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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.07.2001
Aktenzeichen: 3 UE 4025/00
Rechtsgebiete: AFWoG


Vorschriften:

AFWoG § 9 Abs. 3
Ein "unmittelbarer Zusammenhang" im Sinne des § 9 Abs. 3 AFWoG zwischen einer Versetzung und dem Bezug einer Dienstwohnung ist bei einem zweiten Umzug am Ort der Versetzung nicht mehr gegeben, sofern dieser Umzug wegen der Änderung der Lebensplanung aus subjektiven Gründen vorgenommen wird.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

3 UE 4025/00

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausgleichsabgabe nach dem Gesetz über den Abbau von Fehlsubventionierung im Wohnungsbau

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Fischer, Richterin am Hess. VGH Schott

am 16. Juli 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Oktober 1998 - 10 E 3802/94 (2) - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in entsprechender Höhe abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Unter Abänderung des erstinstanzlichen Streitwertbeschlusses vom 7. Dezember 1998 wird der Streitwert für das gesamte Verfahren auf 1.048,00 DM festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Fehlbelegungsabgabe nach dem Gesetz über den Abbau der Fehlsubventionierung und der Mietverzerrung im Wohnungswesen.

Er war als Polizeivollzugsbeamter beim Grenzschutz Lübeck beschäftigt und wurde mit Wirkung zum 1. April 1992 zum Grenzschutzamt Frankfurt am Main versetzt. Dort bezog er mit seiner Ehefrau am 1. November 1992 eine mit Wohnungsfürsorgemitteln im Sinne von §§ 87 a und 111 des II. WoBauG geförderte Mietwohnung in Frankfurt am Main in der S.-Straße 13. Die Wohnung umfasste 63 qm. Für die Zeit, in der der Kläger diese Wohnung bewohnte, nämlich in der Zeit vom 1. November 1992 bis Mitte Juni 1994, war er von der Leistung der Fehlbelegungsabgabe für die Wohnung befreit, da die Nutzung der Wohnung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Versetzung des Klägers stand.

Im Juni 1994 bezog der Kläger eine ebenfalls mit öffentlichen Mitteln geförderte Mietwohnung in Frankfurt am Main in der R.-straße 4 b, die 103 qm umfasste. In diese Wohnung zog der Kläger gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau sowie deren Sohn. Ab dem 10. März 1995 wurde ein weiteres gemeinsames Kind geboren. Die erste Ehe des Klägers wurde am 12. Oktober 1993 geschieden.

Mit Bescheid vom 27. September 1994 setzte die Oberfinanzdirektion für den Zeitraum vom 16. Juni bis zum 30. Juni 1994 die vom Kläger zu entrichtende Ausgleichszahlung für die Wohnung R.-straße 4 b auf 77,00 DM monatlich und für den Zeitraum ab 1. Juli 1994 bis zum 30. Juni 1996 auf 131,00 DM monatlich fest.

Der Kläger legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und trug vor, die Befreiung von der Verpflichtung zur Zahlung der Fehlbelegungsabgabe müsse auch für die neue Wohnung gelten, denn insgesamt gelte sie für einen Zeitraum von drei Jahren. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 1994 wurde die Festsetzung der Fehlbelegungsabgabe für den Zeitraum vom 16. Juni bis zum 1. Juli 1994 aufgehoben. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen und ausgeführt, der Bezug der neuen Wohnung stehe nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der Versetzung des Klägers.

Gegen den Änderungsbescheid vom 22. November 1994, gemäß einem Aktenvermerk am 23. November 1994 abgesandt, der die Höhe der monatlichen Abgabe auf 131,00 DM ab 01.07.1994 bis 30.06.1996 festsetzte, hat der Kläger mit Schreiben vom 13. Dezember 1994, bei Gericht am 14. Dezember 1994 eingegangen, Klage erhoben und vorgetragen, die erste Wohnung in der S.-Straße sei von Anfang an zu klein gewesen. Deshalb stehe der Bezug der größeren Wohnung in der R.-straße in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Versetzung. Er habe von Anfang an beabsichtigt, mit seiner Lebensgefährtin und deren Kind in einer größeren Wohnung zu wohnen. Er habe bis zum Sommer 1994 in der ersten Wohnung gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und deren Kind gewohnt. Die erste Wohnung sei aber für ihn nur eine Zwischenlösung gewesen.

Nachdem die Beklagte am 19. Mai 1995 einen weiteren Änderungsbescheid erlassen hatte, wonach der Kläger für die Zeit vom 1. März 1995 bis zum 30. Juni 1996 keine Ausgleichszahlungen zu leisten habe, da sein Einkommen die Einkommensgrenze nicht überschreite, hat der Kläger beantragt,

den Leistungsbescheid der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main vom 27. September 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1994 sowie des Änderungsbescheides vom 19. Mai 1995 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen und ausgeführt, die Befreiung von der Leistung der Abgabe komme für den Umzug in die zweite Wohnung nicht in Betracht, da diese aus privaten Gründen bezogen worden sei.

Mit Urteil vom 27. Oktober 1998 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main - neben einer Einstellung des Verfahrens nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen hinsichtlich des zunächst streitigen Zeitraums vom 1. März bis 30. Juni 1995 - den Bescheid des Beklagten vom 27. September 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1994 und des Änderungsbescheides vom 19. Mai 1995 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe den Wohnungswechsel aus wichtigem Grund vorgenommen. Es sei Verwaltungspraxis, dass ein Wohnungswechsel jedenfalls dann nicht zum Wegfall der Befreiung führe, wenn die zunächst bewohnte Wohnung mit erheblichen Mängeln belastet oder ein Wechsel wegen Familiengründung oder Vergrößerung erforderlich würde. Der Fall des Klägers sei diesen Fällen gleich zu stellen.

Gegen das dem Beklagten am 25. November 1998 zugestellte Urteil hat er mit Schreiben vom 14. Dezember 1998, bei Gericht am 21. Dezember 1998 eingegangen, einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und ausgeführt, zwischen dem zweiten Wohnungsbezug und der Versetzung bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang mehr. Insoweit bestünden ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.

Mit Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 3 UZ 99/99 - hat der Senat die Berufung zugelassen.

Auf entsprechende Anfrage des Gerichts teilte die Frankfurter Siedlungsgesellschaft mbH, die Vermieter der Wohnung in der S.-Straße 13 war, mit, der Mietvertrag für diese Wohnung sei von der ersten Ehefrau des Klägers mit abgeschlossen worden. Die Ehefrau sei am 29. November 1993 aus dem Mietverhältnis entlassen worden. Zum 22. Dezember 1993 sei die jetzige zweite Ehefrau des Klägers in die Wohnung eingezogen.

Der Beklagte beantragt unter Berufung auf den fehlenden unmittelbaren Zusammenhang des zweiten Umzugs mit der Versetzung,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Oktober 1998 - 10 E 3802/94 (2) - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger stellt keinen Antrag, trägt jedoch vor; die Wohnung in der S.-Straße sei von Anfang zu klein gewesen. Seine Ehe sei durch den Umzug in die Brüche gegangen, da seine Ehefrau die Trennung von ihrem sozialen Umfeld nicht vertragen habe. Er sei damals auch nicht auf den Verlust der Befreiung von der Entrichtung der Fehlbelegungsabgabe hingewiesen worden. Die Wohnung in der S.-Straße habe darüber hinaus Mängel gehabt; sie sei nämlich nur mit Kohleöfen ausgestattet gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Behördenakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung war.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung des Beklagten durch Beschluss gemäß § 130 a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Zu der beabsichtigten Vorgehensweise sind die Prozessbeteiligten angehört worden.

Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Kläger zu Unrecht grundsätzlich von der Verpflichtung zur Leistung der Fehlbelegungsabgabe nach seinem Umzug in die Wohnung in der R.-straße freigestellt, weil es zu Unrecht auch für die Nutzung dieser Wohnung einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Versetzung festgestellt hat.

Mieter von öffentlich oder mit Wohnungsfürsorgedarlehen des Bundes geförderten Wohnungen i.S.d. §§ 87 a und 111 II. WoBauG werden dadurch begünstigt, dass ihre Miete auf die Kostenmiete begrenzt ist. Aufgrund des Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen (AFWoG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1523, 1543) und des Hessischen Gesetzes zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen (HessAFWoG) vom 25. Februar 1992 (GVBl. I S. 87) werden Mehrverdienende zu einem nach ihrem Einkommen gestaffelten, von der Wohnungsgröße abhängigen Ausgleichsbetrag herangezogen.

Gemäß § 9 Abs. 3 AFWoG erfolgt eine Freistellung von der Leistung der Ausgleichszahlung für die Dauer von drei Jahren seit dem Bezug der Wohnung, sofern die Nutzung der Wohnung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einstellung in den öffentlichen Dienst oder der Versetzung an den Dienstort steht. Da der Kläger nach Frankfurt am Main versetzt worden ist, ist hinsichtlich des Bezuges der ersten Wohnung in der S.-Straße davon auszugehen, dass dieser Umzug in unmittelbarem Zusammenhang mit der Versetzung des Klägers stand. Dies gilt hingegen nicht mehr für den Umzug in die jetzt vom Kläger bewohnte Wohnung in der R.-straße.

Die Vorschrift des § 9 Abs. 3 AFWoG verlangt einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Versetzung an den Dienstort, der hinsichtlich dieser Wohnung nicht mehr gegeben ist. Unmittelbarkeit des Zusammenhangs bedeutet neben der reinen Kausalität eine zeitliche Verbindung zwischen der Versetzung und dem Bezug der neuen Wohnung. Es wird insofern auch von einem gesteigerten ursächlichen Zusammenhang gesprochen (vgl. Fischer-Dieskau, Pergande, Schwender, Wohnungsbaurecht, Kommentar, § 9 AFWoG Anm. 4). So wird Unmittelbarkeit beispielsweise abgelehnt, wenn der Angehörige des öffentlichen Dienstes sich nach einer Versetzung zunächst überhaupt nicht um eine Bedienstetenwohnung bemüht, sondern eine andere Wohnung angemietet hat, die er erst im Laufe der Zeit aufgibt, um in eine Wohnung im Sinne von §§ 87 a und 111 des II. WoBauG einzuziehen (ebenda). Ähnlich liegt der Fall, dass ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes, wie hier, zunächst in eine öffentlich geförderte Wohnung einzieht, sich jedoch aus persönlichen Gründen nach etwa 1 1/2 Jahren zu einem Umzug in eine größere und ebenfalls öffentlich geförderte Wohnung entschließt. Zwar kann grundsätzlich auch bei einem zweiten Umzug ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Versetzung vorliegen, z.B. wenn die zunächst bezogene Wohnung wohnungsbezogene Mängel aufweist und der Umzug wegen dieser Mängel erfolgt. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Der vom Kläger gerügte Umstand, die Wohnung sei zu klein gewesen und habe nur Kohleöfen gehabt, stellt keinen solchen Mangel dar. Denn diese Umstände waren dem Kläger bei Bezug der Wohnung bekannt und stellen insoweit keine später erst bekannt gewordenen Mängel dar. Sie waren auch nicht der Grund des Umzugs. Soweit der Kläger vorträgt, die Wohnung in der S.-Straße sei für seine damalige Lebensgefährtin und deren Kind zu klein gewesen, ist dem entgegenzuhalten, dass er die Wohnung den Angaben des Vermieters zufolge, zunächst nicht mit seiner damaligen Lebensgefährtin, sondern mit seiner Ehefrau bewohnt hat. Nach den Unterlagen des Vermieters wurde die damalige Lebensgefährtin erst mit Schreiben vom 22. Dezember 1993 in die Wohnung aufgenommen.

Der Auszug des Klägers aus der zunächst bezogenen Wohnung stand nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Versetzung, sondern in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Änderung der Lebensplanung und Trennung von seiner ersten Ehefrau. Denn erst durch die Verbindung mit seiner zweiten Ehefrau und deren Kind sowie später einem weiteren gemeinsamen Kind wurde die erste Wohnung zu klein und ein Umzug notwendig. Das Gesetz will jedoch nach seiner erkennbaren Zielsetzung solche Bediensteten befristet von der Fehlbelegungsabgabe verschonen, die ihre Dienstwohnung nicht gänzlich aus freien Stücken, sondern unter dem Druck einer Einstellung oder Versetzung bezogen haben (vgl. Bay. VGH München, Urteil vom 14. Juni 1994, Az.: 24 B 93.3486, ZMR 1995, 90). Den weiteren Umzug in die R.-straße hat der Kläger aus rein privaten subjektiven Gründen vorgenommen. Er stand nicht mehr im Zusammenhang mit seiner Versetzung. Der Kläger hat auch seinen Wunsch nach einer größeren Wohnung nicht von Anfang an bei der Behörde deutlich gemacht, wie er vorgetragen hat. Denn weder findet sich dazu etwas in den Behördenakten, noch hat der Kläger dazu selbst etwas Schriftliches vorlegen können. Der Kläger ist daher grundsätzlich nach Maßgabe seiner Einkommensverhältnisse zur Leistung der Fehlbelegungsabgabe verpflichtet. Gegen die von der Behörde festgesetzten Beträge ist er der Höhe nach nicht vorgegangen. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass insoweit Berechnungsfehler unterlaufen sind.

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 GKG. Der Kläger hat für acht Monate den Betrag von 131,00 DM zu zahlen. Der erstinstanzliche Beschluss ist entsprechend abzuändern.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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