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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.01.2000
Aktenzeichen: 4 TG 4070/99
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 5
Im Falle der Genehmigung der Zweckentfremdung von Wohnraum kann die Behörde die Verwirklichung eines angemessenen Ersatzraumangebots auch dann ohne Weiteres durch eine geeignete Auflage sicherstellen, wenn der zweckentfremdete Wohnraum vom Eigentümer selbst genutzt wurde und auch der Ersatzwohnraum von ihm genutzt werden soll.

Zur Bemessung einer angemessenen Frist zur Erfüllung der Verpflichtung, Ersatzwohnraum zu schaffen und der Wohnnutzung zuzuführen.


Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in W.-M.. Auf diesem Grundstück war auf einem in Massivbauweise erstellten Kellergeschoss ein Fertighaus errichtet, das zwei Wohnbereiche enthielt, im Obergeschoss - ohne Kochstelle - für den Antragsteller, im Erdgeschoss für dessen Mutter. Der Antragsteller wohnt seit Jahren nicht mehr dort. Die Mutter, die pflegebedürftig geworden war, wurde am 01.01.1997 in ein Alten- und Pflegeheim in W., wo sie Aufnahme gefunden hat, umgemeldet. Zum Zeitpunkt einer Besichtigung seitens des Wohnungsamts der Antragsgegnerin im Oktober 1998 waren nach dem über das Ergebnis der Besichtigung gefertigten Aktenvermerk die Wohnräume noch möbliert.

Der Antragsteller stellte bei der Antragsgegnerin 1998 einen Bauantrag auf Genehmigung des Abbruchs des Fertighauses bis zur Oberkante der Kellerdecke und der Errichtung eines massiven Einfamilienhauses auf dem vorhandenen Kellergeschoss. Zugleich beantragte er beim Wohnungsamt die Genehmigung der Zweckentfremdung von Wohnraum durch den vorgesehenen Abbruch des Altbaus.

Nachdem ein von der Antragsgegnerin vorgeschlagener öffentlich-rechtlicher Vertrag vom Antragsteller abgelehnt worden war, erledigte das Wohnungsamt den Antrag durch Bescheid vom 01.02.1999. Es genehmigte die Zweckentfremdung durch Abbruch von Wohnraum mit einer errechneten Wohnfläche von 115 qm unter Auflagen. Unter Nr. 2 wurde dem Antragsteller aufgegeben, innerhalb von 18 Monaten nach Erteilung der baurechtlichen Abbruchgenehmigung auf dem Baugrundstück ein Einfamilienhaus mit ca. 160,2 qm Wohnfläche entsprechend den eingereichten Unterlagen als Ersatzwohnraum zu schaffen und ausschließlich Wohnzwecken zuzuführen. Die Ausstattung der Wohnung dürfe die Grenze zum Luxuswohnraum nicht überschreiten. In weiteren Auflagen wurden für den Fall der verspäteten Herstellung des Ersatzwohnraums oder einer Nichtherstellung oder der Herstellung unter Überschreitung des Rahmens der zugelassenen Ausstattung Ausgleichszahlungen vorgeschrieben (lfd. Nr. 3). Weiter wurde vorgesehen, dass die Erfüllungsfrist verlängert werden könne, wenn sie aus nicht zu vertretenden Gründen nicht eingehalten werden könne und dies angezeigt werde (Nr. 4), schließlich, dass die Genehmigung ihre Gültigkeit verliere, wenn nicht bis Ende 1999 von ihr Gebrauch gemacht sei (Nr. 5).

Der Antragsteller erhob gegen die Auflagen Widerspruch. Daraufhin ordnete die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 22.03.1999 die sofortige Vollziehung der Auflage unter Nr. 2 an mit der Begründung, dass der Widerspruch den Antragsteller nicht hindere, von der Genehmigung Gebrauch zu machen, wo der zeitliche Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Schaffung von Ersatzwohnraum, ohne die die Genehmigung zu versagen gewesen wäre, im öffentlichen Interesse gesichert werden müsse, um eine Verschärfung der Lage auf dem Wohnungsmarkt durch eine möglicherweise längere Zeit bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache nicht ausgeglichene Zweckentfremdung zu vermeiden. Da der Antragsteller die Absicht bekundet habe, in zeitlichem Zusammenhang mit dem Abbruch neu zu bauen, beschränke sich die Wirkung der sofortigen Vollziehung darauf, dieser Absicht eine Pflicht an die Seite zu stellen.

Der Antragsteller hat im April 1999 beim Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Er hat vorgetragen, der geplante Neubau diene so wie früher der Altbau der eigenen Wohnnutzung. Der Neubau stehe wie schon der Altbau dem Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung. Da er, der Antragsteller, sich bereiterklärt habe, Ersatzwohnraum zu schaffen, der den in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen genüge, hätte ihm die Zweckentfremdungsgenehmigung ohne Auflagen erteilt werden müssen. Ihm könne nach Art. 6 des Mietrechtsverbesserungsgesetzes - MRVerbG - nicht verwehrt werden, für die eigene Nutzung die Ausstattung nach seinen Wünschen zu wählen. Eine zeitliche Verknüpfung von Abriss und Neubau sei nicht gerechtfertigt und außerdem die Frist von 18 Monaten zu kurz. Sie benachteilige ihn gegenüber anderen Bauherren, die die Geltungsdauer der Baugenehmigung voll ausnutzen könnten, und nehme ihm z. B. die Möglichkeit, Eigenleistungen am Bau zu erbringen. Die für den Fall der Nichteinhaltung der Frist vorgesehenen Ausgleichszahlungen gefährdeten ihn als Privatmann in seiner wirtschaftlichen Existenz.

Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Auflage unter Nr. 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 01.02.1999, ergänzt durch Bescheid vom 22.03.1999, wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Genehmigungsbescheid mit Auflagen und die Anordnung des Sofortvollzugs für rechtmäßig gehalten. Insbesondere die Fristsetzung sei notwendig gewesen, um den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Zweckentfremdung und der Schaffung des Ersatzwohnraums zu sichern. Dem Antragsteller sei es innerhalb der Frist auch möglich und zumutbar, den Abbruch durchzuführen und das neue Einfamilienhaus zu errichten.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers durch Beschluss vom 13.07.1999 wegen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Auflage, die einmal als erheblich, einmal als durchgreifend bezeichnet worden sind, stattgegeben. Es hat dies damit begründet, dass zwar der Tatbestand der Zweckentfremdung durch den Teilabbruch des Altbaus erfüllt sei und die Genehmigung unter Auflagen erteilt werden könne, eine Auflage aber nur rechtmäßig sei, wenn sie zur Durchsetzung des Ziels des Zweckentfremdungsverbots im Mietrechtsverbesserungsgesetz geeignet sei und das Eigentumsrecht nicht unzumutbar beeinträchtige. Zu prüfen sei die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit einer Auflage. Der Antragsteller habe nachvollziehbar dargetan, das bisher von Familienmitgliedern bewohnte Haus bis zur Kellerdecke abbrechen und durch ein Wohnhaus in konventioneller Bauweise ersetzen zu wollen, das er mit seiner Familie beziehen wolle. Er habe damit verlässlich zugesichert, zumindest gleichwertigen Ersatzwohnraum schaffen zu wollen. Dieser werde in Zukunft dem allgemeinen örtlichen Wohnungsmarkt ebensowenig zur Verfügung stehen wie das bisher selbst genutzte Haus. Das entspreche dem Zustand, der auch vor der Zweckentfremdung bestanden habe. Damit habe der Antragsteller einen Anspruch auf eine grundsätzlich auflagenfreie Zweckentfremdungsgenehmigung. Die Behörde könne zwar die Verwirklichung des Ersatzraumangebots durch Nebenbestimmungen zur Zweckentfremdungsgenehmigung sicherstellen, aber abgesehen davon, dass nicht erkennbar sei, dass der Antragsteller etwas anderes anstrebe als angegeben, müsse ihm zugestanden werden, den Wiederaufbau zeitlich nach seinen Vorstellungen und nach seinen finanziellen Möglichkeiten zu gestalten. Die ihm gesetzte Frist sei unverhältnismäßig kurz. Sie müsste an die Erteilung der Baugenehmigung statt der Abbruchgenehmigung anknüpfen und könnte sich etwa an § 72 der Hessischen Bauordnung - HBO - orientieren. Ob die Auflage, bei der Ausstattung des Neubaus die Grenze zum Luxuswohnraum nicht zu überschreiten, bei der Errichtung eines Eigenheims überhaupt zulässig sei, könne dahingestellt bleiben. Da es keinen Anhalt dafür gebe, dass der Antragsteller Luxuswohnraum schaffen wolle, bestehe zumindest kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit dieser Bestimmung.

Die Antragsgegnerin hat gegen den am 15.07.1999 zugestellten Beschluss am 28.07.1999 Antrag auf Zulassung der Beschwerde gestellt.

Sie macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung geltend. In tatsächlicher Hinsicht sei das Verwaltungsgericht insofern von unzutreffenden Annahmen ausgegangen, als der Altbau zuletzt weder vom Antragsteller noch von dessen Mutter bewohnt worden sei, sondern leer gestanden habe. Auch sei der Bauantrag auf eine kombinierte Abbruch- und Neuerrichtungsgenehmigung gerichtet gewesen und eine entsprechende Baugenehmigung nach der Zweckentfremdungsgenehmigung erteilt worden, so dass Abbruch- und Neubaugenehmigung zusammenfielen.

In rechtlicher Hinsicht habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass die Wohnungsbehörde stets eine die Schaffung von Ersatzwohnraum sichernde Auflage machen könne und die Absichtserklärung des Antragstellers noch keine Sicherheit bedeute. Zur Herstellung eines angemessenen zeitlichen Rahmens für die Ersatzbauverpflichtung sei an die Abbruch- und nicht an die Baugenehmigung anzuknüpfen, was hier allerdings aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung sei. Die gewährte Frist von 18 Monaten sei im vorliegenden Fall ausreichend, weil nur ein Teilabbruch erfolgen und der neu entstehende Wohnraum vom Antragsteller selbst genutzt werden solle.

Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde werde auch darauf gestützt, dass die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweise und für die Genehmigungspraxis von grundsätzlicher Bedeutung sei.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Beschwerde nicht zuzulassen.

In tatsächlicher Hinsicht trägt er vor, er habe seiner Mutter noch nach ihrer Aufnahme im Alten- und Pflegeheim eine Zeitlang die Rückkehr in ihr Haus offen halten wollen und sich erst dann zum Teilabriss und Neubau entschlossen, als klar gewesen sei, dass die Mutter nicht mehr habe zurückkehren können. Die Abbruch- und Baugenehmigung seien erst nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zweckentfremdungsgenehmigung am 31.03.1999 erteilt worden. Inzwischen - laut Schriftsatz vom 24.08.1999 - habe er mit dem Neubau begonnen.

In rechtlicher Hinsicht tritt er der Ansicht des Verwaltungsgerichts bei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses zugelassen.

II.

Die zugelassene Beschwerde ist zum Teil begründet.

Gegenstand des Antrags- und Beschwerdeverfahrens ist, worauf auch das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss hingewiesen hat, allein die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Auflage unter Nr. 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 01.02.1999. Wenngleich diese Auflage Auswirkungen auf die weiteren Auflagen in dem genannten Bescheid hat, sind jene Auflagen doch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Auflage unter Nr. 2 zu Unrecht in vollem Umfang wiederhergestellt. Der zulässige Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz ist nur zum Teil begründet.

Nach ständiger Rechtsprechung ist einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattzugeben, wenn kein öffentliches Interesse oder überwiegendes Interesse eines Beteiligten an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts bestehen kann, weil der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Der Antrag ist abzulehnen, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig und seine Vollziehung wegen der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO genannten Interessen eilbedürftig ist. In allen anderen Fällen entscheidet eine reine Abwägung der beteiligten Interessen.

Im vorliegenden Fall ist die angefochtene Auflage, Ersatzwohnraum in der vom Antragsteller angebotenen Art und Größe zu schaffen, dessen Ausstattung die Grenze zum Luxuswohnraum nicht überschreitet, offensichtlich rechtmäßig, die gesetzte Frist dagegen rechtswidrig.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Wohnraum in dem Altbau, den der Antragsteller inzwischen beseitigt hat, durch Art. 6 MRVerbG in Verbindung mit der Ersten Hessischen Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in der Fassung der entsprechenden Zehnten Verordnung geschützt war und der Abbruch einer Genehmigung nach Art. 6 § 1 MRVerbG bedurfte. Da auch die Beteiligten übereinstimmend dieser Auffassung sind und der Antragsteller folgerichtig einen Antrag auf Zweckentfremdungsgenehmigung gestellt hat, muss hierauf nicht weiter eingegangen werden.

Die erteilte Genehmigung konnte gemäß Art. 6 § 1 Abs. 2 MRVerbG rechtmäßig mit der Auflage verbunden werden, Ersatzwohnraum zu schaffen, der die in Auslegung des knappen Gesetzestextes in der Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 12.03.1982 - 8 C 23.80 - in BVerwGE 65, 139) entwickelten sechs Kriterien erfüllt. Dass dieser Ersatzwohnraum eine deutlich größere Fläche hat als der beseitigte, spielt hier keine Rolle, weil der Antragsteller sie selbst angeboten hat und sich insoweit auch nicht gegen die Auflage wendet. Nach seinem jüngsten Vortrag im Beschwerdeverfahren will er auch nicht die Verpflichtung als solche zur Schaffung von Ersatzraum angreifen, während sein früherer Vortrag und sein Widerspruch gegen die Auflagen zur Zweckentfremdungsgenehmigung anders zu verstehen sind und vom Verwaltungsgericht auch anders verstanden worden sind. Der Antragsteller und auch das Verwaltungsgericht verwenden den Begriff der auflagenfreien Genehmigung. Er wird in der von ihnen angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Fall eines beachtlichen Angebots zur Schaffung von Ersatzraum im jeweils gegebenen Zusammenhang gebraucht, ist aus diesem Zusammenhang gelöst jedoch missverständlich. Der Abbruch eines veralteten Wohngebäudes muss zweckentfremdungsrechtlich genehmigt werden, wenn der Wohnraumverlust durch neu geschaffenen gleichwertigen Ersatzraum ausgeglichen wird (BVerwG, Urteil vom 12.03.1982, a.a.O. und vom 17.10.1997 - 8 C 18.96 - in Buchholz 454.51 Nr. 25). Die Behörde kann jedoch die Verwirklichung eines angemessenen Ersatzraumangebots durch eine geeignete Nebenbestimmung sicherstellen (BVerwG, Urteil vom 17.10.1997, a.a.O. und Urteil vom 22.04.1994 - 8 C 29.92 - in BVerwGE 95, 341), wenn der Antragsteller sich nicht anderweitig bindend verpflichtet hat oder Ersatzraum in beachtlicher Weise bereits geschaffen hat. Das gilt auch für selbstgenutzten Wohnraum, so dass es auf Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten darüber, ob oder aus welchem Grund der abzureißende Altbau bei Erteilung der Zweckentfremdungsgenehmigung bereits leer stand und ob von einer künftigen Eigennutzung des Ersatzwohnraums durch den Antragsteller und Familienangehörige auszugehen war, nicht ankommt.

Zur Erfüllung der sechs Eignungsanforderungen an zweckentfremdungsrechtlich beachtlichen Ersatzraum, die die Gleichwertigkeit der Ersatzleistung im Hinblick auf die Wohnraumversorgung bewirken sollen, gehört auch, dass "der Zulässigkeit der Überschreitung des Standards, den der zweckentfremdete Wohnraum hat, eine obere Grenze gesetzt ist" (BVerwG, Urteil vom 12.03.1982 a.a.O.), anders ausgedrückt, dass "anstelle veralteten Wohnraums neuer, nicht ausgesprochen luxuriöser Wohnraum geschaffen wird (BVerwG, Urteil vom 17.10.1997 a.a.O. unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 02.12.1980 - 1 BvR 436, 437/78 - in BVerfGE 55, 249 [258, 260]). Wenn der zu ersetzende alte Wohnraum zu dem Wohnraumbestand gehörte, den das Zweckentfremdungsgebot schützen will, gleichgültig, ob er nach einer jederzeit änderbaren Entscheidung eigengenutzt ist und solange nicht am Markt teilnimmt, dann wird in beachtlicher Weise nur dadurch Ersatzraum geschaffen, dass der neue Wohnraum die gleiche Eigenschaft besitzt. Insoweit gibt es, wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung dargelegt ist, nicht nur eine Unter-, sondern auch eine Obergrenze. Sie gilt - ohne unnötige Kleinlichkeit - auch für zur Eigennutzung vorgesehenen Wohnraum. Die angefochtene Auflage unter Nr. 2 der Zweckentfremdungsgenehmigung besagt nichts anderes, ist also rechtmäßig.

Die in der Auflage ferner gesetzte Frist zur Herstellung des Ersatzraums und dessen Zuführung zur Wohnnutzung ist rechtswidrig, obwohl grundsätzlich auch beim Bau eines Eigenheims eine Frist als Nebenbestimmung zur Zweckentfremdungsgenehmigung bestimmt werden kann. Die insoweit maßgebliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.03.1982 (a.a.O.) beschreibt als eine der Eignungsanforderungen für Ersatzwohnraum, dass er in zeitlichem Zusammenhang mit der Zweckentfremdung geschaffen wird oder geschaffen worden ist. Die zur Begründung angeführte Überlegung, dass nicht ohne konkreten Zusammenhang durch Neubau von Wohnraum sozusagen auf Vorrat Ansprüche auf die Genehmigung von Zweckentfremdung anderen Wohnraums geschaffen werden sollen, ist nicht der einzige Grund für die geforderte zeitliche Verbindung von Abriss oder Nutzungsänderung einerseits und Neubau oder Widmung zu Wohnzwecken andererseits. Die Notwendigkeit einer solchen Verknüpfung ergibt sich aus dem Gesetzeszweck des Schutzes der Wohnraumversorgung, die beeinträchtigt werden kann, wenn bestehender Wohnraum mit Genehmigung zweckentfremdet werden darf, die Ersatzraumgestellung aber zeitlich in das Belieben des Genehmigungsempfängers gestellt wäre. Daraus folgt die Berechtigung der Wohnungsbehörde, für die Bereitstellung des Ersatzraums eine Zeit vorzugeben.

Die Frist muss so bemessen sein, dass bei normalem Gang der Dinge, also einerseits ohne zögerliche Ausführung des Vorhabens, andererseits ohne scharfen und ungebührlichen Zeitdruck die Fertigstellung und Ingebrauchnahme des Ersatzraumes erwartet werden kann. Die Fristbestimmung trägt damit dem doppelten Charakter der Schaffung von Ersatzraum Rechnung, einerseits Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht, andererseits Gebrauchmachen vom Recht des Eigentümers und nicht etwa nur die Kehrseite einer öffentlich-rechtlichen Vergünstigung, der Zweckentfremdungsgenehmigung, zu sein. Diese Fristbestimmung darf und muss die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Geschieht dies, so ist es keine Grundsatzfrage, sondern eine Frage der Ausgestaltung der Auflage und der Fristberechnung, ob an die Erteilung der baurechtlichen Abbruchgenehmigung oder an die der Neubaugenehmigung angeknüpft wird. Weil aber in jedem Fall die Frist auf das konkrete Vorhaben abgestellt sein muss und weil die Fristsetzung dem Schutz der Wohnraumversorgung dienen soll, kann - anders, als der Antragsteller meint oder das Verwaltungsgericht es für richtig hält -, für sie nicht etwa in der in § 72 HBO geregelten Geltungsdauer der Baugenehmigung ein passendes Vorbild gefunden werden. Baugenehmigungen werden im Interesse des Bauherrn erteilt; sie enthalten, wenn sie nicht mit dahingehenden Auflagen versehen werden, weder ein Baugebot noch eine Ausführungsfrist. Die gesetzliche generelle Begrenzung der Geltungsdauer der Baugenehmigung hat den Grund, dass die in der Baugenehmigung enthaltene Feststellung der Übereinstimmung des Vorhabens mit den von der Bauaufsichtsbehörde zu beachtenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften auf einen einigermaßen überschaubaren Zeitraum beschränkt werden soll, weil die einmal erteilte Baugenehmigung während ihrer Geltung von Rechtsänderungen nicht berührt wird.

Für die Beurteilung, welche Frist für die Bereitstellung des Ersatzraums ausreichend und angemessen ist und rechtmäßig gesetzt werden darf, kommt es auf die Einschätzung in dem Zeitpunkt an, in dem die Frist gesetzt wird. Denn in der mit dem Erlass des Verwaltungsakts beginnenden Rechtsbehelfsfrist muss der Empfänger einer Genehmigung unter Auflagen sich entscheiden, ob er die Auflagen hinnimmt oder nicht. Dass - wie im vorliegenden Fall in der Auflage unter Nr. 4 als Möglichkeit eingeräumt - eine Frist später verlängert werden kann, macht die Prüfung ihrer Angemessenheit von Anfang an nicht entbehrlich, zumal dann nicht, wenn die Verlängerung an Bedingungen geknüpft wird. Bei Erteilung der der Baugenehmigung vorgreiflichen Zweckentfremdungsgenehmigung konnte das Wohnungsamt der Antragsgegnerin nicht sicher davon ausgehen, dass die Baugenehmigung für den Neubau zusammen oder zugleich mit der Abbruchgenehmigung, an die der Fristlauf geknüpft wurde, erteilt werden würde. Sie musste andererseits nicht in Rechnung stellen, dass der Antragsteller etwa beabsichtigte, in erheblichem Umfang Eigenleistungen am Bau zu erbringen, denn er hatte dies nicht vorgetragen und es stellt auch nicht den Normalfall da. Der Antragsteller hat erst mit seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz die theoretische Möglichkeit von Eigenleistungen, die durch die gesetzte Frist ausgeschlossen werde, angeführt. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, inwieweit die Antragsgegnerin auf die Absicht, Eigenleistungen zu erbringen, bei der Fristbemessung hätte Rücksicht nehmen müssen. Die Wohnungsbehörde konnte bei der Fristbestimmung somit nur auf den im Bauantrag beschriebenen Umfang des Bauvorhabens abstellen. Zu dessen Ausführung erscheint für den Normalfall ein Zeitraum von 18 Monaten ausreichend. Da aber nicht sicher war, dass Abbruch und Neubau gleichzeitig genehmigt werden würden und dass der Antragsteller, der auf die Genehmigungen wartete, aber nicht wusste, wann sie erteilt werden würden, bei Aushändigung der Genehmigungen sogleich mit den Arbeiten würde beginnen können, hätte, um einen hinreichenden zeitlichen Spielraum zu sichern, entweder die Frist zur Herstellung und wohnlichen Nutzung des Ersatzraums etwas großzügiger bemessen werden müssen, etwa mit 2 Jahren, oder der Fristlauf nicht an die Erteilung, sondern an das Gebrauchmachen von der Abbruchgenehmigung geknüpft werden müssen; im letztgenannten Fall hätte der Antragsteller mit dem Abbruch zuwarten können, bis er auch die Baugenehmigung hatte. Weitere denkbare zulässige Gestaltungsmöglichkeiten sind damit nicht ausgeschlossen. Eine auf die eine oder andere Art geräumigere Frist hätte dem Antragsteller von vornherein die Sicherheit gegeben, entweder mit der Frist zurecht zu kommen, wenn er das seinerseits Nötige tat, oder aber für den Fall unvorhergesehener und nicht zu vertretender Hindernisse eine Fristverlängerung erreichen zu können.

Der angefochtene Beschluss ist demnach abzuändern.

Die Kostenentscheidung für beide Rechtszüge beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt, dass in diesem Verfahren, das die sofortige Vollziehbarkeit nur der Auflage unter Nr. 2 der Zweckentfremdungsgenehmigung betrifft, der Antragsteller in einem von drei Punkten obsiegt und in zwei Punkten unterliegt.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts nach §§ 13, 14, 20 GKG orientiert sich an dem mit dem Auffangwert anzusetzenden, im Eilverfahren mit dessen Hälfte zu veranschlagenden Verwaltungsinteresse der Antragsgegnerin. Der Beschwerdewert entspricht im Ergebnis dem Streitwert der ersten Instanz.

Hinweis: Der Beschluss ist unanfechtbar; § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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