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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.04.2008
Aktenzeichen: 3 UE 460/06.A
Rechtsgebiete: AufenthG, QRL


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
QRL Art. 1
QRL Art. 2
QRL Art. 4
QRL Art. 8
1. Armenische Volkszugehörige aus Tschetschenien, die dort geboren worden sind und dort bis zu ihrer Ausreise im August 2001 gelebt haben, gehören zu der sozialen Gruppe der aus Tschetschenien stammenden Kaukasier (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), die als Gruppe im 2. Tschetschenienkrieg unmittelbar von Verfolgung durch die russischen Sicherheitskräfte bedroht waren.

2. Kommen zu den Aspekten der unter 1. genannten gruppenbezogenen Verfolgung individuelle Verfolgungsgründe wegen Terrorismusvorwurfs hinzu, steht den betroffenen Personen eine interne Schutzmöglichkeit gemäß Art. 8 QRL auch nicht in der armenischen Diaspora zur Verfügung.

3. Im Fall der auch individuell anzunehmenden Vorverfolgung sprechen weder bezogen auf die Heimatregion Tschetschenien, noch auf die armenische Diaspora noch hinsichtlich der übrigen Gebiete der Russischen Föderation stichhaltige Gründe dagegen, dass der Flüchtling erneut von Verfolgung oder einem anderen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 QRL).

4. Die von den russischen Sicherheitskräften durchgeführten Maßnahmen auf dem Höhepunkt des 2. Tschetschenienkrieges stellen sich überwiegend nicht als legitime Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen dar.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 UE 460/06.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann

am 9. April 2008

beschlossen:

Tenor:

Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 2. Juni 2004 - 2 E 1588/02.A - ist wirkungslos, soweit es die Zuerkennung von Asyl gemäß Art. 16 a GG betrifft.

Im Übrigen werden die Berufungen der Bundesrepublik Deutschland sowie des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 2. Juni 2004 - 2 E 1588/02.A - zurückgewiesen.

Hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage tragen die Kläger die Kosten des Verfahrens, im Übrigen tragen die Bundesrepublik Deutschland sowie der Bundesbeauftragte die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Kostengläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die nach ihren Angaben am 21. Juli 19.. in D. und am 12. Januar 19.. in K., beides Tschetschenien, geborenen Kläger beantragten am 27. August 2001 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.

Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, die in russischer Sprache durchgeführt wurde, trug zunächst der Kläger vor, neben russisch spreche er auch noch ein wenig armenisch. Er besitze die russische Staatsangehörigkeit und sei armenischer Volkszugehöriger und Christ. Er besitze keinerlei Papiere, sein russischer Inlandspass sei ihm von den Russen im Februar 2000 abgenommen worden. Er sei in D. in Tschetschenien geboren worden und 1995 gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Bruder nach K., ebenfalls in Tschetschenien, umgezogen. Dort habe er bis zu seiner Ausreise gelebt. Er sei seit dem 4. Juli 1998 mit der Klägerin verheiratet, die schwanger sei. Er habe 10 Jahre lang die Schule besucht und sei dann Autoschlosser geworden. Zunächst habe er in der Firma seines Vaters mitgearbeitet, später habe er zu Hause in einer Garage gearbeitet. Wehrdienst habe er nicht geleistet. Am 23. August 2001 hätten sie ihre Heimat verlassen, sie seien zunächst mit einem Militärgeländewagen gefahren, danach seien sie zu Fuß über die Grenze nach Georgien gegangen und schließlich über den Flughafen Tiflis nach Frankfurt am Main gereist. 1995 seien sie auf der Flucht vor den Moslems von D. nach K. umgesiedelt, da die Moslems dort gewusst hätten, dass sie armenische Christen seien. In K. hätten sie sich als Tschetschenen ausgegeben, da sie ansonsten umgebracht worden wären. Grund für ihre Ausreise sei, dass er im Gefängnis gewesen sei, er sei als Terrorist beschuldigt worden. Ihm sei vorgeworfen worden, Minen verlegt zu haben. Dies sei im April 2001 gewesen. Im Gefängnis sei er misshandelt, geprügelt und gezwungen worden, alles zuzugeben. Sie seien dort sehr schlecht behandelt worden, so seien sie z. B. auch mit Frauennamen gerufen und sonst erniedrigt worden. Im Gefängnis habe es auch Vergewaltigungen gegeben. Er habe sich bis zum 16. August 2001 im Gefängnis befunden, dann habe er fliehen und seinen Bruder - den Kläger des Verfahrens 3 UE 459/06.A - ebenfalls mitnehmen können. Das Gefängnis sei kein wirkliches Gefängnis, sondern ein Internierungslager gewesen, es habe sich in U. befunden. Die Flucht habe er durch Geldzahlung an einen Mann namens S. bewerkstelligen können, für Geld könne man bei ihnen zu Hause alles haben. S. sei der stellvertretende Leiter des Lagers gewesen und habe seine Flucht sowie die Flucht seines Bruders, der sich zu diesem Zeitpunkt in einem Hospital aufgehalten habe, ermöglicht. In dem Lager hätten sehr schlechte Zustände geherrscht, manchmal hätten sie nur etwas Wasser bekommen, manchmal etwas Brei. Regelmäßiges Essen habe es nicht gegeben, es habe auch keine Toiletten gegeben, dort seien nur Eimer gewesen und überall nur Gestank. Jederzeit hätte jemand hereinkommen und jemanden umbringen können.

Bereits im Februar 2000 sei er einmal inhaftiert gewesen. Damals sei ihr Dorf durch Bomben und Granaten zu 90 % zerstört worden. Sie, damit meine er sich, seine Ehefrau sowie seinen Bruder, seien dann aus ihrem Haus herausgegangen, um nach den Eltern zu suchen. Als sie auf dem Rückweg nach Hause gewesen seien, seien sie festgenommen worden. Sie seien zu einem Militärposten gebracht worden, wo kontrolliert worden sei, ob sie Kämpfer seien. Man habe ihren Körper nach Narben oder Flecken abgesucht, so sei beispielsweise an der Schulter nachgesehen worden, ob dort Flecken vom Tragen eines Gewehrs oder in der Schulter von dem Abschießen eines Gewehres zu sehen seien. Dabei seien einige Stunden vergangen. Sie seien dann in Erdlöcher gesteckt worden, wo sie hätten übernachten müssen. Aus seinem Pass sei zwar zu ersehen gewesen, dass er Armenier sei, der Leiter der Abteilung habe ihm dies jedoch nicht geglaubt und den Pass zerrissen. Sein Bruder und er hätten sich ausziehen müssen, es sei bei ihnen jedoch nichts festgestellt worden, was auf eine Mitgliedschaft bei den Kämpfern habe hindeuten können. Seiner Frau sei anlässlich dieser Festnahme vorgeworfen worden, eine Scharfschützin zu sein. Dabei habe einer der Sicherheitsleute angefangen, seine Frau mit dem Messer zu bedrohen und habe ihr gegenüber auch Schimpfworte benutzt. Er habe dann seine Frau mit dem Messer verletzt und ein anderer Russe habe von ihr verlangt, sich auszuziehen. Das alles habe er nicht mehr aushalten können und habe die Russen dann angegriffen. Er habe ihnen gesagt, sie sollten seine Frau in Ruhe lassen, sie sei schwanger. Daraufhin sei seine Frau weggeschubst worden, und sie hätten angefangen, ihn und seinen Bruder zu verprügeln, sie seien fast bewusstlos geschlagen worden. Ihm selbst sei der Kiefer und die Nase gebrochen worden, auch sein Bruder habe am Boden in seinem Blut gelegen. Seine Frau habe dann eine Fehlgeburt erlitten. Seine Schwiegereltern habe er das letzte Mal Ende Januar/Anfang Februar 2000 gesehen, seine eigenen Eltern Mitte oder Anfang Februar 2000. Eine Nachbarin habe ihnen gesagt, seine Eltern hätten nach dem Bombenangriff im Jahr 2000 nach ihnen gesucht, sie seien von da an aber nicht mehr zurückgekommen, keiner wisse, wo sie seien und ob sie noch am Leben seien. Von Februar 2000 bis zu ihrer Ausreise hätten sie in dem Keller ihres Hauses gelebt. Für die Flucht habe er insgesamt 10.000,00 Dollar in bar und etwa 2.000,00 Dollar in Gold bezahlen müssen.

Die Klägerin trug im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, die ebenfalls in russischer Sprache geführt wurde, im Wesentlichen vor, sie sei russische Staatsangehörige, ihr Vater sei Tschetschene, ihre Mutter sei Russin. Ihr russischer Inlandspass sei ihr im Februar 2000 abgenommen worden. Hier im Bundesgebiet habe sie keinerlei Papiere. In ihrer Heimat habe sie 8 Jahre lang die Schule besucht, sie habe bis zu ihrer Ausreise in K. gelebt. Am 23. August 2001 seien sie von Tschetschenien weggegangen, sie seien zunächst mit dem Auto gefahren, dann ein Stück zu Fuß über die Grenze nach Georgien und schließlich von Tiflis aus nach Frankfurt am Main geflogen.

Im Februar 2000 habe es einen Bombenangriff auf ihre Ortschaft gegeben, bei dem auch ihr Haus zerstört worden sei. Danach seien sie aus dem Haus gegangen, um nach ihren Eltern zu suchen, wobei sie festgenommen worden seien. Ihre Dokumente seien kontrolliert und sie seien dann in Erdlöchern festgehalten und auch geschlagen worden. Sie selbst sei schwanger gewesen und habe als Folge ihr Kind verloren. Ihr Mann und ihr Schwager seien gezwungen worden, sich ganz auszuziehen, um festzustellen, ob sie Narben hätten. Ein Russe habe versucht, auch sie zu zwingen, sich auszuziehen. Dabei sei sie mit einem Messer verletzt worden, ihr sei vorgeworfen worden, Scharfschützin zu sein. Ihr Mann habe sie beschützen wollen und sei deshalb so sehr mit einem Gewehr geschlagen worden, dass sein Kiefer und seine Nase gebrochen gewesen seien. Sie habe geglaubt, er sei tot und habe sich das Leben nehmen wollen. Als sie die Fehlgeburt erlitten habe, sei sie merkwürdigerweise zu einem Arzt gebracht und behandelt worden. Ihr Mann habe ihr später erzählt, er habe sich mit dem Offizier geeinigt gehabt, dass er sie freilasse und dafür ihr Auto bekomme. So sei es dann auch gekommen. Als sie nach Hause zurückgekehrt seien, hätten sie gesehen, dass ihr Haus zerstört gewesen sei und ihre Eltern fort waren. Bis Mitte April 2001 hätten sie im Keller des Hauses gewohnt und auf ihre Eltern gewartet. Es habe ständig Kontrollen gegeben, ein russischer Offizier habe ihnen einen Ersatzausweis ausgestellt, sie hätten auch Hilfe vom Roten Kreuz erhalten. Im April 2001 sei dann ihr Mann gemeinsam mit ihrem Schwager weggegangen, um Brennholz zu sammeln. Sie seien jedoch nicht zurückgekommen und in ein Lager oder Gefängnis gesteckt worden. Sie hätten den vorläufigen Ausweis nicht dabei gehabt, und sie habe große Angst um sie gehabt. Sie selbst sei auch von den Tschetschenen hin und hergestoßen und belästigt worden. Sie sei auch gezwungen worden, sich auszuziehen, sie sei das zweite Mal schwanger gewesen und habe große Angst gehabt, auch das zweite Kind zu verlieren. Im Mai oder Juni sei ein russischer Offizier namens S. gekommen und habe ihr einen Brief von ihrem Mann gebracht. Am 16. August 2001 sei dann dieser Sergej gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Schwager erschienen, er habe ihnen geholfen zu fliehen. Dafür habe er 2.000,00 Dollar erhalten, habe ihnen allerdings gedroht, sie umzubringen, falls sie irgendjemandem von ihren Erlebnissen erzählen würden. Sodann seien sie von einem Schlepper namens R. über Georgien nach Deutschland gebracht worden. Ihre Eltern habe sie zuletzt Anfang Februar 2000 gesehen, um diese Zeit habe sie auch letztmals Kontakt zu den Eltern ihres Mannes gehabt. Ihr Mann sei Armenier, sie denke, dass er auch deshalb festgenommen worden sei. Er sei verdächtigt worden, sich am Krieg beteiligt zu haben, die russischen Soldaten hätten alle festgenommen, die sie irgendwie als Kämpfer verdächtigt hätten. Während der Zeit, in der ihr Mann und ihr Schwager in dem Internierungslager gewesen seien, habe sie sich bei Nachbarn aufgehalten. Sie sei immer wieder belästigt worden und zwar von den tschetschenischen Wahabiten, die sie für eine Russin gehalten hätten. Andererseits hätten die Russen sie für eine Tschetschenin gehalten, sodass sie von beiden Seiten bedrängt worden sei. Der Bruder ihres Mannes habe die ganze Zeit bei ihnen gelebt.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2002 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag der Kläger ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Des Weiteren wurden sie aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bzw. im Falle einer Klageerhebung innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist wurde ihnen ihre Abschiebung in die Russische Föderation oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht.

Gegen den am 29. Juni 2002 zugestellten Bescheid haben die Kläger am 4. Juli 2002 Klage vor dem Verwaltungsgericht Kassel - 2 E 1588/02.A - erhoben. Im Rahmen der Klagebegründung trugen sie über ihren Bevollmächtigten ergänzend vor, bei ihnen handele es sich um Christen armenischer Volkszugehörigkeit aus Tschetschenien. Sie würden von zwei Seiten bedrängt und verfolgt. Von der russischen Seite würden sie als Kaukasier und "Dunkelhäutige" eingestuft und folglich als Terroristen behandelt. Ständig würden sie kontrolliert und jedermann misstraue ihnen. Von den Tschetschenen erhielten sie keine Unterstützung, weil sie nicht moslemischen Glaubens seien. Sie gehörten einer absoluten Minderheit an, höchstens 2 % der Bevölkerung Tschetscheniens seien armenische Christen.

Die Kläger haben beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes vom 24. Juni 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AuslG,

hilfsweise: Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG in ihrer Person vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 2. Juni 2004 hat das Verwaltungsgericht Kassel den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 24. Juni 2002 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AuslG in ihrer Person vorliegen. Auf Antrag des Beteiligten vom 23. Juli 2004 und der Beklagten vom 4. August 2004 hat der 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 20. Februar 2006 - 3 UZ 2273/04.A - die Berufung gegen das am 22. Juli 2004 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 2. Juni 2004 - 2 E 1588/02.A - zugelassen.

Zur Berufungsbegründung trägt die Beklagte unter Bezugnahme auf ihren Bescheid vom 24. Juni 2002 und ihren Antrag auf Zulassung der Berufung vom 3. August 2004 sowie auf diverse obergerichtliche Entscheidungen (Bl. 165 GA) im Wesentlichen vor, es könne davon ausgegangen werden, dass Tschetschenen in den übrigen Regionen der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Die Kläger hätten Tschetschenien nicht vorverfolgt verlassen, insoweit könne auf den Bescheid vom 24. Juni 2002 verwiesen werden. Auch die Zugehörigkeit zur armenischen Minderheit in der Russischen Föderation begründe keine Furcht vor politischer Verfolgung, insoweit sei auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. April 2007 zu verweisen, wonach die Lage der Armenier insgesamt besser sei als die der übrigen Kaukasusvölker. Auch gemessen an den Kriterien von Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie sei es den Klägern zuzumuten, ihren Aufenthalt in einem anderen Landesteil der Russischen Föderation zu nehmen, an dem sie vor einer möglichen bzw. unterstellten Verfolgung sicher seien und wo ihr soziales und wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet sei. Daran ändere sich auch nichts, weil die Kläger, wie in ihrer Anhörung angegeben, über keine Inlandspässe verfügten. Denn sie könnten neue Pässe beantragen und sich ausstellen lassen, um dann eine Registrierung zu erlangen. Die Notwendigkeit, zwecks Erlangung eines neuen Inlandspasses Tschetschenien aufzusuchen, bestehe allerdings nur für wenige Tage. Das Risiko an den wenigen Tagen, an denen sie sich notwendigerweise nach Tschetschenien begeben müssten, politischer Verfolgung ausgesetzt zu sein, sei derart gering, dass nicht von einer "realen" Gefahr für sie gesprochen werden könne, die nach dem eingangs Gesagten der Bejahung "hinreichender Sicherheit" entgegenstünde. Unabhängig davon, ob ihnen zugemutet werden könne, zur Passerlangung nach Tschetschenien zurückzukehren, werde auf die Ausführungen von Prof. Dr. Otto Luchterhandt in seinem Gutachten an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof verwiesen. Danach sei Rechtsgrundlage des Passwesens Russlands das Dekret des Präsidenten der Russischen Föderation vom 13. März 1997 über das Hauptdokument, welches die Person des Bürgers der Russischen Föderation auf dem Territorium der Russischen Föderation ausweise. Der Pass werde seit der seit Dezember 2006 geltenden Regelung am Wohnort, am Aufenthaltsort oder am Ort der Antragstellung ausgestellt. Gemäß der Verordnung über die Registrierungsbestimmungen setze weder die Registrierung am Aufenthaltsort noch die Registrierung am Wohnort die Vorlage eines gültigen Inlandspasses voraus. Gefordert sei vielmehr in beiden Fällen übereinstimmend ein Dokument, das die Person ausweise. Danach sei nicht ausschließlich die Vorlage eines gültigen Inlandspasses für eine Registrierung gefordert, vielmehr reiche ein Dokument, das die Person ausweise. Auch könne der Pass am Ort der Antragstellung ausgestellt werden.

Am 14. März 2008 im Berufungsverfahren hat vor der Berichterstatterin ein Erörterungstermin mit einer informatorischen Befragung der Kläger stattgefunden, in dessen Verlauf die Kläger durch ihren Bevollmächtigten die Klage, soweit sie sich auf die Zuerkennung von Asyl bezogen hat, zurückgenommen haben. Der Bevollmächtigte der Beklagten hat der teilweisen Klagerücknahme zugestimmt.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage, soweit sie noch rechtshängig ist, unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 2. Juni 2004 - 2 E 1588/02.A - in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholen sie ihren Vortrag aus dem Klageverfahren und weisen darauf hin, dass ihnen eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation nicht zur Verfügung stehe, da Verfolgungsmaßnahmen in erster Linie an ihre tschetschenische Herkunft anknüpften. Auch armenische Volkszugehörige aus Tschetschenien seien in den übrigen Regionen der Russischen Föderation erhöhten Polizeikontrollen und fremdenfeindlichen Übergriffen ausgesetzt, eine Anmeldung und damit ein legaler Aufenthalt dort seien nicht möglich.

Der Beteiligte beantragt sinngemäß,

die Klage, soweit sie noch rechtshängig ist, unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 2. Juni 2004 - 2 E 1588/02.A - abzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, die angefochtene Entscheidung könne keinen Bestand haben, da mit der überwiegenden einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung davon auszugehen sei, dass russischen Staatsangehörigen aus Tschetschenien in weiten Teilen der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Der vorliegende Fall biete keine Anhaltspunkte für eine Ausnahme von dieser Regelvermutung, zumal die Kläger nicht die tschetschenische Volkszugehörigkeit besäßen und auch nicht erkennbar sei, dass sie im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation in eine erhebliche existentielle Gefährdungslage geraten könnten. Im Übrigen habe sich an der obergerichtlich entwickelten Systematik und Prüfungsreihenfolge bei regional oder örtlich begrenzter Gruppenverfolgung und den anzuwendenden Kriterien einer inländischen Fluchtalternative auch durch Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie nichts geändert (Bl. 236 ff. GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Gerichtsakte befindlichen Schriftstücke, den Verwaltungsvorgang der Beklagten (1 Aktenheft) sowie auf die den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnisse zur Situation in der Russischen Föderation (Erkenntnisquellenliste Russische Föderation - Tschetschenien -, Stand: Januar 2008), zu denen auch die im Rahmen der Beweisaufnahmen in den Verfahren 3 UE 191/07.A, 3 UE 455/06.A und 3 UE 457/06.A eingeholten Auskünfte gehören, Bezug genommen. Die Unterlagen sind insgesamt zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.

II.

Soweit die Kläger ihre Klage auf Anerkennung als Asylberechtigte zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt (§ 92 Abs. 3 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 2. Juni 2004 - 2 E 1588/02.A - ist insoweit wirkungslos (§ 173 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Im Übrigen entscheidet der Senat über die Berufungen der Beklagten sowie des Beteiligten durch Beschluss gemäß § 130 a VwGO, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Vorgehensweise zu äußern.

Die Berufungen der Beklagten sowie des Beteiligten, mit denen die Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 2. Juni 2004 - 2 E 1588/02.A - begehrt wird, sind aufgrund der Zulassung durch den Senat und auch sonst zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, hinsichtlich der Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, der gemäß Art. 15 Abs. 3 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 seit dem 1. Januar 2005 durch § 60 Abs. 1 AufenthG abgelöst wurde, festzustellen; denn die Ablehnung der Feststellung von Flüchtlingsschutz gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I Nr. 42 S. 1970 ff.) stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) als rechtswidrig dar, die Kläger haben einen Anspruch auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz.

Gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft.

Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann ausgehen von

a. dem Staat,

b. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder

c. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter Buchstabe a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land ein staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht,

es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, sind Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29. April 2004 (ABl. EU L 304 S.12, ber. ABL. 2005 L 204 S. 24 - Qualifikationsrichtlinie/QR -) ergänzend anzuwenden.

Der Senat hat sich in seinem Grundsatzurteil vom 21. Februar 2008 - 3 UE 191/07.A - mit den Veränderungen, die sich aus der Umsetzung bzw. dem Inkrafttreten der QRL ergeben, sowie der Sicherheitslage tschetschenischer Flüchtlinge aus Tschetschenien befasst und ausgeführt:

"Nach der nunmehr in § 60 Abs. 1 AufenthG in Bezug genommenen und im Übrigen aufgrund des Ablaufs ihrer Umsetzungsfrist zum 10. Oktober 2006 ohnehin in weiten Teilen unmittelbar geltenden Qualifikationsrichtlinie (vgl. zur unmittelbaren Geltung von Richtlinien EuGH, Urteil vom 19. 01. 1982 - Rs. 8 /81 -, EuGHE 1982, 53 Rz 21 ff. und vom 20. 09. 1988 - Rs 190/87 -, EuGHE 1988, 4689 Rz 22 ff.; Herdegen, Europarecht, 8. Aufl., 2006, § 9 Rdnr 44 ff.) haben sich die vorwiegend richterrechtlich entwickelten Prüfungsmaßstäbe hinsichtlich der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz unmittelbar am Wortlaut der QRL und des AufenthG zu messen, wobei dies teils zu gravierenden Änderungen, teils jedoch zur Beibehaltung auch bisher geltender Prüfmaßstäbe führt. Dabei ist bei der Auslegung der von dem deutschen Gesetzgeber so formulierten "ergänzenden" Anwendung der Vorschriften der QRL - § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG - zu beachten, dass gem. Art. 1 QRL die Richtlinie verbindliche Mindestnormen für die Mitgliedstaaten festschreibt, die durch den nationalen Gesetzgeber nicht unterschritten werden dürfen. Wesentliches Ziel der Richtlinie ist nämlich die Schaffung einer gemeinsamen Asylpolitik einschließlich eines "Gemeinsamen Europäischen Asylsystems". Die Richtlinie soll auf "kurze Sicht zur Annäherung der Bestimmungen über die Zuerkennung und Merkmale der Flüchtlingseigenschaft führen" (vgl. Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung, Erläuterungen zur Richtlinie 2004/83/EG, 2005, Vorwort zur Neugestaltung des Handbuchs, III)

Bei der Frage, welcher Maßstab an die zu prüfende Verfolgungswahrscheinlichkeit unter Geltung der QRL anzulegen ist, ist zunächst auf Art. 4 Abs. 3 QRL zu verweisen, nach dem stets eine individuelle Prüfung zu erfolgen hat, mithin eine rein generalisierende Sichtweise nicht mehr mit dem Wortlaut der Richtlinie zu vereinbaren wäre (vgl. Hruschka/Löhr, Der Prognosemaßstab für die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft nach der Qualifikationsrichtlinie, ZAR 2007, S. 180 ff.)

Soweit nach der bisherigen Rechtsprechung für die Beurteilung der Frage, ob einem Flüchtling nach den Maßstäben des § 60 Abs. 1 AufenthG Schutz zu gewähren ist, unterschiedliche Maßstäbe anzulegen waren, je nach dem, ob dieser seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (vgl. BVerfGE 80, 315 = NVwZ 1990, 151 = NJW 1990, 974), nimmt zwar die QRL eine entsprechende Unterscheidung ebenfalls auf, allerdings mit Verschiebungen des Prüfungsumfangs hinsichtlich der vorverfolgt ausgereisten Personen sowie hinsichtlich des anzustellenden Prüfungsumfangs im Zeitpunkt der Ausreise.

Nach den bisher richterrechtlich entwickelten Maßgaben durfte ein - landesweit - vorverfolgt ausgereister Flüchtling grundsätzlich nur dann in sein Heimatland zurückgeschickt werden, wenn er dort hinreichend sicher vor - erneuter politischer - Verfolgung war (sog. herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab), wobei hinreichende Sicherheit in diesem Zusammenhang bedeutete, dass aufgrund der bereits einmal erlittenen Verfolgung hohe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Ausschlusses erneuter Verfolgung zu stellen waren. Es musste mehr als überwiegend wahrscheinlich sein, dass keine erneute Verfolgung droht (BVerwGE 70, 169 <171>). Demgegenüber konnte ein unverfolgt Ausgereister bei zu berücksichtigenden objektiven Nachfluchtgründen auf sein Heimatland verwiesen werden, wenn ihm dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung drohte, was anzunehmen war, wenn er in absehbarer Zeit dort nicht mit Verfolgungsmaßnahmen ernsthaft zu rechnen hatte (vgl. BVerwGE 68, 106 <109>).

Auch die QRL nimmt bei der anzustellenden Verfolgungsprognose eine Differenzierung vor, indem sie in Art. 4 Abs. 4, auf den § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ausdrücklich Bezug nimmt, ausführt, dass die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

Zwar ist zutreffend, dass Art. 4 Abs. 4 QRL damit lediglich eine Prognoseregelung für den Fall trifft, dass eine Person verfolgt wurde oder eine Verfolgung unmittelbar bevorstand, nicht jedoch eine Vermutungsregel für unverfolgt ausgereiste Flüchtlinge enthält (vgl. Hruschka/Löhr, a.a.O., S.181). Nach der Systematik des Art. 4 Abs. 4 QRL stellt für den erstgenannten Personenkreis die stattgefundene bzw. unmittelbar drohende Vorverfolgung den ernsthaften Hinweis auf eine auch im Fall der Rückkehr zu erwartende Verfolgung dar, während bei nicht vorverfolgten Flüchtlingen der in Art. 4 Abs. 4 QRL so bezeichnete "ernsthafte Hinweis" auf zu erwartende Gefährdungen entfällt, es im Übrigen aber bei der Prüfung bleibt, ob der Flüchtling heute bei Rückkehr in sein Heimatland erwartbar Verfolgungsmaßnahmen oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erleiden wird oder hiervon unmittelbar bedroht ist. Insoweit kann auch auf die Begriffsbestimmung des Art. 2 c) QRL zurückgegriffen werden, wonach "Flüchtling" im Sinne der QRL einen Drittstaatsangehörigen bezeichnet, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Art. 12 keine Anwendung findet. Der letztgenannte Maßstab entspricht dabei dem in der Rechtsprechung entwickelten Maßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" in Anlehnung an die britische Rechtsprechung des "real risk", wobei auch ein Verfolgungsrisiko von unter 50% als beachtlich wahrscheinliches Risiko angesehen werden kann.

Der von der Rechtsprechung entwickelte Maßstab der "hinreichenden Sicherheit" bei vorverfolgt ausgereisten Flüchtlingen wird demgegenüber nunmehr durch die in Art. 4 Abs. 4 QRL enthaltene Rückausnahme abgelöst, wonach eine erfolgte oder unmittelbar drohende Vorverfolgung den ernsthaften Hinweis nach sich zieht, dass die Furcht des Antragsteller vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sein wird (a.A. Bay. VGH, Urteil vom 31. 08. 2007, 11 B 02.31774, Rdnr 29, in juris online, der davon ausgeht, dass es auch unter Geltung der QRL bei beiden bisher richterrechtlich entwickelten Prognosemaßstäben bleibt). Bei der Auslegung des Art. 4 Abs. 4 QRL können zwar die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien der "hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung" mit herangezogen werden, da auch der Richtliniengeber davon ausgeht, dass der bereits einmal verfolgte Flüchtling einen erhöhten Schutzstandard genießt, stellt doch die Vorverfolgung einen ernsthaften Hinweis auf eine auch bei Rückkehr zu befürchtende Verfolgung dar, es sei denn es greift die Rückausnahme des Art. 4 Abs. 4 a.E. QRL. Allerdings sollte sich die Rechtsanwendung nunmehr den neuen - europaweit gültigen - Begrifflichkeiten zuwenden, die als Rechtsnormen die richterrechtlich entwickelten Begriffe ablösen und sich auch einer europaweiten Vergleichbarkeit werden stellen müssen.

Unter zeitlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten hat der relevante Prüfungsumfang der Verfolgungssituation des Flüchtlings durch die Regelungen der QRL maßgebliche Änderungen, insbesondere hinsichtlich der richterrechtlich entwickelten Kriterien einer örtlich oder regional begrenzten Verfolgung (vgl. BVerwGE 105, 204; BVerwG Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 231; BVerwGE 105, 204; BVerwG, Beschluss vom 04.01.2007, 1 B 47.06) erfahren, da es auf diese Differenzierungen nach Inkrafttreten der QRL nicht mehr ankommt. Insoweit folgt der Senat der gegenteiligen Auffassung des Beteiligten (SS vom 22.02.2007, Bl. 301 GA) sowie der Beklagten (SS vom 05.03.2007, Bl. 307 GA) nicht, worauf weiter unten noch eingegangen wird.

Die Differenzierung zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung, die zur Konsequenz hatte, dass Flüchtlinge, die "lediglich" einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzt waren, mit Verlassen des Verfolgungsgebiets, spätestens aber mit Rückkehr aus dem Ausland, mangels Orts- bzw. Gebietsbezug voraussetzungsgemäß nicht mehr von Verfolgung betroffen seien und ihnen daher eine Rückkehr in andere Gebiete des Heimatstaates ohne weitere asyl- bzw. flüchtlingsrechtliche Prüfung einer inländischen Fluchtalternative zuzumuten war (BVerwG, Beschluss vom 04.01.2007, 1 B 47.06, Rdnr. 5), ist mit den Vorgaben der QRL nicht - mehr - zu vereinbaren.

Maßgeblich ist dabei, welche zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben insbesondere Art. 8 QRL für die Prüfung der Voraussetzungen einer inländischen Fluchtalternative bzw. eines internen Schutzes vorgibt und welche Veränderungen sich hieraus zu den bisherigen Maßstäben ergeben.

Aufgrund der Tatsache, dass auch Art. 8 QRL - eine nach ihrem Wortlaut nicht grundsätzlich umsetzungspflichtige Norm - durch § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in Bezug genommen worden ist und das Institut der inländischen Fluchtalternative/des internen Schutzes zudem ausdrücklich in § 60 Abs. 1 Satz 4 a. E. AufenthG gesetzliche Erwähnung erfährt, sind nunmehr das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative/internen Schutzes und die in diesem Zusammenhang anzustellenden rechtlichen Erwägungen ausschließlich an den Maßstäben und dem Wortlaut der Art. 8 QRL und Art. 4 Abs. 4 QRL zu messen.

Art. 8 QRL bestimmt, dass bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz die Mitgliedsstaaten feststellen können, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält (Abs. 1). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt, berücksichtigen die Mitgliedsstaaten die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag (Abs. 2). Schließlich kann Abs. 2 auch dann angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen (Abs. 3).

Art. 8 QRL trägt unterschiedslos der Tatsache Rechnung, dass sich Verfolgungssituationen innerhalb eines Staates für einzelne Personen oder Personengruppen unterschiedlich darstellen können, mit anderen Worten, der Staat bestimmte Personen und/oder Gruppen von Personen in einem Teil seines Staatsgebietes verfolgt, während er sie anderenorts mehr oder weniger unbehelligt lässt. Der von dem Bundesverfassungsgericht so bezeichneten "Zwiegesichtigkeit des Staates" (BVerfGE 80, 315 ff.) trägt Art. 8 QRL Rechnung, indem dem Flüchtling ohne Differenzierung nach regional oder örtlich begrenzter Verfolgung eine Rückkehr in einen anderen Landesteil seines Heimatstaates nur dann, und zwar im Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag, zugemutet wird, wenn dort für ihn keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält, wobei sich nach Art. 8 Abs. 2 QRL eine rein generalisierende Prüfung verbietet. Vielmehr ist bei Auslegung des Tatbestandsmerkmals "vernünftigerweise erwartet werden kann" (Art. 8 Abs. 1 QRL) unter Anlegung objektiver Maßstäbe zu prüfen, wie sich ein durchschnittlich vernünftiger Mensch in der Situation des Flüchtlings verhalten würde und bei der Frage, ob dieses vernünftige Verhalten von dem konkreten Flüchtling auch tatsächlich erwartet werden kann, seine persönlichen Besonderheiten zu berücksichtigen sind.

War nach bisheriger Rechtsprechung bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft insbesondere zur Ermittlung der anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe unter zeitlichen Gesichtspunkten grundsätzlich eine doppelte Prüfung vorzunehmen, nämlich ob die Flüchtlingseigenschaft sowohl im Zeitpunkt der Ausreise als auch im Zeitpunkt der gedachten Rückkehr landesweit anzunehmen war bzw. ist, stehen dem nunmehr der Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 QRL sowie seine systematische Stellung zu Art. 4 Abs. 4 QRL entgegen.

Art. 4 Abs. 4 QRL stellt ausschließlich darauf ab, dass der Antragsteller - im Zeitpunkt der Ausreise - bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ohne hierbei das Institut des internen Schutzes - mit der Konsequenz der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 13 QRL) - mit in den Blick zu nehmen. Ob eine angenommene Vorverfolgung bei regional oder örtlich begrenzten Verfolgungsmaßnahmen auch zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt, ist gemäß Art. 8 Abs. 2 QRL nach Prüfung der Voraussetzungen des internen Schutzes zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu entscheiden. Mit anderen Worten, es reicht für die Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 4 QRL die Tatsache, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Ausreise, und sei es nur in einem Teil seines Heimatstaates, verfolgt war oder unmittelbar von Verfolgung bedroht war, während für die Beantwortung der Frage, ob dies auch zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt, im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag, im gerichtlichen Verfahren also in der Regel im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG), gemäß den von Art. 8 QRL angelegten Vorgaben zu prüfen ist, ob eine interne Schutzmöglichkeit für den Verfolgten besteht oder nicht.

Da Art. 8 Abs. 2 QRL, wie bereits ausgeführt, hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des internen Schutzes auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abstellt, ohne hierbei bei der Frage der Vorverfolgung (Art. 4 Abs. 4 QRL) Differenzierungen nach örtlich oder regional begrenzten Verfolgungssituationen vorzunehmen, verbietet bereits dieser systematische Zusammenhang eine Beibehaltung der richterrechtlich entwickelten Differenzierungen, die zur Konsequenz hatten, dass bei lediglich örtlich begrenzter Gruppenverfolgung die Prüfung internen Schutzes gerade im Fall der Rückkehr aus dem Ausland entfiel, da der Flüchtling voraussetzungsgemäß nicht - mehr - zu der verfolgten Gruppe gehörte.

Darüber hinaus stehen kompetenzrechtliche Gründe der Beibehaltung der genannten Differenzierungen zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung entgegen, da ihre Beibehaltung entgegen den Vorgaben der QRL (Art. 4 Abs. 4, Art. 8 QRL) zu einer Schlechterstellung der "nur" einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzten Flüchtlinge führen würde - in ihrem Fall würde das Vorliegen der Vorraussetzungen des Art. 8 QRL im Zeitpunkt der Rückkehr gerade nicht geprüft - und dies dem Ziel der QRL, verbindliche Mindestnormen für den Flüchtlingsschutz festlegen zu wollen (Art. 1 QRL), entgegenstünde.

Eine weitere Änderung nach Inkrafttreten der QRL stellt der Prüfungsumfang der existentiellen Gefährdungen am Ort des internen Schutzes dar. Unter Geltung der QRL entfällt nämlich bei der Prüfung des internen Schutzes hinsichtlich der dort zu beachtenden existentiellen Gefährdungen die bisher von der Rechtsprechung geforderte vergleichende Betrachtung - eine inländische Fluchtalternative konnte bisher bei Vorliegen existentieller Gefährdungen dort nur dann angenommen werden, wenn diese so am Herkunftsort nicht bestünden (BVerfGE 80, 315 ff.) -, da eine derartige vergleichende Betrachtung Art. 8 QRL fremd ist. Dementsprechend gehen auch sowohl die amtliche Begründung zu dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 3. Januar 2006 als auch die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 13. Oktober 2006 davon aus, dass der Flüchtling am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinden muss, d.h., es muss zumindest das Existenzminimum gewährleistet sein, und dies auch dann gilt, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind."

Zu dieser Einschätzung hinsichtlich der anzuwendenden Prognosemaßstäbe, des maßgeblichen Zeitpunktes der Entscheidung sowie des für das Vorliegen eines internen Schutzes anzulegenden Prüfprogramms gelangt der Senat auch unter Berücksichtigung der von dem Bundesbeauftragten in Bezug genommenen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 4. Januar 2007 - 1 B 47.03 - sowie unter Auseinandersetzung mit den von der Beklagten und dem Beteiligten eingeführten Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte mit ihren Schriftsätzen vom 3. August 2004 (Bl. 143 ff. GA), 8. März 2006 (Bl. 164 GA) und 26. November 2007 (Bl. 197 GA) sowie unter Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Beteiligten, insbesondere in seinen Schriftsätzen vom 23. Juli 2004 (Bl. 129 GA), 20. März 2006 (Bl. 169 GA), 3. April 2008 (Bl. 236 GA) und dem in dem Parallelverfahren 3 UE 459/06.A eingereichten Schriftsatz vom 12. November 2007 (dort Bl. 166 GA).

Dabei weist der Beteiligte in seinen Schriftsätzen vom 12. November 2007 (3 UE 459/06.A, Bl. 166 GA) und 3. April 2008 (Bl. 236 GA) darauf hin, es sei nicht erkennbar, dass sich durch das Inkrafttreten der QRL an den richterrechtlich entwickelten Grundsätzen, insbesondere hinsichtlich der Differenzierung von örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen, etwas geändert habe. Bei der Verfolgung der Kläger habe es sich allenfalls um eine örtlich begrenzte Gruppenverfolgung gehandelt, wobei der Beschluss des BVerwG vom 4. Januar 2007 - 1 B 47.06 -, der zeitlich lange nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die Qualifikationsrichtlinie ergangen sei, zeige, dass auch das BVerwG den Typus der örtlich begrenzten Gruppenverfolgung nicht für überholt halte. Vielmehr sei in dem Beschluss zutreffend darauf hingewiesen worden, dass möglicherweise zwar bis zur Ausreise die dort lebenden Tschetschenen als zur verfolgten Gruppe gehörig zu zählen gewesen seien. Wer aus dem Ausland zurückkehre, könne aber von vornherein nicht (mehr) zur verfolgten Gruppe gezählt werden, da nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Rückkehr nicht ausschließlich nach Tschetschenien in Betracht komme, und es daher auf die weiteren Voraussetzungen für eine etwaige inländische Fluchtalternative außerhalb Tschetscheniens nicht ankomme. Auch nach heutiger Rechtslage sei das Vorhandensein einer inländischen Fluchtalternative im Zeitpunkt der Ausreise zu prüfen, hieran habe die QRL nichts geändert.

Der Senat folgt dieser Auffassung hinsichtlich der durch die QRL eingetretenen Änderungen aus den oben ausgeführten Gründen nicht, insbesondere weil die Beibehaltung der richterrechtlich entwickelten Differenzierungen zwischen örtlich und regional bedingter Gruppenverfolgung im Vergleich zu den Vorgaben der QRL zu einer Schlechterstellung der "nur" einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung unterliegenden Flüchtlinge führen würde, da bei diesen - entgegen den Vorgaben des Art. 8 Abs. 2 QRL - die interne Schutzmöglichkeit und deren Zumutbarkeit im Zeitpunkt der Rückkehr gerade nicht geprüft würde.

Hinsichtlich der von der Beklagten angeführten anderen obergerichtlichen Entscheidungen, die sich mit den Differenzierungen zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung, den danach anzuwendenden Prüfungsmaßstäben sowie allgemein mit der Situation tschetschenischer Binnenvertriebener in der Russischen Föderation befassen, sieht der Senat von einer differenzierten Ausführung zu den dort gemachten Feststellungen ab, da sich, wie bereits dargestellt, durch Umsetzung bzw. unmittelbare Anwendung der QRL die Prüfungskriterien für das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative/des internen Schutzes und der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz maßgeblich verändert haben und die von der Beklagten aufgeführten Entscheidungen anderer Obergerichte daher für den Senat nicht mehr von entscheidender Bedeutung sind. Gleiches hat für die tatsächlichen Verhältnisse in der Russischen Föderation und dort insbesondere in Tschetschenien zu gelten, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahmen in den Verfahren 3 UE 455/06.A, 3 UE 457/06.A sowie in dem Verfahren 3 UE 191/07.A - die im Rahmen der Beweisaufnahme eingeholten Stellungnahmen sind auch zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht worden - entscheidungserhebliche Veränderung erfahren haben.

Unter Zugrundelegung der oben genannten Prüfungsmaßstäbe sind die Kläger vorverfolgt im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL aus ihrer Heimatregion Tschetschenien ausgereist, da dort ihr Leben und ihre Freiheit im Zeitpunkt ihrer Ausreise im August 2001 allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der aus Tschetschenien stammenden Kaukasier unmittelbar bedroht war (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, Art. 4 Abs. 4 QRL).

Die Bedrohung der Kläger ging dabei unmittelbar aus von staatlichen Stellen (§ 60 Abs. 1 Satz 4 a AufenthG), nämlich den dort stationierten russischen Einheiten und Sicherheitskräften, die in der Bekämpfung der tschetschenischen Rebellen bzw. Separatisten weit über das hinaus gegangen sind, was unter dem Gesichtspunkt einer legitimen Terrorismusbekämpfung bzw. der legitimen Bekämpfung von Separatismusbestrebungen eines Staates hingenommen werden kann (BVerfG, Beschluss vom 15.02.2000, 2 BvR 752/97, in juris-online; BVerwG, Urteil vom 25.07.2007, 9 C 28/99, in juris-online), wobei die tschetschenische Zivilbevölkerung gezielten Drangsalierungen, willkürlichen Verhaftungen, Verschleppungen, Verfolgungen bis hin zu Mord, Folterungen und Vergewaltigungen ausgesetzt war (vgl. auch AA, Ad hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Tschetschenien) vom 15.11.2000; ebenso AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 28. August 2001). Hierbei hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung an seiner Einschätzung der Situation in Tschetschenien im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger fest. Hierzu hatte der Senat in dem durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Januar 2007 - 4 B 47.06 - aufgehobenen Urteil vom 2. Februar 2006 - 3 UE 3021/03.A - ausgeführt:

"Aus Anlass des Einfalls tschetschenischer Rebellengruppen in Dagestan und der Ausrufung eines islamischen Staates dort sowie Bombenattentaten auf ein Einkaufszentrum und ein Wohnhaus in Moskau, die von Seiten der russischen Regierung tschetschenischen Rebellen zugeschrieben wurden, aber auch im Hinblick auf den Präsidentschaftswahlkampf in der Russischen Föderation setzte die Führung der Russischen Föderation ab September 1999 Bodentruppen, Artillerie und Luftwaffe in Tschetschenien ein mit dem erklärten Ziel, die tschetschenischen Rebellengruppen zu vernichten, die das Ziel der Unabhängigkeit Tschetscheniens und die Errichtung eines islamischen Staates anstrebten. Im Verlauf der Kämpfe brachte die russische Armee Anfang des Jahres 2000 Grozny, das dabei fast völlig zerstört worden ist, und im Frühjahr des Jahres 2000 große Teile Tschetscheniens unter ihre Kontrolle. Die Rebellengruppen zogen sich in die südlichen Bergregionen zurück; sie sind seitdem zum Partisanenkrieg und zu terroristischen Anschlägen übergegangen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.04.2001; Bundesamt, Der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001; UNHCR, Stellungnahme über Asylsuchende aus der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Lage in Tschetschenien, Januar 2002). Die russische Armee ihrerseits ging unter dem Vorwand der Terroristenbekämpfung mit äußerster Brutalität auch gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien vor, die zum damaligen Zeitpunkt nach Schätzungen bereits im Wesentlichen aus tschetschenischen Volkszugehörigen bestand (vgl. UNHCR, Stellungnahme über Asylsuchende aus der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Lage in Tschetschenien, Januar 2002).

Schon zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges im September 1999 ist es zu großen Fluchtbewegungen gekommen. Aufgrund des Einmarschs der russischen Armeeeinheiten und der Bombardierung der Städte flohen große Teile der Bevölkerung aus ihren Wohnorten in Tschetschenien. Die russische Armee hinderte die Flüchtlinge zum Teil bereits am Verlassen des Kampfgebietes, teilweise am Übertritt in die Nachbarrepubliken wie Inguschetien (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 15. Februar 2000). Dabei wurden auch Flüchtlingstrecks von der russischen Luftwaffe angegriffen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass von den zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges in Tschetschenien lebenden 450.000 Einwohnern 350.000 gewaltsam aus ihren Wohnorten vertrieben worden sind, davon 160.000 an andere Orte in Tschetschenien und die übrigen in andere Teile der Russischen Föderation und das Ausland (UNHCR, Stellungnahme über Asylsuchende aus der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Lage in Tschetschenien, Januar 2002; Bundesamt, Russische Föderation, Checkliste Tschetschenien, August 2003). Die russischen Armeeeinheiten haben, wie schon im ersten Tschetschenienkrieg, an vielen Orten in Tschetschenien sogenannte Filtrationslager eingerichtet. In diese Lager wurden wahllos tschetschenische Einwohner gebracht, wo nach den Erklärungen der russischen Stellen Terroristen aufgespürt werden sollten. In den Lagern wurden die tschetschenischen Volkszugehörigen systematisch misshandelt, vergewaltigt, gefoltert und getötet (ai, Stellungnahme vom 08.10.2001; Stellungnahme des Europäischen Parlaments zur Lage in Tschetschenien vom 08.03.2001). Internationale und russische Menschenorganisationen (z.B. Human Right Watch-Bericht vom 18. Februar 2000, ai Bericht vom 22. Dezember 1999 sowie Nachforschungen der Russischen Menschenorganisation "Memorial") gingen aufgrund von Augenzeugenberichten zunächst von dem Betreiben mindestens eines solchen russischen "Filtrationslagers" an der Grenze zwischen Inguschetien und Tschetschenien aus. Dort soll es abgeschirmt von der Öffentlichkeit zu Folterungen (z.B. Elektroschocks, Schläge u.a. auf den Kopf und den Rücken mit Metallhammer) durch russische Spezialkräfte gekommen sein. Durch Augenzeugenberichte und aufgrund von Filmaufnahmen musste dann jedoch davon ausgegangen werden, dass es in und um Grozny weitere Filtrationslager gab, in denen auch systematisch gefoltert wurde, u.a. in dem Gefängnis Tschernokosowo, nördlich von Grozny. Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Gil-Robles, konnte bei seinem Besuch in Tschetschenien zwar auch Haftanstalten besuchen, ihm wurden jedoch ausschließlich frisch gestrichene Zellen gezeigt und Gespräche mit Gefangenen nur in Anwesenheit von russischen Bewachern erlaubt. Die Foltervorwürfe konnten dadurch nicht widerlegt werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 22. Mai 2000). Auf der Suche nach Terroristen überfielen russische Militäreinheiten ganze Dörfer, nahmen deren Bewohner willkürlich fest und misshandelten sie (ai vom 20.02.2002 an VG Braunschweig). Gespräche mit Flüchtlingen in den Lagern Inguschetiens haben die Greultaten der russischen Armee bestätigt. Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen waren gravierend. Es kam zu willkürlichen Racheakten an der Zivilbevölkerung. Bei einer Explosion auf einem belebten Markt in Grozny am 21. Oktober 1999 kamen nach Augenzeugenberichten 140 Menschen ums Leben, 400 wurden zum Teil schwer verletzt. Widersprüchliche Angaben gibt es über die Täter und deren Motive. Recherchen von internationalen Menschenrechtsorganisationen (Human Rights Watch, Bericht vom 20.01.2000) und Äußerungen von Angehörigen russischer Spezialkräfte legen die Vermutungen sehr nahe, dass es sich bei dieser Tat um eine "Sonderkommandoaktion" russischer Spezialkräfte handelte, die auf dem Marktplatz Waffen und Sprengstoff tschetschenischer Rebellen vermuteten. Frauen berichteten gegenüber Vertreterinnen von internationalen Hilfsorganisationen von Vergewaltigungen seitens russischer Soldaten bei der Eroberung von Ortschaften in Tschetschenien, so z.B. bei der Einnahme der Ortschaft Alkhan-Yurt, südwestlich von Grozny im Dezember 1999 durch russische Verbände. Dabei soll es auch Exekutionen (41 Opfer), Plünderungen und Brandstiftungen unter der Zivilbevölkerung gegeben haben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 22. Mai 2000). Kriegsverbrechen und Massaker blieben ungesühnt, da die russische Führung kein Interesse an einer Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung zeigte (Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Russische Föderation, der Tschetschenienkonflikt, Stand Januar 2001). Im Zusammenhang mit dem Militäreinsatz der russischen Armee in Tschetschenien berichteten internationale (z.B. Human Rights Watch) und russische (z.B. Memorial) Menschenrechtsorganisationen über massive Rechtsverletzungen (willkürliche Tötungen von Zivilisten, Folter, zahlreiche Vergewaltigungen, Geiselnahme und Plünderungen) durch die russischen Streitkräfte, aber auch durch die tschetschenischen Partisanen. Bestand der Verdacht, dass sich in einem Dorf Rebellen versteckt halten, fanden Säuberungsaktionen durch russische Soldaten statt. Die Männer wurden auf körperliche Spuren von Kampfhandlungen untersucht, der Ort geplündert und oftmals kam es zu Gewaltanwendungen gegenüber der Bevölkerung (vgl. Bundesamt, Russische Föderation, der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001).

Angesichts dieses trotz der weitgehenden Behinderung unabhängiger Berichterstattung durch die Behörden in vielen Einzelheiten dokumentierten Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien und der dabei erfolgenden massenhaften und massiven Verletzung asylrechtlich geschützter Rechtsgüter ist davon auszugehen, dass tschetschenische Volkszugehörige in Tschetschenien unabhängig davon, ob bei ihnen der konkrete Verdacht der Unterstützung von separatistischen Gruppierungen bestand, unmittelbar und jederzeit damit rechnen mussten, selbst Opfer der Übergriffe der russischen Armeeeinheiten zu werden, weshalb davon auszugehen ist, dass sie im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger einer gegen sie als tschetschenische Volkszugehörige gerichteten - örtlich begrenzten - Gruppenverfolgung unterlagen (ebenso OVG Bremen, Urteil vom 23. März 2005 Az.: 2 A 116/03.A; VG Kassel, Urteil vom 15.04.2003 Az.: 2 E 802/02.A unter Hinweis auf weitere erstinstanzliche Rechtsprechungen; die Frage der Vorverfolgung offen lassend Bay. VGH, Urteil vom 31.01.2005 Az.: 11 B 02.31597; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.07.2005 Az.: 11 A 2307/03.A; OVG des Saarlands, Urteil vom 23.06.2005 Az.: 2 R 17.03; anderer Auffassung insoweit auch das Vorliegen einer regionalen Gruppenverfolgung verneinend: Thüringer OVG, Urteil vom 16.12.2004 - 3 KO 1003/04 -).

Der Senat hält hierbei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Bremen (Urteil vom 23. März 2005 - 2 A 116/03.A -) auch das für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Kriterium der Verfolgungsdichte für gegeben. Er legt zugrunde, dass aufgrund der in den bezeichneten Berichten seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges geschilderten unzähligen und durchgehenden und ihrer Intensität nach asylerheblichen Vorkommnisse gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung eine derartige Verfolgungsdichte besteht, dass jeder Tschetschene und jede Tschetschenin im Alter der Kläger ein den genannten Vergleichsfällen entsprechendes Verfolgungsschicksal für sich befürchten musste (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 185.94 - NVwZ 95, 175) und es den Tschetschenen bei objektiver Betrachtung der in Tschetschenien aus den genannten Vorkommnissen herzuleitenden Gefährdungslage nicht zumutbar war, dort zu verbleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.1991 - 9 C 154.80 - NVwZ 92, 578; BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991 - 2 BvR 902/85, 518.89, BVerfGE 83, 219; OVG Bremen, Urteil vom 23.03.2005 - 2 A 116/03.A - in juris-online). Dabei hat das OVG Bremen in der bereits zitierten Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Zahl der von den asylerheblichen Eingriffen der genannten Art in Tschetschenien Betroffenen nicht exakt beziffert werden kann. Nach der geschätzten Bevölkerungsentwicklung in Tschetschenien und unter Abzug der von den Eingriffen nicht betroffenen jüngeren Kinder dürfte sie sich auf unter 400.000 Personen belaufen. Bei der Volkszählung 1998 wurden in der noch ungeteilten Republik 734.000 Tschetschenen gezählt (UNHCR, Januar 2002). Anfang 2002 lebten wegen des nur durch eine dreijährige Pause unterbrochenen jahrelangen Krieges in Tschetschenien schon aus der Zeit vor dem neuerlichen Tschetschenienkrieg ca. 600.000 der insgesamt 1.000.000 Tschetschenen nicht in Tschetschenien, sondern in anderen russischen Regionen bzw. GUS-Staaten (vgl. Auswärtiges Amt, Ad hoc-Bericht vom 07.05.2002). Die Volkszählung im Oktober 2002 ergab nach offiziellen Angaben zwar eine Zahl von über 1.000.000 in Tschetschenien, der aber nicht gefolgt werden kann, nachdem unabhängige Beobachter und Nichtregierungsorganisationen diesem Ergebnis sehr kritisch gegenüberstehen und teilweise von einer Mehrfachregistrierung von Personen ausgehen, deren Gründe in finanziellen Anreizen der Registrierung und in der Furcht vor Säuberungsaktionen bei zu geringer Zahl in Tschetschenien liegen könnten. Vorherige Schätzungen waren von einer durch Flüchtlinge, Auswanderung und Kriegsopfer erheblich gesunkenen Einwohnerzahl für Tschetschenien ausgegangen und hatten zwischen 450.000 bis 800.000 Tschetschenen in Tschetschenien geschwankt (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 27.11.2002, 16.02.2004, 13.12.2004, 30.08.2005; OVG Bremen, Urteil vom 23. März 2005, a.a.O.). Im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger musste die in Tschetschenien verbliebene Zivilbevölkerung davon ausgehen, jederzeit in die oben beschriebenen Verfolgungsmaßnahmen der russischen Sicherheitskräfte verwickelt zu werden, sodass die für die Annahme einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung geforderte Verfolgungsdichte zu bejahen ist."

Diese Feststellungen haben auch für den Kläger zu gelten, der im Zeitpunkt seiner Ausreise aus Tschetschenien im August 2001 als ethnischer Armenier, der in Tschetschenien geboren wurde und dort bis zu seiner Flucht gelebt hat und keiner anderen Situation ausgesetzt war als die aus Tschetschenien geflohenen ethnischen Tschetschenen.

Hinsichtlich der Klägerin als ethnischer Tschetschenin (die Klägerin ist väterlicherseits Tschetschenin und mütterlicherseits Russin) haben insoweit ohnehin keine Besonderheiten zu gelten.

Dabei gehört der Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG der sozialen Gruppe der aus Tschetschenien stammenden Kaukasier an, die allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe von den russischen Sicherheitskräften mit den oben beschriebenen flüchtlingsrelevanten Maßnahmen überzogen wurden.

Das Verfolgungsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe gehört zu den ursprünglich in der Genfer Konvention niedergelegten Verfolgungsmerkmalen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand Februar 2006, § 60 Rdnr. 46). Gemäß Art. 10 Abs. 1 d) QRL gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Die Definition der Richtlinie entspricht dabei einem in der anglo-amerikanischen Rechtsprechung entwickelten Ansatz, der das Merkmal der sozialen Gruppe durch identitätsprägende gemeinsame Merkmale kennzeichnet, die so grundlegend sind, dass niemand gezwungen werden darf, sie aufzugeben, sofern es sich nicht ohnedies um unveränderliche Merkmale handelt (vgl. Hailbronner, a. a. O., § 60 Rdnr. 48 m. w. N.). Erforderlich ist dabei eine deutlich abgegrenzte Identität, die als solche von der sie umgebenden Gesellschaft wahrgenommen wird und wegen der Andersartigkeit zu einer Schutzlosigkeit bzw. zu Verfolgungsmaßnahmen führt. Die Richtlinie stellt insoweit maßgeblich auf die Wahrnehmung als "andersartig" durch die Gesellschaft ab. Maßgeblich ist, ob eine Gruppe in diesem Sinne wegen der gemeinsamen Merkmale oder Überzeugungen als eine abgegrenzte Gruppe mit gemeinsamer Identität wahrgenommen wird, wobei die Mitglieder der Gruppe auch objektiv, d. h. ohne Rücksicht auf die Einschätzung durch die Gesellschaft, durch die Gemeinsamkeit von Merkmalen oder Überzeugungen oder sonstigen Merkmalen in ihrer Identität geprägt sein muss (vgl. Hailbronner, a. a. O., § 60 Rdnr. 49).

Unter Anlegung dieser Maßstäbe sind die in Tschetschenien geborenen kaukasischen Volkszugehörigen, mithin Tschetschenen, Armenier, Tscherkessen und andere kaukasische Volksgruppen, die in Tschetschenien während des Tschetschenienkrieges dort noch gelebt haben, als soziale Gruppe im Sinne des Art. 10 Abs. 1 d) QRL einzustufen, da sie von Seiten der russischen Sicherheitskräfte ohne weitere Differenzierung hinsichtlich ihrer konkreten Ethnie und ohne dass sie die Möglichkeit gehabt hätten, sich aufgrund ihrer armenischen Volkszugehörigkeit den Übergriffen durch die russischen Sicherheitskräfte und Soldaten zu entziehen, als Gruppe angesehen und eingestuft wurden und mit den oben beschriebenen flüchtlingsrelevanten Maßnahmen ebenso wie die ethnischen Tschetschenen überzogen worden sind. Nach Auswertung des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials geht der Senat nämlich davon aus, dass der Kläger als armenischer Volkszugehöriger aus Tschetschenien im Zeitpunkt seiner Ausreise von den russischen Sicherheitskräften keiner anderen, insbesondere keiner milderen Behandlung unterworfen worden ist als die dort lebenden tschetschenischen Volkszugehörigen. Dies folgt bereits daraus, dass die von den russischen Sicherheitskräften verübten, flüchtlingsrelevanten Übergriffe teils in der Bombardierung von Siedlungen, teils in der wahllosen Verhaftung von dort ansässigen Personen etc. bestanden, Maßnahmen, bei denen auf Grund ihres flächendeckenden Charakters eine Differenzierung nach unterschiedlichen Ethnien nicht denkbar ist. Dabei ist auch davon auszugehen, dass die russischen Sicherheitsbehörden denjenigen Kaukasiern, egal welcher konkreten Ethnie sie angehörten, die auch noch während des 2. Tschetschenienkrieges dort verblieben sind, unterstellt haben dürften, im Zweifelsfalle mit den Rebellen unter einer Decke zu stecken.

Die Gruppe der Kaukasier hat auch in der Russischen Föderation eine deutlich abgegrenzte Identität, was insbesondere darin zum Ausdruck kommt, dass sie von anderen Bewohnern der Russischen Föderation als "Schwarze" bzw. "Dunkelhäutige" bezeichnet und degradiert (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 13.01.2008) bzw. als "Schwarzärsche" diffamiert werden (Prof. Dr. Luchterhandt, 09.05.2007 an Hess. VGH).

Dem Umstand, dass der Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise insbesondere wegen seiner christlichen Religionszugehörigkeit, gegebenenfalls aber auch wegen seiner besonderen Stellung zu den ethnischen Russen (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH, Bl. 212 GA) auch von ethnischen Tschetschenen drangsaliert und bedrängt worden ist, kommt dabei keine besondere Bedeutung zu. Dies bereits deshalb nicht, weil die Maßnahmen in der für die Anerkennung einer Verfolgung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL relevanten Verfolgungsdichte bereits allein durch das Vorgehen der russischen Einheiten (militärische Einheiten und sonstige Sicherheitskräfte) verwirklicht worden sind, die Gefährdungen durch ethnische Tschetschenen, soweit sie überhaupt als flüchtlingsrelevant angesehen werden sollten, also lediglich noch hinzukämen, ohne dass dies flüchtlingsrechtlich von eigenständiger und entscheidender Bedeutung wäre.

Die Kläger sind jedoch zusätzlich zu den festgestellten gruppenrelevanten Verfolgungsmaßnahmen auch aus individuellen Gründen als vorverfolgt ausgereist anzusehen.

Der Senat glaubt dem Kläger, dass er insgesamt zweimal, einmal Anfang des Jahres 2000 und dann von April 2001 bis August 2001 gemeinsam mit seinem Bruder, dem Kläger des Verfahrens 3 UE 459/06.A durch russische Sicherheitskräfte verhaftet worden ist und jeweils mit flüchtlingsrelevanten Maßnahmen überzogen worden ist. Ebenso glaubt der Senat der Klägerin, dass sie Anfang des Jahres 2000 gemeinsam mit dem Kläger sowie dem Bruder des Klägers (3 UE 459/06.A) verhaftet und mit flüchtlingsrelevanten Maßnahmen überzogen worden ist und schließlich während der zweiten Inhaftierung des Klägers von den russischen Sicherheitskräften bedrängt worden ist.

Dabei hat der Kläger glaubhaft und in Übereinstimmung mit den Aussagen der Klägerin sowie seines Bruders vorgetragen, sie, d. h. die beiden Brüder sowie die Klägerin seien bereits einmal im Februar 2000 inhaftiert gewesen. Damals sei ihr Dorf durch Bomben und Granaten zu 90 % zerstört worden, nach dem Angriff seien sie aus ihrem Haus herausgegangen, um nach den Eltern zu suchen. Als sie auf dem Rückweg gewesen seien, seien sie festgenommen worden und zu einem Militärposten gebracht worden, wo kontrolliert worden sei, ob sie Kämpfer seien. Man habe ihren Körper nach Narben oder Flecken abgesucht, so sei beispielsweise an der Schulter nachgesehen worden, ob dort Flecken vom Tragen eines Gewehrs oder in der Schulter vom Abschießen eines Gewehres zu sehen seien. Dabei seien einige Stunden vergangen. Sie seien dann in Erdlöcher gesteckt worden, wo sie hätten übernachten müssen. Aus ihren Pässen sei zwar zu ersehen gewesen, dass sie Armenier seien, der Leiter der Abteilung habe ihnen dies jedoch nicht geglaubt und die Pässe zerrissen. Sein Bruder, also der Kläger des unter dem Az. 3 UE 459/06.A geführten Verfahrens, habe sich ausziehen müssen, es sei bei ihnen jedoch nichts festgestellt worden, was auf eine Mitgliedschaft bei den Kämpfern habe hindeuten können. Seiner Frau, der Klägerin, sei anlässlich dieser Festnahme vorgeworfen worden, eine Scharfschützin zu sein. Dabei habe einer der Sicherheitsleute angefangen, seine Frau mit dem Messer zu bedrohen und habe ihr gegenüber auch Schimpfworte benutzt. Er habe dann seine Frau mit dem Messer verletzt und ein anderer Russe habe von ihr verlangt, sich auszuziehen. Dies alles habe er nicht länger aushalten können und habe die Russen angegriffen. Er habe ihnen gesagt, sie sollten seine Frau in Ruhe lassen, sie sei schwanger. Daraufhin sei seine Frau weggeschubst worden, und sie hätten angefangen, ihn und seinen Bruder zu verprügeln, sie seien fast bewusstlos geschlagen worden. Ihm selbst sei der Kiefer und die Nase gebrochen worden, auch sein Bruder habe am Boden in seinem Blut gelegen. Seine Frau habe dann eine Fehlgeburt erlitten. Grund für ihre Ausreise sei die Tatsache, dass sie im Gefängnis gewesen seien und als Terroristen beschuldigt worden seien. Ihm selbst sei vorgeworfen worden, Minen verlegt zu haben; dies sei im April 2001 gewesen. Im Gefängnis sei er misshandelt, geprügelt und gezwungen worden, alles zuzugeben. Sie seien dort sehr schlecht behandelt worden, so seien sie zum Beispiel auch mit Frauennamen gerufen und sonst erniedrigt worden. Es habe dort auch Vergewaltigungen gegeben. Er habe dann gemeinsam mit seinem Bruder durch Geldzahlung an einen Wachhabenden fliehen können.

Diese Aussagen werden bestätigt durch die Angaben der Klägerin, die zudem berichtete, nach der Verhaftung ihres Mannes sowie ihres Schwagers im April 2001 große Angst um sie gehabt zu haben und damals auch von Tschetschenen belästigt worden zu sein. Sie sei zu diesem Zeitpunkt zum zweiten Mal schwanger gewesen und habe große Angst gehabt, erneut ihr Kind zu verlieren. Sie sei immer wieder belästigt worden, und zwar von den tschetschenischen Wahabiten, die sie für eine Russin gehalten hätten und andererseits von den Russen, die sie für eine Tschetschenin gehalten hätten, so dass sie von beiden Seiten bedrängt worden sei.

Dies entspricht dem Vortrag des Bruders des Klägers in dem Verfahren 3 UE 459/06.A, der dort im Wesentlichen berichtet hat, anlässlich einer Sicherheitskontrolle Anfang des Jahres 2000 gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Schwägerin von russischen Soldaten festgenommen worden, geschlagen und in ein Erdloch gesteckt worden zu sein, in dem es sehr kalt gewesen sei und in dem auch Wasser gestanden habe. Seine Schwägerin sei dabei so stark geschlagen worden, dass sie eine Fehlgeburt erlitten habe. Er gehe davon aus, dass er festgenommen und geschlagen worden sei, weil er nicht rasiert gewesen sei und die Russen ihn für einen Kämpfer gehalten hätten. Dass andere Mal sei er gemeinsam mit seinem Bruder in ein Filtrationslager gesteckt worden. Dies sei von April 2001 bis zum 16. August 2001 gewesen, sie seien gemeinsam unterwegs gewesen und hätte ihre Dokumente nicht dabei gehabt. Sie seien für tschetschenische Kämpfer gehalten und auf der Straße festgenommen worden. Ihnen sei vorgeworfen worden, in der Straße Minen verlegt zu haben, und sie seien dann in dem Lager festgehalten worden. Er selbst sei auch von den Soldaten verletzt worden. Die Soldaten seien betrunken gewesen und seien in die Zelle gekommen, in der er untergebracht gewesen sei. Sie hätten angefangen, ihn zu schlagen und hätten verlangt, dass er sich ausziehe. Es seien dort noch zwei andere junge Männer mit in der Zelle gewesen, die ebenfalls aufgefordert worden seien, sich auszuziehen. Die anderen hätten dies zwar getan, er habe sich jedoch geweigert. Deshalb sei er von den Soldaten weiter geschlagen und geprügelt worden, einer der Soldaten habe ihn mit dem Messer am Oberschenkel schwer verletzt, es sei eine Arterie verletzt worden und er sei in ein Hospital gebracht worden.

Aufgrund der übereinstimmenden Aussagen der Kläger in diesem Verfahren sowie des Klägers in dem Verfahren 3 UE 459/06.A ist der Senat davon überzeugt, dass die Kläger tatsächlich Opfer der oben beschriebenen Übergriffe geworden sind, wobei die Klägerin anlässlich der Verhaftung im Februar 2000 erniedrigender und menschenrechtswidriger Behandlung durch die russischen Sicherheitskräfte ausgesetzt war und der Kläger sowohl anlässlich seiner Verhaftung im Februar 2000 als auch seiner Inhaftierung in dem Filtrationslager von April 2001 August 2001 Opfer von körperlichen Übergriffen durch die russischen Sicherheitskräfte geworden ist.

Zu dieser Einschätzung gelangt der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid sowie insbesondere des Beteiligten in seinem Schriftsatz vom 3. April 2008 (Bl. 236 GA).

Soweit der Beteiligte in seinem Schriftsatz vom 3. April 2008 sinngemäß ausführt, allein der Umstand der Klagerücknahme bezüglich Art. 16 a GG belege, dass die Schilderungen in maßgeblichen Bereichen nicht zuträfen und dies wohl auch von der Klägerseite eingeräumt werde, ist dem entgegen zu halten, dass die Kläger nach entsprechender Erläuterung durch die Berichterstatterin hinsichtlich der rechtlichen Tragweite einer Asylanerkennung im Verhältnis zur Zuerkennung von Flüchtlingsschutz gem. § 60 Abs. 1 AufenthG in dem Erörterungstermin ihre Klage auf Zuerkennung von Asyl zurückgenommen haben, ohne dabei erkennbar ihren bisherigen Vortrag in Frage zu stellen. Zu Recht weist der Beteiligte in seinem Schriftsatz vom 3. April 2008 in dem Verfahren 3 UE 459/06.A (dort Bl. 219 GA), auf den er im vorliegenden Verfahren Bezug genommen hat (Bl. 236 GA), selbst darauf hin, es komme wohl nicht so sehr darauf an, dass sich bezüglich der Behauptung des Bruders des Klägers (3 UE 459/06.A), keinen sowjetischen/russischen Inlandspass zu besitzen, da er noch zu klein gewesen sei, ggf. noch weiterer Klärungsbedarf aufgedrängt habe. Dem stimmt der Senat im Ergebnis zu, da es für die Frage, ob diesem seine Inhaftierungen geglaubt werden können, nicht entscheidend darauf ankommt, ob er im Besitz eines sowjetischen/russischen Inlandspass war oder nicht, wobei dies ohnehin keine Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit des Klägers haben könnte. Im Übrigen hat der Bruder des Kläger im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt auf die Frage, ob er in seinem Heimatland Personalpapiere wie z. B. einen Pass, Passersatz oder einen Personalausweis besessen habe, geantwortet, zu Hause eine Geburtsurkunde gehabt zu haben. Sein Anwalt hat dann in seinem Schriftsatz vom 27. April 2004, der in allen drei Verfahren der Familie eingereicht wurde, ausgeführt, die Kläger, also die Eltern des Klägers sowie sein Bruder und die Klägerin, seien im Besitz sowjetischer Pässe gewesen, nur der Bruder habe keinen Pass gehabt, da er noch zu klein gewesen sei (Bl. 56 GA). Selbst wenn dem Beteiligten darin gefolgt werden kann, dass der Bruder des Klägers als 20-jähriger junger Mann ausweispflichtig gewesen ist, bedeutet dies weder, dass er seiner Ausweispflicht auch tatsächlich nachgekommen ist, noch dass, selbst wenn er einen Ausweis gehabt haben sollte, dies seinen gesamten Vortrag unglaubhaft macht.

Auch soweit der Beteiligte die Unglaubwürdigkeit des Klägers aus den Umständen seiner Freilassung bzw. der Lage des von ihm so bezeichneten "Hospitals" bzw. Lazaretts ableiten will, folgt dem der Senat nicht. Soweit der Beteiligte zur Beschreibung der Zustände in den Filtrationslagern auf Erkenntnisse von Human Rights Watch "Welcome to Hell" (http://www.hrw.org/reports/2000/russia_chenya4/>; vgl. Bl. 221 GA 3UE 459/06.A), "Ursus-Martan - arbitrainess, beating, tortures" (http://www.memo.ru/eng/hr/ursus1.htm) und "War Crimes and Human Rights Violations in Chenya (http://www.crimesofwar.org/expert/chech-oleg.htlm) verweist, handelt es sich um gerichtlicherseits nicht verwertbare Auskünfte, da sie nicht in deutscher Sprache vorgelegt worden sind (§ 184 GVG). Allerdings sind dem Senat die Verhältnisse in den von den russischen Sicherheitskräften eingerichteten Filtrationslagern bekannt. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes in seinem Ad hoc Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Tschetschenien) vom 27. November 2002 berichteten 1999 und 2000 internationale und russische Menschenrechtsorganisationen über die Einrichtung sogenannter Filtrationslager oder -punkte. Nach russischer Lesart dienten sie dem Zweck, tschetschenische Terroristen unter den Flüchtlingen aufzuspüren. Die genannten Menschenrechtsorganisationen gingen aufgrund von Augenzeugenberichten zunächst von dem Betreiben mindestens eines solchen russischen "Filtrationslagers" an der Grenze zwischen Inguschetien und Tschetschenien aus. Dort soll es abgeschirmt von der Öffentlichkeit zu Folterungen (z.B. Elektroschocks, Schläge u. a. auf den Kopf und den Rücken mit Metallhammer und Vergewaltigungen) durch russische Spezialkräfte gekommen sein. Inzwischen könne auf Grund von Augenzeugenberichten und auch Filmaufnahmen davon ausgegangen werden, dass es in und um Grosny weitere Filtrationslager gebe, in denen auch systematisch gefoltert werde. Darüber hinaus werde immer wieder über sogenannte "Filtrationspunkte" berichtet, die von russischen Sicherheitskräften und in vergleichbarer Art auch von tschetschenischen Rebellen unterhalten würden. Damit gemeint sei zum Beispiel, dass Gefangene glaubhaften Berichten zufolge in Erdlöchern gehalten worden seien (vgl. AA, Ad hoc Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Tschetschenien) vom 27.11.2002). Dabei geht der Senat davon aus, dass die von den russischen Sicherheitskräften betriebenen Filtrationslager und -punkte weder jemals vollständig erfasst worden sind noch die Ausgestaltung und Ausstattung der Lager im Detail auch heute noch einer exakten Überprüfung unterzogen werden können.

Zwar ist dem Beteiligten im Zusammenhang mit der Entlassung aus dem Filtrationslager bzw. dem "Hospital" darin beizupflichten, dass der Kläger in seiner Anhörung vor dem Bundesamt angegeben hat, das "Hospital", in dem sich sein Bruder befunden habe, habe sich außerhalb des Lagers befunden, während der Bruder des Kläger in dem Erörterungstermin vor der Berichterstatterin auf Befragung durch den Beklagtenvertreter erklärt hat, das "Hospital" sei innerhalb des Lagers gewesen. Diese Aussage hat er in dem Erörterungstermin jedoch selbst sogleich wieder relativiert, indem er erklärte, wie und wo er genau behandelt worden sei, könne er nicht sagen, da er auf Grund der ihm zugefügten Verletzung bewusstlos gewesen sei. Übereinstimmend haben wiederum der Bruder des Klägers in seiner Anhörung vor dem Bundesamt (Bl. 16 BA) sowie der Kläger in seiner Anhörung vor dem Bundesamt (Bl. 27 BA) angegeben, das "Hospital" habe sich in einem Zelt befunden, auf Befragen des Vertreters der Beklagten stimmte der Bruder des Kläger dahingehend zu, es habe sich um eine Art Lazarett gehandelt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Bruder des Klägers nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag anlässlich des versuchten oder vollendeten sexuellen Übergriffs durch die russischen Soldaten erheblich verletzt worden ist, legt der Senat auf die genaue Lagebezeichnung des sich in einem Zelt befindlichen Lazaretts kein übermäßiges Gewicht. In Anbetracht des von dem Bruder des Kläger geschilderten Verfolgungsschicksals mit erfolgtem oder unmittelbar drohendem sexuellen Übergriff durch die russischen Sicherheitskräfte ist für den Senat im Übrigen schwer nachzuvollziehen, wie der Beteiligte zu dem Hinweis kommt, dem Bruder des Klägers, der als Christ unbeschnitten sein müsse, dürfe es aller Voraussicht nach nicht schwerfallen, bei einer Kontrolle durch russische Sicherheitskräfte seine armenische Abstammung nachzuweisen (Bl. 168 GA, 3 UE 459/06.A).

Hinsichtlich der Umstände der Flucht glaubt der Senat den Ausführungen des Klägers, für Geld könne man in Tschetschenien alles bekommen (Bl. 28 BA), was auch der Auskunftslage entspricht.

Soweit der Beteiligte Unklarheiten im Sachverhalt darin erkennt, dass die Kläger nach ihrem Vortrag 1995 nach K. umgezogen seien und sich dort nicht als Christen zu erkennen gegeben hätten, was in Anbetracht der Tatsache, dass es sich dabei um ein kleines Dorf handele, nicht nachvollziehbar sei, folgt dem der Senat nicht. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Umgangssprache auch in Tschetschenien russisch sein dürfte, es also auf die fehlenden tschetschenischen Sprachkenntnisse der Kläger nicht ankommt, und die Umsiedlung der Kläger zu einem Zeitpunkt stattgefunden hat, zu dem anhaltend starke Binnenmigrationsbewegungen erfolgten, ist für den Senat nicht erkennbar, warum sich die Umsiedlung der Familie der Kläger nicht so zugetragen haben sollte, wie von ihnen beschrieben.

Auch teilt der Senat nicht die Auffassung des Beteiligten, die Schilderungen um das etwa eineinhalb Jahre vor der Ausreise liegende Geschehen um die Festnahme im Februar 2000 sei auffällig umfangreicher ausgefallen, als die angeblich dann zur Ausreise veranlassenden Ereignisse um die Festnahme in dem Filtrationslager. Insoweit kann auf den Tatbestand oben unter I. verwiesen werden. Im Übrigen hätte es dem Beteiligten frei gestanden, an dem Erörterungstermin vor der Berichterstatterin teilzunehmen und die von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Fragen zu stellen, was jedoch nicht geschehen ist. Dabei hält der Senat den Vortrag der Kläger im Gegensatz zu dem ihrer Eltern (3 UE 457/06.A) für glaubhaft, da diese über den Anfangs- und Endzeitpunkt ihrer angeblichen Verhaftung hinaus nichts haben berichten können, was im Fall der Kläger so nicht der Fall ist. Im Übrigen haben die Kläger selbst nicht behauptet, die Festsetzung im Februar 2000 sei wegen ihrer individuellen Besonderheiten erfolgt, sie sind jedoch gleichwohl Opfer der nicht hinzunehmenden Überprüfungspraktiken der russischen Sicherheitskräfte geworden.

Dabei sind die von den Klägern erlittenen Maßnahmen nicht durch legitime Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen auf Seiten des russischen Staates gerechtfertigt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Bundesverfassungsgerichts ist eine Verfolgung dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Geht es dabei um Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit, so stellt generell jede derartige, nicht ganz unerhebliche Maßnahme staatlicher Stellen, die an asylerhebliche Merkmale, insbesondere die politische Überzeugung oder Betätigung eines Betroffenen anknüpft, politische Verfolgung dar, ohne dass es insoweit noch auf eine besondere Intensität oder Schwere des Eingriffs ankommt (BVerfG, Beschluss vom 15.02.2000, 2 BvR 752/97, in juris-online; BVerwG, Urteil vom 25.07.2000, 9 C 28/99, in juris-online). Auch Maßnahmen der staatlichen Selbstverteidigung können asylrechtsbegründend sein. Da insbesondere auch die betätigte politische Überzeugung im Schutzbereich des Asylgrundrechts liegt, kann eine staatliche Verfolgung von Taten, die aus sich heraus eine Umsetzung politischer Überzeugung darstellen, grundsätzlich politische Verfolgung sein. Es bedarf einer besonderen Begründung, um sie gleichwohl aus dem Bereich politischer Verfolgung herausfallen zu lassen. Hierfür kommt der Rechtsgüterschutz in Betracht, sofern die staatlichen Maßnahmen einer in den Taten zum Ausdruck gelangenden, über die Betätigung der politischen Überzeugung hinaus gehenden zusätzlichen kriminellen Komponente gelten. Auch eine danach nicht asylerhebliche Strafverfolgung kann freilich in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Behandlung erleidet. Auch unmenschliche Behandlung, insbesondere Folter, kann sich dann als asylrelevante Verfolgung darstellen, wenn sie wegen asylrelevanter Merkmale oder im Blick auf diese in verschärfter Form eingesetzt wird (BVerfG, Beschluss vom 15.02.2000, 2 BvR 752/97, juris-online). Insoweit hat nichts anderes für die Frage flüchtlingsrechtsrelevanter Maßnahmen im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu gelten.

Unter Anlegung dieser Kriterien stellt die Behandlung der Kläger angesichts ihrer Verhaftungen politische Verfolgung in dem oben beschriebenen Sinne dar, die an das asylbegründende Merkmal der Zugehörigkeit zu der sozialen Gruppe der in Tschetschenien lebenden kaukasischen Zivilbevölkerung angeknüpft hat. Zwar konnte und kann den russischen Sicherheitskräften nicht die Berechtigung zu auch flächendeckenden Fahndungsmaßnahmen nach den in Tschetschenien tätigen Terroristen, die Tschetschenien von der Russischen Föderation abspalten und dort einen islamischen Staat ausrufen wollten, abgesprochen werden. Die unter dem Vorbehalt der Terrorismusabwehr durchgeführten Maßnahmen der russischen Sicherheitskräfte stellten sich jedoch zu einem sehr hohen Anteil als flüchtlingsrelevante Maßnahmen dar, da sie wahllos die dort lebenden Kaukasier in Visier nahmen und es anlässlich der - grundsätzlich gerechtfertigten - Sicherheitskontrollen in ganz erheblichen Umfang zu massiven menschenrechtswidrigen Übergriffen, oft einhergehend mit massiven körperlichen Übergriffen, gekommen ist, die eindeutig über das hinausgingen, was einem Staat als legitime Selbstverteidigungsmaßnahme gegen separatistische Bestrebungen zugebilligt werden kann.

So ist bereits die Behandlung des Klägers anlässlich seiner ersten Verhaftung im Februar 2000 als menschenrechtswidrige Behandlung und daher flüchtlingsrelevant zu bezeichnen. Der Kläger wurde gemeinsam mit seinem Bruder offensichtlich allein wegen ihres "kaukasischen Aussehens" und obgleich es keinerlei Anhaltspunkte für ihre Tätigkeit als tschetschenische Kämpfer gab, von der kontrollierenden Sicherheitskräften zusammengeschlagen und in Erdlöcher gesteckt, wo sie nach ihren Aussagen trotz Eiseskälte und obgleich in diesen das Wasser stand, die Nacht verbringen mussten, letzteres offensichtlich nur, um sie zu zermürben. Gleiches hat für die Umstände der Verhaftung der Klägerin im Februar 2000 zu gelten, in deren Verlauf die Klägerin gedemütigt, geschlagen und ebenfalls in Erdlöcher gesteckt wurde, was nach ihrem nicht widerlegbaren Vortrag zu einer Fehlgeburt geführt hat. Auch die zweite Verhaftung des Klägers stellt sich als flüchtlingsrelevant dar, auch diese knüpfte lediglich an die Tatsache seiner kaukasischen Gruppenzugehörigkeit an, ohne dass ihm ein konkreter Tatvorwurf - mit realem Hintergrund - hätte gemacht werden können. Allein die Länge der Inhaftierung von April 2001 bis August 2001 spricht in diesem Fall für das Umschlagen der an und für sich zulässigen Kontrollmaßnahmen der russischen Sicherheitskräfte, da der Kläger ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Tätigkeit bei den Rebellen über vier Monate in Haft gehalten wurde. Während dieser zweiten Haftzeit kam es dann zu den von dem Kläger beschriebenen körperlichen Übergriffen durch russische Soldaten, die der Senat nach Auswertung der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch für glaubhaft hält. Bereits anlässlich seiner ersten Verhaftung im Februar 2000 ist der Kläger dabei nach seinem nicht widerlegbaren Vortrag derart von den russischen Sicherheitskräften geschlagen worden, dass sein Kiefer und die Nase gebrochen waren und er gemeinsam mit seinem Bruder nahezu bewusstlos am Boden lag. Anlässlich der Internierung in dem Filtrationslager von April 2001 bis August 2001 sei er als "Terrorist" beschuldigt worden, ihm sei vorgeworfen worden, Minen verlegt zu haben, er sei misshandelt, geprügelt und gezwungen worden, alles zuzugeben. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger tatsächlich keine Verbindungen zu den Rebellen gehabt hat, wiegen die menschenrechtswidrigen Übergriffe der russischen Sicherheitskräfte umso stärker, da sie auf einen insoweit Unbeteiligten treffen.

Bei diesen von den Klägern beschriebenen Maßnahmen handelt es sich auch nicht um reine "Amtswalterexzesse", die dem russischen Staat nicht zugerechnet werden könnten, da einzelne Personen über das ihnen staatlicherseits erlaubte hinausgegangen wären. Vielmehr ist es nach den bereits oben ausgewerteten Auskünften zur Sicherheitslage in Tschetschenien im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger in großer Zahl zu derartigen Übergriffen gekommen, die von Seiten der russischen Verantwortlichen weder gesühnt noch sonst irgendwie geahndet wurden. Vielmehr gehörte es offensichtlich zu der Einschüchterungspolitik der russischen Sicherheitskräfte, dem russischen Militär bzw. den vor Ort tätigen Sicherheitskräfte freie Hand zu lassen und Übergriffe gegenüber der Zivilbevölkerung gerade und besonders auch gegenüber unter Terrorismusverdacht festgenommen Personen letztendlich durch die völlige Straflosigkeit der jeweiligen Täter zu befördern, wenn nicht gar als gezieltes Mittel zu Einschüchterung zu benutzen (vgl. amnesty international, Länder und Asyl, 8.10.2001; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 28. August 2001; Bundesamt, Informationszentrum Asyl, Russische Föderation, Tschetschenien-Konflikt, Januar 2001). Dabei ging selbst das Bundesamt im Jahr 2001 davon aus, dass die russische Armee im Jahr 2001 in Tschetschenien in der Realität unter dem Deckmantel einer anti-terroristischen Kriegsführung eine Vernichtungsstrategie verfolgt hat, wobei die Armeeführung unfähig aber auch nicht Willens war, die eigenen Soldaten in den Griff zu bekommen, was zu massiven Menschenrechtsverletzungen geführt habe (Bundesamt, Russische Föderation, Der Tschetschenien Konflikt, Januar 2001).

Dabei entfällt nach den oben gemachten Ausführungen im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger die - zusätzliche - Prüfung des Vorliegens einer internen Schutzmöglichkeit, da für Artikel 4 Abs. 4 QRL allein ausschlaggebend die unmittelbar drohende bzw. eingetretene Verfolgung - und sei es nur in einem Teil des Heimatlandes - ist, was im Fall der Kläger sowohl aus gruppengerichteten als auch aus individuellen Gründen zu bejahen ist.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Kläger im Zeitpunkt der maßgeblichen Entscheidung einer gedachten Rückkehr (§ 77 AsylVfG, Art. 8 Abs. 3 QRL) weder in ihre Heimatregion Tschetschenien zurückkehren können, da gemäß Art. 4 Abs. 4 QRL keine stichhaltigen Gründe dagegen sprechen, dass sie nicht erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sein werden (vgl. zur allgemeinen Sicherheitslage in Tschetschenien heute sowie zu den Rückkehrmöglichkeiten ethnischer Tschetschenen aus Tschetschenien in ihr Heimatland, soweit sie ohne Bezug zu den Rebellen sind, Urteil des Senats vom 21. Februar 2008, 3 UE 191/07.A) und ihnen nach den Maßstäben des Art. 8 QRL auch keine Möglichkeit internen Schutzes in anderen Regionen der Russischen Föderation zur Verfügung steht. Zwar mag für armenische Volkszugehörige, die in Tschetschenien geboren worden sind und dort bis zu ihrer Ausreise gelebt haben, die jedoch nicht in das Fadenkreuz der russischen Sicherheitskräfte geraten sind, eine Rückkehr zwar nicht nach Tschetschenien, aber in die armenische Diaspora, insbesondere in die Regionen Krasnodar, Stawropol und Rostow am Don möglich sein, insoweit kann auf die Ausführungen des Senats in dem Beschluss vom heutigen Tag in der Sache 3 UE 457/06.A verwiesen werden.

Bei dem Kläger ist jedoch davon auszugehen, dass er von den russischen Sicherheitskräften als "Terrorist" gemeinsam mit seinem Bruder verhaftet worden ist und in ein Filtrationslager gesteckt worden ist, wobei er nicht offiziell auf freien Fuß gesetzt wurde, sondern durch Bestechungsgelder sich illegal hat freikaufen können.

Dabei ist davon auszugehen, dass der Föderale Sicherheitsdienst (FSB) Listen der Tschetschenienkämpfer führt (vgl. VGH München, Urteil vom 24.10.2007, 11 B 03.30710, in juris-online unter Verweis auf Auswärtiges Amt an VG Braunschweig vom 18.02.2003) und eine Rückkehr in ein normales Leben nur für Personen möglich ist, die nicht aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen haben (Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007) und mögliche Tschetschenienkämpfer von den russischen Strafverfolgungsbehörden gesucht, befragt und ggf. verurteilt werden (vgl. VGH München, Urteil vom 24.10.2007, 11 B 03.30710, in juris-online).

Der Senat geht hinsichtlich der Klägerin davon aus, dass auch sie aufgrund ihrer Festnahmen und des Vorwurfs, "Scharfschützin" zu sein, registriert wurde und zudem als Ehefrau des Klägers gleichsam in Sippenhaft genommen wird.

Unter Berücksichtigung dieser Sachlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kläger nach wie vor unter dem Terrorismusvorwurf von den russischen Sicherheitskräften erfasst sind und von diesen gesucht werden. Dann kann jedoch nicht im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL davon ausgegangen werden, dass stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass sie erneut von Verfolgung oder flüchtlingsrelevantem Schaden bedroht sein werden.

Auch unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie hat bei nicht nur aus gruppenbezogenen Gründen sondern darüber hinaus individuellen Gründen vorverfolgten Flüchtlingen der höchste Prognosemaßstab zu gelten, den die Qualifikationsrichtlinie in der in Art. 4 Abs. 4 QRL enthaltenen Rückausnahme zum Ausdruck bringt und der zudem bei Anwendung der in Art. 8 Abs. 1 QRL enthaltenen Zumutbarkeitsschranke, ob nämlich von dem Flüchtling vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am Ort des internen Schutzes niederlässt, zu berücksichtigen ist.

Dabei ist nach der gesetzlichen Wertung im Regelfall davon auszugehen, dass bei einem vorverfolgt ausgereisten Flüchtling seine Furcht vor Verfolgung begründet ist und nur bei Vorliegen besonderer, stichhaltiger Gründe, dieser Regelfall durchbrochen wird, wobei das Regel-/Ausnahme-Verhältnis noch restriktiver zu Gunsten des Flüchtlings zum Tragen kommen muss, je mehr er nicht "nur" vor gruppengerichteten Verfolgungsmaßnahmen, sondern zudem als individuell Verfolgter geflohen ist.

Auch das Auswärtige Amt, das grundsätzlich eine Rückkehr von Tschetschenen nach Tschetschenien für möglich hält, geht davon aus, dass die Rückkehr in ein normales Leben nur für Personen möglich ist, die nicht aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen haben (Auswärtiges Amt, 06.08.2007 an Hess. VGH in 3 UE 191/07.A). Der Gutachter Prof. Dr. Luchterhandt führt aus, es sei nicht nur wahrscheinlich, sondern selbstverständlich, dass bekannte oder gar prominente Funktionäre oder Parteigänger Präsident Maschadows und der "Tschetschenischen Republik Ickeria" im Falle einer Rückkehr aus der Diaspora nach Russland und speziell nach Tschetschenien nicht nur routinemäßig behandelt, sondern angefangen bei den Einreiseformalitäten, von dem in solchen Fällen zuständigkeitshalber eingeschalteten FSB, also von dem Inlandsgeheimdienst, einer sorgfältigen Überprüfung und Kontrolle unterzogen würden (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt, 08.08.2007 an Hess. VGH in 3 UE 191/07.A). Bei vermuteter oder unterstellter Tätigkeit für die tschetschenische Republik noch im 2. Tschetschenienkrieg werde die betreffende Person von den Strafverfolgungsbehörden Russlands als "Terrorist" eingestuft. Dies ergebe sich auch und gerade daraus, dass der 2. Tschetschenienkrieg von offizieller russischer Seite von Anfang an als eine quasi polizeiliche Terrorbekämpfungsmaßnahme hingestellt und gerechtfertigt worden sei. Es sei nicht der Ausnahmezustand verhängt, was wegen des Einsatzes der Streitkräfte verfassungsrechtlich geboten gewesen wäre, stattdessen sei das Gesetz über die Terrorbekämpfung vom 25.07.1998 angewandt worden (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH, 09.05.07 in 3 UE 455/06.A). Als besonders rückkehrgefährdet sieht dabei der UNHCR in Übereinstimmung mit Menschenrechtsorganisationen insbesondere Flüchtlinge und Asylsuchende an, die als frühere Mitglieder illegaler bewaffneter Formationen und deren Angehörige gelten, Personen, die offizielle Positionen (inkl. sehr niedriger Positionen) im Regime Maschadows innehatten, Personen die offensichtlich von den Positionen der gegenwärtigen Regierung abweichende politische Ansichten haben, sowie Personen, die möglicherweise für ihre vor der Flucht erfolgte, nicht militärische Unterstützung der Rebellentruppen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnten. Eine Amnestie, die von der Staatsduma der Russischen Föderation im September 2006 beschlossen worden sei, sei für einige Personen in den oben genannten Kategorien anwendbar, die Amnestiefrist sei jedoch im Januar 2007 abgelaufen und daher für zukünftig zurückkehrende Personen nicht - mehr -anwendbar (UNHCR an Hess. VGH, 08.10.2007 in u. a. 3 UE 191/07.A).

Ist mithin davon auszugehen, dass die Kläger aufgrund ihrer Verhaftungen und der dort zu unterstellenden Registrierungen als terrorverdächtige Person sowie aufgrund der Tatsache, dass der Kläger aus dem Filtrationslager nur durch Zahlung von Bestechungsgeld, nicht jedoch durch eine offizielle Entlassung, freigekommen ist, zu den besonders gefährdeten Rückkehrergruppen gehören, kann nicht mit der gemäß Art. 4 Abs. 4 QRL erforderlichen Sicherheit angenommen werden, dass sie bei Rückkehr in ihr Heimatland, unabhängig davon, ob sie sich nach Tschetschenien oder in andere Regionen der Russischen Föderation begeben, dort nicht wieder erneut von solchen Verfolgungen oder einem solchen Schaden bedroht sein werden.

Bei Festsetzung durch den FSB als Terrorismusverdächtiger kann nämlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass es dort nicht wieder zu Übergriffen der Sicherheitsbehörden kommt, im Fall einer Rückkehr nach Tschetschenien und Bekanntwerden der unterstellten Tätigkeit der Kläger für die tschetschenischen Rebellen muss sogar davon ausgegangen werden, dass sie dort mit Verfolgungsmaßnahmen durch die Kadyrow-Truppen zu rechnen haben. Der Senat hat dabei zur allgemeinen Sicherheitslage für rückkehrende Tschetschenen in seiner Entscheidung vom 21. Februar 2008 im Wesentlichen ausgeführt:

"Vor diesem Hintergrund einer sowohl in autoritären als auch willkürlichen Machtstrukturen gefangenen Gesellschaft wird die Sicherheitslage insbesondere zurückkehrender Tschetschenen von den im Rahmen der Beweisaufnahme beauftragten sachverständigen Stellen nicht einheitlich bewertet:

Während das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme an den Senat vom 6. August 2007 (AA an Hess. VGH vom 06.08.2007, Bl. 517 ff. GA) in deutlicher Abweichung zu den noch in seinem Lagebericht vom 17. März 2007 gemachten Äußerungen(vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation <einschließlich Tschetschenien> vom 17.03.2007, dort S. 22 unten) zu dem Ergebnis kommt, dass sich die allgemeine Sicherheitslage in der tschetschenischen Republik im Wesentlichen normalisiert und die Zahl illegaler Verhaftungen und Entführungen von Personen stark abgenommen habe sowie sogenannte "Säuberungen" schon seit mehreren Monaten nicht mehr durchgeführt worden seien, kann nach amnesty international von einer Normalisierung der Situation in Tschetschenien nach wie vor keine Rede sein, es komme im geringen Umfang weiterhin zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen russischen und tschetschenischen Sicherheitskräften auf der einen und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite (vgl. ai an Hess. VGH vom 27.04.2007, Bl. 376 ff. GA). Auch nach Auskunft der Heinrich-Böll-Stiftung droht Rückkehrern eine erhöhte Gefahr, da sie im Verdacht stünden, vor ihrer Ausreise bei den Rebellen gewesen zu sein. Sie würden oft Opfer von Erpressungen, von offiziellen tschetschenischen Stellen würden sie beschuldigt, bei den Rebellen gewesen zu sein, wobei ihnen angeboten werde, diese Beschuldigungen gegen auch wiederholte oder regelmäßige Geldzahlungen fallen zu lassen (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung an Hess. VGH vom 20.04.2007, Bl. 370 ff. GA). Gleichlautend kommt Frau Svetlana Gannuschkina, Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation "Memorial", in ihrer Auskunft vom 17. Mai 2007 zu dem Ergebnis, dass Rückkehrer nach Tschetschenien besonders gefährdet seien, da man sie verdächtige, bei den Aufständigen gewesen zu sein, außerdem würden sie Opfer von Erpressungsversuchen, da man davon ausgehe, dass sie über Geld verfügten. Jeder, der nach Tschetschenien reise, begebe sich in Lebensgefahr, wobei rückkehrgefährdet insbesondere junge Männer seien, die man verdächtige, sich bewaffneten Banden angeschlossen zu haben. Wer auch nur zur Passbeantragung nach Tschetschenien zurückkehre, könne sich den Terrorismusvorwurf einhandeln, wer altersbedingt noch keinen Pass habe oder wer seinen sowjetischen Pass verloren habe, könne auf keinen Fall nach Tschetschenien reisen; bei jedem Versuch, einen der Checkpoints zu passieren, werde er unweigerlich festgenommen. In der tschetschenischen Republik gebe es nicht einmal ein Mindestmaß an Sicherheit, Menschen würden auch weiterhin unter fabrizierten Vorwürfen angeklagt und verurteilt, Folter sei ein übliches Mittel, um Geständnisse und Beschuldigungen zu erzwingen (vgl. Memorial an Hess. VGH vom 17.05.2007, Bl. 453 GA sowie der Vortrag von Frau Gannuschkina vom 25.11.2006, Bl. 469 ff. GA). Diese Ausführungen von Frau Gannuschkina werden jedoch durch den aktuellsten Bericht von "Memorial" aus dem Oktober 2007 relativiert. Dort ist beschrieben, dass sich in dem Berichtszeitraum von August 2006 bis Oktober 2007 für die Menschen der Republik bedeutsame Veränderungen ergeben haben. So hätten die Entführungen und Morde bis Ende 2006 schrittweise abgenommen, seit Januar 2007 hätten die Entführungen sogar stark abgenommen. Dabei vermute man, dass Ramsan Kadyrow den Chefs der ihm unterstehenden Strukturen klar gesagt habe, dass Entführungen nicht mehr geduldet würden. Besorgniserregend bleibe jedoch, dass Strafprozesse mit fabrizierten Anschuldigungen geführt würden, wobei zentraler Bestandteil der Beweislage Geständnisse seien, wie sie aus der Stalinzeit als "Königin der Beweise" bekannt seien. Allerdings bleibt "Memorial" bei seiner Einschätzung, dass besonders gefährdet Rückkehrer aus dem Ausland seien, da man bei ihnen viel Geld vermute (vgl. Oktober 2007, Memorial, Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation, August 2006 - Oktober 2007).

Demgegenüber vertreten die sachverständigen Stellen UNHCR sowie Prof. Dr. Luchterhandt, Universität Hamburg, eine differenziertere Position.

Nach Auskunft von UNHCR hat sich die Sicherheitslage in Tschetschenien graduell verbessert, unrechtmäßige Handlungen und Gewaltakte stellten jedoch weiterhin eine Bedrohung für die ortsansässige Bevölkerung dar. Von lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen würden insbesondere die Straffreiheit bei Menschenrechtsverletzungen und das Versagen der Behörden bei der Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen beklagt, außerdem die Anwendung von Folter und unrechtmäßiger Inhaftierung sowie die Nichtbeachtung des Prinzips der Rechtmäßigkeit durch die Exekutivorgane sowie die fehlende Unabhängigkeit der Rechtsprechungsorgane. Auch wenn sie im Vergleich zu den früheren Jahren stark abgenommen haben, seien weiterhin Entführungen und das "Verschwindenlassen" von Personen zu verzeichnen (vgl. UNHCR an Hess. VGH, 08.10.07, Bl. 565 ff. GA). Nach den von Memorial gesammelten Daten seien im Jahr 2006 195 Personen in Tschetschenien entführt worden, 98 von ihnen seien nach Zahlung eines Lösegeldes freigelassen, 15 Personen seien getötet worden. 15 Fälle würden derzeit noch untersucht, während der Verbleib von 69 Personen weiterhin ungeklärt sei. Für die ersten 7 Monate des Jahres 2007 sei über die Entführung von 24 Personen berichtet worden, 15 Personen seien freigelassen oder freigekauft worden und eine Person sei tot aufgefunden worden. 6 Fälle würden derzeit noch untersucht, während der Verbleib von 2 Personen weiterhin ungeklärt sei. Die Zahlen, die von den Behörden für die genannten Zeiträume angegeben worden seien, seien wesentlich geringer (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). Für Rückkehrer lägen dem UNHCR keine umfassenden Untersuchungen vor, es lägen allerdings Berichte vor, wonach der föderale Sicherheitsgeheimdienst (FSB) Rückkehrer aus dem Ausland unter Beobachtung stelle und diese zu Befragungen einbestelle. UNHCR sei bekannt, dass Rückkehrer aus Georgien zu den FSB-Büros gebracht und dort befragt würden. Es lägen jedoch keine Berichte darüber vor, dass Rückkehrer neben der Befragung zusätzlichen Problemen ausgesetzt waren und seien. Vielmehr scheine es so, dass die Probleme, denen Rückkehrer möglicherweise ausgesetzt seien, eher davon abhingen, ob sie eine "saubere" Akte hätten oder nicht, als von der Tatsache, dass sie für einige Jahre in einem GUS-Staat gelebt hätten (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). Junge männliche Rückkehrer, die dem Rekrutierungsalter nahe seien, könnten allerdings von den Behörden als potentielle Gefahr für die Regierung angesehen werden, wenn sie Rebellenkämpfer unter ihren Familienangehörigen (im weiten Sinne) hätten bzw. gehabt hätten. Alleinstehende Frauen ohne männlichen Schutz oder Schutz durch ihre Familie seien potentiell stärker gefährdet, geschlechtsspezifischer Gewalt durch die Gemeinschaft oder im häuslichen Bereich ausgesetzt zu sein. Dies gelte besonders für nichttschetschenische Frauen, da Tschetscheninnen möglicherweise bis zu einem gewissen Grad von ihrer "Großfamilie" Schutz erhielten, auch wenn sie keine direkten männlichen Familienangehörigen - mehr - haben (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). Als besonders rückkehrgefährdet seien (frühere) Mitglieder illegaler, bewaffneter Formationen und deren Angehörige einzuschätzen sowie Personen, die offizielle Positionen (inkl. sehr niedriger Positionen) im Regime Maschadow inne gehabt hätten, Personen, die offensichtlich von den Positionen der gegenwärtigen Regierung abweichende politische Ansichten hätten sowie Personen, die möglicherweise für ihre vor der Flucht erfolgte, nichtmilitärische Unterstützung der Rebellentruppen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnten (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.).

Auch Prof. Dr. Luchterhandt kommt zu dem Ergebnis, dass die heutige Lage im Vergleich zu den Verhältnissen, die bis etwa 2005 auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, also zunächst nach 1999 unter der direkten Herrschaft der föderalen Sicherheits- bzw. Streitkräfte, dann ab etwa 2004 unter dem immer mächtiger hervortretenden Ramsan Kadyrow in Tschetschenien geherrscht haben, heute, wenige Monate nach der Erhebung Ramsan Kadyrows zum Präsidenten der Republik (02.03.2007) - bei allen Vorbehalten - eine deutlich andere, d.h. bessere sei. Nach übereinstimmender Einschätzung aller Beobachter Tschetscheniens unter Einschluss auch der Menschenrechtsorganisationen seien die Fälle von Mord, Folterungen, Misshandlungen, Menschenraub und Freiheitsberaubung signifikant zurückgegangen. Halte dieser Zustand an, werde man bald von einer auch qualitativ neuen Lage der inneren Verhältnisse Tschetscheniens sprechen könnten (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, a.a.O.). Diese graduelle Verbesserung lasse sich auch an den von Memorial zusammengestellten Zahlen ablesen, nach denen sich die Situation von 2002 bis 2007 wie folgt entwickelt habe:

 Jahrentführtdavon befreit oder freigekauftvon Ihnen ermordet aufgefundenvon ihnen verschwundenvon ihnen im Ermitt-lungsverfahren
20025399081368-
200349715752288-
2004448213242038
20053201542412715
200618794116319
2007 (Jan.-März)1610132
Gesamt:2007718193105244

Auch die weitere Auswertung der mit Beweisbeschluss vom 16. März 2007 gestellten Beweisfragen 2 bis 8 (Bl. 316, 317 GA), mit denen detailliert die Sicherheitslage tschetschenischer Volkszugehöriger aus Tschetschenien, die im Zuge des 2. Tschetschenienkrieges ihre Heimatregion verlassen haben und nunmehr dorthin zurückkehren, ermittelt worden ist, ergibt eine unterschiedliche Bewertung durch die sachverständigen Auskunftsstellen:

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes leben tschetschenische Volkszugehörige, die nach Abschluss der Kampfhandlungen in die tschetschenische Republik zurückgekehrt seien, in der Regel ein normales Lebens, wobei sich "normales Leben" nicht am deutschen Standard, sondern an dem Standard Tschetscheniens von noch vor einem Jahr orientiere. Anfeindungen von Seiten der tschetschenischen und föderalen Sicherheitskräfte, aber auch von Nachbarn aus möglichen Neidmotiven, seien im Einzelfall nicht auszuschließen. Über Drangsalierungen durch tschetschenische Rebellen lägen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vor. Die Rückkehr in ein normales Leben sei allerdings nur für Personen möglich, die nicht aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen hätten (vgl. Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.). Russische oder tschetschenische Sicherheitskräfte stellten derzeit keine Gefahrenquelle für die männlichen Jugendlichen dar, da sie unter Berücksichtigung des Alters, in dem sie die tschetschenische Republik verlassen hätten, nicht in dem Verdacht stünden, zu Kämpfern zu werden. Traditionell hätten sie zudem bei Verlust des Vaters eine wichtige Rolle innerhalb des Familienverbandes zu übernehmen. Von möglichem Interesse sei allerdings diese Altersgruppe für die tschetschenischen Kämpfer, die durch agitatorische Arbeit unter Jugendlichen versuchten, ihnen ihre ideologischen Wertvorstellungen zu vermitteln und sie auf ihre Seite zu ziehen (vgl. Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.). Tschetschenen würden seit 2001 auf freiwilliger Basis in die russische Armee aufgenommen, aber bislang nur in geringer Zahl und in Spezialfunktionen in Tschetschenien eingesetzt. Tschetschenische Wehrpflichtige würden auf Befehl des Verteidigungsministers aus dem Jahr 2005 nicht einberufen, es bestehe jedoch die Absicht, 2007 einen Beschluss zu fassen, der die Einberufungspraxis aus der Region neu regeln werde (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008). Soweit es gleichwohl zu Übergriffen komme, könnten diese in Erpressung von Geld, Drohungen, im Einzelfall aber auch in Entführung oder Folter bestehen. Eine geschlechtsspezifische Unterscheidung der Übergriffsmethoden und Intensität lasse sich nicht feststellen. Im Übrigen gebe es in der tschetschenischen Republik kaum alleinstehende Frauen, da sie auch als Witwen in der Familie der Verwandten lebten (vgl. Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.). Personen, die Opfer von Übergriffen von russischen oder tschetschenischen Sicherheitskräften geworden seien, könnten sich an die zuständigen Rechtsschutzorgane und Gerichte wenden, jedoch seien die Erfolgsaussichten immer noch gering (Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.).

Dagegen weist die Gesellschaft für bedrohte Völker darauf hin, dass bei den jüngst veröffentlichten Statistiken, nach denen sich in den Städten die Lage verbessert habe und die Zahl der Gewaltverbrechen zurückgegangen sein solle, zu berücksichtigen sei, dass sich viele Menschen aus Angst vor Repressalien davor fürchteten, eine Anzeige über Gewaltverbrechen durch die tschetschenischen Sicherheitskräfte zu erstatten (Gesellschaft für bedrohte Völker an Hess. VGH vom 18.06.2007, Bl. 492 GA). Hierauf weist auch Prof. Dr. Luchterhandt in seiner Auskunft vom 08.08.2007 (Bl. 525 GA) hin, wonach vor allem zwei Faktoren, welche die Einschätzung der Sicherheitslage wesentlich erschwerten, zu benennen seien, nämlich erstens die tief sitzende Furcht und Angst einer durch die beiden Tschetschenienkriege traumatisierten Bevölkerung und zweitens die Diskrepanz zwischen öffentlich - durchaus von verschiedenen Seiten, staatlichen Institutionen und gesellschaftlichen Organisationen - verbreiteten Zahlen über schwere und schwerste Menschenrechtsverletzungen und deren Opfer. Sowohl die Heinrich-Böll-Stiftung als auch Memorial gehen dabei davon aus, dass für Rückkehrer Bedrohungen von russischen und/oder tschetschenischen Sicherheitskräften bzw. diesen nahestehenden Verbänden ausgehen, wobei genaue Zahlen zu Übergriffen nicht genannt werden könnten, Referenzfälle jedoch von der Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation Memorial in ihrem Vortrag vom 25. November 2006 (Anmerkung: allerdings für den dort relevanten Berichtszeitraum) genannt worden seien (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung an Hess. VGH vom 20.04.2007, Bl. 370 GA und Memorial an Hess. VGH vom 17.05.2007, Bl. 453 GA).

Laut UNHCR gibt es keine Hinweise darauf, dass zurückkehrende Personen bei ihrer Rückkehr allein aufgrund der Tatsache verfolgt werden, dass sie im Ausland gelebt haben, oder deshalb, weil sie einer ethnischen Minderheit angehörten. Maßgeblich für eine Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr sei insbesondere die tatsächliche oder unterstellte - frühere - Mitwirkung bzw. Einbindung bei den Rebellengruppen oder im Regime Maschadow (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). In diesem Zusammenhang verweist UNHCR auch auf die bereits oben benannten besonders gefährdeten Rückkehrergruppen.

Nach Auskunft von Prof. Dr. Luchterhandt ist die Gefahr, Opfer von russischen Sicherheitseinheiten, sei es von Soldaten oder Omonovcy (Omon = russische Milizverbände mit Sonderaufgaben des föderalen Innenministeriums) zu werden, für die Bevölkerung zwar weiterhin vorhanden, aber aus den genannten Gründen - Tschetschenisierung des Tschetschenenkonflikts und quantitativ begrenzte Einsätze - heute nur noch als gering einzustufen (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525 ff. 535, 536 GA).

Anders verhält es sich nach Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. Luchterhandt jedoch mit den föderalen Verbänden tschetschenischer Sicherheitskräfte, also mit den Kadyrovcy, Jamadaevcy, Kakivci, wobei die beiden zuletzt genannten nicht der Kommandogewalt von Ramsan Kadyrow unterstehen. Hier sei die Gefahr, Opfer schwerer Angriffe auf Freiheit, Leben und Leib zu werden, noch immer als relativ hoch einzuschätzen, obgleich sie im Vergleich zu früheren Jahren deutlich geringer geworden sei (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525, 536 GA). Dabei lägen keine Angaben über Fälle vor, welche Rückschlüsse auf eine höhere Gefährdung oder gar Sonderbehandlung von Rückkehrern zuließen. So habe im Oktober 2006 der Leiter des tschetschenischen Memorialbüros unter Berufung auf Anna Politkovskaja festgestellt, dass 85 % der Entführungen in Tschetschenien auf das Konto der Ramsan Kadyrow unterstehenden Verbände gingen. Dieser Prozentsatz könne auf die Verantwortlichkeit für menschenrechtswidrige Repressionsmaßnahmen der Sicherheitskräfte im Allgemeinen ausgedehnt werden (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, a.a.O.). Abstrakt betrachtet sei es nicht nur wahrscheinlich, sondern selbstverständlich, dass bekannte oder gar prominente Funktionäre oder Parteigänger Präsident Maschadows und der "tschetschenischen Republik Ickerija" im Falle ihrer Rückkehr aus der Diaspora nach Russland und speziell nach Tschetschenien nicht - nur - routinemäßig behandelt, sondern angefangen bei den Einreiseformalitäten von dem in solchen Fällen zuständigkeitshalber eingeschalteten FSB, also dem Inlandsgeheimdienst, einer sorgfältigen Überprüfung und Kontrolle unterzogen würden (Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525 GA, 538)."

Bei alledem ist zu berücksichtigen, dass nach der vor Ort über die meisten Informationen verfügenden Frau Svetlana Gannuschkina (Menschenrechtszentrum Memorial) nach wie vor als besonders gefährdet Rückkehrer aus dem Ausland gelten, die sowohl von den Sicherheitskräften dort als auch den dort ansässigen Personen besonders beäugt werden. So führt auch das Auswärtige Amt aus, dass, soweit der Tschetschenienkonflikt nicht endgültig gelöst sei, davon auszugehen sei, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erführen. Dies gelte insbesondere für solche Personen, die sich in der Tschetschenienfrage engagiert hätten bzw. denen die russischen Behörden ein solches Engagement unterstellten (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008, Stand: Dezember 2007). Dabei finden nach Auskunft des Auswärtigen Amtes in Tschetschenien die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Nichtregierungsorganisationen, internationale Organisationen und Presse berichteten, dass auch nach Beginn des von offizieller Seite festgestellten "politischen Prozesses" erhebliche Menschenrechtsverletzungen durch russische und pro-russische tschetschenische Sicherheitskräfte gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung fortgesetzt hätten (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008).

Generell auf die Russische Föderation bezogen wird von dem Menschenrechtsbeauftragten Lukin moniert, dass es bei Verhaftungen, Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft immer wieder zu Folter und grausamer oder erniedrigender Behandlung durch Polizei und Ermittlungsbehörden kommt. Besonders kritisch sieht der Menschenrechtsbeauftragte die Situation vor Beginn von Strafverfahren im Rahmen der sogenannten "operativen Ermittlungstätigkeit" (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008). In Anbetracht der Tatsache, dass nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen Kaukasier ohnehin einer Art Generalverdacht unterliegen, sie in den übrigen Regionen der Russischen Föderation eher als unerwünscht angesehen werden und bei Hinzutreten eines unterstellten oder vermuteten Terrorismusverdachts die Gefahr erneuter Folter und menschenrechtswidriger Übergriffe besteht, sind die Voraussetzungen der Rückausnahme des Art. 4 Abs. 4 QRL im Fall der Kläger nicht gegeben.

Die Berufungen der Bundesrepublik Deutschland sowie des Bundesbeauftragten sind daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen, wobei die Kläger jedoch die Kosten des zurückgenommenen Teils der Klage gemäß § 155 Abs. 2 VwGO zu tragen haben. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO, § 167 VwGO.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 sowie der dort in Bezug genommenen Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 - Qualifikationsrichtlinie - (ABl. EU L 304 S. 12, ber. ABl. 2005 L 204 S.24) die Frage der anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe bei Prüfung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG, die Frage der Beibehaltung der richterrechtlich entwickelten Differenzierungen zwischen örtlich begrenzter und regionaler Gruppenverfolgung, die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Prüfung internen Schutzes im Sinne des Art. 8 QRL sowie der dort anzuwendenden Prüfungsmaßstäbe von grundsätzlicher Bedeutung sind.

Ende der Entscheidung

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