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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: 3 UZ 1788/03
Rechtsgebiete: BImSchG, HBO, VDI-Richtlinie


Vorschriften:

BImSchG § 22 Abs. 1
HBO § 40
HBO § 6 Abs. 6
VDI-Richtlinie 3781
Ein Schornstein mit einem Außendurchmesser von 205 mm ist als untergeordnetes Bauteil im Sinne von § 6 Abs. 6 HBO anzusehen. Von ihm ausgehende Emissionen erfasst nicht das Abstandsflächenrecht.

Maßgebend sind diejenigen Regelungen, die für den Betrieb und die Nutzung des Bauteils gelten.

Ein im Dachgeschoss eines Wohnhauses bauaufsichtlich genehmigtes Gewächshaus ist kein dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienender Raum. Gegenüber der Raucheinwirkung aus einem Schornstein auf dem Nachbargrundstück kann nicht das Schutzniveau eines Aufenthaltsraumes verlangt werden.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

3. Senat

3 UZ 1788/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Baurechts (Nachbarklage gegen Schornstein)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann

am 30. September 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 28. April 2003 - 1 E 2168/02 - wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor dieser Entscheidung bezeichnete Urteil bleibt ohne Erfolg, weil die Klägerin Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt hat.

Soweit die Klägerin meint, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, kann sie damit im Ergebnis nicht durchdringen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne des vorgenannten Zulassungsgrundes sind dann gegeben, wenn der die Zulassung des Rechtsmittels begehrende Beteiligte einen die angegriffene Entscheidung tragenden Rechtssatz oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -).

Derartige schlüssige Argumente, die geeignet wären, die von der Vorinstanz im Urteil vom 28. April 2003 getroffenen rechtlichen und/oder tatsächlichen Feststellungen zu entkräften oder zumindest ernstlich in Frage zu stellen, enthält die Begründung des Zulassungsantrages nicht.

Soweit die Klägerin meint, die streitgegenständliche Baugenehmigung sei bereits formell rechtswidrig, da die Bauaufsicht gemäß § 63 Abs. 4 Hessische Bauordnung vom 20. Dezember 1993 - HBO -, die gemäß § 78 Abs. 1 Hessische Bauordnung vom 18. Juni 2002 auf das vorliegende Verfahren Anwendung findet, die gesamte Feuerungsanlage in den Blick zu nehmen gehabt habe, mithin auch den Heizraum und die Ölbevorratung mit habe prüfen müssen, was jedoch tatsächlich nicht geschehen sei, zudem kein ordnungsgemäßer Bauantrag vorgelegen habe, der Entwurfsverfasser nicht bauvorlagenberechtigt sei, die Baugenehmigung gemäß § 64 Abs. 4 HBO als zurückgenommen gelte, da die angeforderten Unterlagen von der Beigeladenen nicht beigebracht worden seien und die Baugenehmigung zudem zu unbestimmt sei, da die Höhe des Schornsteines nicht unzweifelhaft erkennbar sei, kann dies die Zulassung der Berufung aufgrund ernstlicher Zweifel nicht rechtfertigen.

Zunächst irrt die Klägerin, wenn sie meint, ein einzelner Schornstein könne nicht Gegenstand eines Baugenehmigungsverfahrens sein, ohne die dazu gehörende Feuerungsanlage nicht ebenfalls baugenehmigungspflichtig in den Blick zu nehmen. Im Übrigen ruft die Klägerin mit den von ihr vorgenommenen Rügen mit Ausnahme der mangelnden Bestimmtheit der Baugenehmigung Sachverhalte auf, die, wie die Frage des ordnungsgemäßen Bauantrages oder der Bauvorlagenberechtigung des Entwurfsverfassers nicht drittschützende Vorschriften betreffen, die der ordnungsgemäßen Abwicklung eines Baugenehmigungsverfahrens, nicht jedoch den Interessen des Nachbarn dienen. Da die Vorschriften allesamt nicht drittschützend sind, kann die Klägerin selbst bei Verstoß gegen die von ihr genannten Ordnungsvorschriften eine positive Entscheidung für sich nicht erreichen, da sie hierdurch nicht in eigenen Rechten verletzt sein kann. Auch soweit die Klägerin rügt, die Baugenehmigung habe wegen nicht ordnungsgemäßer Vorlage der von dem Beklagten nachgeforderten Unterlagen als zurückgenommen zu gelten, führt dies in der Sache nicht weiter, da die Baugenehmigung von dem Beklagten tatsächlich erteilt wurde und nunmehr zur Überprüfung steht.

Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 29. Mai 2002 darauf hingewiesen, dass die Baugenehmigung entgegen der Auffassung der Klägerin hinreichend bestimmt ist. Auf die entsprechenden Ausführungen auf Seite 3 des Urteilsabdrucks wird Bezug genommen. Durch die in der Baugenehmigung in Bezug genommene immissionsschutzrechtliche Stellungnahme ist für die Beigeladene hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Schornsteineinmündung 1 m über den Fensteroberkanten der der geplanten Schornsteineinmündung in ca. 6 m Entfernung gegenüberliegenden Fenster (ausgenommen obenliegendes Gewächshaus) herzurichten ist. Hierdurch werden im Übrigen bestehende Unklarheiten der Baugenehmigung, wie etwa der Aussage, der Schornstein sei gegenüber der geplanten Ausführung um "ca. 1,5 m" zu erhöhen, hinlänglich ausgeräumt.

Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2002 auch zutreffend ausgeführt, dass das Baugenehmigungsverfahren nicht etwa wegen Verstoß gegen § 69 HBO fehlerhaft durchgeführt worden sei, da es einer Nachbarbeteiligung mangels anstehender Ausnahmen oder Befreiungen nicht bedurft habe. Auch insoweit wird auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Verwaltungsgericht auch zu Recht von der materiellen Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Baugenehmigung ausgegangen. Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend angenommen, dass es sich bei dem genehmigten Schornstein um eine gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 HBO innerhalb der Abstandsfläche zulässige Anlage handelt. Gemäß § 6 Abs. 6 HBO bleiben vor die Außenwand vortretende untergeordnete Bauteile und Vorbauten wie Gesimse, Dachvorsprünge, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen sowie Erker und Balkone bei der Bemessung der Tiefe der Abstandsflächen außer Betracht, sofern sie nicht mehr als 1,50 m vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben. Das Verwaltungsgericht weist unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid zutreffend darauf hin, dass der Schornstein mit einem Außendurchmesser von 205 mm und unmittelbar an der Außenwand angebracht im Verhältnis zu der gesamten Außenwand ein untergeordneter Bauteil ist. Diese Sicht werde noch dadurch verstärkt, dass der Schonstein deutlich innerhalb des Bereichs bleibe, der von dem Dachüberstand des Nachbarhauses, der in § 6 Abs. 6 Satz 1 HBO ausdrücklich als Beispiel eines untergeordneten Bauteils aufgeführt werde, ausgefüllt werde. Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 22. Oktober 1993 (in Kopie eingereicht durch die Klägerin, Bl. 244 d.GA ff.) zu dem gegenteiligen Ergebnis kommt und insoweit ausführt, dass sich die Auslegung des § 6 Abs. 7 Bauordnung NW an der Funktion und den Auswirkungen der fraglichen Bauteile auf die Schutzgüter, denen durch die Abstandsflächen Rechnung getragen werden solle, zu orientieren habe. Die wichtigsten Ziele, die mit der Einhaltung von Abstandsflächen verfolgt würden seien: die ausreichende Belichtung und Belüftung und Besonnung der Räume auf dem Baugrundstück und den Nachbargrundstücken, ein ausreichender Brandschutz, ausreichende Freiflächen für Nebenanlagen sowie die Wahrung des nachbarlichen Wohnfriedens und die Verhinderung einer übermäßigen Ausnutzung der Grundstücke zu Lasten des Nachbargrundstücks. Messe man hieran den Metallschornstein der Beigeladenen des dortigen Verfahrens in der Abstandsfläche, so werde deutlich, dass nicht seine bloße Existenz als Bauteil, sondern insbesondere auch die von ihm ausgehenden Immissionen in die Betrachtung mit einzubeziehen seien. Diese seien geeignet, gerade die Belüftung der Nachbargebäude und den Nachbarfrieden nachhaltig zu beeinträchtigen. Infolgedessen sei es ausgeschlossen, ihn über § 6 Abs. 7 BauO NW in der Abstandsfläche zuzulassen.

Der Senat folgt der Auffassung des OVG Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der Beschreibung der Ziele der Abstandsflächen, nicht jedoch hinsichtlich der Frage, ob ein schmaler Schornstein ein untergeordnetes Bauteil im Sinne der bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften sein kann oder nicht. Je nach landesrechtlicher Regelung wird für Bauteile und/oder Vorbauten gefordert, dass sie "untergeordnet" sein müssen. Dabei ist zu beachten, dass nicht in jedem Fall die Qualifizierung als Vorbau oder Gebäudeteil bereits das Merkmal der Unterordnung beinhaltet. Allerdings wird es in vielen Fällen, insbesondere in Zusammenhang mit dem meist vorgegebenen Höchstmaß für ein zulässiges Vortreten vor die Außenwand von 1,50 m, gegeben sein. Umgekehrt können auch Bauteile/Vorbauten, die die vorgegebenen Höchstmaße für das Vortreten vor die Außenwand einhalten, unzulässig sein, wenn sie aus anderen Gründen nicht mehr untergeordnet erscheinen. Die Bauteile/Vorbauten sind "untergeordnet", wenn sie nach dem Gesamteindruck im Verhältnis zu der ihnen zugehörigen Außenwand nicht ins Gewicht fallen; der erste Eindruck muss das Gesamtvorhaben, insbesondere die Außenwand, erfassen und darf nicht unmittelbar auf die Bauteile oder Vorbauten gelenkt werden. Wann ein Bauteil untergeordnet ist, kann immer nur im konkreten Fall beurteilt werden, absolute Maße können, außer dem von den meisten Landesbauordnungen festgesetzten Maß von maximal 1,5 m Vorsprung vor die Außenwand, nicht angegeben werden. Im Einzelfall ist über den optischen Eindruck hinaus auch zu prüfen, ob und in welchem Ausmaß der konkrete Bauteil/Vorbau sich auf die vom Abstandsflächenrecht verfolgten Ziele, ein Mindestmaß an Freiräumen zwischen Gebäuden zu wahren sowie zur Sicherstellung von Belichtung und Belüftung und zum Erhalt des Wohnfriedens und des Schutzes der Privatsphäre zu dienen, auswirkt (vgl. Reichel-Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, München, April 2004, Kapitel 3 Rdnr. 139 ff.). Unter Zugrundelegung dieser Kriterien kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass an der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Bedenken bestehen, den Schornstein mit einem Außendurchmesser von 205 mm als untergeordnetes Bauteil im Sinne von § 6 Abs. 6 HBO anzusehen. Von dem Schornstein als Bauwerk gehen keine Beeinträchtigungen aus, die für die Klägerin wahrnehmbar sein könnten. Die von dem Schornstein ausgehenden Emissionen werden durch andere Vorschriften wie § 40 HBO, § 15 Baunutzungsverordnung sowie das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme erfasst, die es ermöglichen, wie weiter unten noch auszuführen sein wird, den Nachbarfrieden, der auch, aber nicht abschließend durch das Abstandsflächenrecht mit erfasst wird, zu wahren. So kann auch das als untergeordnetes Bauteil errichtete Regenabfallrohr bei unsachgemäßer Anbringung zu Beeinträchtigungen des Nachbarfriedens führen, dieser Konflikt wird jedoch nicht über § 6 Abs. 6 HBO gelöst, sondern über diejenigen Regelungen, die sich mit dem Betrieb der jeweiligen Einrichtung beschäftigen.

Konnte der 205 mm Außendurchmesser umfassende Schornstein mithin an der Außenwand des Gebäudes der Beigeladenen gemäß § 6 Abs. 6 HBO innerhalb der Abstandsfläche angebracht werden, bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin einer Befreiung gemäß § 68 Abs. 3 HBO gerade nicht mehr.

Soweit die Klägerin meint, die streitgegenständliche Baugenehmigung verstoße gegen § 40 i.V.m. § 3 HBO, da die Brandsicherheit der Gesamtfeuerungsanlage der Beigeladenen im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens nicht überprüft worden sei, da Mehrausfertigungen des Bauantrags nicht dem Bezirksschornsteinfeger zugeleitet worden seien und daher keine ordnungsgemäße Prüfung durchgeführt worden sei, kann dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin ruft insoweit keine Regelungen auf, die drittschützend sind. Die Klägerin irrt, soweit sie meint, als Nachbarin Baugenehmigungsverfahren Dritter ohne Bezug auf mögliche eigene Rechtsverletzungen auf ihren formell richtigen Gang untersuchen lassen zu können.

Auch soweit die Klägerin meint, die Baugenehmigung verstoße gegen § 40 Abs. 1 HBO, der bestimme, dass Feuerungsanlagen, Anlagen zur Abführung von Verbrennungsgasen ortsfester Verbrennungsmotoren sowie Behälter und Rohrleitungen für brennbare Gase und Flüssigkeiten betriebssicher und brandsicher sein müssten und auch sonst dürften sie nicht zu Gefahren oder unzumutbaren Nachteilen oder unzumutbaren Belästigungen führen können, kann dem im Ergebnis ebenfalls nicht gefolgt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen nämlich auch insoweit keine ernstlichen Zweifel an dem von dem Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnis, insbesondere verstößt die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht gegen § 22 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG i.V.m. der VDI-Richtlinie 3781 - Bestimmung der Schornsteinhöhe für kleinere Feuerungsanlagen -. Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend in Übereinstimmung mit der Widerspruchs- sowie der Ausgangsbehörde davon ausgegangen, dass das im Dachgeschoss errichtete Gewächshaus bei der Bemessung der Höhe des Kamins außer Betracht zu bleiben hat. Ausweislich der von dem Senat beigezogenen Bauakten der Klägerin (0134/87-B-017 sowie 1619/89-N-017, Baugenehmigungen vom 14. Januar 1988 und 26. Februar 1991) wurde der von der Klägerin als "Wintergarten" nunmehr bezeichnete Raum tatsächlich als "Gewächshaus" genehmigt und daher nicht als zum ständigen Aufenthalt von Menschen bestimmter Raum. Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde von ihr im Zeitpunkt der damaligen Genehmigungserteilung der Begriff "Gewächshaus" auch nicht untechnisch verwandt, da sie mit den gleichen Bauantragsunterlagen sich auch mehrere Wintergärten hat genehmigen lassen, so dass ihr der Unterschied zwischen einem Wintergarten und einem Gewächshaus, zumal bei ihrer Ausbildung, geläufig sein dürfte. Da ihr auch lediglich eine zweigeschossige Bebauung genehmigt worden ist, war die Bezeichnung als "Gewächshaus" im Dachgeschoss bauplanungsrechtlich relevant, da die Zulassung einer kompletten Wohnnutzung im Dachgeschoss durch die Bauaufsichtsbehörde gerade nicht gewollt war, möglicherweise auch wegen der zunehmenden Länge von Rettungswegen in einem Brandfall. Die Klägerin irrt im Übrigen, soweit sie meint, dass es nicht auf die genehmigte, sondern vielmehr auf die tatsächliche Nutzung hinsichtlich der Frage ankomme, welches Schutzniveau anzulegen ist. Träfe die von der Klägerin vertretene Auffassung zu, könnten durch illegale Umnutzungen Schutzniveaus in der Umgebung ohne Einschaltung der Bauaufsichtsbehörden beliebig geändert werden. Soweit die Klägerin für ihre Auffassung eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juni 1975 bemüht, hat sie diese dem Zulassungsantrag nicht beigefügt und ein Aktenzeichen nicht genannt, so dass für den Senat nicht nachvollziehbar ist, um welche Entscheidung es sich hierbei handeln soll.

Im Übrigen entspricht die streitgegenständliche Baugenehmigung den Vorgaben der VDI-Richtlinie 3781 und damit den Anforderungen des § 22 BImSchG. Die Antragstellerin irrt, soweit sie auf Seite 21 ihres Zulassungsantrags (Bl. 229 d. GA) meint, aufgrund der Vorgaben der VDI-Richtlinie 3781 sei zwischen dem Schornstein der Beigeladenen und den nächstgelegenen Fenstern ihres Wohnhauses ein Abstand von 11,80 m einzuhalten. Gemäß Ziffer 2.4.1 der VDI-Richtlinie 3781 ist der Einwirkungsbereich einer Quelle als Kreis um den Mittelpunkt der Mündungsfläche anzunehmen. Der Kreisradius beträgt mindestens 10 m und höchstens 50 m. Zwischen den beiden Grenzen wird er durch lineare Interpolation ermittelt. Gemäß Ziffer 2.4 der VDI-Richtlinie 3781 werden umgebungsbedingte Anforderungen an die Schornsteinhöhe nur erhoben, wenn im Einwirkungsbereich der Quelle Gebäude vorhanden sind. Dies bedeutet, dass in dem ermittelten Radius zwischen mindestens 10 m und höchstens 50 m Anforderungen an die jeweiligen Schornsteine zu stellen sind, um welche Anforderungen es sich hierbei handelt, wird jedoch an anderer Stelle geregelt. Ziffer 2.4.1 der VDI-Richtlinie 3781 stellt mithin keine Abstandsregelung in dem von der Klägerin verstandenen Sinne dar, vielmehr wird dort ein Radius bestimmt, innerhalb dessen umgebungsbedingte Anforderungen festzulegen sind. Gemäß Ziffer 2.4.2 der VDI-Richtlinie 3781 gilt die Höhe über dem Erdboden der Fensteroberkanten der höchsten zu schützenden und zum ständigen Aufenthalt von Menschen bestimmten Räume im Einwirkungsbereich als Bezugsniveau der Quelle, wobei bezogen auf das Gebäude, auf dem der Schornstein angebracht ist, gemäß Ziffer 2.3.1.2 die Mindesthöhe der Schornsteineinmündung 1 m über First betragen soll. Wie bereits ausgeführt, hat der Beklagte zu Recht als Bezugsniveau die Fensteroberkanten der in 6 m Entfernung der geplanten Schornsteineinmündung gegenüberliegenden Fenster (ausgenommen obenliegendes Gewächshaus) bestimmt, wobei hierdurch hinreichend bestimmt festgelegt worden ist, dass Bezugsniveau die Fensteroberkante unterhalb des von dem Beklagten genehmigten Gewächshauses ist. Dieses Bezugsniveau hat die Schornsteineinmündung um 1 m zu übersteigen, so dass schädliche Einwirkungen gemäß § 22 BImSchG hinreichend ausgeschlossen werden können. Dass das Gewächshaus von der Klägerin tatsächlich als Aufenthaltsraum genutzt wird, muss sie sich ebenso wie die Tatsache zurechnen lassen, dass sie die Belüftung der darunter liegenden Räume auch über das Gewächshaus gestaltet. Letzteres insbesondere deshalb, weil eine ausreichende Belüftung der darunter liegenden Räume durch die dort vorgesehenen Fenster ausreichend gewährleistet ist und nicht zwingend ist, dass die Belüftung auch über den nicht zum dauernden Aufenthalt von Menschen genehmigten Raum im Dachgeschoss erfolgt.

Soweit die Klägerin schließlich meint, die Baugenehmigung sei auch deshalb rechtswidrig und es bestünden deshalb ernstliche Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, da durch die Erhöhung des Schornsteins die Typengenehmigung erloschen sei und die statische Prüfung nicht mehr erfasse, ein Standsicherheitsnachweis des streitgegenständlichen Schornsteins jedoch nicht erbracht worden sei und daher § 15 Abs. 1 HBO verletzt sei, kann dem nicht gefolgt werden. Die Frage, ob statische Nachweise von der Bauaufsicht in ausreichendem Umfang angefordert worden sind bzw. überprüft worden sind, kann von der Klägerin nicht aufgerufen werden, da diese für sich gesehen nicht drittschützend sind. Konkrete Gründe, die Bedenken an der Standsicherheit des Bauvorhabens begründen und die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Klägerin durch die Anbringung des Schornsteins in ihren Rechten verletzt sein könnte, hat die Klägerin demgegenüber nicht dargelegt.

Auch der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen bzw. rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt. Allein die Tatsache, dass vorliegend neben den bauordnungsrechtlichen Vorschriften auch Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes sowie die VDI-Richtlinie 3781 zur Anwendung kommen, rechtfertigt weder die Annahme einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit im tatsächlichen noch einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit im rechtlichen Bereich.

Auch soweit die Klägerin meint, die Berufung sei zuzulassen, da die angefochtene Entscheidung von Entscheidungen des OVG Nordrhein-Westfalen, des VGH Mannheim sowie des Bundesverwaltungsgerichts abweiche und auf diesen Abweichungen beruhe, kann dem nicht gefolgt werden. Der Zulassungsgrund der Abweichung von einer Entscheidung des OVG, des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts ist identisch mit dem Zulassungsgrund des § 131 Abs. 3 Nr. 2 VwGO und entspricht dem Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Erforderlich ist, dass ein tragender Grund der Entscheidung in Widerspruch zu einem tragenden Grund der Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte steht und dieser Widerspruch dieselbe Rechtsvorschrift betrifft. Beiläufige Bemerkungen (obiter dicta) sind in diesem Zusammenhang irrelevant, selbst wenn sie als Leitsätze in einer Entscheidung hervorgehoben sind. Aufgrund der unterschiedlichen Konstellation im Fall der Divergenzberufung im Unterschied zur Divergenzrevision nennt § 124 Abs. 2 Nr. 4 über § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hinaus auch die Abweichung von einer Entscheidung des OVG als Zulassungsgrund. Es kommt jedoch nicht auf die Abweichung von der Entscheidung irgendeines OVG an, sondern nur auf die Abweichung von einer Entscheidung des dem VG, dessen Entscheidung angegriffen wird, im Rechtszug übergeordneten OVG (vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 13. Aufl., § 124, Rdnr. 11 und 12 mit Rechtsprechungsnachweisen). Demgemäß könnte allenfalls die von der Klägerin behauptete Divergenz zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juni 1975 maßgeblich sein, die jedoch, wie bereits oben ausgeführt, von der Klägerin nicht näher bezeichnet worden ist, so dass für den Senat bereits nicht nachvollziehbar ist, um welche konkrete Entscheidung und welche tragende Begründung es sich handeln soll. Der Zulassungsantrag genügt insoweit nicht den Anforderungen an die Darlegung im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO.

Die Klägerin hat auch einen Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht darlegen können. Die Klägerin meint insoweit, der Sachverhalt sei durch das erstinstanzliche Gericht nur mangelhaft aufgeklärt worden, das erstinstanzliche Gericht hätte sich leicht im Rahmen eines Ortstermins davon überzeugen können, dass es sich bei dem Gewächshaus/Wintergarten der Klägerin tatsächlich um einen Wintergarten und damit um einen Aufenthaltsraum handele. Nach den oben gemachten Ausführungen kommt es jedoch auf die tatsächliche Nutzung des Gewächshauses durch die Klägerin, die im Übrigen von dem Verwaltungsgericht auch nicht in Frage gestellt wird, nicht an, da maßgeblich die Genehmigung als Wintergarten ist.

Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 72 GKG 2004 i.V.m. den §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 25 Abs. 2 Satz 2 GKG 1975.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 72 GKG 2004 i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG 1975).



Ende der Entscheidung

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