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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 08.12.2005
Aktenzeichen: 4 UE 1207/05
Rechtsgebiete: BImSchG, BauGB


Vorschriften:

BImSchG § 3
BauGB § 35
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 3 Nr. 3
Die als Entwurf herausgegebene VDI-Richtlinie 3474 aus dem Jahr 2001 stellt nach wie vor speziell für die Bewertung der Zumutbarkeit der von einer Rinderhaltung herrührender Geruchsimmissionen eine brauchbare Orientierungshilfe dar.

Einzelfall einer wegen einer Gemengelage zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und angrenzender Wohnnutzung nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme vorzunehmenden Zwischenwertbildung in Bezug auf die von der Rinderhaltung zu wahrenden Norm- bzw. Mindestabstände.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 UE 1207/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Baurechts

hier: Bauvorbescheid wegen Errichtung eines Boxenlaufstalles

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof -4. Senat - durch

Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann als Vorsitzenden, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richter am Hess. VGH Heuser, ehrenamtlichen Richter Herr Pätzold, ehrenamtlichen Richter Herr Dr. Schneider

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Abänderung des am 24. September 2003 verkündeten Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel - 2 E 2390/00 - der Bescheid des Kreisausschusses des Landkreises Fulda vom 4. August 2003 aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger den von ihm im Jahr 2003 für den Alternativstandort beantragten Bauvorbescheid für die Errichtung eines Boxenlaufstalles und einer Fahrsiloanlage auf seinem Grundstück Gemarkung B-Stadt, Flur 4 Flurstück ... zu erteilen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger 1/10. Der Beklagte und die Beigeladene tragen von den außergerichtlichen Kosten des Klägers und von den Gerichtskosten jeweils 9/20; sie tragen jeweils 9/10 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Jedoch darf der jeweilige Kostenschuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Vollerwerbslandwirt und erstrebt mit der vorliegenden Klage die Erteilung eines Bauvorbescheides hinsichtlich der Errichtung eines Boxenlaufstalles für 66 Milchkühe plus Nachzucht.

Der Kläger bewirtschaftet in B-Stadt, B-Straße, einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb in der Größe von ca. 60 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Davon befinden sich ca. 28 ha im Eigentum des Klägers, die restlichen Betriebsflächen sind angepachtet. Der landwirtschaftliche Betrieb ist auf die Milcherzeugung sowie auf die Erzeugung von Schweinefleisch angelegt; der Kläger hält dazu durchschnittlich etwa 50 - 60 Stück Rindvieh, davon 30 Milchkühe mit Nachzucht, sowie etwa 100 Mastschweine. Die Hofreite des Klägers befindet sich auf dem nahezu 3 ha großen Grundstück Gemarkung B-Stadt, Flur ..., Flurstück .... Als bauliche Anlagen befinden sich auf diesem Grundstück die Wohn- und Betriebsgebäude sowie eine Fahrsilo- und eine Festmistanlage. Bei dem restlichen weitläufigen Grundstücksteil handelt es sich um Grünland, das als hofnahe Rinderweide genutzt wird. Der landwirtschaftliche Betrieb wurde im Jahr 1956 an seine jetzige Stelle ausgesiedelt.

Das Betriebsgrundstück Flurstück ... bildet ein Dreieck, dessen südwestliche Spitze durch den Einmündungsbereich der R.-straße und der Kreisstraße 5 (K 5) gebildet wird. In dieser Spitze befinden sich auch die Wohn- und Betriebsgebäude des landwirtschaftlichen Betriebes. Unmittelbar an diesen Gebäudekomplex schließen sich an der Westseite des Grundstückes entlang der Rhönbergstraße Wohnhäuser an, wobei dieser Bereich in dem Bebauungsplan Nr. 2 der Gemeinde B-Stadt vom 28.06.1968 als reines Wohngebiet festgesetzt ist. Der Bereich, der sich an die das Grundstück nach Süden hin abgrenzende K 5 anschließt, ist ebenfalls beplant. Der insoweit maßgebliche Bebauungsplan der Gemeinde B-Stadt Nr. 18 "Igelstück/Stockacker" vom 22.12.1981 weist diesen Bereich als Mischgebiet aus. Die tatsächliche Bebauung an der K 5 gegenüber dem Betriebsgrundstück des Klägers stellt sich als Wohnbebauung dar. In nordöstlicher Richtung grenzen an das genannte Grundstück Grünlandflächen an; diese haben eine Größe von ca. 2 ha. Hieran schließt sich in östlicher Richtung der Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 46 der Gemeinde B-Stadt "Zwischen Kreisstraße 5 und Rhönbergstraße" vom 12.02.2003 an, der in diesem Bereich ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Letztgenannter Bebauungsplan war Gegenstand eines vom Kläger beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof anhängig gemachten Normenkontrollverfahrens (Az: 4 N 3189/02) nebst zugehörigem Eilverfahren (Az: 4 NG 469/02). Den Eilantrag des Klägers hat der 4. Senat des Hess. VGH mit Beschluss vom 10.04.2003 und den Normenkontrollantrag mit Urteil vom 26.05.2003 abgelehnt.

Bereits mit am 30.05.1997 bei dem Beklagten eingegangenem Antrag beantragte der Kläger die Erteilung eines Bauvorbescheides für das Bauvorhaben "Neubau eines Boxenlaufstalles für 66 Milchkühe plus Nachzucht, Güllelagerung in 1.000 Kubikmeter Rundbehälter ohne Decke" auf dem Grundstück Flurstück ... (B-Straße, B-Stadt).

Die Immissionsschutzabteilung des Beklagten teilte in ihrer Stellungnahme vom 01.07.1997 dazu mit, dass die Ausführung der Güllegrube in offener Bauweise aus immissionsschutzrechtlicher Sicht nicht akzeptiert werden könne, da eine unmittelbare Nachbarschaft zur Wohnbebauung bestehe und die Wohnbebauung im Umfeld um den landwirtschaftlichen Betrieb erheblich sei. Des Weiteren sei zu überlegen, ob eine Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebes im geplanten Umfang verträglich mit der vorhandenen Wohnbebauung sei. Dazu seien weitere Nachweise erforderlich, die unter Berücksichtigung des tatsächlich bestehenden Tierbestandes und des geplanten Tierbestandes eine detaillierte Beurteilung ermöglichten. Grundsätzlich würden aus der Sicht des Immissionsschutzes Bedenken gegen das geplante Vorhaben geltend gemacht.

Das Amt für Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft führte in seiner Stellungnahme zu dem geplanten Bauvorhaben aus, zur Beurteilung, ob dieses Bauvorhaben am geplanten Standort errichtet werden könne, sei als erste Stufe der Überprüfung bei der Ermittlung der erforderlichen Abstände zwischen dem geplanten Boxenlaufstall und dem angrenzenden reinen Wohngebiet sowie dem Mischgebiet "Igelstück/Stockacker" zu beginnen. Diese würden auf der Basis der VDI-Richtlinie 3473, die in Überarbeitung sei, ermittelt. Auf der Basis dieser Richtlinie würden sich für das geplante Stallbauvorhaben bei vorgesehenen 66 Milchkühen mit Nachzucht ca. 100 Großvieheinheiten (GV) ergeben. Davon seien 17 GV geruchsrelevant anrechenbar. Aus der Kurve der VDI-Richtlinie 3473 ergebe sich bei erreichbaren 80 Punkten, die für die technische Ausstattung des Stallgebäudes vergeben würden, ein Richtlinienabstand von 150 m, der sich aus dem Geruchsschwellenabstand und einem 100 % igen Zuschlag dieses Abstandes zusammensetze. Der Geruchsschwellenabstand, der somit gleich dem halben Richtlinienabstand sei, liege bei 75 m. Ab dieser Entfernung sei ausgehend von dem geplanten Vorhaben erst mit leichten Geruchswahrnehmungen zu rechnen. Eine Beeinträchtigung benachbarter Wohnhäuser sei erst im Umkreis von ca. 37 m zu erwarten. Gutachten zu Bauvorhaben von Boxenlaufställen gingen davon aus, dass ein Rindviehstall, wenn er vom Wind frei umblasen werden könne, nur eine Abstandszone von 50 m haben müsse, damit es nicht zu Geruchswahrnehmungen komme. Im Falle des Bauvorhabens des Klägers werde zur reinen Wohnbebauung in der Rhönbergstraße ein Abstand von 55 m und zu den Wohnhäusern im beplanten Gebiet "Igelstück/Stockacker" ein Abstand von 70 m eingehalten. Sowohl der Abstand zu den Wohnhäusern in der Rhönbergstraße als auch zu denen im Bereich des Bebauungsplans "Igelstück/Stockacker" liege außerhalb der Beeinträchtigungsgrenze, so dass eventuelle Geruchswahrnehmungen im Bereich dieser Wohnhäuser für duldbar erachtet würden. Abschließend beurteilt könne das Bauvorhaben von den gegebenen Abständen her auf dem vorgesehenen Standort realisiert werden. Zur weiteren Absicherung dieser Auffassung könne eine Sonderbeurteilung dienen.

Die beigeladene Gemeinde versagte mit Schreiben vom 31.07.1997 ihr Einvernehmen zu dem Bauvorhaben mit der Begründung, dass das geplante Bauvorhaben zu nah an die umgebende Wohnbebauung angrenze und nicht auszuschließen sei, dass die zu erwartenden Emissionen das angrenzende Wohnen im reinen Wohngebiet an der Rhönbergstraße und im Baugebiet "Igelstück/Stockacker" erheblich beeinträchtigten. Weiter ordnete die Beigeladene mit Satzungsbeschluss vom 11.12.1997 für den Bereich des hier in Rede stehenden Betriebsgrundstücks des Klägers im Hinblick auf den damals noch in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 46 eine Veränderungssperre an.

Mit Bescheid vom 08.04.1998 lehnte der Kreisausschuss des Landkreises Fulda den Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides ab und bezog sich zur Begründung auf die angeordnete Veränderungssperre.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 04.05.1998 wies das Regierungspräsidium Kassel mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2000 zum einen im Hinblick auf die angeordnete Veränderungssperre ab. Im Übrigen wurde zur Begründung ausgeführt, dass das Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig sei, da es sehr nah an die umgebende Wohnbebauung heranrücke, so dass nicht auszuschließen sei, dass die zu erwartenden Emissionen das benachbarte Wohnen im reinen Wohngebiet in der Rhönbergstraße und im Baugebet "Igelstück/Stockacker", das als Mischgebiet festgesetzt sei, erheblich beeinträchtigen würden.

Am 06.09.2000 erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Kassel. Zu deren Begründung trug er vor, wie die Ausführungen des Amtes für Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft vom 21.08.1997 zeigten, sei das Bauvorhaben immissionsschutzrechtlich unbedenklich. Der notwendige Abstand von Rinderhaltung zur Wohnbebauung betrage (nur) 30 m; insoweit berufe er sich auf Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der TU München-Weihenstephan und darauf fußende Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Da ferner der Bebauungsplan Nr. 2 aus dem Jahr 1968 nichtig sei, könne die Bebauung an der Rhönbergstraße nicht den Schutzanspruch der in dem Bebauungsplan festgesetzten reinen Wohnbebauung in Anspruch nehmen. Gleich ob es sich bei der Wohnbebauung entlang der Rhönbergstraße und der K 5 um reine oder allgemeine Wohnbebauung handele, könnten die Eigentümer der betreffenden Grundstücke, die sie angrenzend an einen Außenbereich und an einen landwirtschaftlichen Betrieb bebaut hätten, keinen Immissionsschutz wie für ein allgemeines oder ein reines Wohngebiet verlangen. Vielmehr seien Mittelwerte zu bilden wie für eine Misch- oder eine Dorfgebietslage.

Noch während des erstinstanzlichen Verfahrens teilte der Kläger mit, dass er am 02.12.2002 beim Bauamt des Landkreises Fulda einen Lageplan eingereicht habe, der einen im Standort um ca. 45 m nach Südosten verschobenen Boxenlaufstall zum Gegenstand habe. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28.05.2003 stellte der Kläger gegenüber dem Beklagten klar, dass es sich bei der Standortverschiebung um eine Tektur der ursprünglichen Bauvoranfrage handele, zu der die beigeladene Gemeinde noch nicht gehört worden sei. Es werde dringend um die Herbeiführung des gemeindlichen Einvernehmens gebeten. Auch in Bezug auf diesen veränderten Antrag erklärte die Beigeladene, dass sie ihr Einvernehmen zu diesem Vorhaben nicht erteile. Der Kreisausschusses des Landkreises Fulda lehnte auch den veränderten Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides mit Bescheid vom 04.08.2003 ab. In Bezug auf den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch ist bislang eine Entscheidung der Widerspruchsbehörde nicht ergangen.

Soweit sich die Klage auf die Erteilung eines Bauvorbescheides betreffend die Anlegung einer offenen Güllegrube bezog, nahm der Kläger diese zurück. Im Übrigen beantragte er,

den Versagungsbescheid des Kreisausschusses des Landkreises Fulda vom 08.04.1998 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 04.08.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Bauvoranfrage zum Neubau eines Boxenlaufstalls auf dem Grundstück Flur ... der Gemarkung B-Stadt zu erteilen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 04.08.2003 dem Kläger einen Bauvorbescheid betreffend den Neubau eines Boxenlaufstalls gemäß dem Bauverfahren VA-2003-0078 zu erteilen.

Der Beklagte und auch die beigeladene Gemeinde beantragten die Abweisung der Klage. Zur Begründung verwiesen sie auf die zu erwartenden unzumutbaren Beeinträchtigungen durch den geplanten Boxenlaufstall für die an der Rhönbergstraße und der K 5 vorhandene Wohnbebauung.

Mit am 24.09.2003 verkündeten Urteil wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag die Erteilung eines Bauvorbescheides betreffend die Errichtung eines Liegenboxenlaufstalls für 66 Rinder plus Nachzucht an dem im Baugenehmigungsverfahren VA 970075 angegebenen Standort begehre, sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Denn der Kläger habe keinen Anspruch auf positive Bescheidung seiner Bauvoranfrage vom 21.05.1997. Zwar stehe für das Gericht nach Sichtung der in den Bauakten befindlichen Lagepläne und insbesondere nach der durchgeführten informellen Inaugenscheinnahme des Standorts des Boxenlaufstalls im Rahmen des Erörterungstermins zweifelsfrei fest, dass der Standort des Rinderstalls dem Außenbereich zuzuordnen sei, so dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens nach § 35 BauGB richte. Der geplante Rinderstall diene unzweifelhaft auch dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und stelle deshalb ein privilegiertes Vorhaben i.S. d. § 35 Abs. 1 BauGB dar. Allerdings stehe der Zulässigkeit des Vorhabens § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB entgegen, denn durch die mit dem Vorhaben verbundenen Emissionen würden die benachbarten Wohngrundstücke in der Rhönbergstraße Beeinträchtigungen ausgesetzt, die unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse billigerweise nicht mehr zumutbar seien, wobei diese Grenze unterhalb des schweren und unerträglichen Eingriffs im Sinne des Art. 14 GG liege. Die örtliche Situation sei hier durch ein unmittelbares Aufeinandertreffen grundsätzlich teilweise unverträglicher Nutzungen geprägt, wodurch die jeweilige Grundstücksnutzung mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet sei. Eigentümer von Wohngrundstücken am Rande des - an sich für die Aufnahme landwirtschaftlicher Nutzungen vorgesehenen - Außenbereichs könnten, was die Belastung durch Lärm und Gerüche aufgrund landwirtschaftlicher Betätigung anbelange, deshalb nicht die Herstellung von Verhältnissen einfordern, wie sie in reinen oder allgemeinen, ansonsten unvorbelasteten Wohngebieten anzutreffen seien. Nach dem Gutachten des von der Beigeladenen beauftragten Gutachters Dipl. Ing. F. vom 29.08.2002, das sich als nachvollziehbar und schlüssig darstelle, auch wenn dieses für einen um ca. 45m in südwestlicher Richtung verschobenen Standort erstellt worden sei, sei von einem Mindestabstand zwischen dem Vorhaben und der Wohnbebauung von 59 bis 80 m auszugehen. Dieser Mindestabstand sei nach dem Gutachten gegenüber einem Mischgebiet einzuhalten, auf diesen Normabstand sei in einer Art Mittelwertbildung für die benachbarte Wohnbebauung an der Rhönbergstraße abzustellen. Da die genannte Wohnbebauung indes von dem Bauvorhaben weniger als 80 m entfernt sei, stelle sich dieses als rücksichtslos dar, weil die von dem Rinderstall ausgehenden Emissionen das Maß des Zumutbaren übersteigen würden. Soweit der Kläger hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines Bauvorbescheides betreffend den Neubau eines Boxenlaufstalles an einem geänderten Standort begehre, sei die Klage unzulässig, weil das erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Bei dem darauf bezogenen Antrag handele es sich um keine bloße Änderung des ursprünglich gestellten Antrags, sondern um eine gesonderte, neue Bauvoranfrage für ein anderes Bauvorhaben. Über den vom Kläger gegen den Ablehnungsbescheid vom 04.08.2003 eingelegten Widerspruch habe die Widerspruchsbehörde noch nicht entschieden. Die Klage sei auch nicht als Untätigkeitsklage zulässig.

Mit Beschluss vom 28.04.2005 hat der Senat auf den Antrag des Klägers die Berufung zugelassen.

Zur Begründung seiner Berufung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25.05.2005 im Wesentlichen vorgetragen, das vom Vorgericht herangezogene Gutachten des Dipl. Ing. F. basiere auf einer VDI-Richtlinie, die zwar vom Hess. VGH in seinem Urteil vom 26.05.2003 in dem vom Kläger gegen die beigeladene Gemeinde angestrengten Normenkontrollverfahren als brauchbare Orientierungshilfe bezeichnet worden sei, in Bezug auf die aber der vom Kläger beauftragte Gutachter Dr. X. in seinem Gutachten vom 26.07.2004 eingewandt habe, dass sich die Anwendung der Richtlinie 3474 aus von ihm näher dargelegten Gründen zur Zeit verbiete. Ferner werde im erstinstanzlichen Urteil und auch im Gutachten F. übersehen, dass der Standort des Bauvorhabens eindeutig im Außenbereich, nämlich in einer Außenbereichsinsel von ca. 5 ha liege. Ein privilegiertes Vorhaben im Außenbereich setze sich aber gegenüber jeder Gemengelage durch. Die im Laufe der Jahrzehnte entstandene, unmittelbar an die Außenbereichsinsel mit dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers angrenzende Wohnbebauung könne nicht die Herstellung von Verhältnissen einfordern, wie sie in reinen oder allgemeinen Wohngebieten anzutreffen seien. Vielmehr seien beim Zusammentreffen von Wohnbebauung und einem landwirtschaftlichen Betrieb im Außenbereich die im Gutachten F. genannten, gegenüber einem allgemeinen Wohngebiet einzuhaltenden Normabstände mindestens zu halbieren. Gehe man mit dem Gutachter F. von einem Normabstand von 79 - 106 m aus, so sei vorliegend ein Abstand von 39,5 bis 53 m ausreichend. Selbst wenn man den von F. in Bezug auf ein allgemeines Wohngebiet angenommenen Normabstand um 1/4 kürze, so ergäben sich Abstände von 59,25 bis 79,50 m, die das geplante Bauvorhaben des Klägers in Bezug auf die umgebende Wohnbebauung einhalte, so dass diese auch nicht durch unzumutbare Geruchsimmissionen beeinträchtigt würde. Zu diesem Ergebnis sei auch der von ihm beauftragte Dr. X. in seinem Gutachten vom 26.07.2004 gelangt; danach sei aufgrund des geplanten Stallneubaues bezogen auf den ursprünglichen Standort für die nächstgelegenen Wohnhäuser mit einer Zusatzbelastung durch aus der Rinderhaltung herrührenden Geruchsimmissionen von rd. 2,5 % der Jahresstunden zu rechnen. Zu berücksichtigen sei zudem, dass sich die Rinder des Klägers von etwa April bis mindestens Ende Oktober auf den Weideflächen des großen Hofgrundstückes aufhielten. Diese Weidenutzung bestehe bereits seit Jahrzehnten und werde durch die geplante Bestandsaufstockung nicht so vergrößert, dass sich die Immissionslage deutlich verschlechtere. Auch hätten sich die Nachbarn nicht über Gerüche beschwert, die von dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers ausgingen. Nur die beigeladene Gemeinde blockiere jede Erweiterung und Modernisierung des landwirtschaftlichen Betriebes. Der Grund dafür sei, dass nach den örtlichen Gegebenheiten das Hofgrundstück des Klägers für die Gemeinde als nahezu einzige Möglichkeit für eine Baulandentwicklung zur Verfügung stehe. In Bezug auf die durch das Verwaltungsgericht erfolgte Abweisung der Klage als unzulässig, teile der Kläger die vom 4. Senat des Hess. VGH in seinem Zulassungsbeschluss vertretene Auffassung, dass der Kläger mit seiner Bauvoranfrage nur die generelle Zulässigkeit seines Bauvorhabens unter planungs- und immissionsschutzrechtlichen Aspekten geklärt wissen wollte, wobei es ihm nie auf einen ganz bestimmten Standort angekommen sei. Mit dem geänderten Standort sei damit kein neues Bauvorhaben geplant gewesen, sondern es sei damit lediglich in Bezug auf die alte Bauvoranfrage den Bedenken des Gutachters F. Rechnung getragen worden.

Der Kläger beantragt,

das am 24. September 2003 verkündete Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel abzuändern und den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Landkreises Fulda vom 8. April 1998 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Kassel vom 4. August 1998 zu verpflichten, dem Kläger die Bebauungsgenehmigung für seinen im Jahr 1997 gestellten Antrag zur Errichtung eines Boxenlaufstalles auf dem Grundstück Gemarkung B-Stadt, Flur 4, Flurstück ... zu erteilen,

hilfsweise,

die Bebauungsgenehmigung für den im Antrag vom 28. Mai 2003 dargestellten Alternativstandort zu erteilen.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angegriffene Urteil. Nach Auffassung des Beklagten ist die Verschiebung des Standortes sowohl baurechtlich als auch immissionsrechtlich erheblich, da es für die benachbarten Baugebiete je nach Standort zu einer deutlich unterschiedlichen Betroffenheit komme. Nach zwei von ihm vorgelegten Ausbreitungsberechnungen sei eine deutliche Steigerung der Geruchsbelastungen zu prognostizieren. Auch die Einschätzung des Standortes als "Außenbereichsinsel" sei zu überdenken, nachdem der Standort nunmehr von Baugebieten "umzingelt" sei und damit keine längerfristige Entwicklung (Hofübergabe) mehr möglich sei. Im Übrigen wechselten die Angaben des Klägers zum Tierbesatz. Lege man dessen neueste Angaben in seinem Bauantrag auf Einbau eines Boxenlaufstalles in den vorhandenen Altstall zugrunde, könne es zu einer "Grundstückshöchstbelegung" mit mindestens 160 GV kommen. Für diese Zahlen liege bisher noch keine gutachterliche Stellungnahme vor. Zwischen den Gutachtern, die in den bisherigen Verfahren Stellung genommen hätten, bestehe ein Streit über die Anwendung technischer Vorschriften. Aus diesen Gründen sei die Einholung eines weiteren (Ober-) Gutachtens geboten.

Bereits im Dezember 2003 hatte der Kläger beim Kreisbauamt einen Bauantrag für den Neubau eines Liegeboxenlaufstalles gestellt, dessen Standort im Vergleich zu dem Alternativstandort der streitgegenständlichen Bauvoranfrage nochmals um ca. 10 m in südöstlicher Richtung auf die K 5 hin verschoben ist. Mit Bescheid vom 24.03.2004 lehnte die Behörde den Bauantrag ab, mit der Begründung, dass das beabsichtigte Vorhaben zu unzumutbaren Immissionen für die Wohnbebauung der Straße "Am Igelstück" und der des neuen Bebauungsplans Nr. 46 führe. Aus diesem Grund habe auch die Gemeinde ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB versagt. Den gegen diesen Bescheid vom Kläger erhobenen Widerspruch hat das Regierungspräsidium Kassel mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2004 zurückgewiesen. Über die vom Kläger daraufhin am 17.06.2004 beim Verwaltungsgericht Kassel (Az: 2 E 1506/04 -) erhobene Verpflichtungsklage ist noch nicht entschieden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, des beim VG Kassel anhängigen Klageverfahrens Az: 2 E 1506/04 (Erteilung einer Baugenehmigung für einen Boxenlaufstall) sowie der abgeschlossenen Normenkontrollverfahren mit den Aktenzeichen 4 N 3189/02 und 4 NG 469/02, ferner auf die Bauakten der Beklagten mit den Aktenzeichen VA-970075, VA-2003/0078, BA 2003-1249 sowie die seitens der Beteiligten eingereichten Bebauungspläne Nr. 2, Nr. 18 und Nr. 46 mit den jeweiligen Änderungen und die von Dipl. Ing. erstellten Gutachten zur Immissionssituation vom 14.08.2001, vom 29.08.2002, vom 07.02.2003 und vom 11.03.2003, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die mit Senatsbeschluss vom 28.04.2005 uneingeschränkt zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zunächst das auch im Berufungsverfahren mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren des Klägers auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines Bauvorbescheides betreffend den Neubau eines Boxenlaufstalles auf seinem Grundstück in B-Stadt an dem Standort, den der Kläger in dem Genehmigungsverfahren aus dem Jahr 1997 (VA 9700575) zeichnerisch dargestellt hat, abgewiesen. Dagegen ist die Abweisung der Klage, soweit sie sich auf das mit dem Hilfsantrag verfolgte Begehren auf Erteilung eines Bauvorbescheides für das genannte Bauvorhaben an dem im Jahr 2003 in das Verfahren eingeführten Alternativstandort bezieht, zu Unrecht erfolgt. Denn die erhobene Verpflichtungsklage ist auch insoweit - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - als zulässig anzusehen und sie ist auch begründet, da der Kläger einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Bebauungsgenehmigung für das Vorhaben an diesem Standort hat.

Für den geplanten Boxenlaufstall ist hinsichtlich der mit der Bauvoranfrage vom Kläger allein zur Überprüfung gestellten bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit auf § 35 BauGB abzustellen, denn das Vorhaben soll im Außenbereich verwirklicht werden.

In diesem Zusammenhang hat der Senat bereits im Urteil vom 26.05.2003 in dem vom Kläger gegen den Bebauungsplan Nr. 46 der beigeladenen Gemeinde eingeleiteten Normenkontrollverfahren - 4 N 3189/02 - dargelegt, dass die bereits bestehende Wohnbebauung entlang der Rhönbergstraße von der im Gebiet des Bebauungsplans neu entstehenden Wohnbebauung zu weit entfernt sei, als dass der dazwischen liegende Bereich als - zu schließende - Baulücke gewertet werden könnte, die eine Bebauung nach § 34 BauGB zuließe. Zur Wohnbebauung entlang der K 5 bestehe durch diese Kreisstraße eine klare Abgrenzung und allein die an den nördlichsten Teil des Grundstücks Flst. ... angrenzende künftige Wohnbebauung werde keine prägende Wirkung in Bezug auf das Grundstück des Klägers oder die weiteren, unbeplant gebliebenen, landwirtschaftlich genutzten Flächen entfalten. Auch die Größe dieser gesamten Fläche spreche gegen eine Entwicklung zum Bestandteil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. An dieser Bewertung hält der Senat fest. Da der maßgebliche Zeitpunkt für die planungsrechtliche Zuordnung der Fläche, auf der das Bauvorhaben des Klägers geplant ist, der der gerichtlichen Entscheidung ist, können für die genannte Bewertung die von der Beigeladenen und dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufgezeigten, noch in der Planung befindlichen Bauvorhaben im Bebauungsplangebiet Nr. 46 keine Berücksichtigung finden. Dies gilt in gleicher Weise für die bislang nur im Flächennutzungsplan der Beigeladenen quasi als Lückenschluss vorgesehene Wohnbebauung zwischen dem Plangebiet "Am Roten Rain" des Bebauungsplans Nr. 46 und dem bereits vorhandenen Baugebiet "Igelstück". Wie aus den im Verhandlungstermin vom Beklagten vorgelegten Luftbildaufnahmen deutlich zu ersehen ist, findet zur Zeit die zuvor beschriebene "Außenbereichsinsel" noch ihre Anbindung an den das Bebauungsplangebiet Nr. 46 großräumig umschließenden Außenbereich, als dessen in die bebaute Ortslage von B-Stadt hineinragende Spitze sie sich darstellt, so dass korrekterweise von einer "Außenbereichshalbinsel" gesprochen werden sollte, auf der das Bauvorhaben des Klägers verwirklicht werden soll.

Bei dem Liegeboxenlaufstall für 66 Milchkühe und Nachzucht handelt es sich auch um ein einem landwirtschaftlichen Betrieb dienendes und damit um ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Diesem Vorhaben des Klägers stehen öffentliche Belange entgegen (§ 35 Abs. 1 BauGB), sofern es an dem Standort verwirklicht werden soll, den der Kläger in dem Genehmigungsverfahren aus dem Jahr 1997 (VA 9700575) zeichnerisch dargestellt hat. Nicht jede Beeinträchtigung öffentlicher Belange führt zur Unzulässigkeit von privilegierten Vorhaben. Bei Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB ist eine Abwägung zwischen dem Zweck des Vorhabens und dem öffentlichen Belang erforderlich, wobei das Gewicht, das der Gesetzgeber der Privilegierung von Vorhaben im Außenbereich beimisst, besonders zu berücksichtigen ist (s. etwa: Söfker in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg / Krautzberger, BauGB-Komm., Stand April 2005, § 35 Rn 60). Von den in § 35 Abs. 3 BauGB (nicht abschließend) aufgezählten öffentlichen Belangen, die der Zulässigkeit von Vorhaben auch des Abs. 1 der genannten Vorschrift entgegenstehen können, kommt hier das Hervorrufen schädlicher Umwelteinwirkungen (Nr. 3) in Betracht. Dies ist der Fall, wenn durch das Vorhaben Immissionen hervorgerufen werden, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 BImSchG). Die Erheblichkeit von Nachteilen und Belästigungen setzt voraus, dass das übliche und zumutbare Maß überschritten wird, wobei es nicht auf die enteignungsrechtliche Zumutbarkeit im Sinne eines schweren und unerträglichen Eingriffs, sondern auf die nach der gegebenen Situation bestehende Unzumutbarkeit ankommt, die die bebauungsrechtliche Prägung der Situation und die tatsächliche und die planerische Vorbelastung berücksichtigt. Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit der Beeinträchtigungen können die technischen Regelwerke des Immissionsschutzrechts sein, die jedoch nicht schematisch, sondern nur unter Berücksichtigung der konkreten bauplanungsrechtlichen Verhältnisse Anwendung finden können (s. zum Ganzen: Söfker, a.a.O., Rn 88 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).

Die konkrete Situation des landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers, dessen Erweiterung das streitgegenständliche Bauvorhaben dienen soll, ist geprägt durch die räumliche Nähe miteinander in Konflikt tretender Nutzungen, nämlich der immissionsträchtigen landwirtschaftlichen Nutzung des klägerischen Betriebes einerseits und der teilweise unmittelbar an das Betriebsgrundstück angrenzenden Wohnnutzung andererseits. In der Rechtsprechung (vgl. statt vieler: BVerwG, Beschluss vom 28.09.1993 - 4 B 151/93 -, BRS 55 Nr. 165 m.w.N.) ist geklärt, dass städtebauliche Konflikte in so genannten Gemengelagen, also mit aufeinanderprallenden, unterschiedlichen Nutzungen, unter anderem nach dem Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme auszugleichen sind. In derartigen Gemengelagen kann vor allem eine tatsächliche Vorbelastung die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme verändern und zu einer erhöhten Hinnahme von sonst nicht (mehr) zumutbaren Beeinträchtigungen führen. Das Bundesverwaltungsgericht hat für Lärmimmissionen als eine "Art Mittelwert" bezeichnet, wenn in Gemengelagen ein Wert zuzumuten ist, der zwischen den Richtwerten liegt, welche für die benachbarten Gebiete unterschiedlicher Nutzung und unterschiedlicher Schutzwürdigkeit - bei jeweils isolierter Betrachtung - gegeben sind. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass als konkretes Ergebnis der gegenseitigen Rücksichtnahme sich weder der eine noch der andere Richtwert durchzusetzen vermag. Zugleich sollte der tatrichterlichen Beurteilung ein Hinweis gegeben werden, in welcher Weise die materielle Rechtslage im Falle gegenseitiger Rücksichtnahme konkretisierend umzusetzen sei. In der zuvor zitierten Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass dieser "Ansatz" zunächst dahin missverstanden worden sei, dass der Mittelwert der Sache nach das arithmetische Mittel zweier Richtwerte sei. Das sei indes nicht der Fall, denn einer derartigen Annahme stünden bei Lärmimmissionen in aller Regel bereits physikalisch-mathematische Gesetzmäßigkeiten der Lärmausbreitung entgegen, welche eine derartige mathematische Interpolation verbieten würden. Gemeint sei vielmehr ein zu bildender "Zwischenwert", ohne dass die Rechtsprechung näher angegeben habe und auch nicht anzugeben vermöge, ob dieser "Zwischenwert" nach mathematischen Gesetzmäßigkeiten zu bilden sei. Es seien unverändert die Ortsüblichkeit und die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, um die Zumutbarkeit zu bestimmen. Davon befreie die Vorstellung, es sei ein "Mittelwert" zu bilden, mithin nicht. Auch der Gesichtspunkt der Priorität könne bedeutsam sein (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1986 - BVerwG 4 C 49.82, NVwZ 1986, 642). Wenn in diesem Sinne ein "Mittelwert" der Sache nach lediglich einen zwischen zwei Richtwerten liegenden "Zwischenwert" darstelle, dann gelte dies auch für andere Beeinträchtigungen, mithin auch für Geruchsimmissionen (BVerwG, Beschluss vom 28.09.1993, a.a.O.).

In diesem Zusammenhang kann allerdings - entgegen der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Auffassung - nicht der Gesichtspunkt der Vorsorgepflicht eines Anlagebetreibers nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG Eingang in die zuvor dargestellte, vom erkennenden Gericht vorzunehmende Zwischenwertbildung Eingang finden. Zum einen handelt es sich bei dem geplanten Boxenlaufstall nicht um ein der Genehmigungspflicht des BImSchG unterfallendes Vorhaben. Zum anderen scheidet die Berücksichtigung der Vorsorgepflicht gegenüber der benachbarten Wohnbebauung im Rahmen der gegenseitigen Rücksichtnahme schon deshalb aus, weil nach herrschender Auffassung der Vorsorgepflicht im Gegensatz zur Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG kein drittschützender Charakter zukommt; Nachbarn können sich also auf die Einhaltung von Vorsorgewerten schon grundsätzlich nicht berufen (vgl. dazu etwa Jarass, Komm. zum BImSchG, 6. Aufl., § 5 Rdnr. 121 m.w.N.).

Unter Beachtung der oben dargestellten Grundsätze ist in die vorzunehmende Abwägung mithin zunächst einzustellen, dass der Standort des vom Kläger geplanten Boxenlaufstalles bauplanungsrechtlich zwar einerseits im Außenbereich angesiedelt ist, dass andererseits wegen des Zuschnittes dieser oben näher umschriebenen "Außenbereichshalbinsel" die auf der südwestlichen Spitze des Betriebsgrundstücks befindlichen landwirtschaftlichen Betriebsgebäude einschließlich des Wohnhauses des Klägers an die Wohnbebauung entlang der Rhönbergstraße angrenzen und von der Wohnbebauung der an der südlichen Betriebsgrundstücksgrenze verlaufenden K 5 auch nur durch diese Straße getrennt sind. Das streitgegenständliche Bauvorhaben ist allerdings vom Kläger auf einer sich an die Betriebsgebäude in östlicher Richtung anschließenden, zur Zeit als weitläufige Rinderweide genutzten, unbebauten Außenbereichsfläche geplant. Dabei beträgt der Abstand des ursprünglich geplanten Boxenlaufstalles gemessen vom Emissionsschwerpunkt des Stalles zu den nächstgelegenen Wohnhäusern im Norden und Nordwesten (Rhönbergstraße) nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl. Ing. F. in seinem Gutachten vom 29.08.2002 75 m bis 84 m und zu den Wohnhäusern im Süden (zwischen der K 5 und der Straße "Am Igelstück") 91 m bis 108 m. Aus dieser räumlichen Nähe zwischen dem emittierenden Bauvorhaben und der Wohnbebauung sind wechselseitige Rücksichtnahmepflichten abzuleiten, die hier dazu führen, dass den jeweiligen Nutzungsberechtigten ein Ausgleich im Sinne eines "Mittelwertes" oder besser eines "Zwischenwertes" angesonnen werden kann. Maßgeblich für die Bildung eines solchen Zwischenwertes ist die Frage, womit nach der konkreten örtlichen Situation in den Grenzbereichen der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung unterschiedlichen Gebiete für die Betroffenen zu rechnen war. Baurechtlich genehmigte Wohnhäuser, die in unmittelbarer Nähe eines bereits bestehenden landwirtschaftlichen Betriebes errichtet werden, sind regelmäßig darin vorbelastet, dass die dort Wohnenden bis zu einem gewissen Grad mit den für die Landwirtschaft typischen Immissionen rechnen müssen und sich auch nicht darauf verlassen können, dass es auf Dauer nicht zu stärkeren Belästigungen kommt, als sie bereits bei Entstehen der Wohnhäuser üblich waren (BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - IV C 22.75 -, BVerwGE 52, 122). Dabei ist hier zu berücksichtigen, dass der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers bereits im Jahr 1956 an seine jetzige Stelle ausgesiedelt worden ist. Die wegen der vorherrschenden Windrichtung (Süd, Süd-Südwest) und ihrer Nähe zum geplanten Vorhaben von dessen Emissionen in erster Linie betroffenen Wohnhäuser nordwestlich des geplanten Boxenlaufstalles sind erst nachträglich errichtet worden und daher aufgrund der genannten Situation als tatsächlich vorbelastet zu betrachten; sie sind aber auch (bauplanungs-) rechtlich vorbelastet, da sie aufgrund ihrer Nähe zum Außenbereich grundsätzlich mit der Errichtung dort zulässiger, privilegierter Vorhaben rechnen mussten. Gleiches gilt für die Wohnbebauung südlich des geplanten Vorhabens entlang der K 5. Es entspricht gesicherter Rechtsprechung, dass - worauf auch das erstinstanzliche Urteil zutreffend hingewiesen hat - die Eigentümer von am Rande des an sich für die Aufnahme landwirtschaftlicher Nutzungen vorgesehenen Außenbereichs gelegenen Wohngrundstücken, was die Belastung durch Lärm und Gerüche aufgrund landwirtschaftlicher Betätigung anbelangt, gerade nicht die Herstellung oder Erhaltung von Verhältnissen einfordern können, wie sie in reinen oder allgemeinen, ansonsten unvorbelasteten Wohngebieten anzutreffen sind (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 25.2.1977, BRS 32 Nr. 155; Beschluss vom 18.12.1990, BRS 50 Nr. 25).

Nach Auffassung des erkennenden Senats kann für die Zumutbarkeitsbewertung der hier in Rede stehenden Immissionen nach wie vor als brauchbare Orientierungshilfe auf die VDI-Richtlinie 3474 abgestellt werden. Davon ist der Senat bereits in dem zitierten Urteil vom 26.05.2003 in dem Normenkontrollverfahren des Klägers gegen die beigeladene Gemeinde (Az: 4 N 3189/02) ausgegangen und hat zur Begründung ausgeführt, dass es sich bei der genannten Richtlinie nicht um etwas völlig Neues, sondern um eine Weiterentwicklung der bislang für die Tierhaltung maßgebenden VDI-Richtlinien handele, in die der neueste Erkenntnisstand eingebracht worden sei und dass keine Gründe erkennbar geworden seien, die ihrer Heranziehung entgegenstehen könnten. Deshalb stelle die VDI-Richtlinie 3474 ebenso wie ihre Vorgängerrichtlinie 3471 eine brauchbare Orientierungshilfe zur Berechnung eines Mindestabstandes zwischen Tierhaltung und Wohnbebauung dar, auch wenn diese Richtlinie sich z.Z. noch in der Entwurfsphase befinde. Auch zum Zeitpunkt der Entscheidung im vorliegenden Verfahren gibt es keine gegen die Anwendung dieser Richtlinie sprechenden neueren Erkenntnisse. In dem beim Verwaltungsgericht Kassel anhängigen, auf die Erteilung einer Baugenehmigung für den Boxenlaufstall gerichteten Klageverfahren (2 E 1505/04) - die Gerichtsakte ist vom Senat beigezogen worden - hat der Bedienstete des zum Verfahren beigeladenen Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen, Herr G., der dem Senat aus einer Reihe gerichtlicher Verfahren als erfahrener Gutachter in Immissionsschutzfragen speziell aus dem Bereich der Landwirtschaft bekannt ist, mitgeteilt, dass die Daten des Entwurfs der VDI-Richtlinie 3474 auf Expertenwissen aus dem gesamten Bundesgebiet basierten. Bei den geforderten Mindestabständen beinhalteten diese bereits Sicherheitszuschläge. Bei Einhaltung der Abstände nach den zur Zeit gültigen bzw. als Entwürfe erschienenen VDI-Richtlinien sei es seines Wissens nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen in der Praxis gekommen. Das Zurückziehen des Entwurfs der VDI-Richtlinie 3474 habe seines Erachtens politische Gründe gehabt und sei nicht unter fachlichen Aspekten zu sehen. Zwar hat der vom Kläger beauftragte Gutachter Dr. X. in seinem Gutachten vom 26.07.2004 die Anwendbarkeit der genannten Richtlinie in Zweifel gezogen, diese Auffassung scheint allerdings eine vereinzelt gebliebene Fachmeinung darzustellen.

Auf der Grundlage der vom Senat daher auch zum jetzigen Zeitpunkt noch als für die Bewertung der Zumutbarkeit von aus der landwirtschaftlichen Rinder- bzw. Milchkuhhaltung herrührenden Geruchsimmissionen brauchbare Orientierungshilfe betrachteten Richtlinie 3474 sind von dem Sachverständigen Dipl. Ing. F. im Auftrag der beigeladenen Gemeinde mehrere Gutachten erstellt worden, die dem Gericht vorliegen und die die Immissionssituation des landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers und insbesondere des geplanten Liegeboxenlaufstalles fachlich beurteilen. In seinem Gutachten vom 29.08.2002 kommt Dipl. Ing. F. in Bezug auf den ursprünglichen Standort des geplanten Boxenlaufstalles und der Fahrsiloanlage zu dem Ergebnis, dass von dem Boxenlaufstall ein Normabstand von 106 m gegenüber der Wohnbebauung in Richtung Norden (Rhönbergstraße) einzuhalten ist (S. 6 unten / S. 7 oben des Gutachtens); für die Fahrsiloanlage hat der Gutachter einen Normabstand zur Wohnbebauung im Norden von 72 m ermittelt. Der Tabelle 4 des Gutachtens ist zu entnehmen, dass der Normabstand 80 m (54 m) beträgt, wenn für die Umgebungsbebauung eine Bewertung als Mischgebiet zugrunde gelegt wird und ein Abstand von 53 m (40m) einzuhalten ist, wenn von einem Dorfgebiet auszugehen wäre; die Angaben in Klammern beziehen sich jeweils auf die gleichfalls bewertete Fahrsiloanlage.

Dem aufgezeigten Normabstand von 106 m liegt als Ausgangspunkt zugrunde, dass der Umgebungsbebauung die Schutzwürdigkeit eines allgemeinen oder reinen Wohngebietes zukommt. Aufgrund der oben dargestellten gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten des Klägers und seiner Nachbarn kann die Einhaltung dieses Abstandes von der den landwirtschaftlichen Betrieb umgebenden Wohnbebauung nicht eingefordert werden. Vielmehr geht der Senat unter Berücksichtigung aller genannten, für diese Bewertung maßgebenden Umstände in Übereinstimmung mit dem Gutachter Dipl. Ing. F. davon aus, dass in einer Art "Zwischenwertbildung" der Umgebungsbebauung die Schutzwürdigkeit eines Mischgebietes zuzusprechen ist und zwar unabhängig von der jeweiligen planerischen Ausweisung, da - wie der Berichterstatter der ersten Instanz bei einer Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit festgestellt hat - in der Nachbarschaft des klägerischen Betriebes eine nahezu homogene Wohnbebauung vorzufinden ist und dies von den Verfahrensbeteiligten auch nicht in Abrede gestellt worden ist. Somit ist auf der Grundlage des Gutachtens vom 29.08.2002 ein Normabstand von 80 m zu fordern, den das Bauvorhaben des Klägers an seinem ursprünglich geplanten Standort gegenüber der umgebenden Wohnbebauung zu wahren hat. Diesen Mindestabstand hält das klägerische Bauvorhaben, wie das Vorgericht ebenfalls unter Heranziehung des genannten Gutachtens zutreffend festgestellt hat, in Bezug auf die nördlich bzw. nordwestlich gelegenen Wohnhäuser nicht ein; der tatsächliche Abstand zur nächstgelegenen Wohnbebauung beträgt ca. 75 m. Lediglich gegenüber der an der K 5 gelegenen Wohnbebauung, die etwa 91m bis 108 m vom Emissionsschwerpunkt entfernt ist, kann dieser Normabstand eingehalten werden. Damit würde die Errichtung und die Inbetriebnahme des Boxenlaufstalles am ursprünglich geplanten Standort für die an der Rhönbergstraße wohnhafte Nachbarschaft zu einer unzumutbaren Immissionsbelastung führen.

Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung durch die vom Gutachter Dipl. Ing. F. durchgeführte, auf dem Computerprogramm EMIAK basierende Sonderbeurteilung, die von diesem wegen des (auch bei Bildung eines Zwischenwertes) nicht gewahrten Normabstandes zusätzlich erstellt worden ist. Eine solche Sonderbeurteilung ist gemäß Nr. 4 (S. 68) der VDI-Richtlinie 3474 erforderlich, wenn die Mindestabstände nicht eingehalten werden oder auch im Nahbereich von Anlagen (Abstand von unter 50 m). Nach der mit Hilfe des Programms EMIAK vorgenommenen Abschätzung der Immissionshäufigkeiten breiten sich die hier zu beurteilenden Gerüche im Jahresgeschehen vor allem in nord- und nordöstlicher Richtung aus, der südliche Bereich ist deutlich weniger betroffen. Die mit dem Neubau des Liegeboxenlaufstalles einschließlich der genannten Nebeneinrichtungen einhergehende Erweiterung des Rinderbestandes bei gleichzeitiger Stilllegung des Altstalles führt danach zu Immissionshäufigkeiten bei der nördlich gelegenen Bebauung, die den Wert von 100 Promille der Jahresstunden in Bezug auf das am weitesten nördlich gelegene Wohnhaus (Immissionsbereich 1) erreichen. Dieser Wert übersteigt den in einem Mischgebiet für zulässig erachteten Wert (70 Promille) und weist damit gleichfalls zumindest für den zuvor genannten Immissionsbereich auf unzumutbare Geruchsbelastungen hin.

Dagegen kann der Kläger mit seinem Hilfsantrag, mit dem er die Erteilung der Bebauungsgenehmigung für den in seinem Antrag vom 28.05.2003 dargestellten Alternativstandort begehrt, durchdringen, denn für diesen vom Kläger der Bauaufsichtsbehörde in Reaktion auf das zuvor dargestellte Gutachten vom 29. 08.2002 unterbreiteten und von dieser mit Bescheid vom 04.08.2003 abgelehnten Änderungsvorschlag stellt sich die Immissionssituation für die betroffenen Nachbarn nicht als unzumutbar dar.

Dem Erfolg der Klage in Bezug auf dieses hilfsweise beantragte Begehren steht zunächst nicht - wie das Verwaltungsgericht meint - das Fehlen einer Zulässigkeitsvoraussetzung entgegen. Wenn man mit der vom Senat im Zulassungsbeschluss vertretenen Auffassung davon ausgeht, dass der vom Kläger im Jahr 1997 gestellte Antrag nach § 65 Abs. 1 HBO betreffend die planungsrechtliche Zulässigkeit des beabsichtigten Stallneubaues nicht strikt auf den Standort beschränkt war, der in dem beigefügten Lageplan eingezeichnet war, sondern nach den Gesamtumständen auch einen räumlich verschobenen Standort mit umfasste, wenn nur auf diese Weise Bedenken in Bezug auf unzumutbare Immissionsbeeinträchtigungen für die Nachbarschaft ausgeräumt werden konnten, handelt es sich bei dem nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens bei der Bauaufsichtsbehörde eingereichten Alternativvorschlag nicht um eine neue Bauvoranfrage, sondern um ein mit der anhängigen Verpflichtungsklage bereits mit verfolgtes (Hilfs-) Begehren, so dass die Durchführung eines eigenständiges Vorverfahrens nicht erforderlich war und damit der erstinstanzliche Hinweis auf die fehlende Durchführung eines Widerspruchsverfahrens fehlgeht. Aber auch wenn man in der Standortverschiebung eine neue, die planungsrechtliche Frage vollständig neu aufwerfende Bauvoranfrage für ein anderes Bauvorhaben sehen wollte, die durch den Bescheid vom 04.08.2003 zwar negativ beschieden, in Bezug auf die aber das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, steht letztgenannter Umstand nicht der Zulässigkeit der Klage entgegen. Denn schon im Zeitpunkt der ausdrücklichen Einbeziehung des auf den neuen Vorhabensstandort gerichteten Begehrens in das bereits anhängige Klageverfahren durch den im Schriftsatz des Klägers vom 09.07.2003 enthaltenen Hilfsantrag war die Klage als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Bei Eingang dieses Schriftsatzes bei Gericht am 10.07.2003 waren bereits mehr als sieben Monate verstrichen, seitdem der Kläger gegenüber dem Beklagten den veränderten Standortwunsch durch Vorlage eines entsprechend geänderten Lageplanes geltend gemacht hatte; dies war nach unwidersprochenem Vorbringen bereits am 02.12.2002. Im Übrigen wäre aber auch eine vor der in § 75 Abs. 1 VwGO bestimmten Frist, also verfrüht erhobene Untätigkeitsklage zulässig (geworden), da - wie dies hier der Fall ist - das Vorverfahren auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht abgeschlossen ist.

Der danach zulässigen Klage ist in Bezug auf das Hilfsbegehren Erfolg beschieden, denn an dem nach Südosten verschobenen Alternativstandort gehen von dem Bauvorhaben des Klägers keine für die umgebende Wohnbebauung unzumutbaren Immissionen aus, so dass der entgegenstehende Bescheid des Beklagten vom 04.08.2003, mit dem die (geänderte) Bauvoranfrage abgelehnt worden ist, aufzuheben und der Beklagte zur Erteilung einer dem geänderten Antrag entsprechenden Bebauungsgenehmigung zu verpflichten ist. Der geänderte Standort für den geplanten Boxenlaufstall und die Erweiterung der Fahrsiloanlage ist in einem ebenfalls von der Beigeladenen in Auftrag gegebenen, vom Gericht beigezogenen (Ergänzungs-) Gutachten von Dipl. Ing. F. einer Immissionsprognose unterzogen worden. In diesem Gutachten vom 07.02.2003 gelangt der Gutachter zu der fachlichen Einschätzung, dass der geplante Liegeboxenlaufstall am neuen Standort ausreichende Immissionsschutzabstände zu den Wohnhäusern im Norden und Nordwesten aufweise und schädliche Umwelteinwirkungen aufgrund erheblicher Geruchsimmissionen in diesem Bereich nicht zu erwarten seien. Die Abstände zu der Wohnbebauung im Süden reichten nicht aus, wenn diese Bebauung als WA-Gebiet eingestuft werde, sie reichten aber aus, wenn das Mittelwertprinzip angewendet werde. Die Fahrsiloanlage spiele für die zu klärende Frage keine Rolle und brauche daher im Rahmen der Abstandsbeurteilung nach VDI 3474 nicht weiter berücksichtigt zu werden. Nach diesem Gutachten sind von dem Bauvorhaben des Klägers als Normabstand gegenüber der im Norden bzw. Nordwesten gelegenen Bebauung 72 m einzuhalten und gegenüber dem nächst gelegenen Wohnhaus im Süden (I 5) 80 m unter der oben bereits ausführlich dargestellten, vom Senat zugrunde gelegten Prämisse, dass der Umgebungsbebauung des landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers die Schutzwürdigkeit eines Mischgebietes zuzusprechen ist. Diese Bedingungen werden in Bezug auf den laut Gutachten um ca. 50 m verlagerten Boxenlaufstall erfüllt. Das vom Gutachter im Rahmen der Abstandsbeurteilung gefundene Ergebnis wird durch die von ihm zusätzlich durchgeführte Sonderbeurteilung zur Abschätzung der Immissionshäufigkeiten untermauert. In dieser Sonderbeurteilung gelangt Dipl. Ing. F. zu dem Ergebnis, dass in den bebauten Gebieten im Umfeld des geplanten Stalles und zwar im Norden, im Nordwesten und auch im Süden nicht mit erheblichen Geruchsimmissionen zu rechnen sei. Die zu erwartenden Immissionshäufigkeiten lägen bei 30 - 50 Promille der Jahresstunden, was für allgemeine Wohngebiete zumutbar sei. Diese Bewertung gilt daher erst recht, wenn der Umgebungsbebauung die Schutzwürdigkeit eines Mischgebietes zukommt, für das laut Gutachten 70 Promille der Jahresstunden als tolerierbarer Wert anzusehen sind.

Dem zuvor dargestellten Fazit des Gutachtens folgt der Senat in der von ihm vorzunehmenden Bewertung der Immissionssituation, denn das Gutachten ist auf der Grundlage der als brauchbare Orientierungshilfe anzusehenden VDI-Richtlinie 3474 erstellt worden und auch im Übrigen ist der Gutachter entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen. So kann der Begutachtung vom Beklagten und von der Beigeladenen nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der Gutachter habe die Vorbelastung durch den Altstall nicht in angemessener Weise in seine Gesamtbeurteilung mit einbezogen. Dies war nicht erforderlich. Der Kläger hat bereits im Bauvoranfrageverfahren betreffend den ursprünglichen Standort deutlich gemacht, dass er den vorhandenen Milchviehbestand von etwa 30 Milchkühen erweitern wolle und deshalb den Neubau eines Boxenlaufstalles für ca. 60 - 70 Kühe geplant habe (s. die Begründung des Widerspruchs des Klägers vom 04.05.1998 gegen den Ablehnungsbescheid). In dem vom Berichterstatter des erstinstanzlichen Verfahrens durchgeführten Erörterungstermin am 05.06.2002 hat der Kläger auf Anfrage erklärt, dass eine Aufstockung auf 66 Milchkühe erfolgen solle, also dass zu den vorhandenen 35 Milchkühen noch 31 weitere hinzukämen; weiterhin solle das Jungvieh um 25 Stück aufgestockt werden. Der geplante Boxenlaufstall soll mithin nach dem im Verwaltungs- und auch im Klageverfahren deutlich zum Ausdruck gekommenen Willen des Klägers der Aufnahme des gesamten, um die genannte Zahl erweiterten Milchviehbestandes mit Nachzucht dienen. Dies wird auch durch die vom Kläger im vorliegenden Verfahren immer wieder beteuerte Nutzung des Altstalles als Quarantäne- bzw. Krankenstall bekräftigt. Danach ist der Gutachter zutreffend von den genannten Vorgaben ausgegangen und hat im Gutachten vom 29.08.2002 als geruchsrelevante Tiermasse 66 Kühe mit entsprechendem Nachwuchs für die Ermittlung der Immissionsschutzabstände zugrundegelegt. Von denselben immissionsbestimmenden Größen ist der Gutachter auch in dem vom Senat für die Bewertung der Immissionssituation in Bezug auf den Alternativstandort herangezogenen Ergänzungsgutachten vom 07.02.2003 ausgegangen, währenddessen das dem Senat ebenfalls vorliegende 2. Ergänzungsgutachten vom 11.03.2003 in die Prognose den Weiterbetrieb der alten Hofstelle, also auch den Altstall einbezieht. Deshalb kommt diesem Gutachten für die im vorliegenden Verfahren vorzunehmende gerichtliche Bewertung keine maßgebliche Bedeutung zu. Der Weiterbetrieb des Mastschweinestalles ist vom Bestandsschutz erfasst, auf den sich der genehmigte landwirtschaftliche Betrieb des Klägers stützen kann. Wenn der Kläger über die vorgenannten, im vorliegenden Verfahren zugrunde zu legenden unmissverständlichen Angaben hinaus für die Zukunft plant, auch im vorhandenen Altstall einen Boxenlaufstall einzubauen und einen entsprechenden Bauantrag im Jahr 2005 gestellt hat, so handelt es sich dabei um ein neues, selbständiges Baugenehmigungsverfahren, das losgelöst von der vorliegenden, auf Erteilung eines Bauvorbescheides für den Neubau eines Boxenlaufstalles an einem Standort außerhalb des Bereichs der vorhandenen Stallungen gerichteten Verfahrens zu sehen ist und das deshalb für die hier zu treffende Entscheidung keine Bedeutung erlangt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 S. 1, 154 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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