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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.01.2007
Aktenzeichen: 4 TG 2717/06
Rechtsgebiete: HBO


Vorschriften:

HBO § 75
Eine Baulasterklärung, dass "die Flurstücke x und y bauordnungsrechtlich so beurteilt werden, als wenn sie zusammen ein Baugrundstück darstellten", kann bereits wegen des eindeutigen, auf das Bauordnungsrecht Bezug nehmenden Wortlautes, aber auch deswegen nicht in dem Sinne interpretiert werden, dass die Flurstücke bauplanungsrechtlich als ein Baugrundstück zu werten sind, weil damit an die Stelle des Buchgrundstücks als des bauplanungsrechtlich maßgeblichen Begriffs des Baugrundstücks ein durch die (Vereinigungs-)Baulast verändertes Grundstück treten würde.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 TG 2717/06

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Baurechts (Nachbareilantrag)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 4. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann, Richter am Hess. VGH Heuser

am 4. Januar 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Kostenentscheidung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 23. Oktober 2006 - 3 G 1194/06 -abgeändert: Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für das erstinstanzliche Verfahren sind nicht erstattungsfähig.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für das Beschwerdeverfahren sind ebenfalls nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung für beide Rechtszüge auf 5000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO bei der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung.

Die vom Antragsteller mit der Beschwerde angegriffene Auffassung des Verwaltungsgerichts, mit der die Ablehnung des Eilantrags maßgeblich begründet worden ist, nämlich dass die auf dem Grundstück der Beigeladenen (A-Stadt Flur 20, Flurstück 155) ruhende Baulast des Inhalts, dass "die Flurstücke 155 und 156/1 bauordnungsrechtlich so beurteilt werden, als wenn sie zusammen ein Baugrundstück darstellten", nicht die Rechtswidrigkeit der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung zur Folge habe, ist nicht zu beanstanden. Bereits der eindeutige Wortlaut der vom damaligen Eigentümer beider genannten Grundstücke am 3. Januar 1991 abgegebenen, die beiden Grundstücke gegenseitig betreffenden Baulasterklärung lässt nur eine allein auf das Bauordnungsrecht bezogene Interpretation der Baulast zu. Diese Wertung findet ihre Bestätigung in dem Inhalt der vom Senat beigezogenen Bauakte des Antragsgegners betreffend das Baugenehmigungsverfahren mit dem Aktenzeichen 0830/90, in dessen Verlauf von dem damaligen Eigentümer der beiden Grundstücke die Baulasterklärung abgegeben worden ist. Dem damaligen Bauherrn wurde mit "Zwischenbescheid" der Bauaufsichtsbehörde vom 31. Oktober 1990 (u.a.) mitgeteilt, dass die gemäß § 8 HBO erforderliche Abstandsfläche zu der Grenze des Flurstücks Nr. 155 nicht ausreichend sei. Die beiden Flurstücke 155 und 156 seien daher zu vereinigen, entweder durch die Eintragung einer Baulast oder durch Aufhebung der Grenze zwischen den beiden Grundstücken. Bedenken an einem bauplanungsrechtlichen Aspekt, nämlich dem Einfügen beziehungsweise dem Nichteinfügen in die vorhandene Bebauung, sind demgegenüber in dem zuvor genannten Schreiben des Antragsgegners vom 31. Oktober 1990 nicht angesprochen worden. Dafür sah der Antragsgegner auch wohl schon deshalb keinen Anlass, weil in der von der Bauaufsichtsbehörde eingeholten Stellungnahme der Gemeinde A-Stadt Bedenken in dieser Hinsicht nicht geäußert worden waren, sondern im Gegenteil ein Einfügen in die vorhandene Bebauung ausdrücklich bejaht worden war. Deshalb geht der Antragsteller fehl in seiner Annahme, die Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens auf dem Flurstück 156/1 unter dem genannten Aspekt sei erst durch die Baulasterklärung des damaligen Bauherrn und Eigentümers beider Flurstücke herbeigeführt worden. Vielmehr wurde in dem besagten Genehmigungsverfahren lediglich für einen in seinen Ausmaßen nur bescheidenen Anbau an das bereits in den Jahren 1951/52 und 1961 nach entsprechender Genehmigungserteilung errichtete Wohnhaus des damaligen Eigentümers des Flurstücks 156/1 eine Baugenehmigung erteilt (vergleiche dazu den Aktenvermerk auf Blatt 54 der beigezogenen Behördenakte 0830/90). Nach einer Reduzierung des geplanten (Erweiterung-) Bauvorhabens durch den genannten Bauherrn und der Abgabe der hier in Rede stehenden Baulasterklärung waren die zuvor von der Bauaufsichtsbehörde schriftlich geäußerten, der Genehmigungserteilung entgegenstehenden (bauordnungsrechtlichen) Hindernisse ausgeräumt, so dass dem Bauherrn mit Bescheid vom 27. Februar 1991 die beantragte Genehmigung für den Anbau an das vorhandene Wohnhaus erteilt worden ist. Aus obigen Darstellungen wird deutlich, dass die Baulast allein der Wahrung bauordnungsrechtlicher Vorschriften betreffend die einzuhaltende Abstandsfläche zur Grundstücksgrenze dienen sollte (auch als Abstandsflächenbaulast bezeichnet). Eine Auslegung der Baulasterklärung dahingehend, dass die beiden genannten Flurstücke bauplanungsrechtlich als einheitliches Baugrundstück zu behandeln sind, verbietet sich daher.

Einer solchen Interpretation steht zudem entgegen, dass der Baulasterklärung damit ein rechtlich unzulässiger Inhalt beigemessen würde. Zwar ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass Baulasten grundsätzlich auch zu Verpflichtungen nach Bauplanungsrecht begründet werden können (siehe etwa Allgeier/von Lutzau, Die Bauordnung für Hessen, 7. Auflage, Erl. § 75, Seite 563 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Allerdings ist nach der von den Beteiligten und auch vom Vorgericht zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 1991 (BRS 52 Nr. 161) für die auf dem Landesrecht beruhende Baulast folgendes zu beachten: Ausgangspunkt für die Anwendung der bauplanungsrechtlichen Bestimmungen ist das Baugrundstück. Insbesondere die Regelungen des Maßes der baulichen Nutzung sind grundstücksbezogen und können nur im Hinblick auf konkrete Flächen angewendet werden. Das Baugrundstück wird dadurch selbst zu einer für die Anwendung des Bauplanungsrechts unverzichtbaren Größe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Grundstück im bauplanungsrechtlichen Sinne grundsätzlich mit dem bürgerlich-rechtlichen (grundbuchrechtlichen) Grundstück gleichzusetzen (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1970 - BVerwG 4 C 73.68 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 28). Eine Zusammenfassung mehrerer Grundstücke durch eine Baulast kennt das Bundesrecht nicht; bundesrechtliche Baulasten gibt es nicht. Den Ländern steht es zwar frei, besondere bauordnungsrechtliche Anforderungen an das Baugrundstück zu stellen und es insoweit abweichend vom bundesrechtlichen Grundstücksbegriff zu definieren. Insoweit sind die Länder nicht gehindert, als Grundstück im bauordnungsrechtlichen Sinne auch mehrere durch eine Vereinigungsbaulast zusammengehaltene Grundstücke gelten zu lassen. Der kompetenzrechtlichen Zuweisung nach Art. 74 Nr. 18 GG würde es aber widersprechen, wenn die Länder damit auch den bundesrechtlichen Begriff des Grundstücks verändern könnten. Nicht zuletzt würden hierdurch der bundeseinheitliche planungsrechtliche Grundstücksbegriff und damit die bundeseinheitliche Umsetzung des Planungsrechts überhaupt in Frage gestellt, denn nicht alle Länder kennen das Institut der Baulast. Bundesrechtliche Begriffe können durch das Landesrecht nicht verändert werden; anderenfalls würde das Bundesrecht je nach dem Landesrecht einen unterschiedlichen Inhalt haben können. Nicht um die Sicherung der Einhaltung planungsrechtlicher Regelungen, für die eine Baulast regelmäßig nur eingesetzt werden darf, sondern um die Veränderung ihrer tatsächlichen Grundlagen geht es jedoch, wenn an die Stelle des Buchgrundstücks als des bundesrechtlich maßgeblichen Grundstücksbegriffs ein durch die Bestellung einer Vereinigungsbaulast verändertes Grundstück treten soll.

Die vorgenannten Rechtsausführungen des Bundesverwaltungsgerichts stehen mithin einer Auslegung der hier in Rede stehenden Baulasterklärung in dem Sinne, dass die beiden genannten Flurstücke bauplanungsrechtlich als ein Baugrundstück zu werten seien, gleichfalls entgegen. Ist damit aber eine "Anrechnung" der baulichen Ausnutzung des Nachbargrundstücks unter dem Gesichtspunkt des Sicheinfügens des hier in Rede stehenden Bauvorhabens der Beigeladenen im Sinne des § 34 BauGB aufgrund des Inhaltes der Baulast nicht zulässig, kann dem Eilantrag kein Erfolg beschieden sein. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot scheidet unter diesen Umständen schon deshalb aus, weil der erteilten Baugenehmigung öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen und insbesondere die erforderlichen Abstandsflächen nach § 7 HBO gewahrt werden.

Dagegen ist die vom Vorgericht getroffene Entscheidung, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Antragsteller aufzuerlegen, abzuändern. Die Beigeladenen haben im Verfahren erster Instanz entgegen der Wertung des Vorgerichts keinen Antrag auf Ablehnung des Eilantrags gestellt. Wie der Eingansformulierung im Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 19. Oktober 2006 zu entnehmen ist, haben sie lediglich zu einem Schriftsatz des Antragstellers Stellung genommen und zum Abschluss ihrer Rechtsausführungen darauf hingewiesen, dass "entsprechend die Klage abzuweisen sei"; eine prozessualer Antrag auf Ablehnung des Eilantrags ist darin nach Auffassung des beschließenden Senats nicht zu sehen. Die Beigeladenen sind damit mit ihrer Stellungnahme gerade kein eigenes Kostenrisiko eingegangen (§ 154 Abs. 3 VwGO). Ferner ist ihr Vorbringen auch nicht als besonderer, das Verfahren wesentlich fördernder Vortrag zu bewerten. Unter diesen Umständen entspricht es nach ständiger Rechtsprechung des beschließenden Senats nicht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären. Gleiches gilt auch für das Beschwerdeverfahren. Dem Schriftsatz des Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 22. November 2006 ist kein prozessualer Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde zu entnehmen und von eine besonderen Verfahrensförderung ist ebenfalls nicht auszugehen.

Die Kostenentscheidung über die Beschwerde beruht auf § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Nach der Rechtsprechung des Senats ist in Fallkonstellationen wie der vorliegenden regelmäßig von einem Streitwert von 10.000 € für den betroffenen Nachbarn in einem Hauptsacheverfahren auszugehen. Entsprechend der ständigen Praxis des Senats ist jedoch für das Eilverfahren nur die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwertes festzusetzen. Für das vorliegende Eilverfahren halbiert sich dieser Wert daher auf 5.000 €. Die Befugnis zur Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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