Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.01.2005
Aktenzeichen: 3 UZ 2619/03
Rechtsgebiete: BauGB, GG, HENatG


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 5 Satz 2
BauGB § 35 Abs. 5 Satz 3
GG Art. 3 Abs. 1
HENatG § 6 Abs. 3 Satz 1
HENatG § 7 Abs. 1
Eine Sicherheitsleistung für den Rückbau einer Windkraftanlage konnte vor Inkrafttreten des § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 BauGB 2004 allein auf § 6 Abs. 3 Satz 1 HENatG gestützt werden.

Es verstößt nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung, wenn für den Rückbau einer Windkraftanlage Sicherheitsleistung verlangt wird, während im Außenbereich privilegierte landwirtschaftliche Betriebsgebäude davon freigestellt sind.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

3 UZ 2619/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Sicherheitsleistung für Rückbau einer Windenergieanlage

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann

am 12. Januar 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 14. Juli 2003 - 1 E 1236/03 - wird abgelehnt.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 10.225,84 € festgesetzt.

Gründe:

Der Zulassungsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer sicherheitsleistungsfreien Baugenehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage auf dem Außenbereichsgrundstück in der Gemarkung Petterweil, Flur 2, Flurstück 69 zu Recht abgewiesen. Dabei lässt der Senat die Frage der Zulässigkeit der Klage wegen fehlenden, konkret gegen die Baugenehmigung vom 7. Juni 2001 gerichteten Widerspruchs offen, weil es darauf nicht entscheidend ankommt. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Januar 1972 - IV C 61.69 - (DVBl. 1972, 423) und dessen kritische Beurteilung (Redeker/von Oertzen, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2004, § 70 Rdnr. 7; vgl. in der Sache auch Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 13. Aufl. 2003, § 70 Rdnr. 10 und Fn. 22) bedürfte es insoweit vertiefender Überlegungen, die jedoch entbehrlich sind. Dies beruht darauf, dass die Klage jedenfalls unbegründet ist. Insoweit nimmt der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts ab Seite 7 Mitte des angefochtenen Urteils.

Der Zulassungsantrag rechtfertigt keine der Klägerin günstigere Entscheidung. Die beanstandungsfrei auf § 6 Abs. 3 Satz 1 HENatG beruhende und gemäß § 7 Abs. 1 HENatG zu Recht mit der Baugenehmigung als Auflage verknüpfte Sicherheitsleistung verletzt nicht das Gebot der Gleichbehandlung des Art. 3 Abs. 1 GG und schafft kein unzulässiges Sonderbaurecht zu Lasten der Klägerin. Insoweit hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass andere privilegierte Außenbereichsbaulichkeiten wie etwa landwirtschaftliche Höfe oder Atomkraftwerke, für deren Genehmigung der Beklagte schon gar nicht zuständig ist, keine unmittelbaren Vergleichsfälle darstellen. So sind landwirtschaftliche Gebäude im Außenbereich nicht wie Windkraftanlagen nur auf einen bestimmten Zeitraum angelegt, der technisch von der Haltbarkeit des Materials und der Lebenserwartung im jahrelangen Dauerbetrieb bestimmt ist. Landwirtschaftliche Anwesen, die häufig über Generationen hinweg in der Familie oder sonst an Betriebsnachfolger weitergegeben werden, weisen mit ihren Baulichkeiten gegenüber Windkraftanlagen auch eine deutlich geringere Höhe und damit geringere nachteilige Auswirkungen für das Landschaftsbild auf. Sie werfen auch nicht dieselben Sicherheitsprobleme auf wie ungenutzte und ungewartete Windkraftanlagen. Mithin liegen insgesamt vernünftige Differenzierungsgründe vor, die einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz ausschließen.

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, sie habe eine unbefristet ausgestellte und daher für eine unbestimmte Zeit gültige Baugenehmigung inne, so dass die Pflicht zur Entsorgung der Anlage und die zugehörige Sicherheitsleistung nicht an die Beendigung des Pachtvertrages geknüpft werden könnten, verhilft dies dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass die Baugenehmigung vom 7. Juli 2001 mit den auf das Einvernehmensschreiben der unteren Naturschutzbehörde der Beklagten vom 28. Mai 2001 zurückgehenden Auflagen nichts ausdrücklich zum Erlöschen der Baugenehmigung bei Beendigung des Pachtvertrags oder dauerhafter Betriebseinstellung aussagt. Die Baugenehmigung ist auch nicht mit einem entsprechenden Widerrufsvorbehalt oder unter der auflösenden Bedingung der Einstellung der Stromeinspeisung erteilt worden. Gleichwohl lässt sich den mit der Baugenehmigung verknüpften Auflagen hier hinreichend etwas über die begrenzte zeitliche Reichweite der Geltung der Baugenehmigung und des daraus fließenden Nutzungsrechts entnehmen. Dies beruht auf der bestandskräftigen naturschutzrechtlich begründeten Auflage Nr. 9 Satz 1, wonach die Klägerin bei Beendigung des Pachtvertrags verpflichtet ist, die Windkraftanlage und das Betonfundament zu entfernen. Dieses Gebot ist von der Klägerin zu keiner Zeit rechtlich wirksam in Frage gestellt worden. Dazu enthält auch der klägerische Widerspruch vom 4. Juli 2001 gegen den die Konzentrationsvorschrift des § 7 Abs. 1 HENatG unberücksichtigt lassenden und damit zu unnötiger Irritation im Rechtsverkehr beitragenden Bescheid über die Festsetzung einer Ausgleichsabgabe und Sicherheitsleistung der unteren Naturschutzbehörde des Beklagten vom 28. Mai 2001 nichts. Mit der an die Beendigung des Pachtvertrages geknüpften bestandskräftigen Rückbauverpflichtung für die Windkraftanlage und das Betonfundament ist hinreichend geklärt, dass der Baugenehmigung keine unbefristete Wirkung zukommt und sie von Anfang an entsprechend entwehrt war.

Die verlangte Sicherheitsleistung von damals 20.000,00 DM, jetzt 10.225,84 €, ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Um die Beeinträchtigungen beim Landschaftsbild und im Funktionszusammenhang beim Schutzgut Boden rückgängig zu machen, ist nicht nur der Abbau des oberirdischen Teils der Windkraftanlage geboten, sondern auch die Entfernung des Betonfundaments. Für diese Arbeiten ist der verlangte Betrag bei überschlägiger Schätzung nicht übersetzt. Immerhin sind über den bloßen Abbau der Anlage hinaus kostenträchtig ins Gewicht fallende Gesichtspunkte wie Sicherheitsfragen, Transport und Abfallgebühren für nicht wiederverwertbare Materialien in den Blick zu nehmen.

Auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht dargelegt. Die Klägerin stellt dazu verschiedene Fragen, ohne darzutun, inwieweit deren Beantwortung entscheidungserheblich ist und sie angesichts des Umstands, dass die Sicherheitsleistung auf der Ermessensvorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 HENatG beruht, in einem möglichen Berufungsverfahren mit grundsätzlicher Wirkung für eine Vielzahl von Fällen klärungsfähig und klärungsbedürftig sind.

So fehlt die Entscheidungserheblichkeit der ersten Frage, die einen Zusammenhang der Sicherheitsleistung mit einer auf unbestimmte Zeit erteilten Baugenehmigung herstellt. Wie dargelegt, mangelt es wegen der bestandskräftigen Rückbauverpflichtung bei Beendigung des Pachtvertrages hier an einer unbefristeten rechtlichen Genehmigungswirkung der Baugenehmigung vom 7. Juni 2001.

In der gestellten Form ist auch die zweite Frage, die von einer Nutzungsdauer der Anlage von etwa 50 Jahren ausgeht, nach den derzeit erkennbaren Umständen nicht eigentlich entscheidungserheblich, weil der zu den Gerichtsakten gelangte Pachtvertrag vom 5. April 2000 nach § 2 lediglich auf 25 Jahre ab Baubeginn mit zweimaliger Verlängerungsoption des Pächters auf je fünf Jahre abgeschlossen worden ist. Darüber hinaus bedarf es zur Beantwortung dieser Frage nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, da eine Klärung unmittelbar aus dem Gesetz zu entnehmen ist. Bei § 6 Abs. 3 Satz 1 HENatG handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, bei deren Anwendung die jeweils einschlägigen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Der Regelung lässt sich nichts darüber entnehmen, dass etwa die langjährige Dauer eines Natureingriffs durch bauliche Anlagen zur Nichtanwendung der Norm führt. Dazu sei entsprechend auf die zukünftig als weitere Rechtsgrundlage für eine Rückbauverpflichtung nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zur Verfügung stehende bauplanungsrechtliche Vorschrift des § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414) verwiesen, wo im Zusammenhang mit der gebotenen Sicherstellung der Einhaltung der Rückbauverpflichtung nichts für eine Befristung oder eine sonstige zeitliche Ausschlussgrenze für das betreffende Pflichtprogramm zu entnehmen ist.

Zur Beantwortung der dritten Frage, die sich auf die Beachtung des Gleichheitssatzes bei der Festsetzung von Sicherheitsleistungen bei privilegierten Außenbereichsvorhaben bezieht, kann auf die obigen Ausführungen dazu verwiesen werden. Auch insoweit bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 3 GKG 2004.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 GKG 2004).



Ende der Entscheidung

Zurück