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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.01.2000
Aktenzeichen: 4 TZ 2293/99
Rechtsgebiete: MRVerbG, HWoZBG
Vorschriften:
MRVerbG Art. 6 § 1 | |
HWoZBG § 1 | |
HWoZBG § 2 |
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist Eigentümer der Liegenschaft ... . Sie besteht aus einem Vorder- und einem Hinterhaus. Die Gebäude wurden um die Jahrhundertwende errichtet. Die Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin erteilte dem Antragsteller mit Bescheid vom 20.06.1996 die Genehmigung zum Umbau und zur Sanierung des Hinterhauses und mit Bescheid vom 12.09.1997 die Genehmigung zum Umbau und zur Sanierung des Vorderhauses. Die Arbeiten sind zwischenzeitlich fertiggestellt. Die insgesamt 7 Wohneinheiten sind zum Teil vermietet. Im übrigen stehen sie leer.
Mit Schreiben vom 29.10.1996 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erteilung einer wohnungswirtschaftlichen Ausnahmegenehmigung (Zweckentfremdungsgenehmigung). Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21.03.1997 ab. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, ihr liege kein verlässliches Ersatzwohnraumangebot vor. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch hat die Antragsgegnerin bisher nicht entschieden.
Das Amt für Wohnungswesen der Antragsgegnerin erließ am 16.05.1997 zwei gleichlautende Verfügungen gegenüber dem Antragsteller. Die Verfügungen betreffen zum einen das Vorderhaus und zum anderen das Hinterhaus der Liegenschaft des Antragstellers. Mit der allein streitgegenständlichen Nr. 4 der Verfügungen gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller auf,
"die o. g. Wohneinheiten innerhalb von drei Monaten nach Bezugsfertigkeit wohnlich zu nutzen bzw. nutzen zu lassen, d. h. diese dem Wohnungsmarkt zu angemessenem Mietzins im Sinne von § 2 des Hessischen Gesetzes zur Regelung der Miethöhe vom 18.09.1974 (BGBl. (I , S. 3603, 3604), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 21.07.1993 (BGBl. I, S. 1257), für die Dauer von 10 Jahren zuzuführen und dieses dem Amt für Wohnungswesen nachzuweisen und die Nachprüfung zu ermöglichen.
Angemessen ist der Mietzins, der der ortsüblichen Vergleichsmiete im Sinne von § 2 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe für den weggefallenen Wohnraum entspricht. Bei der Ermittlung des angemessenen Mietzinses sind Baualter, Beschaffenheit und Lage des weggefallenen Wohnraumes sowie Ausstattung und Größe des Ersatzwohnraumes zugrunde zu legen."
Die Antragsgegnerin ordnete zugleich die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Außerdem drohte sie dem Antragsteller für den Fall, dass er der Verfügung nicht fristgemäß nachkomme, ein Zwangsgeld von 3.000,-- DM pro Wohneinheit an.
Über die hiergegen am 20.06.1997 eingelegten Widersprüche hat die Antragsgegnerin bislang ebenfalls nicht entschieden.
Am 27.10.1998 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main einen Antrag auf Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes gestellt.
Durch Beschluss vom 29.06.1999, zugestellt am 08.07.1999, hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers gegen jeweils Nr. 4 der Verfügungen der Antragsgegnerin vom 16.05.1997 wieder hergestellt.
Am 21.07.1999 hat die Antragsgegnerin den Antrag gestellt,
die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juni 1999 zuzulassen.
Der Antragsteller ist diesem Zulassungsantrag entgegengetreten.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gestellt (§ 146 Abs. 4 und 5 VwGO). Der Zulassungsantrag ist jedoch nicht begründet, da der von der Antragsgegnerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund (§ 146 Abs. 4 und 5, § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht gegeben ist. An der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Für die Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ist es erforderlich, dass ein Zulassungsantragsteller sich mit den Entscheidungsgründen auseinandersetzt und im Einzelnen ausführt, welche Erwägungen er für unzutreffend hält, aus welchen Gründen sich die Unrichtigkeit ergeben soll und warum dies im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (Hess. VGH, Beschluss vom 08.08.1997 - 4 TG 2338/97 - ESVGH 47, 297 bis 300). Die Antragsgegnerin begründet die von ihr geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht die Formulierung "... zu angemessenem Mietzins ..." für zu unbestimmt gehalten habe. Der konkrete Inhalt dessen, was vom Antragsteller gefordert werde, könne von diesem hinreichend klar ermittelt werden, zumal er mit den Gepflogenheiten von Vermietungen vertraut sei. Die mithin gegebene Bestimmbarkeit der oben genannten Formulierung genüge, um die hinreichende Bestimmtheit der streitigen Verfügungen zu bejahen.
Diese Ausführungen vermögen zumindest deshalb keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu begründen, weil der Beschluss des Verwaltungsgerichts jedenfalls im Ergebnis richtig ist. Allerdings spricht auch manches dafür, dass die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung seiner Entscheidung ebenfalls zutrifft. Grundsätzlich muss nämlich die Konkretisierung dessen, was geboten ist, im Verwaltungsakt selbst erfolgen und darf nicht der Vollstreckung vorbehalten bleiben. Im Vollstreckungsverfahren tritt lediglich die Feststellung hinzu, dass das Verhalten des Betroffenen nicht der ihm im Verwaltungsakt auferlegten Regelung entspricht (BVerwG, Urteil vom 02.12.1993 - 3 C 42.91 - BVerwGE 94, 341 bis 352 und BGH [Kartellsenat], Beschluss vom 29.09.1998 - KVR 17/97 - NJW-RR 1999, 262 f.). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass die Antragsgegnerin, um das angedrohte Zwangsgeld verhängen zu können, erst noch ein Sachverständigengutachten einholen müsste, um zu klären, ob ein vom Antragsteller vereinbarter Mietzins als angemessen anzusehen ist oder nicht. Ein solches Sachverständigengutachten dient aber wohl nicht nur der Feststellung der Befolgung einer bereits festgelegten Pflicht, sondern eher der konkreten Festlegung des Inhalts einer bislang nicht hinreichend bestimmten Verpflichtung. Diese Frage kann letztlich auf sich beruhen, denn die in den Verfügungen enthaltene Bestimmung zur Feststellung der Angemessenheit des Mietzinses ist jedenfalls deswegen rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für die Anwendung des § 2 des Hessischen Gesetzes zur Bekämpfung der Zweckentfremdung von Wohnraum - HWoZBG - bei verfassungskonformer Auslegung des § 1 HWoZBG nach Lage der Akten hier nicht gegeben sind. Der Antragsteller hat nämlich nunmehr einen Anspruch auf die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung ohne die Auflage, der Mietpreis für den Ersatzwohnraum dürfe die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschreiten. § 1 HWoZBG bestimmt, dass die zuständige Behörde Maßnahmen nach § 2 ff. HWoZBG zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes verlangen kann, wenn Wohnraum in Gemeinden, für die das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum gilt, Wohnraum ohne Genehmigung der zuständigen Stelle anderen als Wohnzwecken zugeführt wird. Liegt mithin eine Zweckentfremdungsgenehmigung vor, kann die Behörde keine Maßnahmen nach § 2 ff. HWoZBG treffen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Zweckentfremdungsgenehmigung vor oder nach der Durchführung der Zweckentfremdung erteilt wird. Nach Sinn und Zweck der Vorschriften des Hessischen Gesetzes zur Bekämpfung der Zweckentfremdung von Wohnraum geht es nämlich nicht darum, einen präventiven Genehmigungsvorbehalt für Zweckentfremdungen durchzusetzen, sondern um die Sicherung bzw. Herstellung materiell rechtmäßiger Zustände. Eine solche an Sinn und Zweck der Vorschriften orientierte Auslegung ist auch verfassungsrechtlich geboten. Das das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum regelnde Bundesrecht basiert auf dem knappen Wortlaut des Art. 6 § 1 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 04.11.1971 - MRVerbG - und ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung im Einzelnen ausgeformt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat das das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum betreffende Recht in der Ausformung der höchstrichterlichen Rechtsprechung für mit dem Grundgesetz vereinbar gehalten mit der Maßgabe, dass bei der Begrenzung von Eigentümerbefugnissen der verfassungsrechtlichen Anerkennung des Privateigentums sowie dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung gleichermaßen Rechnung getragen und hierbei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden muss. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse müssen vom geregelten Sachbereich her geboten sein und dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient (BVerfG, Beschluss vom 02.12.1980 - 1 BvR 436, 437/78 - BVerfGE 55, S. 249 bis 261 [258]). Dementsprechend ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, wenn einem Eigentümer, der anstelle veralteten Wohnraums vermehrt neuen nicht luxuriösen Wohnraum schafft, zusätzliche Zahlungsverpflichtungen auferlegt werden (BVerfG, a.a.O.). Dementsprechend hat ein Eigentümer, der zweckentfremdungsrechtlich beachtlichen Ersatzraum geschaffen hat, einen Anspruch auf Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung ohne die Auflage, der Mietpreis dürfe die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigen (BVerwG, Urteil vom 17.10.1997 - 8 C 18.96 - NJW 1998 S. 94 bis 96 [95]). Jede Einschränkung hiervon begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung ohne eine solche Auflage darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Behörde einen gestellten Antrag auf Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung nicht bescheidet und statt dessen § 2 Abs. 2 HWoZBG anwendet. Liegt ein genehmigungsfähiger Antrag auf Erteilung einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung ohne die Auflage, der Mietpreis für den Ersatzwohnraum dürfe die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschreiten, vor, so schließt der Anspruch auf Erteilung der Zweckentfremdungsgenehmigung ein behördliches Vorgehen nach § 2 Abs. 2 HWoZBG aus. Nach Lage der Akten hat der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer solchen Zweckentfremdungsgenehmigung. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss (S. 11 unten bis S. 15 oben des Entscheidungsabdrucks) Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Antragsgegnerin führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Antragsgegnerin trägt in diesem Zusammenhang vor, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes reiche es mit Rücksicht auf die Beachtlichkeit des sogenannten Sickereffektes aus, dass der Ersatzwohnraum nicht ausgesprochen luxuriös sei. Einen solchen beachtlichen Sickereffekt gebe es in Frankfurt am Main nicht. Dies ergebe sich aus dem Gutachten "Der Wohnungsmarkt in Frankfurt" des Instituts Wohnen und Umwelt vom Mai 1998. Dieser Argumentation der Antragsgegnerin ist entgegenzuhalten, dass das von ihr herangezogene Gutachten nicht auf Erhebungen der tatsächlichen Verhältnisse in Frankfurt am Main beruht. Die Gutachter greifen lediglich auf eine von anderen erstellte Studie zurück, die die Verhältnisse in der Stadt Heidelberg betrifft, und äußern die Vermutung, dass im Hinblick auf die in Heidelberg festgestellten gewissen "Sickerverluste" anzunehmen sei, dass der "Sickerverlust" in Frankfurt am Main so hoch sei, dass keine spürbare Ausweitung des Angebotes an preiswerten Wohnungen erfolge. Eine auch nur ansatzweise Analyse der Faktoren, die zu Sickerverlusten führen, und ein entsprechender Vergleich zwischen der Situation Heidelbergs und Frankfurts anhand dieser Faktoren fehlen jedoch. Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Antragsgegnerin spekulativ und nicht geeignet, die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ernstlich in Zweifel zu ziehen. Der Senat lässt im Übrigen offen, ob eine mit der angeblichen Unzulänglichkeit des Sickereffekts begründete Verweigerung einer sonst auflagenfreien Zweckentfremdungsgenehmigung trotz beachtlichen Ersatzraumangebot verfassungsrechtlich haltbar wäre (BVerfG, a.a.O. [259 f.]).
Der Senat kann offen lassen, ob die angefochtenen Verfügungen, soweit sie Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren, jeweils teilbar sind in eine Anordnung, die Wohnungen überhaupt wohnlich nutzen zu lassen, und in eine weitere Anordnung, dies zu einem angemessenen Preis zu tun. Die Antragsgegnerin hat mit ihrem Zulassungsantrag nämlich nicht die Frage aufgeworfen, ob das Verwaltungsgericht im Hinblick auf eine etwa gegebene Teilbarkeit der Verfügungen die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers nur teilweise hätte anordnen dürfen.
Im Hinblick darauf, dass der vorliegende Antrag einstimmig abgelehnt wird, sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab (§§ 146 Abs. 6 Satz 2, 124 a Abs. 2 Satz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich im Zulassungsverfahren nach der Bedeutung der Sache für die Antragsgegnerin (§§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 und 25 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -) und ist durch den Wert des Streitgegenstandes der ersten Instanz begrenzt (§ 14 Abs. 2 GKG).
Für die erste Instanz ist auf die Interessen des Antragstellers abzustellen. Diese hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen zutreffend bewertet. Zusätzlich zu dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Wert müsste in einem Hauptsacheverfahren die Hälfte des Gesamtbetrages der angedrohten Zwangsgelder (insgesamt 21.000,-- DM) berücksichtigt werden. Von dem sich dabei ergebenden Betrag bringt der Senat im Eilverfahren die Hälfte, also 5.250,-- DM in Ansatz. Danach ergibt sich für das erstinstanzliche Verfahren insgesamt ein Streitwert von 17.250,-- DM, der der Bedeutung der Sache für den Antragsteller entspricht.
Das Verwaltungsinteresse der Antragsgegnerin bewertet der Senat mit demselben Betrag.
Die Befugnis zur Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG.
Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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