht dies gebietet. Ein solcher Fall ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegeben, wenn die oberste Landesbehörde trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen" ausliefern würde, von ihrer Ermessensermächtigung nach § 54 AuslG keinen Gebrauch gemacht hat. Zu diesen extremen Gefahren für Leib und Leben gehören Gefahren, die infolge völliger Unterversorgung der Bevölkerung mit dem elementaren Bedarf des täglichen Lebens entstehen. Es könnten auch solche Gefahren dazugehören, die mit größter Wahrscheinlichkeit zum Tod oder schwersten Verletzungen führen. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer Abschiebungsschutz zu gewähren.

Bei den allgemeinen Gefahren für Leib und Leben im Zielstaat ist Abschiebungsschutz mit Blick auf den sogenannten menschenrechtlichen Mindeststandard verfassungsrechtlich erst dann unabdingbar geboten, wenn die drohende Rechtsgutverletzung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten wird (vgl. BVerwG, U. v. 19.11.1996 - 1 C 6/95 - BVerwGE 102, 249). Denn Abschiebungsschutz ist auf solche Gefahren für Leib und Leben zu begrenzen, die noch in einem Zurechnungszusammenhang mit der Abschiebung stehen. Eine grundrechtliche Mitverantwortung des deutschen Staates für Sachverhalte, die im Ausland eintreten, kommt nur insoweit in Betracht, als sie dem staatlichen Handeln noch zugerechnet werden können (vgl. BVerfG, B. v. 16.12.1983 - 2 BvR 1565/83 - BVerfGE 66, 39 ff.; BVerfG, B. v. 25.09.1986 - 2 BvR 955/86 - InfAuslR 1987, 37).

Eine solche Extremgefahr infolge der schlechten Lebensbedingungen lässt sich auch selbst unter Berücksichtigung der Gefährdung durch eine eventuelle Erkrankung an Malaria in der DRK für die klagende Familie nicht feststellen (vgl. ebenso: VGH Baden-Württemberg, U. v. 13.11.2002, a.a.O.; OVG Münster, U. v. 18.04.2002, a.a.O.).

Im Gutachten Junghanss vom 9. Februar 2001 ist die Sterblichkeit der verschiedenen Erkrankungen beispielhaft an der Demokratischen Republik Kongo dargestellt. Daraus ergibt sich insbesondere, dass die Mortalität in Bezug auf Malaria im Vergleich zur Bundesrepublik stark gesteigert ist. Für Malaria ergibt sich eine Steigerung um das 14.300-fache. Von 100.000 Menschen sterben in der DRK 143 pro Jahr an Malaria, in absoluten Zahlen 472.000 Menschen. Die von Junghanss genannten Zahlen wurden von Dr. Ochel in seinem mündlichen Gutachten vom 27.06.2002 in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main bestätigt. Er führte ferner aus, dass insbesondere die Malaria-Sterblichkeit von Kindern bis zu einem Jahr zwischen 120 und 170 Kindern pro tausend Lebendgeburten landesweit heraufgesetzt ist und bei Kindern bis zu 12 Jahren bei 200 Kindern pro tausend Kinder liegt. Dabei bestünden Unterschiede zwischen der Region Kinshasa und den schlechter versorgten Landesteilen. Ab dem Alter von ungefähr 5 Jahren sinke die Sterbewahrscheinlichkeit bei Kindern und steige dann wieder ab dem frühen Erwachsenenalter etwa mit 15 Jahren, weil sich in dieser Zeit HIV beginnt zu übertragen. Malaria tropica im Kongo, die die mit über 90 % herrschende Variante sei, werde von der Anophelesmücke übertragen. Diese Mücke, die früher nur in ländlichen Gebieten vorgekommen sei, habe sich inzwischen immer mehr an städtische Lebensbedingungen gewöhnt und sei jetzt auch in Randgebieten, etwa von Kinshasa, auffindbar. Das liege daran, dass es in den dort entstandenen Slums keine Entwässerung gebe. Im Kern der Städte komme sie seltener vor, was auch mit der Umweltverschmutzung und dem Verkehr zusammenhänge. Die Mücke brauche zu ihrer Entwicklung eine bestimmte Dauertemperatur im Jahr. Sinke die Durchschnittstemperatur unter diesen Wert, wandere die Mücke aus. Die Semi-Immunität, die in diesen Ländern geborene Personen erwürben, sinken nach wenigen Wochen. Nach einem halben Jahr sei von der früheren Semi-Immunität in aller Regel nichts mehr vorhanden. Die Semi-Immunität biete keinen kompletten, sondern nur einen graduellen Schutz, was bedeute, dass das Risiko zu erkranken um ungefähr 30 % gemindert sei. Semi-Immunität bedeute, dass die körpereigenen Abwehrmaßnahmen die unkontrollierte Vermehrung der Zellen verhinderten. In einem stabilen Stadium der Malaria-Infektion gebe es dann im Körper ein geringes Niveau von Parasiten, das durch die Semi-Immunität kontrolliert werden könne. Die Semi-Immunität könne durch Chemoprophylaxe verbessert werden. In der DRK sei Chemoprophylaxe mit Chlorokuin üblich gewesen. Inzwischen sei man zu Fansidar, einem Antibiotikum, übergegangen. In Kinshasa seien mit Insektiziden imprägnierte Moskitonetze in Gebrauch. Außerdem habe es ein EU-Programm gegeben, das die Brutstätten der Mücken dezimiert habe. Es gebe im ganzen Land Gesundheitszentren, in denen die Ärzte und Schwestern in der Behandlung von Malaria, einer weit verbreiteten Krankheit, ausgebildet seien. Bei einem unkomplizierten Verlauf, bei dem keine Gehirnbeteiligung erkennbar sei, werde ein Antibiotikum gegeben. Bei komplizierten Verlaufsformen behandele man mit Chinin. Die Behandlung dauere 3 bis 5 Tage. Die Kosten betrügen bei einem unkomplizierten Verlauf ambulant 1 bis 2 Euro, bei stationärer Behandlung einschließlich Arzneimittel 10 bis 20 Euro. Die Altergruppe der zwischen 5 und 15-jährigen, aus dem Ausland zurückgekehrten Kinder erkranke häufiger an Malaria und auch deutlich häufiger an komplizierten Formen der Malaria, soweit man die Rückkehrer mit einheimischen Kindern vergleiche. Nach dem Bericht des Schweizer Bundesamtes für die Flüchtlinge vom 5. Oktober 2001 gehört Malaria zu den häufigsten und tödlichsten Krankheiten in der DRK. Es habe im Jahr 2000 etwa 200.000 Todesfälle infolge von Malaria gegeben. Der Gutachter Junghanss beziffert die besonders hohe Sterblichkeit von Kindern von einem Jahr bis zu 4 bzw. 5 Jahren mit etwa 1 % (Gutachten vom 9. Februar 2001). Der Sachverständige Ochel beziffert in seinem mündlich gegebenen Gutachten vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main vom 27. Juni 2003 die Erkrankungsrate von Touristen in der DRK auf 3 bis 10 von tausend Touristen. Zugleich führt er aus, dass die Sterblichkeitsrate bei rechtzeitiger Behandlung gleich Null sei.

Selbst wenn man daher davon ausgeht, dass die einmal erworbene Semi-Immunität nach längerem Aufenthalt außerhalb eines Malariaübertragungsgebietes wieder verloren geht, kann eine Extremgefahr für Erwachsene ausgeschlossen werden. Selbst wenn man von einer Erkrankungshäufigkeit von 3 bis 4 %, wie sie sich aufgrund der Erkrankungsrate bei Touristen errechnen lässt, annimmt und eine Sterblichkeitsrate von 1 % zugrunde legt, wie sie bei Kindern in der Altersgruppe von 0 bis 4 Jahren vorliegt, stellt dies keine Extremgefahr dar. Die Höhe dieser Sterblichkeitsrate bedeutet nicht, dass jeder Abgeschobene gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod entgegengeht. Darüber hinaus kommt hinzu, dass es wirksame und kostengünstige Prophylaxemöglichkeiten gibt, wie beispielsweise das imprägnierte Moskitonetz. Diese Art der Prophylaxe senkt das Infektionsrisiko um etwa 50 % (Junghanss, Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2002, zitiert nach VGH Baden-Württemberg, U. v. 13.11.2002, a.a.O.). Auch der Umstand, dass die klagende Familie aus Kinshasa stammt, lässt die Wahrscheinlichkeit einer schweren Form der Erkrankung als gering erscheinen. Denn wie die Gutachter übereinstimmend ausführen, wird nahezu jede Infektionserkrankung, die nicht erkennbar auf andere Ursachen zurückzuführen ist, sofort als Malaria behandelt. Da in Kinshasa gesundheitliche Hilfe rasch zu erreichen ist, könnte daher bei einer Infektion nahezu umgehend mit der Behandlung begonnen werden. Eine sofortige Einleitung der Behandlung sichert aber nach den Ausführungen der Sachverständigen Ochel in der mündlichen Verhandlung vor dem VG Frankfurt am Main vom 27. Juni 2002 und Dietrich (Gutachten vom 02.04.2002) mit nahezu 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit, dass ein tödlicher Verlauf vermieden wird.

Zwar wird das malariaspezifische Sterberisiko unter Umständen gesteigert, wenn Durchfallerkrankungen aufgrund verseuchten Wassers hinzukommen, wie der Gutachter Junghanss in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2001 vor dem VGH Baden-Württemberg ausgeführt hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 13.11.2002, a.a.O.). Ein solches erhöhtes Risiko besteht insoweit aufgrund fehlender Gewöhnung an die Keimflora jedoch nur für Kleinkinder, die von außen in das Erregergebiet kommen, nicht jedoch für Erwachsene.

Auch die Frage, ob die klagende Familie nach eventueller Infektion mit Malaria schwerste Verletzungen erleidet, ist zu verneinen. Nach Angaben des Gutachters Junghanss in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2002 vor dem VGH Baden-Württemberg (zitiert nach VGH Baden-Württemberg, U. v. 13.11.2002, a.a.O.) müssen Rückkehrer mit verloren gegangener Semi-Immunität in Malariagebieten mit einer schweren Malaria rechnen. Auch kann eine schwere Malaria bleibende Schäden zur Folge haben. Allerdings liegt dieses Risiko von Spätschäden nur bei 10 bis 20 %. Es handelt sich dabei auch nicht stets um schwerwiegende Schäden, wie etwa Erblindung und Lähmung, sondern dieses Risiko ist nochmals geringer. Damit kann auch insoweit von einer extremen Gefahr schwerster Verletzungen nicht ausgegangen werden.

Auch ansonsten geben die allgemein schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen in der DRK keinen ausreichenden Anlass, von einer extremen Situation auszugehen. Es herrscht in der Region keine allgemeine Hungersnot; es ist auch nicht erkennbar, dass gerade im Großraum Kinshasa eine besonders schlechte Lebensmittelversorgung bestünde. Die Unterernährungsrate für Kleinkinder unter 5 Jahren liegt in den Armutsvierteln von Kinshasa bei 2,6 % (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 02.08.2002). Auch gibt es Volkskantinen, in denen die völlig Mittellosen mit dem Nötigsten versorgt werden (AA vom 16.06.2001) ... Ansonsten gilt aufgrund des Gutachtens Junghanss vom 09.02.2001, dass die Sterberate für typische Infektionskrankheiten in der DRK bei etwa 1 % liegt. Mehr als die Hälfte der Sterbefälle gehe dabei auf eine HIV-Infektion zurück. Da man sich gegen HIV vergleichsweise gut schützen kann, liegt das Infektionsrisiko unter Abzug von HIV bei 0,5 %. Eine Extremgefahr kann darin nicht gesehen werden.

Abschiebungsschutz kann daher auch nicht in verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG gewährt werden ..."

Hieran hält der Senat nach erneuter Prüfung fest. Das Berufungsvorbringen enthält keine neuen Aspekte, auf die nicht bereits im Beschluss vom 15. August 2003 eingegangen wurde.

II.

Auch der Berufung der Kläger zu 3. und 4. bleibt der Erfolg versagt, denn sie haben keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylVfG i.V.m. § 51 VwVfG.

Der Senat folgt dem Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid vom 11. Juni 2003 (Bl. 21 ff. der BAFL-Akte 2.699.544) und auch der Vorinstanz, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht ausreichend dargelegt worden sind. Für den im vorliegenden Fall allein näher in Betracht zu ziehenden Fall einer Änderung der Sach- und Rechtslage, der ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG rechtfertigen könnte, setzt dies den Vortrag eines gegenüber dem Asylerstverfahren gänzlich neuen bzw. wesentlich veränderten Sachverhalt voraus (vgl. GK-AsylVfG, § 71 Anm. 107.1). Bezogen auf die allgemeinen Verhältnisse im Verfolgerstaat müssen die Feststellungen zur allgemeinen politischen Lage im Heimatland - soweit der negative Abschluss des Erstverfahrens hierauf zurückgeht - in einer Weise angegriffen werden, dass wenigstens ernstliche Zweifel an der Richtigkeit oder weitere Gültigkeit jener Feststellungen möglich sind (GK-AsylVfG a.a.O., Anm. 110). Daran fehlt es hier.

Zur Änderung der Sachlage haben die Kläger zu 3. und 4. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen, dem Verwaltungsgericht habe bei seinem Urteil vom 2. Juli 2001 der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5. Mai 2001 ebenso wenig vorgelegen wie ihnen und ihren Bevollmächtigten. Es mag sein, dass dies für die Kläger zu 3. und 4. zum damaligen Zeitpunkt zutrifft, jedoch ergibt sich aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 2. Juli 2001 (1 E 30985/98.A, S. 6), dass der Lagebericht herangezogen worden ist. Abgesehen davon kann aus diesem Lagebericht keine Änderung der Sachlage hergeleitet werden, denn aus ihm ist nur zu entnehmen, dass sich die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage seit dem vorangegangenen Lagebericht vom 23. März 2000 graduell weiter verschlechtert hat, eine neue Entwicklung hingegen nicht eingetreten ist.

Soweit seit dem 10. Oktober 2006 Art. 15 (Buchstabe c), 18 QRL unmittelbar geltendes Recht sind, ist eine Änderung der Rechtslage eingetreten, die sich jedoch nicht nachträglich zu Gunsten der Kläger zu 3. und 4. auswirkt. Insoweit wird auf die den Kläger zu 6. betreffenden Ausführungen unter I. Bezug genommen.

III.

Nach alledem ist die Berufung der Kläger zu 3., 4. und 6. zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Fragen der Auslegung des Art. 15 (Buchstabe c) der QRL bedürfen deshalb keiner grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren, weil diese nur übergangsweise, d.h. bis zur anstehenden Novellierung des § 60 Abs. 7 AufenthG, unmittelbar anzuwenden ist.

Ende der Entscheidung

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