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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 3 UE 410/06.A
Rechtsgebiete: AsylVfG, AufenthG, QRL


Vorschriften:

AsylVfG § 3 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 8
QRL Art. 1
QRL Art. 2
QRL Art. 4
QRL Art. 8
1. Tschetschenische Volkszugehörige aus Tschetschenien, die unter der Regierung Maschadow als Zivilangestellte und später als Tschetschenienkämpfer tätig waren und deshalb von den russischen Sicherheitskräften gesucht wurden, können sich sowohl auf gruppenbezogene als auch auf individuelle Vorverfolgungsgründe berufen.

2. Bei auch individuell vorverfolgten Flüchtlingen hat im Fall einer gedachten Rückkehr der höchste Prognosemaßstab zu gelten, den die Qualifikationsrichtlinie in der in Art. 4 Abs. 4 QRL enthaltenen Rückausnahme zum Ausdruck bringt.

3. Bei individuell Vorverfolgten hat auch bei der Prüfung internen Schutzes gemäß Art. 8 Abs. 1 QRL hinsichtlich der Frage, ob von dem Flüchtling vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, ebenfalls der in Art. 4 Abs. 4 QRL zum Ausdruck gebrachte Prognosemaßstab zu gelten.

4. Personen, die in der Zivilregierung Maschadows und später als Tschetschenienkämpfer tätig waren, werden bei Rückkehr nicht nur routinemäßig behandelt, sondern angefangen bei den Einreiseformalitäten von dem in solchen Fällen zuständigkeitshalber eingeschalteten FSB einer sorgfältigen Überprüfung und Kontrolle unterzogen.

5. Bei Personen, die in der Zivilregierung Maschadows und später als Rebellen tätig gewesen sind, kann nicht mit der gemäß Art. 4 Abs. 4 QRL erforderlichen Sicherheit angenommen werden, dass sie bei Rückkehr in ihr Heimatland, unabhängig davon, ob sie sich nach Tschetschenien oder in eine andere Region der Russischen Föderation begeben, dort nicht erneut von Verfolgung bedroht sein werden.

6. Für auf Seiten Maschadows kämpfende tschetschenische Rebellen, die nicht an terroristischen Überfällen auf die Zivilbevölkerung beteiligt waren, sondern sich in der militärischen Auseinandersetzung mit der Russischen Föderation um die Autonomie Tschetscheniens befunden haben, greift der Ausschluss des § 60 Abs. 8 AufenthG i. V. m. § 3 Abs. 2 AsylVfG nicht.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 UE 410/06.A

Verkündet am 24. April 2008

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof -3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann, den ehrenamtlicher Richter Dornseiff, den ehrenamtlicher Richter Fischer

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 21. Oktober 2004 - 5 E 2560/01.A - verpflichtet, für beide Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die nach ihren Angaben 19xx in Mesker-Jurt und 19xx in Argun geborenen Kläger sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit und reisten am 8. Juni 2001 in das Bundesgebiet ein, wo sie ihre Anerkennung als Asylberechtigte beantragten.

Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge trug der Kläger am 27. Juni 2001 zunächst vor, sie hätten zuletzt in Mesker-Jurt gelebt. Er sei mit der Klägerin verheiratet. Sie hätten 1999 religiös die Ehe geschlossen, standesamtlich seien sie noch nicht verheiratet. Seine Ehefrau könne heute an der Anhörung nicht teilnehmen, da sie wegen einer weiteren Fehlgeburt im Krankenhaus sei. Sein Vater heiße xxxxxxxx, seine Mutter xxxxxxxx, sie wohnten ebenfalls unter der von ihm angegebenen Adresse in Mesker-Jurt. Außerhalb Tschetscheniens lebe eine Tante von ihm, sie lebe in Deutschland, er wisse jedoch nicht wo. Zu Hause seien noch neun Tanten und zwei Onkel sowie zwei Schwestern wohnhaft. In Tschetschenien habe er 10 Jahre lang die Schule besucht, er habe die Schule mit der Mittleren Reife abgeschlossen, die ersten 8 Jahre habe er in seinem Dorf die Schule besucht, die letzten zwei Jahre in Argun. Er habe keinen Beruf erlernt, sondern Autoersatzteile verkauft. Den Wehrdienst habe er nicht abgeleistet. Sie seien am 4. Juni 2001 mit einem Pkw nach Inguschetien gefahren und von dort aus mit einem Minibus nach Deutschland gereist, einmal seien sie unterwegs umgestiegen und schließlich am 8. Juni 2001 in Deutschland angekommen. Sie seien gemeinsam mit seinem Onkel, dessen Ehefrau und deren beiden Kindern (die Kläger aus dem Verfahren 3 UE 411/06.A) sowie seiner Schwester ausgereist. Sein Onkel habe für die gesamte Reise ca. 10.000 $ gezahlt. Über welche Länder sie gereist seien, wisse er nicht.

Ein Onkel von ihm sei während des Krieges Kommandant in ihrer Ortschaft gewesen, nach dem Krieg sei er Gouverneur in ihrem Dorf gewesen, er selbst habe bei ihm in der Sicherheit gearbeitet. Nachdem der 2. Tschetschenienkrieg begonnen habe, hätten sie eine Gruppe gebildet, die gegen die Russen gekämpft habe. Sie seien in Argun tätig gewesen, das etwa 16 km von Grozny entfernt liege. Als die Russen Grozny besetzt hätten, hätten sie sich nach Argun zurückziehen müssen. Dies sei ungefähr Ende Dezember 1999/Anfang Januar 2000 gewesen. Einige von ihnen seien dann in die Berge zum Kämpfen gegangen, so auch sein Onkel, der ihm gesagt habe, er solle zurückbleiben und sich um die Familie kümmern. Er sei dann auch zu Hause geblieben, allerdings habe er sich im März 2000 (das Datum wurde von dem Kläger noch während seiner Anhörung von März 2001 in März 2000 korrigiert, Bl. 45 BA) einer Kampftruppe, die aus den Bergen gekommen sei, angeschlossen. Sie hätten dann auf den Straßen zwischen Grozny, Schali und Baku Rostow fern zündende Minen verlegt, die sie, wenn dort irgendwelche Truppenbewegungen gewesen seien, hochgejagt hätten. Dies habe er bis zu seiner Ausreise gemacht. Ob die russischen Truppen auf ihn persönlich aufmerksam geworden seien, könne er nicht genau sagen, vielleicht jedoch jetzt, da er ausgereist sei. Die russischen Truppen hätten gewusst, dass er tschetschenischen Kämpfern geholfen habe, aber nicht, was er genau gemacht habe. Dabei halte er für entscheidend, dass er seit März 2000 nur noch selten zu Hause gewesen sei, so sei er morgens nicht zu Hause gewesen, als die Russen ihr Haus durchsucht hätten. Im Jahr 2000 sei das Haus dreimal durchsucht worden und er sei jeweils nicht zu Hause gewesen, im Jahr 2001 sei das Haus einmal durchsucht worden, dies sei höchstwahrscheinlich im Januar gewesen. Es sei nach ihm gefragt worden, so sei seine Mutter gefragt worden, wo ihr Sohn sei. Er gehe davon aus, dass er gesucht werde, da er schon einmal gekämpft habe. Aus seinem Umkreis seien auch Jungen festgenommen worden. So hätten sie am 22. Februar einen größeren Angriff auf russische Soldaten verübt. Bei diesem Angriff sei sein Cousin verletzt worden und dann ins Krankenhaus gebracht worden. Sie hätten das Krankenhaus umstellt - sie seien ungefähr 300 Mann gewesen - er selbst sei nicht maskiert gewesen und gehe davon aus, dass er erkannt worden sei. Er habe nicht an eine Maskierung gedacht, sein Cousin habe im Sterben gelegen. Aus der Tatsache, dass im Januar 2001 das letzte Mal nach ihm gefragt worden sei, könne auch nicht geschlossen werden, dass er nicht erkannt oder verraten worden sei, da es gerade die Taktik der russischen Truppen sei, zwei bis drei Monate Ruhe zu geben und dann plötzlich wieder zuzuschlagen. Seine Frau sei auch seinetwegen ständig in Angst gewesen. Es sei auch so, dass, wenn die russischen Soldaten einmal da gewesen seien, man in ständiger Angst lebe, da sie jederzeit wiederkommen könnten. Die Gruppe, in der er gekämpft habe, habe sich nicht aufgelöst, er habe nur gesundheitlich nicht mehr mitmachen können.

Die Klägerin trug im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 13. Juli 2001 vor, sie sei tschetschenische Volkszugehörige, Ausweispapiere könne sie nicht vorlegen, ihr Inlandspass sei ihr bei Kontrollen durch die Russen im Februar 2001 abgenommen worden. Sie habe in Mesker-Jurt gelebt und habe mit dem Kläger am 21. Juni 1999 in Argun die Ehe geschlossen. In Argun hätten sie standesamtlich und in Mesker-Jurt religiös geheiratet. Auf Vorhalt des Einzelbefragers hinsichtlich der anderslautenden Auskunft ihres Ehegatten erklärte sie, sie hätten sich in Argun eintragen lassen und dies sei noch von der Russischen Föderation gemacht worden. Kinder hätten sie keine, ihre Eltern lebten in Argun, in Tschetschenien lebten noch drei Brüder von ihr. Sie habe in Argun von 1989 bis 1999 die Schule besucht und sei nach der Schule Hausfrau gewesen. Sie habe noch eine dreimonatige Ausbildung als medizinische Pflegerin gemacht, sei in diesem Bereich jedoch nicht berufstätig gewesen. Sie seien am 4. Juni 2001 von Inguschetien aus mit einem Minibus losgefahren und am 8. Juni 2001 in Deutschland angekommen. Ihr Mann sei verfolgt worden, er habe sich versteckt und sei kaum zu Hause gewesen und seinetwegen sei auch sie bedroht worden. Sie sei durch russische Soldaten belästigt worden, dies sei ab 1999 der Fall gewesen, da ihr Mann ab diesem Zeitpunkt mit den tschetschenischen Kämpfern unterwegs gewesen sei. Die Russen hätten immer nach ihm gefragt und ihn verfolgt. Ihr Mann sei manchmal nachts gekommen und früh morgens wieder weggegangen, manchmal sei er auch gekommen, bevor die Sonne aufgegangen sei und dann wieder weggegangen. Auch hätten bei ihnen Hausdurchsuchungen stattgefunden, dies sei im Winter 2000 gewesen, als die "Reinigungskontrollen" stattgefunden hätten. Die letzte Hausdurchsuchung sei im Februar 2001 gewesen, es sei etwa Mitte Februar 2001 gewesen. Sie sei sich allerdings mit den Monaten nicht sicher, deshalb habe sie Winter gesagt. Ihr sei immer wieder vorgehalten worden, dass ihr Mann nach Hause komme und man habe von ihr wissen wollen, wo er sei. Sie hätten ihr gedroht, sie umzubringen, wenn sie es nicht sagen würde. Die letzte Hausdurchsuchung sei vor etwa 3 Monaten im Winter gewesen. Es sei unmöglich gewesen, diese Situation auszuhalten und sie hätten sich deshalb entschlossen wegzugehen. Es sei auch nicht möglich gewesen, sich als Tschetschene in einer anderen Region der Russischen Föderation niederzulassen, da Tschetschenen auf dem gesamten Russischen Territorium verfolgt würden. Sie seien jederzeit bereit, nach Hause zurückzukehren, sobald die russischen Truppen dort abgezogen seien und die Russen sie in Ruhe ließen.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Asylanträge der Kläger ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Des Weiteren wurden sie aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bzw. im Falle einer Klageerhebung innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, andernfalls wurde ihnen ihre Abschiebung in die Russische Föderation oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht.

Gegen den am 29. November 2001 zugestellten Bescheid haben die Kläger am 11. Dezember 2001 Klage vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe sich bereits im März 2000 einer Kampftruppe aus den Bergen angeschlossen. In dieser Zeit und davor sei er nicht zu Hause gewesen, sondern habe bei Freunden und Bekannten übernachtet und häufig die Wohnung gewechselt. Am 22. Februar habe er dann an dem bereits beschriebenen Überfall auf russische Soldaten teilgenommen, bei dem militärisches Gerät zerstört worden sei. Im Zuge dieses Überfalls sei sein Halbbruder verletzt worden und von ihnen anschließend in ein Krankenhaus in Argun gebracht worden. Um das Krankenhaus herum seien etwa 300 Widerstandskämpfer postiert gewesen, teilweise in umliegenden Wohnungen. Zusammen mit dem Verletzten Halbbruder hätten zehn Personen das Krankenhaus betreten, darunter auch er. Der Verletzte habe jedoch nicht gerettet werden können. Während des Krankenhausaufenthaltes seien die Widerstandskämpfer von einem zum Krankenhauspersonal gehörenden Informanten der russischen Armee erkannt worden. Die Hälfte dieser zehn Personen, die damals mit in das Krankenhaus gegangen seien, sei mittlerweile tot. Drei von ihnen seien während einer Razzia von der russischen Armee aufgegriffen und umgebracht worden. Er sei sich sicher, von dem Informanten erkannt worden zu sein und befürchte, das gleiche Schicksal erleiden zu müssen wie seine Mitstreiter. Soweit das Bundesamt seine Aussagen als widersprüchlich und unsubstantiiert ansehe, könne dem nicht gefolgt werden. Bereits am Ende des Anhörungsprotokolls sei von ihm klargestellt worden, dass er sich nicht erst im März 2001, sondern bereits im März 2000 den tschetschenischen Truppen angeschlossen habe. Die von dem Bundesamt behaupteten Widersprüche ließen sich teilweise dadurch erklären, dass es in Tschetschenien zwei Kriege gegeben habe. In der Anhörung sei zwischen diesen beiden Kriegen nicht genau unterschieden worden. Wie bereits angegeben, habe er sich ab März 2000 einem Verband aus den Bergen angeschlossen, über Hausdurchsuchungen, die sich nach dieser Zeit ereignet hätten, könne er daher aus eigenem Erleben keine Angaben machen (Bl. 39 GA). Wie sich aus dem dem Gericht vorgelegten Militärausweis ergebe, habe er nach dem 1. Tschetschenenkrieg beim Sicherheitsdienst der Regierung Maschadows gearbeitet (Bl. 122 GA). Er habe der Rebellengruppe um Islam "Tschengis" X... angehört und sich an Aktionen gegen das russische Militär beteiligt (Bl. 122 GA). Die traumatischen Zuständige im Krieg sowie das Leben auf der Flucht in ständiger Angst vor den Behörden hätten bei ihm eine psychische Erkrankung nach sich gezogen. Insoweit überreichte er ein Attest des Dr. Christoph Gampe vom 12. Januar 2004 (Bl. 122, 164 GA). In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zudem an, bei der Aktion auf das Krankenhaus in Argun seien nicht 300 Kämpfer anwesend gewesen, vielmehr seien dort nur 50 bis 60 Leute gewesen. Die Zahl 300 beziehe sich auf die Gesamtstärke der Kampftruppe. Der in dem Krankenhaus verstorbene Cousin habe Islam X..., Spitzname "Tschengis" gehießen. Im Juni bzw. Juli 1999 habe er seine Frau geheiratet, damals habe er noch keiner Kampftruppe angehört. Nachdem der Krieg zurück nach Tschetschenien gekommen sei, das müsse im Herbst, wahrscheinlich im November 1999 gewesen sein, habe er sich der Rebellengruppe angeschlossen. Im Dezember 1999 bzw. Januar 2000 hätten die Kämpfer Grozny verlassen und seien in die Berge zurückgegangen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich sein Onkel den Kämpfern angeschlossen, er selbst sei noch etwa ein oder zwei Monate lang zu Hause geblieben und habe sich dann ebenfalls der Kampfgruppe angeschlossen. Anfang 2000 sei er persönlich zum ersten Mal von russischen Soldaten gesucht worden, zu dieser Zeit hätten in ihrem Dorf öfters Säuberungsaktionen stattgefunden. Zunächst sei allgemein nach Waffen und später gezielt nach Personen gefahndet worden. Er habe sich vorwiegend in Argun aufgehalten, dort habe es mehrstöckige und auch einstöckige Häuser gegeben, viele Wohnungen hätten leer gestanden. Sie hätten sich dort in Kellern versteckt, manchmal seien sie aber auch in anderen Dörfern in der Umgebung gewesen. Während dieser Zeit sei man des Öfteren zu Hause gewesen, aber immer nur nachts. Den Kampf habe er aufgegeben, da er Magenprobleme gehabt habe und längere Zeit immer nur bei fremden Leuten gewesen sei. Er habe diese Menschen nicht in Gefahr bringen wollen und schließlich sei auch der Punkt gekommen, wo er nicht mehr gekonnt habe. Es habe auch einen gewissen Druck seitens seiner Familie und seiner Ehefrau gegeben, die ein normales Leben habe führen wollen. Von der Existenz einer Heiratsurkunde habe er im Übrigen nichts gewusst, mittlerweile habe er wieder Kontakt zu seinen Eltern und von ihnen eine Kopie der Heiratsurkunde erhalten. Ausweislich einer in der Gerichtsakte befindlichen Kopie (Bl. 169 GA), die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht von dem dort anwesenden Dolmetscher übersetzt worden ist, haben die Kläger danach am 14. Dezember 2000 standesamtlich in Argun geheiratet.

Auf Nachfrage erklärte die Klägerin zu 2., die Eheschließung nach muslimischem Recht habe im Jahr 1999 stattgefunden, sie habe damals im Haus ihres Ehemannes gelebt. Ihr Schwiegervater habe später den Antrag beim Standesbeamten gestellt und erklärt, dass sie beide, ihr Mann und sie, verheiratet seien. Diese Erklärung des Schwiegervaters habe ausgereicht, sie hätten nicht vor dem Standesbeamten erscheinen müssen. Nach ihrer Erinnerung sei es im Jahr 1999 gewesen, als der Kläger sich den Kampfgruppen angeschlossen habe. Er sei ab diesem Zeitpunkt nur selten zu Hause gewesen, meist nur nachts. Diese ganze Situation habe bei ihr zu zwei Fehlgeburten geführt, die Soldaten hätten wissen wollen, wo ihr Mann sei, ansonsten sei ihr gedroht worden, umgebracht zu werden. Die erste Fehlgeburt sei im Oktober 2000 gewesen, sie sei damals im 3. Monat schwanger gewesen. Die zweite Fehlgeburt habe sie hier in Deutschland in Schwalbach erlitten.

Nachdem das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 14. Januar 2002 den Anspruch der Kläger auf Zuerkennung von Asyl gemäß Art. 16 a GG abgetrennt und die Klage insoweit mit Gerichtsbescheid vom 25. Februar 2002 als offensichtlich unbegründet abgewiesen hatte (Az. 5 E 63/02.A),

haben die Kläger beantragt,

1. den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23.10.2001 aufzuheben;

2. die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen; hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, in der Russischen Föderation unterläge keine Volksgruppe einer an die Volkszugehörigkeit anknüpfenden staatlichen Verfolgung, im Übrigen stünde tschetschenischen Volkszugehörigen eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation zur Verfügung.

Das Verwaltungsgericht hat durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes Beweis erhoben hinsichtlich mehrerer von den Klägern vorgelegter Unterlagen (Bl. 98 ff. GA). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 104, 105 der Gerichtsakte verwiesen.

Mit Urteil vom 21. Oktober 2004 - 5 E 2560/01.A (2) - hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Klage abgewiesen. Es hat den Vortrag der Kläger im Wesentlichen für unglaubhaft gehalten. Auf Antrag des Bevollmächtigten der Kläger vom 11. November 2004 (Bl. 225 GA) hat der 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 15. Februar 2006 - 3 UZ 3458/04.A - (Bl. 242 GA) die Berufung gegen das am 28. Oktober 2004 zugestellte Urteil vom 21. Oktober 2004 zugelassen.

Zur Berufungsbegründung tragen die Kläger im Wesentlichen vor, die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Schilderung des Klägers sei nicht plausibel, da sich im Jahr 2001 keine Rebellen mehr in den Großstädten aufgehalten hätten, sei falsch. Dem Kläger sei es mittlerweile möglich gewesen, ein elektronisches Dokument des Feuergefechtes zu beschaffen, das von den Rebellen aufgezeichnet worden sei. Insoweit werde eine CD-Rom zu den Gerichtsakten gereicht. Seit ihrer Flucht aus Tschetschenien habe sich die Situation für die Familie der Kläger weiter verschärft. In den Medien sei berichtet worden, Angehörige der Familie, namentlich der in Aserbaidschan und nunmehr in Berlin lebende Onkel xxxxxxxxxx, seien an dem Anschlag auf den ehemaligen Präsidenten Tschetscheniens Kadyrow beteiligt gewesen. Bei Rückkehr müsse seine Familie daher damit rechnen, staatlicherseits verfolgt zu werden. Der neue Präsident Tschetscheniens habe Rache geschworen und gedroht, jeder, der auch nur entfernt mit den Attentätern oder Drahtziehern des Anschlags auf seinen Vater in Verbindung gebracht werden könne, müsse mit dem Tod rechnen. Obwohl die Kläger sich bereits seit einigen Jahren in Deutschland aufhielten, werde immer noch nach ihnen gesucht, so seien ehemalige Nachbarn befragt und beobachtet worden. Bei Rückkehr nach Tschetschenien drohe ihnen auch wegen Blutrache Lebensgefahr. Im Übrigen könnten sie auch nicht auf eine inländische Fluchtalternative verwiesen werden, da für Tschetschenen die Versorgungslage in der Russischen Föderation im Übrigen sehr schlecht sei und es dem Kläger nicht möglich sei, seine schwangere Gattin nebst beiden Kindern zu ernähren. Auch habe der Krieg ihm stark gesundheitlich zugesetzt, er leide noch immer an einer chronischen Gastritis, einem Reizdarm und posttraumatischen Belastungsstörungen mit reaktiven Depressionen, die ärztlich behandelt würden (Bl. 258 GA).

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 21. Oktober 2004 - 5 E 2560/01.A - zu verpflichten, in ihrer Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG,

hilfsweise,

die Voraussetzungen der §§ 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beteiligte trägt unter Verweis auf verschiedene obergerichtliche Rechtsprechung vor, es sei ganz überwiegende obergerichtliche Spruchpraxis, für tschetschenische Volkszugehörige eine zumutbare inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation anzunehmen. Dem Umstand einer möglichen Registrierung bzw. Fähigkeit, sich gegen die Verweigerung einer Registrierung wirksam zu wehren, komme danach keine letztendlich maßgebende Rolle zu (Bl. 266 GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Gerichtsakte befindlichen Schriftstücke, die von den Klägern eingereichte CD, den Verwaltungsvorgang der Beklagten (1 Aktenheft), den Verwaltungsvorgang des Landrates des Landkreises Limburg-Weilburg (3 Aktenhefte) sowie auf die den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnisse zur Situation in der Russischen Föderation (Erkenntnisquellenliste Russische Föderation - Tschetschenien - Stand: März 2008) Bezug genommen. Hinsichtlich der informatorischen Befragung der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wird auf den Inhalt der Verhandlungsniederschrift verwiesen. Die genannten Unterlagen sind insgesamt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger, mit der sie unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 21.Oktober 2004 - 5 E 2560/01.A - die Verpflichtung der Beklagten begehren, ihnen die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen, ist aufgrund der Zulassung durch den Senat und auch sonst zulässig und auch begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, der gemäß Art. 15 Abs. 3 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 seit dem 1. Januar 2005 durch § 60 Abs. 1 AufenthG abgelöst worden ist, zu Unrecht abgewiesen; denn die Ablehnung der Feststellung von Flüchtlingsschutz gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I Nr. 41 S. 1970 ff.) - AufenthG - stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) als rechtswidrig dar, die Kläger haben Anspruch auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz.

Gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft.

Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann ausgehen von

a. dem Staat,

b. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder

c. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter Buchstabe a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land ein staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht,

es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, sind Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29. April 2004 (ABl. EU L 304 S.12, ber. ABl. 2005 L 204 S. 24 - Qualifikationsrichtlinie/QRL -) ergänzend anzuwenden.

Der Senat hat sich in seinem Grundsatzurteil vom 21. Februar 2008 - 3 UE 191/07.A - mit den Veränderungen, die sich aus der Umsetzung bzw. dem Inkrafttreten der QRL sowie der Sicherheitslage tschetschenischer Flüchtlinge aus Tschetschenien befasst und ausgeführt:

"Nach der nunmehr in § 60 Abs. 1 AufenthG in Bezug genommenen und im Übrigen aufgrund des Ablaufs ihrer Umsetzungsfrist zum 10. Oktober 2006 ohnehin in weiten Teilen unmittelbar geltenden Qualifikationsrichtlinie (vgl. zur unmittelbaren Geltung von Richtlinien EuGH, Urteil vom 19. 01. 1982 - Rs. 8 /81 -, EuGHE 1982, 53 Rz 21 ff. und vom 20. 09. 1988 - Rs 190/87 -, EuGHE 1988, 4689 Rz 22 ff.; Herdegen, Europarecht, 8. Aufl., 2006, § 9 Rdnr 44 ff.) haben sich die vorwiegend richterrechtlich entwickelten Prüfungsmaßstäbe hinsichtlich der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz unmittelbar am Wortlaut der QRL und des AufenthG zu messen, wobei dies teils zu gravierenden Änderungen, teils jedoch zur Beibehaltung auch bisher geltender Prüfmaßstäbe führt. Dabei ist bei der Auslegung der von dem deutschen Gesetzgeber so formulierten "ergänzenden" Anwendung der Vorschriften der QRL - § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG - zu beachten, dass gem. Art. 1 QRL die Richtlinie verbindliche Mindestnormen für die Mitgliedstaaten festschreibt, die durch den nationalen Gesetzgeber nicht unterschritten werden dürfen. Wesentliches Ziel der Richtlinie ist nämlich die Schaffung einer gemeinsamen Asylpolitik einschließlich eines "Gemeinsamen Europäischen Asylsystems". Die Richtlinie soll auf "kurze Sicht zur Annäherung der Bestimmungen über die Zuerkennung und Merkmale der Flüchtlingseigenschaft führen" (vgl. Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung, Erläuterungen zur Richtlinie 2004/83/EG, 2005, Vorwort zur Neugestaltung des Handbuchs, III)

Bei der Frage, welcher Maßstab an die zu prüfende Verfolgungswahrscheinlichkeit unter Geltung der QRL anzulegen ist, ist zunächst auf Art. 4 Abs. 3 QRL zu verweisen, nach dem stets eine individuelle Prüfung zu erfolgen hat, mithin eine rein generalisierende Sichtweise nicht mehr mit dem Wortlaut der Richtlinie zu vereinbaren wäre (vgl. Hruschka/Löhr, Der Prognosemaßstab für die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft nach der Qualifikationsrichtlinie, ZAR 2007, S. 180 ff.)

Soweit nach der bisherigen Rechtsprechung für die Beurteilung der Frage, ob einem Flüchtling nach den Maßstäben des § 60 Abs. 1 AufenthG Schutz zu gewähren ist, unterschiedliche Maßstäbe anzulegen waren, je nach dem, ob dieser seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (vgl. BVerfGE 80, 315 = NVwZ 1990, 151 = NJW 1990, 974), nimmt zwar die QRL eine entsprechende Unterscheidung ebenfalls auf, allerdings mit Verschiebungen des Prüfungsumfangs hinsichtlich der vorverfolgt ausgereisten Personen sowie hinsichtlich des anzustellenden Prüfungsumfangs im Zeitpunkt der Ausreise.

Nach den bisher richterrechtlich entwickelten Maßgaben durfte ein - landesweit - vorverfolgt ausgereister Flüchtling grundsätzlich nur dann in sein Heimatland zurückgeschickt werden, wenn er dort hinreichend sicher vor - erneuter politischer - Verfolgung war (sog. herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab), wobei hinreichende Sicherheit in diesem Zusammenhang bedeutete, dass aufgrund der bereits einmal erlittenen Verfolgung hohe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Ausschlusses erneuter Verfolgung zu stellen waren. Es musste mehr als überwiegend wahrscheinlich sein, dass keine erneute Verfolgung droht (BVerwGE 70, 169 <171>). Demgegenüber konnte ein unverfolgt Ausgereister bei zu berücksichtigenden objektiven Nachfluchtgründen auf sein Heimatland verwiesen werden, wenn ihm dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung drohte, was anzunehmen war, wenn er in absehbarer Zeit dort nicht mit Verfolgungsmaßnahmen ernsthaft zu rechnen hatte (vgl. BVerwGE 68, 106 <109>).

Auch die QRL nimmt bei der anzustellenden Verfolgungsprognose eine Differenzierung vor, indem sie in Art. 4 Abs. 4, auf den § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ausdrücklich Bezug nimmt, ausführt, dass die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

Zwar ist zutreffend, dass Art. 4 Abs. 4 QRL damit lediglich eine Prognoseregelung für den Fall trifft, dass eine Person verfolgt wurde oder eine Verfolgung unmittelbar bevorstand, nicht jedoch eine Vermutungsregel für unverfolgt ausgereiste Flüchtlinge enthält (vgl. Hruschka/Löhr, a.a.O., S.181). Nach der Systematik des Art. 4 Abs. 4 QRL stellt für den erstgenannten Personenkreis die stattgefundene bzw. unmittelbar drohende Vorverfolgung den ernsthaften Hinweis auf eine auch im Fall der Rückkehr zu erwartende Verfolgung dar, während bei nicht vorverfolgten Flüchtlingen der in Art. 4 Abs. 4 QRL so bezeichnete "ernsthafte Hinweis" auf zu erwartende Gefährdungen entfällt, es im Übrigen aber bei der Prüfung bleibt, ob der Flüchtling heute bei Rückkehr in sein Heimatland erwartbar Verfolgungsmaßnahmen oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erleiden wird oder hiervon unmittelbar bedroht ist. Insoweit kann auch auf die Begriffsbestimmung des Art. 2 c) QRL zurückgegriffen werden, wonach "Flüchtling" im Sinne der QRL einen Drittstaatsangehörigen bezeichnet, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Art. 12 keine Anwendung findet. Der letztgenannte Maßstab entspricht dabei dem in der Rechtsprechung entwickelten Maßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" in Anlehnung an die britische Rechtsprechung des "real risk", wobei auch ein Verfolgungsrisiko von unter 50% als beachtlich wahrscheinliches Risiko angesehen werden kann.

Der von der Rechtsprechung entwickelte Maßstab der "hinreichenden Sicherheit" bei vorverfolgt ausgereisten Flüchtlingen wird demgegenüber nunmehr durch die in Art. 4 Abs. 4 QRL enthaltene Rückausnahme abgelöst, wonach eine erfolgte oder unmittelbar drohende Vorverfolgung den ernsthaften Hinweis nach sich zieht, dass die Furcht des Antragsteller vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sein wird (a.A. Bay. VGH, Urteil vom 31. 08. 2007, 11 B 02.31774, Rdnr 29, in juris online, der davon ausgeht, dass es auch unter Geltung der QRL bei beiden bisher richterrechtlich entwickelten Prognosemaßstäben bleibt). Bei der Auslegung des Art. 4 Abs. 4 QRL können zwar die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien der "hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung" mit herangezogen werden, da auch der Richtliniengeber davon ausgeht, dass der bereits einmal verfolgte Flüchtling einen erhöhten Schutzstandard genießt, stellt doch die Vorverfolgung einen ernsthaften Hinweis auf eine auch bei Rückkehr zu befürchtende Verfolgung dar, es sei denn es greift die Rückausnahme des Art. 4 Abs. 4 a.E. QRL. Allerdings sollte sich die Rechtsanwendung nunmehr den neuen - europaweit gültigen - Begrifflichkeiten zuwenden, die als Rechtsnormen die richterrechtlich entwickelten Begriffe ablösen und sich auch einer europaweiten Vergleichbarkeit werden stellen müssen.

Unter zeitlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten hat der relevante Prüfungsumfang der Verfolgungssituation des Flüchtlings durch die Regelungen der QRL maßgebliche Änderungen, insbesondere hinsichtlich der richterrechtlich entwickelten Kriterien einer örtlich oder regional begrenzten Verfolgung (vgl. BVerwGE 105, 204; BVerwG Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 231; BVerwGE 105, 204; BVerwG, Beschluss vom 04.01.2007, 1 B 47.06) erfahren, da es auf diese Differenzierungen nach Inkrafttreten der QRL nicht mehr ankommt. Insoweit folgt der Senat der gegenteiligen Auffassung des Beteiligten (SS vom 22.02.2007, Bl. 301 GA) sowie der Beklagten (SS vom 05.03.2007, Bl. 307 GA) nicht, worauf weiter unten noch eingegangen wird.

Die Differenzierung zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung, die zur Konsequenz hatte, dass Flüchtlinge, die "lediglich" einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzt waren, mit Verlassen des Verfolgungsgebiets, spätestens aber mit Rückkehr aus dem Ausland, mangels Orts- bzw. Gebietsbezug voraussetzungsgemäß nicht mehr von Verfolgung betroffen seien und ihnen daher eine Rückkehr in andere Gebiete des Heimatstaates ohne weitere asyl- bzw. flüchtlingsrechtliche Prüfung einer inländischen Fluchtalternative zuzumuten war (BVerwG, Beschluss vom 04.01.2007, 1 B 47.06, Rdnr. 5), ist mit den Vorgaben der QRL nicht - mehr - zu vereinbaren.

Maßgeblich ist dabei, welche zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben insbesondere Art. 8 QRL für die Prüfung der Voraussetzungen einer inländischen Fluchtalternative bzw. eines internen Schutzes vorgibt und welche Veränderungen sich hieraus zu den bisherigen Maßstäben ergeben.

Aufgrund der Tatsache, dass auch Art. 8 QRL - eine nach ihrem Wortlaut nicht grundsätzlich umsetzungspflichtige Norm - durch § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in Bezug genommen worden ist und das Institut der inländischen Fluchtalternative/des internen Schutzes zudem ausdrücklich in § 60 Abs. 1 Satz 4 a. E. AufenthG gesetzliche Erwähnung erfährt, sind nunmehr das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative/internen Schutzes und die in diesem Zusammenhang anzustellenden rechtlichen Erwägungen ausschließlich an den Maßstäben und dem Wortlaut der Art. 8 QRL und Art. 4 Abs. 4 QRL zu messen.

Art. 8 QRL bestimmt, dass bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz die Mitgliedsstaaten feststellen können, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält (Abs. 1). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt, berücksichtigen die Mitgliedsstaaten die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag (Abs. 2). Schließlich kann Abs. 2 auch dann angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen (Abs. 3).

Art. 8 QRL trägt unterschiedslos der Tatsache Rechnung, dass sich Verfolgungssituationen innerhalb eines Staates für einzelne Personen oder Personengruppen unterschiedlich darstellen können, mit anderen Worten, der Staat bestimmte Personen und/oder Gruppen von Personen in einem Teil seines Staatsgebietes verfolgt, während er sie anderenorts mehr oder weniger unbehelligt lässt. Der von dem Bundesverfassungsgericht so bezeichneten "Zwiegesichtigkeit des Staates" (BVerfGE 80, 315 ff.) trägt Art. 8 QRL Rechnung, indem dem Flüchtling ohne Differenzierung nach regional oder örtlich begrenzter Verfolgung eine Rückkehr in einen anderen Landesteil seines Heimatstaates nur dann, und zwar im Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag, zugemutet wird, wenn dort für ihn keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält, wobei sich nach Art. 8 Abs. 2 QRL eine rein generalisierende Prüfung verbietet. Vielmehr ist bei Auslegung des Tatbestandsmerkmals "vernünftigerweise erwartet werden kann" (Art. 8 Abs. 1 QRL) unter Anlegung objektiver Maßstäbe zu prüfen, wie sich ein durchschnittlich vernünftiger Mensch in der Situation des Flüchtlings verhalten würde und bei der Frage, ob dieses vernünftige Verhalten von dem konkreten Flüchtling auch tatsächlich erwartet werden kann, seine persönlichen Besonderheiten zu berücksichtigen sind.

War nach bisheriger Rechtsprechung bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft insbesondere zur Ermittlung der anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe unter zeitlichen Gesichtspunkten grundsätzlich eine doppelte Prüfung vorzunehmen, nämlich ob die Flüchtlingseigenschaft sowohl im Zeitpunkt der Ausreise als auch im Zeitpunkt der gedachten Rückkehr landesweit anzunehmen war bzw. ist, stehen dem nunmehr der Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 QRL sowie seine systematische Stellung zu Art. 4 Abs. 4 QRL entgegen.

Art. 4 Abs. 4 QRL stellt ausschließlich darauf ab, dass der Antragsteller - im Zeitpunkt der Ausreise - bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ohne hierbei das Institut des internen Schutzes - mit der Konsequenz der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 13 QRL) - mit in den Blick zu nehmen. Ob eine angenommene Vorverfolgung bei regional oder örtlich begrenzten Verfolgungsmaßnahmen auch zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt, ist gemäß Art. 8 Abs. 2 QRL nach Prüfung der Voraussetzungen des internen Schutzes zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu entscheiden. Mit anderen Worten, es reicht für die Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 4 QRL die Tatsache, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Ausreise, und sei es nur in einem Teil seines Heimatstaates, verfolgt war oder unmittelbar von Verfolgung bedroht war, während für die Beantwortung der Frage, ob dies auch zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt, im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag, im gerichtlichen Verfahren also in der Regel im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG), gemäß den von Art. 8 QRL angelegten Vorgaben zu prüfen ist, ob eine interne Schutzmöglichkeit für den Verfolgten besteht oder nicht.

Da Art. 8 Abs. 2 QRL, wie bereits ausgeführt, hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des internen Schutzes auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abstellt, ohne hierbei bei der Frage der Vorverfolgung (Art. 4 Abs. 4 QRL) Differenzierungen nach örtlich oder regional begrenzten Verfolgungssituationen vorzunehmen, verbietet bereits dieser systematische Zusammenhang eine Beibehaltung der richterrechtlich entwickelten Differenzierungen, die zur Konsequenz hatten, dass bei lediglich örtlich begrenzter Gruppenverfolgung die Prüfung internen Schutzes gerade im Fall der Rückkehr aus dem Ausland entfiel, da der Flüchtling voraussetzungsgemäß nicht - mehr - zu der verfolgten Gruppe gehörte.

Darüber hinaus stehen kompetenzrechtliche Gründe der Beibehaltung der genannten Differenzierungen zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung entgegen, da ihre Beibehaltung entgegen den Vorgaben der QRL (Art. 4 Abs. 4, Art. 8 QRL) zu einer Schlechterstellung der "nur" einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzten Flüchtlinge führen würde - in ihrem Fall würde das Vorliegen der Vorraussetzungen des Art. 8 QRL im Zeitpunkt der Rückkehr gerade nicht geprüft - und dies dem Ziel der QRL, verbindliche Mindestnormen für den Flüchtlingsschutz festlegen zu wollen (Art. 1 QRL), entgegenstünde.

Eine weitere Änderung nach Inkrafttreten der QRL stellt der Prüfungsumfang der existentiellen Gefährdungen am Ort des internen Schutzes dar. Unter Geltung der QRL entfällt nämlich bei der Prüfung des internen Schutzes hinsichtlich der dort zu beachtenden existentiellen Gefährdungen die bisher von der Rechtsprechung geforderte vergleichende Betrachtung - eine inländische Fluchtalternative konnte bisher bei Vorliegen existentieller Gefährdungen dort nur dann angenommen werden, wenn diese so am Herkunftsort nicht bestünden (BVerfGE 80, 315 ff.) -, da eine derartige vergleichende Betrachtung Art. 8 QRL fremd ist. Dementsprechend gehen auch sowohl die amtliche Begründung zu dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 3. Januar 2006 als auch die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 13. Oktober 2006 davon aus, dass der Flüchtling am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinden muss, d.h., es muss zumindest das Existenzminimum gewährleistet sein, und dies auch dann gilt, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind."

Zu dieser Einschätzung hinsichtlich der anzuwendenden Prognosemaßstäbe, des mutmaßlichen Zeitpunkts der Entscheidung sowie des für das Vorliegen eines internen Schutzes anzulegenden Prüfprogramms gelangt der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 4. Januar 2007 - 1 B 47.06 - sowie unter Auseinandersetzung der von dem Beteiligten in seinem Schriftsatz vom 11. April 2006 (Bl. 266 GA) angeführten Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte. Zwar ist der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Januar 2007 - 1 B 47.06 - nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die Qualifikationsrichtlinie ergangen, gleichwohl liegt er vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung vom 19. August 2007, das für sich in Anspruch nimmt, die Qualifikationsrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Nach Auffassung des Senats kann aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 4. Januar 2007 - 1 B 47.06 - nicht zwingend geschlussfolgert werden, die Qualifikationsrichtlinie habe zu keinerlei rechtlichen Änderungen hinsichtlich der anzuwendenden Prüfungsmaßstäbe im Flüchtlingsschutz geführt, da sich der Beschluss hierzu nicht ausdrücklich verhält.

Hinsichtlich der von dem Beteiligten angeführten anderen obergerichtlichen Entscheidungen, die sich mit den Differenzierungen zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung, den danach anzuwendenden Prüfungsmaßstäben sowie allgemein mit der Situation tschetschenischer Binnenvertriebener in der Russischen Föderation befassen, sieht der Senat von einer differenzierten Ausführung zu den dort gemachten Feststellungen ab, da sich, wie bereits dargestellt, durch Umsetzung bzw. unmittelbare Anwendung der QRL die Prüfungskriterien für das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative/des internen Schutzes und der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz maßgeblich verändert haben und die von der Beklagten aufgeführten Entscheidungen anderer Obergerichte daher für den Senat nicht mehr von entscheidender Bedeutung sind. Gleiches hat für die tatsächlichen Verhältnisse in der Russischen Föderation und dort insbesondere in Tschetschenien zu gelten, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahmen in den Verfahren 3 UE 455/06.A, 3 UE 457/06.A sowie 3 UE 191/07.A - die im Rahmen der Beweisaufnahmen eingeholten Stellungnahmen sind auch zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht worden - entscheidende Veränderung erfahren haben.

Unter Zugrundelegung der oben genannten Prüfungsmaßstäbe sind die Kläger vorverfolgt im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL aus ihrer Heimatregion Tschetschenien ausgereist, da dort ihr Leben und ihre Freiheit im Zeitpunkt der Ausreise im Juni 2001 allein wegen ihrer tschetschenischen Volkszugehörigkeit unmittelbar bedroht war (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, Art. 4 Abs. 4 QRL).

Die Bedrohung der Kläger ging dabei unmittelbar aus von staatlichen Stellen (§ 60 Abs. 1 Satz 4 a AufenthG), nämlich den dort stationierten russischen Einheiten und Sicherheitskräften, die in der Bekämpfung der tschetschenischen Rebellen bzw. Separatisten weit über das hinaus gegangen sind, was unter dem Gesichtspunkt einer legitimen Terrorismusbekämpfung bzw. der legitimen Bekämpfung von Separatismusbestrebungen eines Staates hingenommen werden kann (BVerfG, Beschluss vom 15.2.2000, 2 BvR 752/97, in juris-online; BVerwG, Urteil vom 25.7.2007, 9 C 28/99, in juris-online), wobei die tschetschenische Zivilbevölkerung gezielten Drangsalierungen, willkürlichen Verhaftungen, Verschleppungen, Verfolgungen bis hin zu Mord, Folterungen und Vergewaltigungen ausgesetzt war (vgl. auch AA, Ad hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Tschetschenien) vom 15.11.2000; ebenso AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 28. August 2001). Hierbei hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung an seiner Einschätzung der Situation in Tschetschenien im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger fest. Hierzu hatte der Senat in dem durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Januar 2007 - 4 B 47.06 - aufgehobenen Urteil vom 2. Februar 2006 - 3 UE 3021/03.A - ausgeführt:

"Aus Anlass des Einfalls tschetschenischer Rebellengruppen in Dagestan und der Ausrufung eines islamischen Staates dort sowie Bombenattentaten auf ein Einkaufszentrum und ein Wohnhaus in Moskau, die von Seiten der russischen Regierung tschetschenischen Rebellen zugeschrieben wurden, aber auch im Hinblick auf den Präsidentschaftswahlkampf in der Russischen Föderation setzte die Führung der Russischen Föderation ab September 1999 Bodentruppen, Artillerie und Luftwaffe in Tschetschenien ein mit dem erklärten Ziel, die tschetschenischen Rebellengruppen zu vernichten, die das Ziel der Unabhängigkeit Tschetscheniens und die Errichtung eines islamischen Staates anstrebten. Im Verlauf der Kämpfe brachte die russische Armee Anfang des Jahres 2000 Grozny, das dabei fast völlig zerstört worden ist, und im Frühjahr des Jahres 2000 große Teile Tschetscheniens unter ihre Kontrolle. Die Rebellengruppen zogen sich in die südlichen Bergregionen zurück; sie sind seitdem zum Partisanenkrieg und zu terroristischen Anschlägen übergegangen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.04.2001; Bundesamt, Der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001; UNHCR, Stellungnahme über Asylsuchende aus der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Lage in Tschetschenien, Januar 2002). Die russische Armee ihrerseits ging unter dem Vorwand der Terroristenbekämpfung mit äußerster Brutalität auch gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien vor, die zum damaligen Zeitpunkt nach Schätzungen bereits im Wesentlichen aus tschetschenischen Volkszugehörigen bestand (vgl. UNHCR, Stellungnahme über Asylsuchende aus der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Lage in Tschetschenien, Januar 2002).

Schon zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges im September 1999 ist es zu großen Fluchtbewegungen gekommen. Aufgrund des Einmarschs der russischen Armeeeinheiten und der Bombardierung der Städte flohen große Teile der Bevölkerung aus ihren Wohnorten in Tschetschenien. Die russische Armee hinderte die Flüchtlinge zum Teil bereits am Verlassen des Kampfgebietes, teilweise am Übertritt in die Nachbarrepubliken wie Inguschetien (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 15. Februar 2000). Dabei wurden auch Flüchtlingstrecks von der russischen Luftwaffe angegriffen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass von den zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges in Tschetschenien lebenden 450.000 Einwohnern 350.000 gewaltsam aus ihren Wohnorten vertrieben worden sind, davon 160.000 an andere Orte in Tschetschenien und die übrigen in andere Teile der Russischen Föderation und das Ausland (UNHCR, Stellungnahme über Asylsuchende aus der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Lage in Tschetschenien, Januar 2002; Bundesamt, Russische Föderation, Checkliste Tschetschenien, August 2003). Die russischen Armeeeinheiten haben, wie schon im ersten Tschetschenienkrieg, an vielen Orten in Tschetschenien sogenannte Filtrationslager eingerichtet. In diese Lager wurden wahllos tschetschenische Einwohner gebracht, wo nach den Erklärungen der russischen Stellen Terroristen aufgespürt werden sollten. In den Lagern wurden die tschetschenischen Volkszugehörigen systematisch misshandelt, vergewaltigt, gefoltert und getötet (ai, Stellungnahme vom 08.10.2001; Stellungnahme des Europäischen Parlaments zur Lage in Tschetschenien vom 08.03.2001). Internationale und russische Menschenorganisationen (z.B. Human Right Watch-Bericht vom 18. Februar 2000, ai Bericht vom 22. Dezember 1999 sowie Nachforschungen der Russischen Menschenorganisation "Memorial") gingen aufgrund von Augenzeugenberichten zunächst von dem Betreiben mindestens eines solchen russischen "Filtrationslagers" an der Grenze zwischen Inguschetien und Tschetschenien aus. Dort soll es abgeschirmt von der Öffentlichkeit zu Folterungen (z.B. Elektroschocks, Schläge u.a. auf den Kopf und den Rücken mit Metallhammer) durch russische Spezialkräfte gekommen sein. Durch Augenzeugenberichte und aufgrund von Filmaufnahmen musste dann jedoch davon ausgegangen werden, dass es in und um Grozny weitere Filtrationslager gab, in denen auch systematisch gefoltert wurde, u.a. in dem Gefängnis Tschernokosowo, nördlich von Grozny. Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Gil-Robles, konnte bei seinem Besuch in Tschetschenien zwar auch Haftanstalten besuchen, ihm wurden jedoch ausschließlich frisch gestrichene Zellen gezeigt und Gespräche mit Gefangenen nur in Anwesenheit von russischen Bewachern erlaubt. Die Foltervorwürfe konnten dadurch nicht widerlegt werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 22. Mai 2000). Auf der Suche nach Terroristen überfielen russische Militäreinheiten ganze Dörfer, nahmen deren Bewohner willkürlich fest und misshandelten sie (ai vom 20.02.2002 an VG Braunschweig). Gespräche mit Flüchtlingen in den Lagern Inguschetiens haben die Greultaten der russischen Armee bestätigt. Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen waren gravierend. Es kam zu willkürlichen Racheakten an der Zivilbevölkerung. Bei einer Explosion auf einem belebten Markt in Grozny am 21. Oktober 1999 kamen nach Augenzeugenberichten 140 Menschen ums Leben, 400 wurden zum Teil schwer verletzt. Widersprüchliche Angaben gibt es über die Täter und deren Motive. Recherchen von internationalen Menschenrechtsorganisationen (Human Rights Watch, Bericht vom 20.01.2000) und Äußerungen von Angehörigen russischer Spezialkräfte legen die Vermutungen sehr nahe, dass es sich bei dieser Tat um eine "Sonderkommandoaktion" russischer Spezialkräfte handelte, die auf dem Marktplatz Waffen und Sprengstoff tschetschenischer Rebellen vermuteten. Frauen berichteten gegenüber Vertreterinnen von internationalen Hilfsorganisationen von Vergewaltigungen seitens russischer Soldaten bei der Eroberung von Ortschaften in Tschetschenien, so z.B. bei der Einnahme der Ortschaft Alkhan-Yurt, südwestlich von Grozny im Dezember 1999 durch russische Verbände. Dabei soll es auch Exekutionen (41 Opfer), Plünderungen und Brandstiftungen unter der Zivilbevölkerung gegeben haben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 22. Mai 2000). Kriegsverbrechen und Massaker blieben ungesühnt, da die russische Führung kein Interesse an einer Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung zeigte (Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Russische Föderation, der Tschetschenienkonflikt, Stand Januar 2001). Im Zusammenhang mit dem Militäreinsatz der russischen Armee in Tschetschenien berichteten internationale (z.B. Human Rights Watch) und russische (z.B. Memorial) Menschenrechtsorganisationen über massive Rechtsverletzungen (willkürliche Tötungen von Zivilisten, Folter, zahlreiche Vergewaltigungen, Geiselnahme und Plünderungen) durch die russischen Streitkräfte, aber auch durch die tschetschenischen Partisanen. Bestand der Verdacht, dass sich in einem Dorf Rebellen versteckt halten, fanden Säuberungsaktionen durch russische Soldaten statt. Die Männer wurden auf körperliche Spuren von Kampfhandlungen untersucht, der Ort geplündert und oftmals kam es zu Gewaltanwendungen gegenüber der Bevölkerung (vgl. Bundesamt, Russische Föderation, der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001).

Angesichts dieses trotz der weitgehenden Behinderung unabhängiger Berichterstattung durch die Behörden in vielen Einzelheiten dokumentierten Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien und der dabei erfolgenden massenhaften und massiven Verletzung asylrechtlich geschützter Rechtsgüter ist davon auszugehen, dass tschetschenische Volkszugehörige in Tschetschenien unabhängig davon, ob bei ihnen der konkrete Verdacht der Unterstützung von separatistischen Gruppierungen bestand, unmittelbar und jederzeit damit rechnen mussten, selbst Opfer der Übergriffe der russischen Armeeeinheiten zu werden, weshalb davon auszugehen ist, dass sie im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger einer gegen sie als tschetschenische Volkszugehörige gerichteten - örtlich begrenzten - Gruppenverfolgung unterlagen (ebenso OVG Bremen, Urteil vom 23. März 2005 Az.: 2 A 116/03.A; VG Kassel, Urteil vom 15.04.2003 Az.: 2 E 802/02.A unter Hinweis auf weitere erstinstanzliche Rechtsprechungen; die Frage der Vorverfolgung offen lassend Bay. VGH, Urteil vom 31.01.2005 Az.: 11 B 02.31597; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.07.2005 Az.: 11 A 2307/03.A; OVG des Saarlands, Urteil vom 23.06.2005 Az.: 2 R 17.03; anderer Auffassung insoweit auch das Vorliegen einer regionalen Gruppenverfolgung verneinend: Thüringer OVG, Urteil vom 16.12.2004 - 3 KO 1003/04 -).

Der Senat hält hierbei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Bremen (Urteil vom 23. März 2005 - 2 A 116/03.A -) auch das für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Kriterium der Verfolgungsdichte für gegeben. Er legt zugrunde, dass aufgrund der in den bezeichneten Berichten seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges geschilderten unzähligen und durchgehenden und ihrer Intensität nach asylerheblichen Vorkommnisse gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung eine derartige Verfolgungsdichte besteht, dass jeder Tschetschene und jede Tschetschenin im Alter der Kläger ein den genannten Vergleichsfällen entsprechendes Verfolgungsschicksal für sich befürchten musste (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 185.94 - NVwZ 95, 175) und es den Tschetschenen bei objektiver Betrachtung der in Tschetschenien aus den genannten Vorkommnissen herzuleitenden Gefährdungslage nicht zumutbar war, dort zu verbleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.1991 - 9 C 154.80 - NVwZ 92, 578; BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991 - 2 BvR 902/85, 518.89, BVerfGE 83, 219; OVG Bremen, Urteil vom 23.03.2005 - 2 A 116/03.A - in juris-online). Dabei hat das OVG Bremen in der bereits zitierten Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Zahl der von den asylerheblichen Eingriffen der genannten Art in Tschetschenien Betroffenen nicht exakt beziffert werden kann. Nach der geschätzten Bevölkerungsentwicklung in Tschetschenien und unter Abzug der von den Eingriffen nicht betroffenen jüngeren Kinder dürfte sie sich auf unter 400.000 Personen belaufen. Bei der Volkszählung 1998 wurden in der noch ungeteilten Republik 734.000 Tschetschenen gezählt (UNHCR, Januar 2002). Anfang 2002 lebten wegen des nur durch eine dreijährige Pause unterbrochenen jahrelangen Krieges in Tschetschenien schon aus der Zeit vor dem neuerlichen Tschetschenienkrieg ca. 600.000 der insgesamt 1.000.000 Tschetschenen nicht in Tschetschenien, sondern in anderen russischen Regionen bzw. GUS-Staaten (vgl. Auswärtiges Amt, Ad hoc-Bericht vom 07.05.2002). Die Volkszählung im Oktober 2002 ergab nach offiziellen Angaben zwar eine Zahl von über 1.000.000 in Tschetschenien, der aber nicht gefolgt werden kann, nachdem unabhängige Beobachter und Nichtregierungsorganisationen diesem Ergebnis sehr kritisch gegenüberstehen und teilweise von einer Mehrfachregistrierung von Personen ausgehen, deren Gründe in finanziellen Anreizen der Registrierung und in der Furcht vor Säuberungsaktionen bei zu geringer Zahl in Tschetschenien liegen könnten. Vorherige Schätzungen waren von einer durch Flüchtlinge, Auswanderung und Kriegsopfer erheblich gesunkenen Einwohnerzahl für Tschetschenien ausgegangen und hatten zwischen 450.000 bis 800.000 Tschetschenen in Tschetschenien geschwankt (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 27.11.2002, 16.02.2004, 13.12.2004, 30.08.2005; OVG Bremen, Urteil vom 23. März 2005, a.a.O.). Im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger musste die in Tschetschenien verbliebene Zivilbevölkerung davon ausgehen, jederzeit in die oben beschriebenen Verfolgungsmaßnahmen der russischen Sicherheitskräfte verwickelt zu werden, sodass die für die Annahme einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung geforderte Verfolgungsdichte zu bejahen ist."

Den Klägern drohte jedoch zusätzlich zu den soeben beschriebenen gruppenrelevanten Verfolgungsmaßnahmen auch aus individuellen Gründen Verfolgung. Dabei war der Kläger unmittelbar von Verhaftung bedroht, wobei in diesem Zusammenhang die unmittelbare Gefahr flüchtlingsrelevanter Übergriffe durch die russischen Sicherheitskräfte bestand, die Klägerin war unmittelbar von Übergriffen seitens der russischen Sicherheitskräfte bedroht, die anlässlich mehrerer Hausdurchsuchungen, bei denen versucht wurde, des Klägers habhaft zu werden, der Klägerin gedroht haben, sie umzubringen, falls sie nicht den Aufenthaltsort ihres Ehemannes preisgebe.

Dabei hält der Senat die Aussagen der Kläger im Gegensatz zu der Beklagten sowie im Gegensatz zu den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht für unglaubhaft.

Die Kläger sind in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals informatorisch angehört worden, hinsichtlich der Ergebnisse der Befragung wird auf den Inhalt der Verhandlungsniederschrift verwiesen.

Zwar ist dem Verwaltungsgericht beizupflichten, dass die Kläger teilweise nicht zusammenpassende Daten, insbesondere hinsichtlich ihrer Heirat, benannt haben, dies rechtfertigt jedoch nach Auffassung des Senats nicht die Annahme, ihre Aussagen seien insgesamt unglaubhaft.

Soweit das Verwaltungsgericht den Klägern bzw. dem Kläger vorhält, er habe bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, ihm persönlich sei bis zum März 2001 nichts passiert, erst zu diesem Zeitpunkt habe er sich einer Kampfgruppe angeschlossen, die aus den Bergen gekommen sei, demgegenüber habe er in der mündlichen Verhandlung erklärt, sich schon früher, wahrscheinlich bereits im November 1999, der Rebellengruppe angeschlossen zu haben, beim Bundesamt habe er das Datum wahrscheinlich nur falsch ausgesprochen, generell habe er Schwierigkeiten mit Zahlen und Daten, und dass schließlich diese Einlassung des Klägers durch ein "objektiv vorliegendes Beweismittel" widerlegt sei (S. 9 Urteilsabdruck), kann der Senat dem nicht folgen.

Bereits die von dem Verwaltungsgericht zum Beweis eines widersprüchlichen klägerischen Vortrags herangezogene Aussage während der Anhörung des Klägers vor dem Bundesamt hat so, wie von dem Verwaltungsgericht verwertet, nicht stattgefunden. Zwar ist zutreffend, dass der Kläger ausweislich des Anhörungsprotokolls zunächst angegeben hat, er habe sich im März 2001 einer Kampfgruppe, die aus den Bergen gekommen sei, angeschlossen, diese Aussage hat er im Rahmen der Rückübersetzung jedoch selbst sogleich korrigiert und ausgeführt, es sei im März 2000 und nicht im März 2001 gewesen, als er sich der Gruppe aus den Bergen angeschlossen habe (Bl. 45 BA). Weiter hat der Kläger in seiner Anhörung angegeben, nach Ausbruch des 2. Tschetschenienkrieges gemeinsam mit anderen aus seiner Familie, dem Dorf und den Nachbardörfern gegen die Russen gekämpft zu haben, dies sei Ende Dezember 1999, Anfang Januar 2000 gewesen. Insoweit ist der Vorhalt des Verwaltungsgerichts, seine Angaben seien von der zeitlichen Abfolge her widersprüchlich, nicht gerechtfertigt.

Gerechtfertigt ist allerdings zunächst der Vorhalt des Verwaltungsgerichts, die Daten hinsichtlich der angeblich stattgefundenen Eheschließung seien in sich widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Dem Verwaltungsgericht kann aber nicht darin gefolgt werden, dass es sich bei der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung überreichten Kopie einer vorgeblichen Heiratsurkunde um ein "objektiv vorliegendes Beweismittel" handelt, das ihre Aussagen im Übrigen als unglaubhaft erscheinen lässt. Ausweislich der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht angefertigten Übersetzung der auf Bl. 169 GA befindlichen Kopie haben die Kläger am 14. Dezember 2000 in Argun standesamtlich geheiratet, einem Datum, das bis zu diesem Zeitpunkt von keinem der Kläger genannt worden war. Während der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt angegeben hatte, seine Frau 1999 religiös geheiratet zu haben und noch nicht standesamtlich verheiratet zu sein, gab die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung an, den Kläger am 21. Juni 1999 in Argun standesamtlich und in Mesker-Jurt religiös geheiratet zu haben. Auf entsprechenden Vorhalt des Bundesamtes führte sie aus, sie hätten sich in Argun eintragen lassen und dies sei noch von der Russischen Föderation gemacht worden. Erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht überreichten sie sodann die vorgebliche Kopie ihrer Heiratsurkunde (Bl. 169 GA), nach der sie am 14. Dezember 2000 in Argun standesamtlich geheiratet haben wollen. Auf entsprechende Nachfrage gab die Klägerin hierzu an, die Eheschließung nach muslimischem Recht habe im Jahr 1999 stattgefunden, sie habe damals im Haus ihres Ehemannes gelebt. Ihr Schwiegervater habe später den Antrag beim Standesbeamten gestellt und erklärt, dass sie verheiratet seien. Diese Erklärung ihres Schwiegervaters habe ausgereicht, sie hätten nicht vor dem Standesbeamten erscheinen müssen. Zwar ist mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass eine standesamtliche Heirat mit Erscheinen beider Eheleute dort im Dezember 2000 tatsächlich dagegen spräche, dass nach dem Kläger in seinem Heimatland gesucht wurde. Allerdings beweist die in Kopie eingereichte angebliche Heiratsurkunde ebenso viel oder wenig wie die weiteren von dem Kläger eingereichten Schriftstücke, wie etwa sein auf Bl. 96 GA befindlicher Ausweis der Tschetschenischen Republik Ischkeria, der ihn als Leibwächter des Administrationsvorsitzenden in Mesker-Jurt ausweist. Sämtliche eingereichte Unterlagen können dabei nur im Zusammenhang mit dem sonstigen Vortrag der Kläger einer Bewertung und Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen werden. Hinsichtlich ihrer Eheschließung haben die Kläger bei alledem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Existenz der angeblichen Heiratsurkunde vom Dezember 2000 plausibel erklären können, indem sie erklärt haben, der Vater des Klägers und Schwiegervater der Klägerin habe sich beim Standesamt in Argun eine Heiratsurkunde von ihnen "besorgt", da er die Anwesenheit der Klägerin bei Hausdurchsuchungen bzw. Nachforschungen habe erklären müssen, dies jedoch aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin dort nicht gemeldet gewesen sei, nicht ohne weiteres habe tun können. Die Vorlage einer Urkunde, aus der sich ergebe, dass die Kläger verheiratet seien, sei dabei hilfreich gewesen. Die Urkunde habe der Vater bzw. Schwiegervater als Hausherr bzw. Familienoberhaupt einbehalten, da bei Nachforschungen durch die russischen Sicherheitskräfte zunächst er über die in dem Haus anwesenden Personen befragt worden sei. Der Vortrag der Kläger, sie hätten ohne selbst bei dem Standesamt erscheinen zu müssen, eine derartige Urkunde über den Vater bzw. Schwiegervater erhalten, erscheint dem Senat dabei nach deren Vortrag plausibel, insbesondere da dem Senat auch bekannt ist, dass es in der Russischen Föderation problemlos möglich ist, Personenstandsurkunden zu kaufen, wie z. B. Staatsangehörigkeitsausweise, Geburts- und Heiratsurkunden, Vorladungen, Haftbefehle und Gerichtsurteile (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Förderation, 13.01.2008). Dabei ist nicht entscheidend, ob die Kläger tatsächlich standesamtlich geheiratet haben oder nicht - nach Auswertung ihrer Aussagen spricht überwiegend viel dafür, dass dies zwar religiös, nicht aber standesamtlich geschehen ist -, da die Vorlage der vorgeblichen Heiratsurkunde vom 14. Dezember 2000 ihren Vortrag nicht unglaubhaft bzw. sie selbst nicht unglaubwürdig macht.

Für den Senat stellt sich auch der weitere Vortrag des Klägers hinsichtlich seiner Tätigkeit für die Rebellen nach Dezember 2000 durchaus als nachvollziehbar dar, wobei der von dem Kläger geschilderte Sachverhalt den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen entspricht. Nach seinem Vortrag hat er nach Ende des ersten Tschetschenienkrieges bei seinem Onkel, der unter Maschadow "Gouverneur" in ihrem Dorf gewesen ist, gearbeitet - er habe ihn als Personenschützer begleitet - und sich nach Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges einer Gruppe angeschlossen, die gegen die Russen gekämpft hat. Sie seien zunächst in Argun tätig gewesen, dies sei, nachdem die Russen Grozny besetzt hätten, etwa Ende Dezember 1999/Anfang Januar 2000 gewesen. Einige von ihnen seien in die Berge gegangen, er sei jedoch zunächst zu Hause geblieben und habe sich dann ab März 2000 der Kampfgruppe, die aus den Bergen gekommen sei, angeschlossen, wobei sie zwischen Grozny, Schali und Baku Rostow fern zündende Minen verlegt und bei Truppenbewegungen gezündet hätten. Dabei ist die von dem Kläger beschriebene Abfolge der Ereignisse gemessen an den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln nicht, wie das Verwaltungsgericht meint, unglaubhaft, sondern entspricht der allgemeinen Auskunftslage. Dem Verwaltungsgericht kann dabei insbesondere nicht darin gefolgt werden, aufgrund der Tatsache, dass bis zum Frühjahr 2000 fast das gesamte Territorium und alle größeren Städte Tschetscheniens unter Kontrolle der Föderalen Russischen Streitkräfte gestanden hätten, könne ihm nicht geglaubt werden, sich nach Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges noch Ende 2000 und bis zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Juni 2001 in der Umgebung von Argun aufgehalten und dort gekämpft zu haben.

Aus den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen, die auch dem Verwaltungsgericht vorgelegen haben dürften, ergibt sich, dass sich die kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien insbesondere auch in den Jahren 2000 und 2001 gerade durch Guerillaaktionen der tschetschenischen Kämpfer gegen die dort stationierten russischen Sicherheitskräfte und das Zurückschlagen dieser ausgezeichnet haben, wobei die Zivilbevölkerung stark in Mitleidenschaft gezogen worden ist. So führt das Bundesamt in seiner Informationsschrift "Der Tschetschenienkonflikt, Erkenntnisse des Länderseminars vom Januar 2001" aus, die Zahl der Rebellen werde auf insgesamt 5000 bis 6000 geschätzt, meist handele es sich um keine "Berufskämpfer". Sie hätten oftmals Aufenthaltsberechtigungen für Grozny, wo sie tagsüber ihren Geschäften nachgingen und nachts kämpften (Bundesamt, Russische Föderation, Der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 24. April 2001 ist der massive großflächige Kriegseinsatz durch einen nach wie vor mit großer Härte geführten Partisanenkrieg abgelöst worden, der vor allem die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft ziehe. Die tschetschenische Seite führe weiterhin landesweit - in Einzelfällen auch in Nachbarregionen - Feuerüberfälle sowie Minen- und Bombenattentate gegen föderale Einrichtungen und mit ihnen kooperierende Tschetschenen durch. Den föderalen Sicherheitskräften gelinge es bisher nicht, die Kontrolle über Tschetschenien herzustellen. Sie reagierten auf tatsächliche oder vermutete Bedrohungen und Angriffe mit zum Teil massivem Gewalteinsatz, darüber hinaus rissen Berichte über Ausschreitungen, "Verschwindenlassen" von Zivilisten und Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung bei sogenannten "Säuberungen" oder an Straßensperren nicht ab. Ein Ende der Gewalt von beiden Seiten sei bisher nicht absehbar (Auswärtiges Amt, ad hoc Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation <Tschetschenien> 24.04.2001). In den von russischen Truppen kontrollierten Gebieten Tschetscheniens sei die Sicherheit der Zivilbevölkerung wegen immer wieder neu aufflammender Kampfhandlungen, Guerillaaktivitäten, Geiselnahmen, Plünderungen und Übergriffen (auch durch russische Soldaten) nicht gewährleistet. In den von den tschetschenischen Rebellen und Feldkommandeuren kontrollierten Gebieten gebe es keine einheitliche Staatsgewalt, die Zivilbevölkerung sei der Willkür eines ungeordneten, an die Scharia angelehnten Rechtssystems und Übergriffen krimineller Banden ausgesetzt (Auswärtiges Amt, ad hoc Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation <Tschetschenien> 24.04.2001). Diese Aussagen entsprechen den Aussagen des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 28. August 2001, so dass davon auszugehen ist, dass in der Zeit bis zur Ausreise der Kläger keine relevanten Veränderungen der Sicherheitslage sowie der Aktivitäten der Guerillas zu verzeichnen waren.

Hierbei kann dahinstehen, ob der von dem Kläger zu den Gerichtsakten gereichte Ausweis der Republik Ischkeria echt ist oder nicht, dies konnte auch von dem Auswärtigen Amt in seiner Stellungnahme vom 15. Juni 2004 (Bl. 104 GA) weder bestätigt noch verneint werden. Nach dieser Auskunft ist der vorgelegte Dienstausweis aus offizieller russischer Sicht von illegalen Vertretern der separatistischen Regierung Maschadow ausgestellt worden, wobei derartige Dokumente, die zudem relativ leicht zu beschaffen seien, höchstens begrenzten offiziellen Charakter hätten. Allein aus der Vorlage des Ausweises kann mithin weder geschlussfolgert werden, seine Behauptung, während des Bestandes der Tschetschenischen Republik Ischkeria für seinen Onkel in Mesker-Jurt als Leibwächter gearbeitet zu haben, sei zutreffend, noch dass dies nicht der Fall ist. Allerdings sprechen die Tatsache, dass die Kläger gemeinsam mit den Klägern des Verfahrens 3 UE 411/06.A in das Bundesgebiet eingereist sind und ihre direkten familiären Beziehungen zu dem mittlerweile in Berlin lebenden Onkel des Klägers, der unter Maschadow in Argun eine herausgehobene Stellung inne gehabt haben soll, sowie die detailreichen Schilderungen des Klägers über seine Tätigkeiten vor und während des 2. Tschetschenienkrieges dafür, dass er vor Ausbruch des 2. Tschetschenienkrieges in diesem Umfeld Arbeit und Brot gefunden hat und nach Ausbruch des Krieges auf Seiten der Rebellen gekämpft hat. Dafür spricht auch die Aussage der Klägerin, nach der ihr Haus im Jahr 2000 dreimal durchsucht worden sei und im Jahr 2001 einmal und jeweils nach dem Kläger gefragt worden sei, wobei die Klägerin ausgeführt hat, ihr sei gedroht worden, umgebracht zu werden, wenn sie den Aufenthaltsort des Klägers nicht preisgebe.

Auch nach Auswertung der Aussagen der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergibt sich kein anderes Bild hinsichtlich ihrer Glaubhaftigkeit. Beide haben detailreich und ohne dass der Eindruck entstand, sie hätten sich in ihren Aussagen abgesprochen und diese gleichsam auswendig gelernt, über ihre Erlebnisse in ihrem Heimatland berichtet. So hat der Kläger nachvollziehbar geschildert, dass er als junger Mann seinen mittlerweile in Berlin lebenden Onkel, der quasi als "Gouverneur" unter Maschadow in ihrem Dorf tätig war, bewundert und sich zur Unterstützung in dessen Umfeld aufgehalten habe. Er selbst habe dann den Personenschutz für ihn übernommen und, als er alt genug gewesen sei, bei Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges selbstverständlich auf Seite der Tschetschenen gekämpft. Auch hinsichtlich seiner Befürchtung, bei diesen Tätigkeiten durch die russischen Sicherheitskräfte erkannt worden zu sein, hat er plausibel erläutert, einer seiner Mitkämpfer namens Sultan sei zu den russischen Sicherheitskräften übergelaufen und nunmehr die zweite Hand von Kadyrow in Argun. Auch die Kampfhandlungen und Ereignisse anlässlich des Todes seines Cousins hat er detailreich geschildert. Insbesondere hat er die unterschiedlichen Zahlen der vor dem Krankenhaus in Argun anwesenden Kämpfer dem Senat plausibel dahingehend erläutern können, dass sie jederzeit in der Lage gewesen wären über Funk bis zu 300 in der Umgebung anwesende Kämpfer herbeirufen zu können, tatsächlich aber mit wesentlich weniger Kämpfern im Krankenhaus gewesen sind. Im Übrigen kann auf den Inhalt der Verhandlungsniederschrift verwiesen werden. Gleiches hat für die Klägerin zu gelten, die mit sichtlicher innerer Betroffenheit von den Erlebnissen in ihrem Heimatland berichtet hat. Auch insoweit wird auf den Inhalt der Verhandlungsniederschrift verwiesen.

Glaubt der Senat mithin den Klägern, dass der Kläger unter Maschadow und nach Ausbruch des 2. Tschetschenienkrieges als Tschetschenienkämpfer tätig war und die Klägerin mehrfach anlässlich von Hausdurchsuchungen, bei denen nach dem Kläger gesucht wurde, von den russischen Sicherheitskräften bedroht worden ist, drohte dem Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise unmittelbar Verhaftung und in diesem Zusammenhang menschenrechtswidrige Behandlung durch die russischen Sicherheitskräfte, da mit vermeintlichen oder tatsächlichen Mitgliedern der Rebellen bzw. der Regierung Maschadows im Zweifelsfall kurzer Prozess gemacht wurde. Der Klägerin drohte demgegenüber menschenrechtswidrige Behandlung, zumal sie schon mehrfach von den russischen Sicherheitskräften anlässlich der Hausdurchsuchungen bedroht worden war.

Dabei sind die den Klägern unmittelbar drohenden Maßnahmen auch nicht durch legitime Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen auf Seiten des russischen Staates gerechtfertigt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Bundesverfassungsgerichts ist eine Verfolgung dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Geht es dabei um Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit, so stellt generell jede derartige, nicht ganz unerhebliche Maßnahme staatlicher Stellen, die an asylerhebliche Merkmale, insbesondere die politische Überzeugung oder Betätigung eines Betroffenen anknüpft, politische Verfolgung dar, ohne dass es noch auf eine besondere Intensität oder Schwere des Eingriffs ankommt (BVerfG, Beschluss vom 15.02.2000, 2 BvR 752/97, in juris-online; BVerwG, Urteil vom 25.07.2000, 9 C 28/99, in juris-online). Auch Maßnahmen der staatlichen Selbstverteidigung können asylrechtsbegründend sein. Da die betätigte politische Überzeugung im Schutzbereich des Asylgrundrechts liegt, kann eine staatliche Verfolgung von Taten, die aus sich heraus eine Umsetzung politischer Überzeugung darstellen, grundsätzlich politische Verfolgung sein. Es bedarf einer besonderen Begründung, um sie gleichwohl aus dem Bereich politischer Verfolgung herausfallen zu lassen. Hierfür kommt der Rechtsgüterschutz in Betracht, sofern die staatlichen Maßnahmen einer in den Taten zum Ausdruck gelangenden, über die Betätigung der politischen Überzeugung hinaus gehenden zusätzlichen kriminellen Komponente gelten. Auch eine danach nicht asylerhebliche Strafverfolgung kann freilich in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Behandlung erleidet. Auch unmenschliche Behandlung, insbesondere Folter, kann sich dann als asylrelevante Verfolgung darstellen, wenn sie wegen asylrelevanter Merkmale oder im Blick auf diese in verschärfter Form eingesetzt wird (BVerfG, Beschluss vom 15.02.2000, 2 BvR 752/97, juris-online). Insoweit hat nichts anderes für die Frage flüchtlingsrechtsbegründender Maßnahmen im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu gelten.

Auch unter Anlegung dieser Kriterien stellt die drohende Behandlung des Klägers anlässlich einer Verhaftung bzw. der Klägerin anlässlich weiterer Sicherheitskontrollen, bei denen nach ihrem Ehemann gefragt worden wäre, politische Verfolgung in dem oben beschriebenen Sinne dar. Zwar konnte und kann den russischen Sicherheitskräften nicht die Berechtigung zu auch flächendeckenden Fahndungsmaßnahmen nach den in Tschetschenien tätigen Terroristen, die Tschetschenien von der Russischen Föderation abspalten und dort einen islamischen Staat ausrufen wollten, abgesprochen werden. Die unter dem Vorbehalt der Terrorismusabwehr durchgeführten Maßnahmen der russischen Sicherheitskräfte stellten sich jedoch zu einem sehr hohen Anteil als flüchtlingsbegründende Maßnahmen dar, da sie wahllos die dort lebenden Kaukasier ins Visier nahmen, und es anlässlich der - grundsätzlich gerechtfertigten - Sicherheitskontrollen in ganz erheblichen Umfang zu menschenrechtswidrigen Behandlungen, oft einhergehend mit massiven körperlichen Übergriffen, gekommen ist, die eindeutig über das hinausgingen, was einem Staat als legitime Selbstverteidigungsmaßnahme gegen separatistische Bestrebungen zugebilligt werden kann.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nach den bereits oben ausgewerteten Auskünften zur Sicherheitslage in Tschetschenien im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger in großer Zahl zu menschenrechtswidrigen Übergriffen auf vermeintliche oder tatsächliche Terroristen oder auch Zivilisten gekommen ist, die von Seiten der russischen Verantwortlichen weder gesühnt noch sonst irgendwie geahndet wurden. Vielmehr gehörte es offensichtlich zu der Einschüchterungspolitik der russischen Sicherheitskräfte, dem russischen Militär bzw. den vor Ort tätigen Sicherheitskräften freie Hand zu lassen und Übergriffe gegenüber der Zivilbevölkerung aber gerade und besonders auch gegenüber unter Terrorismusverdacht festgenommenen Personen letztendlich durch die völlige Straflosigkeit der jeweiligen Täter zu befördern, wenn nicht gar als gezieltes Mittel zur Einschüchterung zu benutzen (vgl. amnesty international, Länder und Asyl, 08.10.2001; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 28.08.2001; Bundesamt, Informationszentrum Asyl, Russische Föderation, Tschetschenien-Konflikt, Januar 2001).

Bei den danach vorverfolgt ausgereisten Klägern entfällt nach den oben gemachten Ausführungen im Zeitpunkt ihrer Ausreise die - zusätzliche - Prüfung des Vorliegens einer internen Schutzmöglichkeit, da für Artikel 4 Abs. 4 QRL allein ausschlaggebend die unmittelbar drohende bzw. eingetretene Verfolgung - und sei es nur in einem Teil des Heimatlandes - ist, die im Fall der Kläger sowohl aus gruppengerichteten als auch aus individuellen Gründen zu bejahen ist.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Kläger im Zeitpunkt der maßgeblichen Entscheidung einer gedachten Rückkehr (§ 77 AsylVfG, Art. 8 Abs. 3 QRL) weder in ihre Heimatregion Tschetschenien zurückkehren können, da gemäß Art. 4 Abs. 4 QRL keine stichhaltigen Gründe dagegen sprechen, dass sie nicht erneut von Verfolgung oder einem Schaden bedroht sein werden (vgl. zur allgemeinen Sicherheitslage in Tschetschenien heute sowie zu den Rückkehrmöglichkeiten ethnischer Tschetschenen aus Tschetschenien in ihr Heimatland, soweit sie ohne Bezug zu den Rebellen sind, rechtskräftiges Urteil des Senats vom 21.02.2008, 3 UE 191/07.A) und ihnen nach den Maßstäben des Art. 8 QRL auch keine Möglichkeit internen Schutzes in anderen Regionen der Russischen Föderation zur Verfügung steht.

Zwar mag für tschetschenische Volkszugehörige, die in Tschetschenien geboren worden sind und dort bis zu ihrer Ausreise gelebt haben, die jedoch nicht in das Fadenkreuz der russischen Sicherheitskräfte geraten sind, eine Rückkehr nach Tschetschenien möglich sein, wie der Senat in seiner Grundsatzentscheidung vom 21. Februar 2008 (3 UE 191/07.A) ausgeführt hat. Dies hat jedoch nicht für die Kläger zu gelten.

Bei dem Kläger ist davon auszugehen, dass sowohl seine Tätigkeit in der Verwaltung unter der Regierung Maschadow als auch seine Tätigkeit als Tschetschenienkämpfer den russischen Sicherheitskräften bekannt geworden ist und er daher als "Terrorist" in seinem Heimatland gesucht wird, so dass ihm bei Rückkehr in sein Heimatland flüchtlingsrelevante Übergriffe drohen. Hinsichtlich der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie bei Rückkehr nach Tschetschenien oder andere Gebiete der Russischen Föderation als Familienangehörige eines Tschetschenienkämpfers mit entsprechenden Maßnahmen zu rechnen hat. Dabei ist davon auszugehen, dass der Föderale Sicherheitsdienst (FSB) Listen der Tschetschenienkämpfer führt (vgl. VGH München, Urteil vom 24.10.2007, 11 B 03.30710, in juris-online unter Verweis auf Auswärtiges Amt an VG Braunschweig vom 18.02.2003) und eine Rückkehr in ein normales Leben nur für Personen möglich ist, die nicht aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen haben (Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007), und mögliche Tschetschenienkämpfer von den russischen Strafverfolgungsbehörden gesucht, befragt und ggf. verurteilt werden (vgl. VGH München, Urteil vom 24.10.2007, 11 B 03.30710, in juris-online). Kann unter Berücksichtigung dieser Sachlage nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger nach wie vor als "Terrorist" von den russischen Sicherheitskräften erfasst ist und von diesen gesucht wird, kann nicht im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL davon ausgegangen werden, dass stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass die Kläger erneut von Verfolgung bedroht sein werden. Auch unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie hat bei nicht nur aus gruppenbezogenen Gründen, sondern darüber hinaus individuellen Gründen vorverfolgten Flüchtlingen der höchste Prognosemaßstab zu gelten, den die Qualifikationsrichtlinie in der in Art. 4 Abs. 4 QRL enthaltenen Rückausnahme zum Ausdruck bringt und der zudem bei Anwendung der in Art. 8 Abs. 1 QRL enthaltenen Zumutbarkeitsschranke, ob nämlich von dem Flüchtling vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am Ort des internen Schutzes niederlässt, zu berücksichtigen ist.

Dabei ist nach der gesetzlichen Wertung im Regelfall davon auszugehen, dass bei einem vorverfolgt ausgereisten Flüchtling seine Furcht vor Verfolgung begründet ist und nur bei Vorliegen besonderer stichhaltiger Gründe dieser Regelfall durchbrochen werden kann, wobei das Regel- Ausnahmeverhältnis desto restriktiver zu Gunsten des Flüchtlings zum Tragen kommen muss, je mehr er nicht "nur" vor gruppengerichteten Verfolgungsmaßnahmen, sondern zudem vor individueller Verfolgung geflohen ist. Auch das Auswärtige Amt, das grundsätzlich eine Rückkehr von Tschetschenen nach Tschetschenien für möglich hält, geht davon aus, dass die Rückkehr in ein normales Leben nur für Personen möglich ist, die nicht aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen haben (Auswärtiges Amt, 06.08.2007 an Hess. VGH in 3 UE 191/07.A). Der Gutachter Prof. Dr. Luchterhandt führt aus, es sei nicht nur wahrscheinlich, sondern selbstverständlich, dass bekannte oder gar prominente Funktionäre oder Parteigänger Präsident Maschadows und der "Tschetschenischen Republik Ickeria" im Falle einer Rückkehr aus der Diaspora nach Russland und speziell nach Tschetschenien nicht nur routinemäßig behandelt, sondern angefangen bei den Einreiseformalitäten von dem in solchen Fällen zuständigkeitshalber eingeschalteten FSB, also von dem Inlandsgeheimdienst, einer sorgfältigen Überprüfung und Kontrolle unterzogen würden (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt, 08.08.2007 an Hess. VGH in 3 UE 191/07.A). Bei vermuteter oder unterstellter Tätigkeit für die tschetschenische Republik noch im zweiten Tschetschenienkrieg werde die betreffende Person von den Strafverfolgungsbehörden Russlands mehr noch als der "normale" Tschetschene ohne Rebellenbezug als "Terrorist" eingestuft. Dies ergebe sich auch und gerade daraus, dass der zweite Tschetschenienkrieg von offizieller russischer Seite von Anfang an als eine quasi polizeiliche Terrorbekämpfungsmaßnahme hingestellt und gerechtfertigt worden sei. Es sei nicht der Ausnahmezustand verhängt, was wegen des Einsatzes der Streitkräfte verfassungsrechtlich geboten gewesen wäre, stattdessen sei das Gesetz über die Terrorbekämpfung vom 25.07.1998 angewandt worden (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH, 09.05.07 in 3 UE 455/06.A). Als besonders rückkehrgefährdet sieht dabei der UNHCR in Übereinstimmung mit Menschenrechtsorganisationen insbesondere Flüchtlinge und Asylsuchende an, die als frühere Mitglieder illegaler bewaffneter Formationen und deren Angehörige gelten, Personen, die offizielle Positionen (inkl. sehr niedriger Positionen) im Regime Maschadows innehatten, Personen die offensichtlich von den Positionen der gegenwärtigen Regierung abweichende politische Ansichten haben, sowie Personen, die möglicherweise für ihre vor der Flucht erfolgte, nichtmilitärische Unterstützung der Rebellentruppen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnten. Eine Amnestie, die von der Staatsduma der Russischen Föderation im September 2006 beschlossen worden sei, sei für einige Personen in den oben genannten Kategorien anwendbar gewesen, die Amnestiefrist sei jedoch im Januar 2007 abgelaufen und daher für zukünftig zurückkehrende Personen nicht anwendbar (UNHCR an Hess. VGH, 08.10.2007 in u. a. 3 UE 191/07.A).

Ist mithin davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit bei dem Sicherheitsdienst Maschadows sowie bei den tschetschenischen Rebellen als terrorverdächtige Person zu den besonders gefährdeten Rückkehrergruppen gehört, kann nicht mit der gemäß Art. 4 Abs. 4 QRL erforderlichen Sicherheit angenommen werden, dass er bei Rückkehr in sein Heimatland, unabhängig davon, ob er sich nach Tschetschenien oder in eine andere Region der Russischen Föderation begibt, dort nicht wieder erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht sein wird. Gleiches hat für die Klägerin als direkte Angehörige eines unter Terrorismusverdacht stehenden Flüchtlings zu gelten.

Bei Festsetzung durch den FSB als Terrorismusverdächtiger kann nämlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass es dort nicht wieder zu Übergriffen der Sicherheitsbehörden kommt, im Fall einer Rückkehr nach Tschetschenien und Bekanntwerden der unterstellten Tätigkeit des Klägers für die tschetschenischen Rebellen muss sogar davon ausgegangen werden, dass er dort mit Verfolgungsmaßnahmen durch die Kadyrow-Truppen zu rechnen hat. Der Senat hat dabei zur allgemeinen Sicherheitslage für rückkehrende Tschetschenen in seiner Entscheidung vom 21. Februar 2008 - 3 UE 191/07.A - im Wesentlichen ausgeführt:

"Vor diesem Hintergrund einer sowohl in autoritären als auch willkürlichen Machtstrukturen gefangenen Gesellschaft wird die Sicherheitslage insbesondere zurückkehrender Tschetschenen von den im Rahmen der Beweisaufnahme beauftragten sachverständigen Stellen nicht einheitlich bewertet:

Während das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme an den Senat vom 6. August 2007 (AA an Hess. VGH vom 06.08.2007, Bl. 517 ff. GA) in deutlicher Abweichung zu den noch in seinem Lagebericht vom 17. März 2007 gemachten Äußerungen(vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation <einschließlich Tschetschenien> vom 17.03.2007, dort S. 22 unten) zu dem Ergebnis kommt, dass sich die allgemeine Sicherheitslage in der tschetschenischen Republik im Wesentlichen normalisiert und die Zahl illegaler Verhaftungen und Entführungen von Personen stark abgenommen habe sowie sogenannte "Säuberungen" schon seit mehreren Monaten nicht mehr durchgeführt worden seien, kann nach amnesty international von einer Normalisierung der Situation in Tschetschenien nach wie vor keine Rede sein, es komme im geringen Umfang weiterhin zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen russischen und tschetschenischen Sicherheitskräften auf der einen und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite (vgl. ai an Hess. VGH vom 27.04.2007, Bl. 376 ff. GA). Auch nach Auskunft der Heinrich-Böll-Stiftung droht Rückkehrern eine erhöhte Gefahr, da sie im Verdacht stünden, vor ihrer Ausreise bei den Rebellen gewesen zu sein. Sie würden oft Opfer von Erpressungen, von offiziellen tschetschenischen Stellen würden sie beschuldigt, bei den Rebellen gewesen zu sein, wobei ihnen angeboten werde, diese Beschuldigungen gegen auch wiederholte oder regelmäßige Geldzahlungen fallen zu lassen (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung an Hess. VGH vom 20.04.2007, Bl. 370 ff. GA). Gleichlautend kommt Frau Svetlana Gannuschkina, Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation "Memorial", in ihrer Auskunft vom 17. Mai 2007 zu dem Ergebnis, dass Rückkehrer nach Tschetschenien besonders gefährdet seien, da man sie verdächtige, bei den Aufständigen gewesen zu sein, außerdem würden sie Opfer von Erpressungsversuchen, da man davon ausgehe, dass sie über Geld verfügten. Jeder, der nach Tschetschenien reise, begebe sich in Lebensgefahr, wobei rückkehrgefährdet insbesondere junge Männer seien, die man verdächtige, sich bewaffneten Banden angeschlossen zu haben. Wer auch nur zur Passbeantragung nach Tschetschenien zurückkehre, könne sich den Terrorismusvorwurf einhandeln, wer altersbedingt noch keinen Pass habe oder wer seinen sowjetischen Pass verloren habe, könne auf keinen Fall nach Tschetschenien reisen; bei jedem Versuch, einen der Checkpoints zu passieren, werde er unweigerlich festgenommen. In der tschetschenischen Republik gebe es nicht einmal ein Mindestmaß an Sicherheit, Menschen würden auch weiterhin unter fabrizierten Vorwürfen angeklagt und verurteilt, Folter sei ein übliches Mittel, um Geständnisse und Beschuldigungen zu erzwingen (vgl. Memorial an Hess. VGH vom 17.05.2007, Bl. 453 GA sowie der Vortrag von Frau Gannuschkina vom 25.11.2006, Bl. 469 ff. GA). Diese Ausführungen von Frau Gannuschkina werden jedoch durch den aktuellsten Bericht von "Memorial" aus dem Oktober 2007 relativiert. Dort ist beschrieben, dass sich in dem Berichtszeitraum von August 2006 bis Oktober 2007 für die Menschen der Republik bedeutsame Veränderungen ergeben haben. So hätten die Entführungen und Morde bis Ende 2006 schrittweise abgenommen, seit Januar 2007 hätten die Entführungen sogar stark abgenommen. Dabei vermute man, dass Ramsan Kadyrow den Chefs der ihm unterstehenden Strukturen klar gesagt habe, dass Entführungen nicht mehr geduldet würden. Besorgniserregend bleibe jedoch, dass Strafprozesse mit fabrizierten Anschuldigungen geführt würden, wobei zentraler Bestandteil der Beweislage Geständnisse seien, wie sie aus der Stalinzeit als "Königin der Beweise" bekannt seien. Allerdings bleibt "Memorial" bei seiner Einschätzung, dass besonders gefährdet Rückkehrer aus dem Ausland seien, da man bei ihnen viel Geld vermute (vgl. Oktober 2007, Memorial, Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation, August 2006 - Oktober 2007).

Demgegenüber vertreten die sachverständigen Stellen UNHCR sowie Prof. Dr. Luchterhandt, Universität Hamburg, eine differenziertere Position.

Nach Auskunft von UNHCR hat sich die Sicherheitslage in Tschetschenien graduell verbessert, unrechtmäßige Handlungen und Gewaltakte stellten jedoch weiterhin eine Bedrohung für die ortsansässige Bevölkerung dar. Von lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen würden insbesondere die Straffreiheit bei Menschenrechtsverletzungen und das Versagen der Behörden bei der Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen beklagt, außerdem die Anwendung von Folter und unrechtmäßiger Inhaftierung sowie die Nichtbeachtung des Prinzips der Rechtmäßigkeit durch die Exekutivorgane sowie die fehlende Unabhängigkeit der Rechtsprechungsorgane. Auch wenn sie im Vergleich zu den früheren Jahren stark abgenommen haben, seien weiterhin Entführungen und das "Verschwindenlassen" von Personen zu verzeichnen (vgl. UNHCR an Hess. VGH, 08.10.07, Bl. 565 ff. GA). Nach den von Memorial gesammelten Daten seien im Jahr 2006 195 Personen in Tschetschenien entführt worden, 98 von ihnen seien nach Zahlung eines Lösegeldes freigelassen, 15 Personen seien getötet worden. 15 Fälle würden derzeit noch untersucht, während der Verbleib von 69 Personen weiterhin ungeklärt sei. Für die ersten 7 Monate des Jahres 2007 sei über die Entführung von 24 Personen berichtet worden, 15 Personen seien freigelassen oder freigekauft worden und eine Person sei tot aufgefunden worden. 6 Fälle würden derzeit noch untersucht, während der Verbleib von 2 Personen weiterhin ungeklärt sei. Die Zahlen, die von den Behörden für die genannten Zeiträume angegeben worden seien, seien wesentlich geringer (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). Für Rückkehrer lägen dem UNHCR keine umfassenden Untersuchungen vor, es lägen allerdings Berichte vor, wonach der föderale Sicherheitsgeheimdienst (FSB) Rückkehrer aus dem Ausland unter Beobachtung stelle und diese zu Befragungen einbestelle. UNHCR sei bekannt, dass Rückkehrer aus Georgien zu den FSB-Büros gebracht und dort befragt würden. Es lägen jedoch keine Berichte darüber vor, dass Rückkehrer neben der Befragung zusätzlichen Problemen ausgesetzt waren und seien. Vielmehr scheine es so, dass die Probleme, denen Rückkehrer möglicherweise ausgesetzt seien, eher davon abhingen, ob sie eine "saubere" Akte hätten oder nicht, als von der Tatsache, dass sie für einige Jahre in einem GUS-Staat gelebt hätten (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). Junge männliche Rückkehrer, die dem Rekrutierungsalter nahe seien, könnten allerdings von den Behörden als potentielle Gefahr für die Regierung angesehen werden, wenn sie Rebellenkämpfer unter ihren Familienangehörigen (im weiten Sinne) hätten bzw. gehabt hätten. Alleinstehende Frauen ohne männlichen Schutz oder Schutz durch ihre Familie seien potentiell stärker gefährdet, geschlechtsspezifischer Gewalt durch die Gemeinschaft oder im häuslichen Bereich ausgesetzt zu sein. Dies gelte besonders für nichttschetschenische Frauen, da Tschetscheninnen möglicherweise bis zu einem gewissen Grad von ihrer "Großfamilie" Schutz erhielten, auch wenn sie keine direkten männlichen Familienangehörigen - mehr - haben (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). Als besonders rückkehrgefährdet seien (frühere) Mitglieder illegaler, bewaffneter Formationen und deren Angehörige einzuschätzen sowie Personen, die offizielle Positionen (inkl. sehr niedriger Positionen) im Regime Maschadow inne gehabt hätten, Personen, die offensichtlich von den Positionen der gegenwärtigen Regierung abweichende politische Ansichten hätten sowie Personen, die möglicherweise für ihre vor der Flucht erfolgte, nichtmilitärische Unterstützung der Rebellentruppen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnten (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.).

Auch Prof. Dr. Luchterhandt kommt zu dem Ergebnis, dass die heutige Lage im Vergleich zu den Verhältnissen, die bis etwa 2005 auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, also zunächst nach 1999 unter der direkten Herrschaft der föderalen Sicherheits- bzw. Streitkräfte, dann ab etwa 2004 unter dem immer mächtiger hervortretenden Ramsan Kadyrow in Tschetschenien geherrscht haben, heute, wenige Monate nach der Erhebung Ramsan Kadyrows zum Präsidenten der Republik (02.03.2007) - bei allen Vorbehalten - eine deutlich andere, d.h. bessere sei. Nach übereinstimmender Einschätzung aller Beobachter Tschetscheniens unter Einschluss auch der Menschenrechtsorganisationen seien die Fälle von Mord, Folterungen, Misshandlungen, Menschenraub und Freiheitsberaubung signifikant zurückgegangen. Halte dieser Zustand an, werde man bald von einer auch qualitativ neuen Lage der inneren Verhältnisse Tschetscheniens sprechen könnten (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, a.a.O.). Diese graduelle Verbesserung lasse sich auch an den von Memorial zusammengestellten Zahlen ablesen, nach denen sich die Situation von 2002 bis 2007 wie folgt entwickelt habe:

 Jahrentführtdavon befreit oder freigekauftvon Ihnen ermordet aufgefundenvon ihnen verschwundenvon ihnen im Ermittlungsverfahren
20025399081368-
200349715752288-
2004448213242038
20053201542412715
200618794116319
2007 (Jan.-März)1610132
Gesamt:2007718193105244

Auch die weitere Auswertung der mit Beweisbeschluss vom 16. März 2007 gestellten Beweisfragen 2 bis 8 (Bl. 316, 317 GA), mit denen detailliert die Sicherheitslage tschetschenischer Volkszugehöriger aus Tschetschenien, die im Zuge des 2. Tschetschenienkrieges ihre Heimatregion verlassen haben und nunmehr dorthin zurückkehren, ermittelt worden ist, ergibt eine unterschiedliche Bewertung durch die sachverständigen Auskunftsstellen:

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes leben tschetschenische Volkszugehörige, die nach Abschluss der Kampfhandlungen in die tschetschenische Republik zurückgekehrt seien, in der Regel ein normales Lebens, wobei sich "normales Leben" nicht am deutschen Standard, sondern an dem Standard Tschetscheniens von noch vor einem Jahr orientiere. Anfeindungen von Seiten der tschetschenischen und föderalen Sicherheitskräfte, aber auch von Nachbarn aus möglichen Neidmotiven, seien im Einzelfall nicht auszuschließen. Über Drangsalierungen durch tschetschenische Rebellen lägen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vor. Die Rückkehr in ein normales Leben sei allerdings nur für Personen möglich, die nicht aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen hätten (vgl. Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.). Russische oder tschetschenische Sicherheitskräfte stellten derzeit keine Gefahrenquelle für die männlichen Jugendlichen dar, da sie unter Berücksichtigung des Alters, in dem sie die tschetschenische Republik verlassen hätten, nicht in dem Verdacht stünden, zu Kämpfern zu werden. Traditionell hätten sie zudem bei Verlust des Vaters eine wichtige Rolle innerhalb des Familienverbandes zu übernehmen. Von möglichem Interesse sei allerdings diese Altersgruppe für die tschetschenischen Kämpfer, die durch agitatorische Arbeit unter Jugendlichen versuchten, ihnen ihre ideologischen Wertvorstellungen zu vermitteln und sie auf ihre Seite zu ziehen (vgl. Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.). Tschetschenen würden seit 2001 auf freiwilliger Basis in die russische Armee aufgenommen, aber bislang nur in geringer Zahl und in Spezialfunktionen in Tschetschenien eingesetzt. Tschetschenische Wehrpflichtige würden auf Befehl des Verteidigungsministers aus dem Jahr 2005 nicht einberufen, es bestehe jedoch die Absicht, 2007 einen Beschluss zu fassen, der die Einberufungspraxis aus der Region neu regeln werde (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008). Soweit es gleichwohl zu Übergriffen komme, könnten diese in Erpressung von Geld, Drohungen, im Einzelfall aber auch in Entführung oder Folter bestehen. Eine geschlechtsspezifische Unterscheidung der Übergriffsmethoden und Intensität lasse sich nicht feststellen. Im Übrigen gebe es in der tschetschenischen Republik kaum alleinstehende Frauen, da sie auch als Witwen in der Familie der Verwandten lebten (vgl. Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.). Personen, die Opfer von Übergriffen von russischen oder tschetschenischen Sicherheitskräften geworden seien, könnten sich an die zuständigen Rechtsschutzorgane und Gerichte wenden, jedoch seien die Erfolgsaussichten immer noch gering (Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.).

Dagegen weist die Gesellschaft für bedrohte Völker darauf hin, dass bei den jüngst veröffentlichten Statistiken, nach denen sich in den Städten die Lage verbessert habe und die Zahl der Gewaltverbrechen zurückgegangen sein solle, zu berücksichtigen sei, dass sich viele Menschen aus Angst vor Repressalien davor fürchteten, eine Anzeige über Gewaltverbrechen durch die tschetschenischen Sicherheitskräfte zu erstatten (Gesellschaft für bedrohte Völker an Hess. VGH vom 18.06.2007, Bl. 492 GA). Hierauf weist auch Prof. Dr. Luchterhandt in seiner Auskunft vom 08.08.2007 (Bl. 525 GA) hin, wonach vor allem zwei Faktoren, welche die Einschätzung der Sicherheitslage wesentlich erschwerten, zu benennen seien, nämlich erstens die tief sitzende Furcht und Angst einer durch die beiden Tschetschenienkriege traumatisierten Bevölkerung und zweitens die Diskrepanz zwischen öffentlich - durchaus von verschiedenen Seiten, staatlichen Institutionen und gesellschaftlichen Organisationen - verbreiteten Zahlen über schwere und schwerste Menschenrechtsverletzungen und deren Opfer. Sowohl die Heinrich-Böll-Stiftung als auch Memorial gehen dabei davon aus, dass für Rückkehrer Bedrohungen von russischen und/oder tschetschenischen Sicherheitskräften bzw. diesen nahestehenden Verbänden ausgehen, wobei genaue Zahlen zu Übergriffen nicht genannt werden könnten, Referenzfälle jedoch von der Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation Memorial in ihrem Vortrag vom 25. November 2006 (Anmerkung: allerdings für den dort relevanten Berichtszeitraum) genannt worden seien (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung an Hess. VGH vom 20.04.2007, Bl. 370 GA und Memorial an Hess. VGH vom 17.05.2007, Bl. 453 GA).

Laut UNHCR gibt es keine Hinweise darauf, dass zurückkehrende Personen bei ihrer Rückkehr allein aufgrund der Tatsache verfolgt werden, dass sie im Ausland gelebt haben, oder deshalb, weil sie einer ethnischen Minderheit angehörten. Maßgeblich für eine Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr sei insbesondere die tatsächliche oder unterstellte - frühere - Mitwirkung bzw. Einbindung bei den Rebellengruppen oder im Regime Maschadow (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). In diesem Zusammenhang verweist UNHCR auch auf die bereits oben benannten besonders gefährdeten Rückkehrergruppen.

Nach Auskunft von Prof. Dr. Luchterhandt ist die Gefahr, Opfer von russischen Sicherheitseinheiten, sei es von Soldaten oder Omonovcy (Omon = russische Milizverbände mit Sonderaufgaben des föderalen Innenministeriums) zu werden, für die Bevölkerung zwar weiterhin vorhanden, aber aus den genannten Gründen - Tschetschenisierung des Tschetschenenkonflikts und quantitativ begrenzte Einsätze - heute nur noch als gering einzustufen (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525 ff. 535, 536 GA).

Anders verhält es sich nach Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. Luchterhandt jedoch mit den föderalen Verbänden tschetschenischer Sicherheitskräfte, also mit den Kadyrovcy, Jamadaevcy, Kakivci, wobei die beiden zuletzt genannten nicht der Kommandogewalt von Ramsan Kadyrow unterstehen. Hier sei die Gefahr, Opfer schwerer Angriffe auf Freiheit, Leben und Leib zu werden, noch immer als relativ hoch einzuschätzen, obgleich sie im Vergleich zu früheren Jahren deutlich geringer geworden sei (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525, 536 GA). Dabei lägen keine Angaben über Fälle vor, welche Rückschlüsse auf eine höhere Gefährdung oder gar Sonderbehandlung von Rückkehrern zuließen. So habe im Oktober 2006 der Leiter des tschetschenischen Memorialbüros unter Berufung auf Anna Politkovskaja festgestellt, dass 85 % der Entführungen in Tschetschenien auf das Konto der Ramsan Kadyrow unterstehenden Verbände gingen. Dieser Prozentsatz könne auf die Verantwortlichkeit für menschenrechtswidrige Repressionsmaßnahmen der Sicherheitskräfte im Allgemeinen ausgedehnt werden (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, a.a.O.). Abstrakt betrachtet sei es nicht nur wahrscheinlich, sondern selbstverständlich, dass bekannte oder gar prominente Funktionäre oder Parteigänger Präsident Maschadows und der "tschetschenischen Republik Ickerija" im Falle ihrer Rückkehr aus der Diaspora nach Russland und speziell nach Tschetschenien nicht - nur - routinemäßig behandelt, sondern angefangen bei den Einreiseformalitäten von dem in solchen Fällen zuständigkeitshalber eingeschalteten FSB, also dem Inlandsgeheimdienst, einer sorgfältigen Überprüfung und Kontrolle unterzogen würden (Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525 GA, 538)."

Bei alledem ist zu berücksichtigen, dass nach der vor Ort über die meisten Informationen verfügenden Frau Svetlana Gannuschkina (Menschenrechtszentrum Memorial) nach wie vor als besonders gefährdet Rückkehrer aus dem Ausland gelten, die sowohl von den Sicherheitskräften dort als auch den dort ansässigen Personen besonders beäugt werden. So führt auch das Auswärtige Amt aus, dass, soweit der Tschetschenienkonflikt nicht endgültig gelöst sei, davon auszugehen sei, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erführen. Dies gelte insbesondere für solche Personen, die sich in der Tschetschenienfrage engagiert hätten bzw. denen die russischen Behörden ein solches Engagement unterstellten (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008, Stand: Dezember 2007). Dabei finden nach Auskunft des Auswärtigen Amtes in Tschetschenien die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Nichtregierungsorganisationen, internationale Organisationen und Presse berichteten, dass sich auch nach Beginn des von offizieller Seite festgestellten "politischen Prozesses" erhebliche Menschenrechtsverletzungen durch russische und pro-russische tschetschenische Sicherheitskräfte gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung fortgesetzt hätten (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008).

Generell auf die Russische Föderation bezogen wird von dem Menschenrechtsbeauftragten Lukin moniert, dass es bei Verhaftungen, Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft immer wieder zu Folter und grausamer oder erniedrigender Behandlung durch Polizei und Ermittlungsbehörden kommt. Besonders kritisch sieht der Menschenrechtsbeauftragte die Situation vor Beginn von Strafverfahren im Rahmen der sogenannten "operativen Ermittlungstätigkeit" (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008). In Anbetracht der Tatsache, dass nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen Kaukasier ohnehin einer Art Generalverdacht unterliegen, sie in den übrigen Regionen der Russischen Föderation eher als unerwünscht angesehen werden und bei Hinzutreten eines unterstellten oder vermuteten Terrorismusverdachts die Gefahr erneuter Folter und menschenrechtswidriger Übergriffe besteht, sind die Voraussetzungen der Rückausnahme des Art. 4 Abs. 4 QRL im Fall der Kläger nicht gegeben.

Die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG ist im Fall des Klägers auch nicht gemäß § 60 Abs. 8 AufenthG ausgeschlossen. Danach findet Abs. 1 keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 3 Jahren verurteilt worden ist. Das gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt. Danach ist ein Ausländer nicht Flüchtling nach Abs. 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1. ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,

2. vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebietes begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden oder

3. den Zielen und Grundsätzen den Vereinten Nationen zuwider gehandelt hat.

Dabei gilt Satz 1 auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG sind im Fall des Klägers offensichtlich nicht erfüllt, da nichts dafür bekannt ist, dass er im Bundesgebiet sicherheitsrelevant aktiv geworden ist und deshalb verurteilt worden wäre.

Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG i. V. m. § 3 Abs. 2 AsylVfG sind auf Grund seiner Tätigkeit bei den tschetschenischen Rebellen, wobei er nach seinem eigenen Vortrag während des 2. Tschetschenienkrieges Anschläge auf die vor Ort stationierten russischen Einheiten verübt habt, nicht erfüllt.

Dabei setzt § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG i. V. m. § 3 Abs. 2 AsylVfG Art. 12 Abs. 2 QRL in nationales Recht um, der wiederum seine Entsprechung in Art. 1 F. a) der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juni 1951 (BGBl. 2 1953 S. 559, Bekanntmachung vom 28.04.1954, BGBl. 2 S. 619 - GK -) hat.

Zur Auslegung der in § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 3 Abs. 2 AsylVfG genannten, die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließenden Delikte kann dabei auf die Richtlinien des UNHCR zur Anwendung von Art. 1 F. GK zurückgegriffen werden (vgl. Hailbronner, AuslR, Kommentar, § 60 Rdnr. 186; VGH München, Urteil vom 24.10.2007, 11 B 03.30710, in juris-online). Danach sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG trotz Teilnahme des Klägers an den kriegerischen Auseinandersetzungen in seinem Heimatland nicht erfüllt. Bei der Erwähnung der Verbrechen gegen den Frieden, der Kriegsverbrechen oder der Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezieht sich das Abkommen ganz allgemein auf "internationale Vertragswerke, die ausgearbeitet wurden, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen". In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg hat es eine beträchtliche Anzahl solcher Verträge gegeben, in all diesen Vertragswerken finden sich Definitionen zu der Frage, was als "Verbrechen gegen den Frieden, als Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit" anzusehen ist, wobei sich die umfassendste Definition in dem Londoner Abkommen und der Charta des Internationalen Militärgerichtshofs von 1945 befindet (vgl. UNHCR, Handbuch für Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Dezember 2003, Rdnr. 150). Nach der Charta des Internationalen Militärtribunals von 1945 versteht die Charta unter Verbrechen gegen den Frieden die Planung, Vorbereitung, das Anstiften zu oder Führen eines Angriffskrieges oder eines Krieges, durch den internationale Verträge, Abkommen oder Zusicherungen verletzt werden oder die Teilnahme an einer Verschwörung zum Zweck der Erfüllung eines der vorgenannten Ziele. Bei Kriegsverbrechen handelt es sich insbesondere um die Verletzung von geschriebenem oder ungeschriebenem Kriegsrecht. Solche Verletzungen sollen folgende Verbrechen einschließen, aber nicht auf sie beschränkt sein: Mord, Misshandlung oder Deportation der Zivilbevölkerung des besetzten Gebietes oder der sich auf diesem Gebiet befindenden Bevölkerung zum Zweck der Zwangsarbeit oder zu einem anderen Zwecke, Ermordung oder Misshandlung von Kriegsgefangenen oder Personen auf See, das Töten von Geiseln, das Plündern öffentlichen oder privaten Eigentums, die mutwillige Zerstörung von Städten oder Dörfern oder Akte der Verwüstung, die nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt sind. Bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt es sich insbesondere um Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation und andere Akte der Unmenschlichkeit gegenüber der Zivilbevölkerung vor oder während des Krieges (vgl. insgesamt: Auszug aus der Charta des Internationalen Militärtribunals vom 3. März 1949 in UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Anhang V).

Der Kläger hat sich zwar nach seiner eigenen Auskunft an der Tötung russischer Soldaten beteiligt, hierbei handelte sich jedoch zum einen nicht um Maßnahmen gegen die Zivilbevölkerung, zum anderen um die Teilnahme an kriegerischen Auseinandersetzungen zweier Kriegsparteien, die die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG nicht erfüllt.

Der Kläger hat auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG nicht erfüllt. Dabei wird für die Schwere des in dieser Norm genannten nichtpolitischen Delikts auf internationale Standards abgestellt, wobei zu berücksichtigen sind die Art der Handlung, der tatsächlich zugefügte Schaden, die Art des zur strafrechtlichen Verfolgung des Verbrechens eingeleiteten Verfahrens, die Form der Strafe sowie die Frage, ob das Verbrechen in den meisten Rechtsordnungen ein schweres Verbrechen darstellen würde (vgl. Hailbronner, Aufenthaltsgesetz, § 60 Rdnr. 188; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, a. a. O., Rdnr. 154, 155). Nichtpolitisch ist das Verbrechen, wenn es überwiegend aus anderen Motiven begangen wird. Besteht keine eindeutige Verbindung zwischen dem Verbrechen und einem angeblichen politischen Ziel oder ist die betreffende Handlung in Bezug zu dem behaupteten politischen Ziel unverhältnismäßig, kann das Verbrechen als unpolitisch qualifiziert werden. Beurteilungsfaktoren sind Motivation, der Zusammenhang, die Verbrechensmethoden und die Verhältnismäßigkeit des Verbrechens zum angestrebten Ziel. Darüber hinaus sollen die politischen Ziele eines Verbrechens, wenn es als politisch motiviert gelten soll, im Einklang mit menschenrechtlichen Grundsätzen stehen. In der neuen Staatenpraxis werden durchweg terroristische Akte und willkürliche Tötungen oder andere physische Angriffe gegenüber der Bevölkerung als nichtpolitisch qualifiziert (vgl. Hailbronner, § 60 AufenthG, Rdnr. 188). Dabei besteht, soweit ersichtlich, Einigkeit darüber, dass ein nicht politisches Verbrechen auch dann zu bejahen ist, wenn zwar alle Voraussetzungen für ein politisches Verbrechen sprächen, die begangene Straftat aber in grobem Missverhältnis zu den behaupteten Zielen steht, namentlich in besonders grausamer bzw. unmenschlicher Weise, insbesondere auch gegen Unbeteiligte begangen wurde (vgl. GK-AsylVfG, Band 2, September 2007, § 2 Rdnr. 65 m. w. N.). Weiter ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass im Fall eines weitgehenden Konsenses in der Völkergemeinschaft und den entsprechenden Kodifizierungen auch durch diese in gewissem Umfang eine Klarstellung und "Ent- bzw. Depolitisierung" erfolgen kann. Hierunter werden - allen politischen Rechtfertigungsmustern der Täter zum Trotz - klassische terroristische Akte fallen (z. B. Bombenattentate gegenüber Zivilpersonen, aber auch staatlichen Hoheitsträgern, insbesondere wenn hierdurch Unbeteiligte einbezogen werden, Geiselnahmen mit Flugzeugentführungen etc.) (vgl. GK-AsylVfG, a. a. O., § 2 Rdnr. 65, 66 m. w. N.).

Zwar können die von dem Kläger beschriebenen Überfalle auf die in Tschetschenien stationierten russischen Sicherheitskräfte durchaus als verbrecherische Handlungen qualifiziert werden, ihnen kann jedoch weder der politische Hintergrund abgesprochen werden, noch richteten sie sich nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterials gegen die Zivilbevölkerung, sondern stellten sich wiederum als Teil der militärischen Auseinandersetzungen zwischen den tschetschenischen Rebellen und den russischen Streitkräften dar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Ende Januar 1997 Präsident Maschadow aus den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen als Staatschef Tschetscheniens hervorgegangen war, dem der Kläger nach eigener Auskunft gedient hat. Am 12. Mai 1997 unterzeichneten Jelzin und Maschadow einen formellen Friedensvertrag, der umstrittene politische Status Tschetscheniens wurde allerdings in diesem Vertrag nicht geklärt, sondern die Klärung auf den 31. Dezember 2001 verschoben. Vor diesem Hintergrund glaubten sich die tschetschenischen Rebellen - zumindest diejenigen, die, wie der Kläger, "lediglich" die "Autonomie Tschetscheniens" verteidigen und nicht als Terroristen durch terroristische Anschläge einen islamischen Staat auch in Nachbarregionen Tschetscheniens herbeikämpfen wollten - in einer Selbstverteidigungslage gegenüber den russischen Einheiten, die sie als Besatzer empfanden und vertreiben wollten. Im Übrigen fehlt es im Fall der von dem Kläger beschriebenen militärischen Auseinandersetzungen, selbst wenn dies die von den tschetschenischen Verbänden verübten Terrorakte nicht rechtfertigen kann, an dem in § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG geforderten Bezug zu einer besonderen verbrecherischen Haltung gegenüber der Zivilbevölkerung.

Der Kläger erfüllt mit seiner Teilnahme am 2. Tschetschenienkrieg auch nicht die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG, wobei der Begriff der Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider laufen, naturgemäß Auslegungsschwierigkeiten bereitet (vgl. Hailbronner, § 60 Abs. 8 Rdnr. 89). Der Begriff wird nur selten angewandt und wird allgemein als unklar bezeichnet. Die UNHCR-Richtlinien weisen darauf hin, dass eine Berufung auf Art. 1 F. c) GK nur unter "extremen Umständen im Falle von Handlungen vorkommt, die einen Angriff auf die Grundlagen der Koexistenz der internationalen Staatengemeinschaft" darstellen (Hailbronner, a. a. O., § 60 Rdnr. 189; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, a. a. O., Rdnr. 163). Solche Handlungen müssen eine internationale Dimension haben. Einbezogen sind Verbrechen, die den Weltfrieden, die internationale Sicherheit oder die friedlichen Beziehungen zwischen Staaten erschüttern können, sowie schwere anhaltende Verletzungen der Menschenrechte (vgl. Hailbronner, a. a. O., § 60 Rdnr. 189). Auch diese Voraussetzungen erfüllen die Kampfhandlungen des Klägers nicht.

Unter Anlegung dieser Kriterien sind im Fall des Klägers, der zunächst in der Sicherheitsverwaltung unter der Regierung Maschadow tätig war und sich sodann im Zuge des zweiten Tschetschenienkrieges den Rebellen angeschlossen hat, die Voraussetzungen der Ausschlussklausel des § 60 Abs. 8 AufenthG/§ 3 Abs. 2 AsylVfG nicht gegeben.

Da die Berufung der Kläger Erfolg hat, hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Gerichtskosten werden jedoch gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO, 167 VwGO.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 sowie der dort in Bezug genommenen Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 - Qualifikationsrichtlinie - (ABl. EU L 304 S. 12, ber. ABl. 2005 L 204 S.24) die Frage der anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe bei Prüfung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG, die Frage der Beibehaltung der richterrechtlich entwickelten Differenzierungen zwischen örtlich begrenzter und regionaler Gruppenverfolgung, die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Prüfung internen Schutzes im Sinne des Art. 8 QRL sowie der dort anzuwendenden Prüfungsmaßstäbe von grundsätzlicher Bedeutung sind.

Ende der Entscheidung

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