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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 30.10.2003
Aktenzeichen: 4 UE 4952/96.A
Rechtsgebiete: AuslG, EMRK, GG


Vorschriften:

AuslG § 51 Abs. 1
AuslG § 53 Abs. 4
AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
EMRK Art. 3
GG Art. 16a Abs. 1
Nach wie vor besteht derzeit und auf absehbare Zeit hinaus in Somalia zwar kein (Gesamt-) Staat, der in der Lage wäre, staatliche Verfolgung auszuüben, jedoch hat sich im Nordwesten des Landes ("Republik Somaliland") eine zu politischer Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG taugliche staatsähnliche Herrschaftsgewalt herausgebildet. Ob dies in gleicher Weise auch für den im Sommer 1998 im Nordosten des Landes ausgerufenen Regionalstaat "Puntland" anzunehmen ist, erscheint fraglich.

Für Rückkehrer / Einreisende in den Norden Somalias ist ein Überleben dort letztlich nur gewährleistet, wenn sie aus dieser Region stammen.

Für Rückkehrer / Einreisende nach Zentral- und Südsomalia drohen zur Zeit aufgrund der prekären Sicherheitslage speziell in Mogadischu, die ein Erreichen eines sicheren Clangebietes unmöglich macht, schwerste Körperverletzungen und sogar die Tötung durch Mitglieder marodierender Banden oder verschiedener Milizen.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

4 UE 4952/96.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 4. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Koch, Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann, Richter am Hess. VGH Heuser, ehrenamtlichen Richter Herbert, ehrenamtliche Richterin Odenweller

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgericht Frankfurt am Main vom 30. August 1996 - 9 E 30285/96.A (2) - aufgehoben, soweit die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 5. Februar 1996 verpflichtet worden ist, festzustellen, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllt; im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Gerichtsbescheid wird wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Nr. 3 des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 5. Februar 1996 verpflichtet, festzustellen, dass bei der Klägerin ein Abschiebungshindernis im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 1 VwGO hinsichtlich Somalia vorliegt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens erster Instanz haben unter Abänderung der Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts die Klägerin zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu 2/3 und der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten zu 1/3 zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 23. Oktober 1995 in Deutschland geborene Klägerin ist somalische Staatsangehörige. Sie beantragte mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 19. Dezember 1995 ihre Anerkennung als Asylberechtigte; zur Begründung nahm sie Bezug auf den Vortrag ihrer Mutter in deren Asylverfahren.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 5. Februar 1996 den Asylantrag ab (Nr. 1) und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (Nr. 2) sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (Nr. 3) nicht vorliegen. Weiterhin wurde die Klägerin aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen und ihr wurde die Abschiebung nach Somalia angedroht (Nr. 4).

Gegen den ihr am 12. Februar 1996 zugestellten Bescheid erhob die Klägerin am 17. Februar 1996 Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main. Zu deren Begründung führte sie an, ihre Mutter gehöre der Volksgruppe der Galgale an, einem kleinen Minderheitenclan, der über kein eigenes Territorium verfüge und daher bereits früher auf die Bündnisse mit größeren Clans angewiesen gewesen sei. Früher sei dieser Subclan, der vor allem in und um Mogadischu gelebt und dessen Mitglieder zumeist als Handwerker oder Kunsthandwerker ihren Lebensunterhalt bestritten hätten, mit dem Hawiye-Subclan Abgal assoziiert gewesen. Er habe sich dann aber mit dem Darod-Subclan Marehan zusammengeschlossen, der unter Siad Barre die Macht innegehabt habe. Nach dem Sturz des Barre-Regimes und der Einnahme Mogadischus durch die Einheiten des USC habe seitens der neuen Machthaber, der Hawiye - Milizen, eine massive Verfolgung und Vertreibung der Galgale eingesetzt, denen man ihr Bündnis mit den Marehan vorgeworfen habe.

Ihr Vater gehöre väterlicherseits dem Darod-Marehan-Subclan Reer Diine und mütterlicherseits dem Clan der Sheikhal an. Die Galgale und erst recht die Marehan - Reer Diine hätten als Kollaborateure bzw. Träger des alten Regimes gegolten und seien gezielt verfolgt worden. Da die Klägerin aus der Verbindung zweier - genau genommen dreier - als sehr verschieden angesehener Clangruppen stamme, habe sie im Fall ihrer Rückkehr nach Somalia keine Überlebenschance, weil sie in keiner Gruppe Aufnahme finden und somit dort nicht existieren könne. Ihre Familie und ihre Clangruppe seien zerschlagen worden, so dass in Somalia für sie keinerlei familiäre Strukturen mehr existierten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 5. Februar 1996 zu verpflichten, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte durch Gerichtsbescheid vom 30. August 1996 unter entsprechender Aufhebung des angefochtenen Bescheids zu der Feststellung verpflichtet, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfülle; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Asylanerkennung nach Art. 16 a Abs. 1 GG. Zum politischen Charakter einer Verfolgung im Sinne dieser Vorschrift gehöre, dass es sich grundsätzlich um eine staatliche Verfolgung handeln müsse, wobei dem Staat solche staatsähnlichen Organisationen gleichstünden, die den jeweiligen Staat verdrängt hätten oder denen er das Feld überlassen habe und die ihn daher insoweit ersetzten.

In Somalia herrsche Bürgerkrieg, der dadurch gekennzeichnet sei, dass für Somalia oder auch nur für Teile des Landes das Bestehen einer Staatsmacht oder einer staatsähnlichen Organisation schlichtweg zu verneinen sei.

Die Klage sei jedoch im Hinblick auf das Abschiebungsverbot nach § 51 Abs. 1 AuslG begründet. Die Klägerin befürchte in wohlbegründeter Weise eine Verfolgung in Somalia wegen ihrer Zugehörigkeit zur Minderheitsethnie "Galgale"; es sei davon auszugehen, dass der Klägerin wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser sozialen Gruppe im Falle ihrer Abschiebung Gefahren für Leib und Leben oder Freiheit drohten. Im Rahmen der Prüfung des § 51 Abs. 1 AuslG sei maßgeblich auf den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention (GK) abzustellen. Hiernach komme es nicht darauf an, ob eine Verfolgungsmaßnahme vom Staat ausgehe, sondern nur darauf, ob sich der Ausländer - ungeachtet deren Urheberschaft - in begründeter Weise vor Verfolgung fürchte; dabei sei entscheidend auf die Sichtweise des Flüchtlings abzustellen, die allerdings nachvollziehbar sein müsse. Von der GK werde demnach nicht gefordert, dass die Verfolgung politischen Charakter im Sinne des Asylgrundrechts tragen müsse.

Die Klägerin habe glaubhaft dargetan, der Minderheitsethnie "Galgale" anzugehören. In der gegenwärtigen Situation in Somalia hänge die Überlebenschance eines jeden einzelnen von der Stammes- bzw. Clanzugehörigkeit ab. Es sei sicher, dass die in Deutschland geborene Klägerin bei einer Einreise in ihr Heimatland nicht ohne weiteres und sofort in den Schutz ihres Clanverbandes gelangen könne. Aus diesem Grund sei die Gefahr , möglicherweise sogar getötet zu werden, sehr groß. Mogadischu, der Herkunftsort der Familie der Klägerin und der einzige Ort, über den derzeit eine Einreise theoretisch denkbar sei, werde, jedenfalls soweit der Hafen- und Flughafenbereich betroffen sei, im Moment noch von den Truppen des inzwischen getöteten Generals Aideed kontrolliert. Somalische Staatsangehörige, wie die Klägerin, die einem Minderheitsclan angehörten, seien dort in großer Lebensgefahr.

Die somit zugunsten der Klägerin zu treffende Verfolgungsprognose im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG sei bei der Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 31 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG nicht zugrunde gelegt worden, so dass die Verneinung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG aufgehoben werden müsse. Für eine Verpflichtung der Beklagten, das Bestehen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG festzustellen, bestehe aber derzeit kein Rechtsschutzbedürfnis; Gesichtspunkte, die eine solche Entscheidung jetzt erforderlich machten, seien weder ersichtlich noch vorgetragen. Die Abschiebungsandrohung begegne keinen Bedenken, denn für das Bestehen eines Aufenthaltsrechtes sei nichts ersichtlich; ob die Abschiebung tatsächlich durchgesetzt werden könne, sei nicht im vorliegenden Verfahren zu entscheiden.

Mit Schreiben vom 19. September 1996 - eingegangen beim Verwaltungsgericht am 24. September 1996 - hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten die Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 30. August 1996 beantragt, weil die erstinstanzliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Hess. VGH abweiche. Nach dieser Rechtsprechung setze, anders als das Verwaltungsgericht dies angenommen habe, die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG und auch Art. 1 A Nr. 2, Art. 33 GK eine staatliche Verfolgung voraus.

Mit Beschluss vom 11. Dezember 1996 hat der früher für das Verfahren zuständige 13. Senat des Hess. VGH die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten insoweit zugelassen, als die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 5. Februar 1996 zu der Feststellung verpflichtet worden war, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllt.

Auf gerichtliche Anfrage hat das Institut für Afrikakunde mit Schreiben vom 17. März 1998 mitgeteilt, dass die Galgale (oder auch Galgalo) in einem Abhängigkeits-/Klientelverhältnis mit dem Abgal-Clan des Hawiye-Clanverbandes verbunden gewesen seien; sie gehörten ihrer Abstammung nach aber nicht zu den Hawiye, sondern stammten möglicherweise aus dem Darod-Clanverband. Gegen Ende des Jahres 1990 hätten sie sich auf die Seite des Marehan-Verbandes, d.h. des Clans des damaligen Staatspräsidenten Mohamed Siad Barre, gestellt; sie seinen von Barre bewaffnet worden und hätten sich gegen die Abgal gewandt. Nach der Flucht Barres aus Mogadischu seien die Galgale ebenso wie die Marehan und fast alle Angehörigen anderer Clans aus dem Darod-Clanverband gewaltsam aus Mogadischu vertrieben worden. Über den weiteren Verbleib der Galgale lägen keine Angaben vor. Bei den Galgale handele es sich anscheinend um eine relativ kleine Gruppe, die vermutlich durch die Vertreibung bzw. Flucht aus Mogadischu zerstreut worden sei. Soweit sich dies verfolgen lasse, seien die Galgale seit 1991 nicht als Clanfraktion oder Miliz in Erscheinung getreten. Hinweise darauf, dass sie irgendwo in Somalia in einem geographisch abgrenzbaren Gebiet eine Vorherrschaft hätten, lägen nicht vor.

Ein vom Bevollmächtigten der Klägerin daraufhin erneut vorgebrachter Vergleichsvorschlag, bei Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG durch die Beklagte die Klage im Übrigen zurückzunehmen, fand bei der Beklagten und auch bei dem Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten keine Zustimmung.

In dem Asylverfahren der Mutter der Klägerin, Frau C., hatte das VG Frankfurt am Main - unter Abweisung der Klage im Übrigen - die Beklagte zur Feststellung verpflichtet, dass die Mutter der Klägerin die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllt. Auf die Berufung der Beklagten wies der Hess. VGH durch Urteil vom 9. Juli 1996 die Klage vollumfänglich ab; die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG seien nicht gegeben, weil in Somalia eine staatliche oder staatsähnliche Herrschaftsmacht nicht existiere, von der politische Verfolgung ausgehen könne. Eine Prüfung des § 53 AuslG erfolgte im Berufungsverfahren nicht. Die gegen das zweitinstanzliche Urteil zunächst eingelegte Revision ist von der Mutter der Klägerin wieder zurückgenommen worden.

Hinsichtlich des Vaters der Klägerin, Herr A., hatte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main durch (rechtskräftiges) Urteil vom 30. August 1994 die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass der Vater der Klägerin die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllt und die Asylklage im Übrigen abgewiesen. Der dagegen vom Vater der Klägerin erhobene Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Hess. VGH mit Beschluss vom 13. August 1996 abgelehnt.

Im vorliegenden Berufungsverfahren hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt,

unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. August 1996 die Klage abzuweisen, soweit die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG getroffen worden ist.

Die Klägerin hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG festzustellen.

Die Beklagte hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt.

Zur Begründung ihres Antrags hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2003 vorgetragen, zwar sei eine Einreise / Rückkehr nach Somalia grundsätzlich technisch möglich, allerdings entspreche die Sicherheit der bei den in den Auskünften erwähnten "Linienflügen" zum Einsatz kommenden alten russischen Propellermaschinen bei weitem nicht den allgemein üblichen Anforderungen. Befinde sich der Flughafen in Somaliland oder in Puntland und könne der Ankommende nicht beweisen, dass er aus dem jeweiligen Gebiet stamme, so sei mit seiner Weiterschiebung nach Mogadischu zu rechnen. Um in Mogadischu den Flughafen einigermaßen sicher verlassen zu können, seien bewaffnete Leibwächter unverzichtbar, die bereits vor dem Flug gebucht werden müssten. Wer am Flughafen ein Taxi nehme, setze sich der Gefahr aus, an der nächsten Straßensperre vom Taxifahrer an Wegelagerer gegen Gewinnbeteiligung ausgeliefert zu werden. Auch mit bewaffneten Leibwächtern müsse für die unbehelligte Durchfahrt in das von der jeweiligen Miliz beherrschte Stadtviertel an diese ca. 250 US-Dollar gezahlt werden. Mit dem Erreichen des ursprünglichen Herkunftsortes seien die Gefahren keineswegs vorbei. Wer an den Ort zurückkehre, von dem er vertrieben, ausgeplündert und seines Hauses oder Geschäftes beraubt worden sei, befinde sich in extremer Lebensgefahr, denn um Rückforderungsversuche im Keim zu ersticken, sei es seitens der Milizen oder Banden, die sich des Eigentums oder des Hauses gewaltsam bemächtigt hätten, üblich, potenzielle Anspruchsteller zu ermorden. Gleiches drohe dem, dessen Familienangehörige als Opfer von Milizen ums Leben gekommen seien und bei dem daher Rachepläne unterstellt würden. Jeder Rückkehrer aus dem "reichen" Europa müsse wegen seines vermuteten "Vermögens" mit Raubüberfällen, Erpressungen und Entführungen rechnen, vor allem seitens der Milizen, die keine Bezahlung mehr erhielten. Diese Gefahr sei umso größer, wenn sich der Betreffende nach langjährigem Auslandsaufenthalt nicht mehr mit den Gepflogenheiten des Landes auskenne. Im Land einen sicheren Ort zu suchen, setze wiederum einen zuverlässigen und schwerbewaffneten Begleitschutz und viel Geld für die Straßensperren voraus.

Besonders gefährdet bei ihrer Rückkehr nach Somalia seien Frauen, da ihnen an jeder Straßensperre oder auch am Zielort ihrer Reise Vergewaltigung drohe; auch ein sie begleitender Ehemann stelle dabei keinen effektiven Schutz dar. Mädchen, die Somalia als Kleinkinder verlassen hätten oder außerhalb von Somalia geboren seien, würden im Fall ihrer Rückkehr unweigerlich Opfer von Genitalverstümmelungen der schwersten Art. Alleinstehende Frauen mit Kindern hätten als Rückkehrer in der Regel erst Recht keine Überlebenschance. Gleiches gelte für Alte, Kranke, Behinderte sowie für Rückkehrer, die einer Minderheitsgruppe angehörten. Diese seien aufgrund ihrer besonderen Schutzlosigkeit und gesellschaftlichen Isolation bevorzugte Opfer, denn von ihnen seien Gegenwehr- oder Vergeltungsreaktionen nicht zu befürchten.

In Somaliland seien Clanfremde unerwünscht. Angehörige von dort ansässigen Clans hätte ihre Herkunft zu beweisen, was heute kaum möglich sei. Die Aufnahme werde zudem von der Zahlung eines "Wiedereingliederungshilfe" genannten Kopfgeldes abhängig gemacht. Aufgenommene Rückkehrer blieben allein auf sich gestellt. Arbeitsmöglichkeiten oder andere Chancen zur eigenen Existenzgrundlage fehlten völlig, behördliche Hilfen seien nicht zu erwarten.

Die Situation in Puntland stelle sich wegen der dort immer noch bestehenden instabilen Lage noch schlechter dar. Es herrsche ein Überlebenskampf jeder gegen jeden, dem Rückkehrer schutzlos ausgeliefert seien. Es bestehe keine Überlebenschance, solange nicht Schutz und Versorgung durch aufnahmebereite männliche Familienangehörige gewährleistet seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens einschließlich der Behördenakte des Bundesamtes betreffend die Klägerin und die die Mutter der Klägerin betreffende Akte des Landrates des Kreises Offenbach sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main - 9 E 30560/94.A - (in Kopie) und 9 E 30466/94.A -; des Weiteren wird Bezug genommen auf die den Verfahrensbeteiligten übersandte Erkenntnisquellenliste des Senats (Somalia) und die beiden zusätzlichen Erkenntnisquellen, die den Beteiligten durch gerichtliche Verfügung vom 2. Oktober 2003 mitgeteilt worden sind und die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die durch Beschluss vom 11. Dezember 1996 zugelassene und auch sonst zulässige Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ist begründet, soweit sie sich gegen die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG und die Aufhebung der Nr. 2 des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge wendet; sie ist ferner in Bezug auf den von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG begründet. Im Übrigen, also in Bezug auf den weiterhin von der Klägerin begehrten Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG ist sie hingegen nicht begründet.

Die im Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge enthaltene Ablehnung der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn die Klägerin hat in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in ihrer Person vorliegen (1). Dem entsprechend ist die im angefochtenen Urteil ausgesprochene entsprechende Verpflichtung der Beklagten aufzuheben.

Gleichfalls steht der Klägerin kein Anspruch auf die hilfsweise von ihr begehrte Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG gegen die Beklagte zu (2a). Auf die weiter hilfsweise von ihr begehrte Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hat die Klägerin dagegen einen Anspruch (2b), so dass das erstinstanzliche Urteil entsprechend abzuändern ist.

(1) Der erkennende Senat geht - wie auch das Bundesverwaltungsgericht - davon aus, dass die Voraussetzungen für die als Flüchtlingsanerkennung geltende Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG (vgl. §§ 3, 4 AsylVfG) nur dann vorliegen, wenn der um Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung nachsuchende Ausländer von einer staatlichen oder quasi-staatlichen Verfolgung bedroht ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 15. April 1997 - 9 C 15.96 -, BVerwGE 104, 254; s. auch Urt. vom 20. Februar 2001 - 9 C 21.00 -, NVwZ 2001, 818). In der erstgenannten Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass § 51 Abs. 1 AuslG - ebenso wie Art. 16 a GG - grundsätzlich erfordere, dass die dem Ausländer drohende Verfolgung aus der staatlichen Gebietshoheit erwächst. Für den in den Schutzbereich des § 51 AuslG einbezogenen Personenkreis der Flüchtlinge und Verfolgten im Sinne von Art. 1 A Nr. 2, Art. 33 Nr. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl II 1953 S. 559, Genfer Flüchtlingskonvention - GFK -) gelte dies gleichfalls (in diesem Sinne auch BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938, 2315/93 - BVerfGE 94, 49 <97>, wonach das deutsche Ausländerrecht mit § 51 Abs. 1 AuslG dem Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK Rechnung trage). Die nach Art. 31 der Wiener Vertragsrechtskonvention (BGBl II 1985 S. 926) vorrangigen Gesichtspunkte der gewöhnlichen Bedeutung der Vertragsbestimmungen in ihrem Zusammenhang sowie deren Ziel und Zweck ergäben unter Berücksichtigung insbesondere des überkommenen völkerrechtlichen Verständnisses, dass grundlegendes Merkmal der Flüchtlingseigenschaft die Staatlichkeit der befürchteten Verfolgung gewesen sei und noch sei. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts existiert weder entgegenstehendes Völkergewohnheitsrecht noch eine abweichende allgemeine Übung der Vertragsstaaten, welche nach Art. 31 b Abs. 3 der Wiener Vertragsrechtskonvention zu berücksichtigen wäre (BVerwG, Urt. vom 15. April 1997 - 9 C 15.96 - , a.a.O.).

Eine politischen Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG - wie auch im Sinne von Art. 16 a GG - ist danach grundsätzlich staatliche Verfolgung. Dem Staat stehen solche staatsähnlichen (quasi-staatlichen) Organisationen gleich, die den jeweiligen Staat verdrängt haben oder denen dieser das Feld überlassen hat und die ihn daher insoweit ersetzen. Staatlichkeit und Staatsähnlichkeit in diesem Sinne stellen ab auf das Vorhandensein einer in sich befriedeten Einheit, die nach innen alle Gegensätze, Konflikte und Auseinandersetzungen durch eine übergreifende Ordnung in der Weise relativiert, dass diese unterhalb der Stufe der Gewaltsamkeit verbleiben und die Existenzmöglichkeit des Einzelnen nicht in Frage stellen, insgesamt also die Friedensordnung nicht aufheben (BVerfG, Beschluss vom 10. August 2000 - 2 BvR 260/98 und 1353/98 - NVwZ 2000, 1165 = DVBl 2000, 1518 m.w.N.; s. auch BVerwG, Urt. vom 20. Februar 2001 - 9 C 20.00 -, NVwZ 2001, 815).

Das Element der "Staatlichkeit" oder "Quasi-Staatlichkeit" von Verfolgung darf nicht losgelöst vom verfassungsrechtlichen Tatbestandsmerkmal des "politisch" Verfolgten betrachtet und geprüft werden. Es muss vielmehr in Beziehung gesetzt bleiben zu der Frage, ob eine Maßnahme den Charakter einer politischen Verfolgung im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG aufweist, vor der dem davon Betroffenen Schutz gewährt werden soll. Die Prüfung bestimmter staatstheoretischer Merkmale für die Annahme vorhandener oder neu entstehender Staatlichkeit kann mithin für die Beurteilung, ob Verfolgungsmaßnahmen die Qualität politischer Verfolgung haben, nicht schlechthin konstitutiv, sondern nur - wenn auch in gewichtiger Weise - indiziell sein. Maßgeblich für die Bewertung einer Maßnahme als politische Verfolgung ist, dass der Schutzsuchende einerseits in ein übergreifendes, das Zusammenleben in der konkreten Gemeinschaft durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefüge eingebunden ist, welches den ihm Unterworfenen in der Regel Schutz gewährt, andererseits aber wegen asylerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen und durch gezielt zugefügte Rechtsverletzungen aus der konkreten Gemeinschaft ausgeschlossen wird, was ihn in eine ausweglose Lage bringt, der er sich nur durch die Flucht entziehen kann. Die Frage, ob in einer Bürgerkriegssituation nach dem Fortfall der bisherigen Staatsgewalt von einer Bürgerkriegspartei politische Verfolgung ausgehen kann, beurteilt sich folglich maßgeblich danach, ob diese zumindest in einem Kernterritorium ein solches Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität - im Sinne der o.a. übergreifenden Friedensordnung - tatsächlich errichtet hat (BVerfG, Beschluss vom 10. August 2000 a.a.O.; auf diese Entscheidung nimmt Bezug: BVerwG, Urt. vom 20. Februar 2001, - 9 C 20.00 -, a.a.O.).

Die Möglichkeit politischer Verfolgung kann daher - abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s. Urt. vom 04. November 1997 - 9 C 34.96 -, BVerwGE 105, 306) nicht bereits mit der Erwägung verneint werden, es fehle bei allen um die Macht im ganzen Staatsgebiet fortwährend kämpfenden Bürgerkriegsparteien an einer dauerhaft verfestigten Gebietsherrschaft nach außen, d.h. vor allem zwischen den sich bekriegenden Machthabern. Die anhaltende (äußere) militärische Bedrohung schließt das Bestehen eines staatsähnlichen Herrschaftsgefüges im Innern nach Auffassung des Bundesverfassungsgericht in der zuvor zitierten Entscheidung nicht zwingend aus. Je nach ihrer Stärke kommt einer solchen Bedrohung zwar erhebliches indizielles Gewicht für eine solche Annahme zu, das aber in dem Maße abnimmt, in dem der Bürgerkrieg ohne entscheidende Veränderung der Machtverhältnisse andauert (BVerfG, Beschluss vom 10. August 2000 a.a.O.; BVerwG, Urt. vom 20. Februar 2001, - 9 C 20.00, a.a.O.).

Für die danach in erster Linie maßgebliche Frage nach der Beschaffenheit des Herrschaftsgefüges im Innern des beherrschten Gebietes zwischen dem verfolgenden Machthaber und den ihm unterworfenen Verfolgten bedarf es der Feststellung und Bewertung, ob eine übergreifende Friedensordnung mit einem prinzipiellen Gewaltmonopol existiert, die von einer hinreichend organisierten, effektiven und stabilen Gebietsgewalt in einem abgrenzbaren (Kern-)Territorium getragen wird. Das setzt vor allem - wie das Bundesverwaltungsgericht ständig und insoweit vom Bundesverfassungsgericht unbeanstandet ausgesprochen hat (vgl. das oben zitierte Urteil vom 4. November 1997 - 9 C 34.96 -, a.a.O.) - eine gewisse Stetigkeit und Dauerhaftigkeit der Herrschaft voraus, verkörpert vorrangig in der Durchsetzungsfähigkeit und Dauerhaftigkeit des geschaffenen Machtapparates. Auch bei einem anhaltenden Bürgerkrieg erfordert dies, dass zwischenzeitlich entstandene Machtgebilde voraussichtlich stabil sein werden. Dabei kommt es entscheidend auf die Lage im Innern an und nur ergänzend indiziell auf etwaige äußere Gefährdungen, welche die Herrschaft nachhaltig in Frage stellen. Besondere Bedeutung kommt der Zeitspanne zu, während deren die Herrschaftsorganisation bereits Bestand hat. Je länger sich ein Machtgebilde hält, desto eher muss es als dauerhafte, schutz- und verfolgungsmächtige Gebietsgewalt angesehen werden. Besteht es erst kurze Zeit, spricht dies - zumal in einem andauernden Bürgerkrieg - gegen eine "stabilisierte", zu politischer Verfolgung fähige Herrschaft (vgl. das Bosnien-Urteil vom 6. August 1996 - 9 C 172.95 - BVerwGE 101, 328, 334 zu einer Zeitspanne von zwei Monaten). Eine zeitliche Grenze, die generell und unabhängig von der Bewertung der gesamten Lage im Einzelfall Geltung beansprucht, gibt es gleichwohl nicht. Sie kann nur tatrichterlich wertend festgestellt werden und entzieht sich der abstrakten rechtlichen Maßstabsbildung. Die Tatsachengerichte müssen jedoch beachten, dass allein wegen eines andauernden äußeren Bürgerkriegsgeschehens die Annahme politischer Verfolgung nicht praktisch auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen sein kann.

Entsprechendes gilt für Bedrohungen der Herrschaftsgewalt im Innern, etwa durch örtliche Machthaber, autonome Stammes- oder Clanfürsten oder rebellierende Untertanen. Je länger sich die Herrschaftsorganisation trotz solcher Bedrohungen ohne wesentliche Änderung der Machtverhältnisse behauptet, umso weniger ist die Annahme einer staatsähnlichen Gewalt ausgeschlossen. Maßgebend ist insoweit namentlich die Fähigkeit, derartige Konflikte über längere Zeit zumindest zu begrenzen. Neben dem Zeitfaktor können ferner Anzahl, Größe und machtpolitisches Gewicht autonomer oder nicht befriedeter, dem Zugriff der Herrschaftsorganisation entzogener Gebiete von Bedeutung sein. Je zahlreicher und gewichtiger solche Herrschaftsexklaven sind, umso eher kann dies bei der gebotenen prognostischen Bewertung die tatsächliche Territorialgewalt und damit die staatsähnliche Qualität der Herrschaftsorganisation in Frage stellen. Nicht entscheidend für die Annahme einer staatsähnlichen Herrschaftsorganisation sind demgegenüber die Legitimität der Machtausübung, deren Akzeptanz durch alle oder eine Mehrheit der Gewaltunterworfenen, die Willkürfreiheit der Herrschaft oder die Beachtung eines menschenrechtlichen Mindeststandards sowie die völkerrechtliche Deliktsfähigkeit. Maßgeblich ist nach der oben zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lediglich, ob eine De-facto-Gebietsgewalt vorhanden ist, die tatsächlich eine prinzipiell schutz- und verfolgungsmächtige Ordnung von gewisser Stabilität errichtet hat. Kennzeichnend dafür ist vor allem die Erringung eines weitgehenden - auch für die Staaten typischen - tatsächlichen (Schutz- und) Gewaltmonopols im Innern, ohne das eine gemeinschaftsorientierte Friedensordnung nicht lebensfähig ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. August 1996 -9 C 172.95 -, a.a.O. und vom 15. April 1997 - 9 C 15.96 -, a.a.O.). Dagegen ist es weniger wichtig, in welchen organisatorischen und rechtlichen Formen, Einrichtungen oder Institutionen die Herrschaftsmacht ausgeübt wird; erst recht ist es nicht unabdingbar, dass bestimmte Verwaltungsstrukturen oder zivilisatorische Errungenschaften der Daseinsvorsorge wie Bildungs- und Kultureinrichtungen oder etwa ein funktionierendes Gesundheitswesen existieren. Gibt es allerdings solche Strukturen, so spricht dies für eine verfestigte, auf Dauer angelegte übergreifende Ordnungsmacht (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. vom 20. Februar 2001, 9 C 20.00 -, a.a.O.)

Nach den zuvor dargelegten Grundsätzen und unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen ist der Senat zu der Einschätzung gelangt, dass es nach wie vor in Somalia zwar keinen (Gesamt-) Staat gibt, der in der Lage wäre, staatliche Verfolgung im Sinne der dargestellten Grundsätze auszuüben, dass sich aber jedenfalls im Nordwesten des Landes ("Republik Somaliland") eine zu politischer Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG taugliche staatsähnliche Herrschaftsgewalt herausgebildet hat.

Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen stellen sich die Verhältnisse in Somalia zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wie folgt dar:

Das im Horn von Afrika gelegene und an Dschibuti, Äthiopien und Kenia grenzende Somalia, das zuvor in seinem nordwestlichen Landesteil britische und im übrigen italienische Kolonie gewesen war, erlangte im Jahre 1960 seine Unabhängigkeit. Es ist mit 638.000 qkm etwa 1,8 mal so groß wie Deutschland und besteht überwiegend aus Halbwüste und Trockensavanne. Anders als dies in vielen anderen afrikanischen Ländern der Fall ist, bildet die Bevölkerung Somalias - die Schätzungen variieren zwischen etwa sechs und zehn Millionen Menschen - ein überwiegend homogenes Staatsvolk mit einer gemeinsamen Sprache und Zugehörigkeit zum sunnitischen Zweig des Islam (s. Februar 2000, Bericht des Niederländischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten zu Somalia, Lage im Zusammenhang mit Asylverfahren; 16. Juli 2001, Auswärtiges Amt <AA>, Länderaufzeichnung Somalia, Stand: 15. März 2001; 24. Februar 1992, Institut für Afrika-Kunde an VG Ansbach).

Trotz dieser ethnischen und sprachlichen Einheit zeichnet sich die Lage in Somalia aber traditionell durch eine starke innere Zerrissenheit aus, die auf die Besonderheiten des somalischen Clan-Systems zurückzuführen ist (20. September 2002, Lagebericht des AA). Das Volk der Somali umfasst sechs große Clanfamilien, nämlich die Darod, Hawiye, Issaq und Dir (alle überwiegend nomadisch) sowie die Rahanweyn und Digil (im Wesentlichen Ackerbauern). Diese Clanfamilien sind ihrerseits in ein komplexes und vielschichtiges System von Clans, Subclans und weiteren Untergliederungen sowie Clan-Verbänden und Allianzen gegliedert, dessen Erfassung dadurch wesentlich erschwert wird, dass mangels offizieller oder traditionell überlieferter Strukturen die Einordnung einer Gruppe als Clan, Subclan, usw. auch von deren eigener Einschätzung abhängen kann und kleine Gruppen, die auf den Schutz einer größeren angewiesen sind, ihre Schutzmacht und damit den Clanverband wechseln können. Dennoch sind die Clans und Clanfamilien bzw. die jeweiligen Allianzen der wesentliche Machtfaktor in der somalischen Gesellschaft und Politik. Mehr als 95 % aller Somalis gehören einem Subclan an, der sich zu einem dieser Stämme zugehörig fühlt (16. Juli 2001, AA, Länderaufzeichnung Somalia, Stand: 15. März 2001).

Der zahlenmäßig größte Stamm sind die Darod. Unter ihnen dominieren die Harti; zu ihnen gehören u.a. die Ogaden (Absame), die Marehan (Stamm Siad Barres, des Präsidenten von Somalia von 1969 bis 1991) und die Majarteen. Ihre Hauptsiedlungsgebiete liegen im Nordosten und im Süden Somalias, doch haben sie sich, protegiert von Siad Barre, auch in anderen Gegenden des Landes und in Mogadischu niedergelassen. Die ebenfalls zum Darod-Harti-Verband rechnenden Dulbahante und Wasangeli leben im Grenzgebiet zwischen Nordost- und Nordwestsomalia. Zahlenmäßig nur wenig schwächer sind die Hawiye. Hawiye-Subclans sind u.a. die Murusade, die Hawadle und die Hirab. Hauptsiedlungsgebiet der Hawiye ist Zentralsomalia einschließlich der Provinz Banaadir. Als drittgrößter Clan bewohnen die Issaq den Nordwesten Somalias (Somaliland). Die Dir leben im Nordwesten Somalias an der Grenze zu Dschibuti und im Süden des Landes. Die Rahanweyn und die Digil sind, im Gegensatz zu den vorgenannten traditionell nomadischen Stämmen, Ackerbauern, die im fruchtbaren Südwesten Somalias (Provinzen Bay, Bakool und teilweise Lower-Shebelle) siedeln; Hauptort der Rahanweyn ist Baidoa (s. zum Ganzen: 16. Juli 2001, AA, Länderaufzeichnung Somalia, Stand: 15. März 2001; Februar 2000, Bericht des Niederländischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten zu Somalia, Lage im Zusammenhang mit Asylverfahren). Die Grenzen der Clangebiete stimmen häufig nicht mit den Provinzgrenzen überein (23. Oktober 1998, Niederländisches Außenministerium: Bericht vom Oktober 1998 betreffend die Situation in Somalia in Verbindung mit Asylverfahren).

Als nach der Erlangung der Unabhängigkeit im Jahre 1960 die erste Zivilregierung in Somalia entstand, wurde versucht, durch Beteiligung aller Clans das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Interessengruppen zu wahren. Nach der Ermordung des somalischen Präsidenten Shermarkes im Jahre 1969 übernahm am 21. Oktober 1969 die Armee unter General Mohamed Siad Barre die Regierungsgewalt durch einen Militärputsch und rief die sozialistisch orientierte "Somalische Demokratische Republik" aus. Siad Barre versuchte zunächst, die traditionellen Clanstrukturen aufzubrechen, den Machtapparat zu zentralisieren und die einflussreichen Clanältesten sowie die Scheichs und religiösen Führer zu entmachten. Dabei stützte er sich im Laufe der Zeit mehr und mehr auf Angehörige seines eigenen Clans der Marehan (16. Juni 1992, amnesty international an VG Ansbach). Nachdem 1977 / 1978 der Versuch, durch die Eroberung des zu Äthiopien zählenden Gebiets Ogaden ein Groß-Somalia zu schaffen, gescheitert war, begann sich in der Folgezeit erster Widerstand gegen das Regime unter Siad Barre zu regen, der in den 80'er Jahren zum bewaffneten Kampf gegen die Zentralregierung in Mogadischu führte. Der bewaffnete Aufstand der SNM (Somali National Movement), zu der neben Angehörigen des Issaq-Clans zunächst auch solche der Hawiye zählten, kostete im Norden des Landes Tausende von Zivilisten das Leben, ohne dass es der Barre-Regierung gelungen wäre, den Aufstand vollständig unter Kontrolle zu bekommen. Ab 1988 dehnte sich der Bürgerkrieg vom Norden Somalias auf die Mitte und den Süden des Landes einschließlich der Hauptstadt aus. Ausgelöst durch die offenen Kampfhandlungen im Norden Somalias begannen auch andere Clans, ihre Unzufriedenheit zu artikulieren und sich zu organisieren. 1989 wurde in Südsomalia von den Ogaden, einem Subclan der Darod, das Somali Patriotic Movement (SPM) gegründet, während die Subclans der Hawiye in Mogadischu und Zentralsomalia den United Somali Congress (USC) bildeten (15. Mai 1990, Lagebericht des AA). Im Juli 1989 kam es in Mogadischu zu größeren Unruhen, bei deren Niederschlagung über 400 Menschen getötet wurden (16. Juni 1992, amnesty international an VG Ansbach). Nach einer vorübergehenden Entschärfung der Lage aufgrund von Verhandlungen im Juni/Juli 1990 in Rom kam es zu erneuten Kampfhandlungen, die im Dezember 1990 Mogadischu erreichten, wo sie zum Zusammenbruch des wirtschaftlichen Lebens und zur Flucht der Zivilbevölkerung führten (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Dezember 1990). Aus den blutigen Auseinandersetzungen in der Hauptstadt ging der USC als Sieger hervor. Das Hauptquartier Barres wurde überrannt und er selbst flüchtete, begleitet von loyalen Resten von Armee und Sicherheitskräften, in seine Heimatstadt im Süden Somalias. Dort bildete sich unter seiner Beteiligung die Somali National Front (SNF), die Berichten zufolge Anfang 1992 einen Angriff auf Mogadischu plante, zu dem es aber nicht kam. Siad Barre floh Ende April 1992 nach Kenia und - als er dort keine Aufnahme fand - im Mai 1992 weiter nach Nigeria, wo er am 2. Januar 1995 starb (16. Juni 1992, amnesty international an VG Ansbach; 16. Juli 2001, AA, Länderaufzeichnung Somalia).

Mit Ausbruch des Bürgerkrieges in Somalia im Jahre 1991 brach auch die gesamtstaatliche Herrschaftsgewalt zusammen. In den folgenden Jahren herrschte in ganz Somalia ein teils latenter, teils offener Bürgerkrieg (20. September 2002, Lagebericht des AA). Die Entwicklung in Somalia verlief seit Beginn des Bürgerkrieges aber regional sehr unterschiedlich. Mit dem Auseinanderfallen der Republik wurde die Trennungslinie zwischen Nord- und Südsomalia, die durch die Vereinigung von Britisch-Somalia und Italienisch-Somalia in 1960 weggefallen war, wieder sichtbar (23. Oktober 1998, Niederländisches Außenministerium: Bericht vom Oktober 1998 betreffend die Situation in Somalia in Verbindung mit Asylverfahren).

Der Kampf um die Nachfolge des im Jahre 1992 vertriebenen Präsidenten Barre wurde hauptsächlich in Süd- und Zentralsomalia, insbesondere in Mogadischu geführt, während in den beiden nördlichen Landesteilen relative Ruhe herrschte (19. Dezember 1997, Lagebericht des Auswärtigen Amtes; 9. Januar 1997, Niederländisches Außenministerium an Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde). Allgemein werden dem nördlichen Sektor Somalias alle Gebiete nördlich der Stadt Gaalkacyo zugerechnet und dem südlichen Sektor alle Gebiete südlich der genannten Stadt (10. September 2001, UNHCR an Beratungsstelle der Ev. Kirche für Flüchtlinge in der Region Kassel).

Im südlichen Somalia herrschten 1991 / 1992 anarchische Zustände. Aufgrund von Machtanmaßungen des Hawiye-geführten USC brachen bewaffnete Auseinandersetzungen mit dem Darod-geführten SPM aus. Nachdem die Darod größtenteils aus Mogadischu vertrieben waren, entstand innerhalb des USC Uneinigkeit zwischen den Gefolgsleuten des vom USC eingesetzten Interimspräsidenten Ali Mahdi vom Subclan der Abgal einerseits und den Anhängern des USC-Vorsitzenden General Aideed vom Subclan der Habr Gebir andererseits. Der bewaffnete Kampf, der hiernach im Süden ausbrach, wird auch gegenwärtig noch fortgesetzt, namentlich zwischen Ali Mahdi und Hussein Aideed, der am 1. August 1996 die Nachfolge seines bei Kämpfen ums Leben gekommenen Vaters, General Muhammad Farrah Aideed, antrat (22. August 1996, Lagebericht des AA). Sowohl Mahdi als auch Aideed stehen an der Spitze von zwei Allianzen, die sich aus unterschiedlichen Clans zusammensetzen. Zwischen diesen beiden Allianzen - der Somali Salvation Alliance (SSA) Mahdis und der Somali National Alliance (SNA) Aideeds - kam es regelmäßig zu bewaffneten Auseinandersetzungen, die sich hauptsächlich in Mittelsomalia und insbesondere in den Städten Mogadischu, Kismaayo und Baidoa abspielten (9. Januar 1997, Niederländisches Außenministerium an Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde). Im März 1994 und im Oktober 1996 geschlossene (Waffenstillstands-) Abkommen blieben letztlich ohne Erfolg und konnten das Ausbrechen neuer Kämpfe nicht verhindern (s. 24. Februar 1997 und 30. Juni 1997, Lageberichte des AA). Eine zwischen den Rivalen Hussein Aideed und Ali Mahdi im Jahr 1998 getroffene Einigung über die Errichtung einer Regionalverwaltung für die Hauptstadtregion Banaadir einschließlich Mogadischu, scheiterte bereits nach wenigen Monaten am Widerstand örtlicher Clanführer und am Geldmangel. Seither ist Mogadischu wieder zwischen rivalisierenden Milizen verteilt; der Süden wird größtenteils von Aideed vom Subclan der Habr Gebir kontrolliert, während der Norden in den Händen von Ali Mahdi vom Subclan der Abgal ist; kleinere Enklaven werden von weiteren Milizenführern beherrscht (Februar 2000, Bericht des Niederländischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten zu Somalia, Lage im Zusammenhang mit Asylverfahren). In Mogadischu und in weiten Teilen Zentral- und Südsomalias kam und kommt es regelmäßig zu Scharmützeln zwischen rivalisierenden Milizen, seit 1998 mit mehr oder weniger offener Unterstützung durch Äthiopien oder Eritrea. In den Provinzen Bay, Bakool und Lower-Juba und insbesondere um die Hafenstadt Kismaayo fanden teilweise schwere Gefechte statt.

Unzählige Bemühungen, eine politische Lösung des Konfliktes in Somalia herbeizuführen, blieben erfolglos. Erst mit der Friedensinitiative des dschibutischen Präsidenten Guelleh, die zur Konferenz von Arta im Jahr 2000 führte, konnte ein Ansatz für eine innersomalische Aussöhnung entwickelt werden. Der Arta-Friedensprozess, der im August 2000 in die Wahl eines Übergangspräsidenten (Abdiqasim Salad Hassan) und im Oktober 2000 in die Einsetzung einer nationalen Übergangsregierung (Transitional National Government, TNG) mündete, hat bislang zu keiner Befriedung der südlichen Regionen Somalias geführt (10. September 2001, UNHCR an Beratungsstelle der Ev. Kirche für Flüchtlinge in der Region Kassel). Der Übergangsregierung in Mogadischu ist es bis heute nicht gelungen, ihren Einflussbereich über einige Viertel der Stadt hinaus auszudehnen (20. September 2002, Lagebericht des AA). Sowohl die Führung der selbsternannten "Republik Somaliland" als auch Teile der Führung der autonomen Region "Puntland", ein Großteil der Milizenführer in Mogadischu, der überwiegende Teil der Rahanweyn Resistance Army (RRA) sowie einige andere Clans stehen in Opposition zum TNG. So haben im März 2001 die südsomalischen Oppositions- und Milizenführer aus Mogadischu bei einem Treffen in Awassa in Äthiopien die Bildung eines so genannten Somali Reconciliation and Restoration Council (SRRC) mit Sitz in Baidoa (Provinz Bay) proklamiert, der parallel zum TNG den Aufbau von Regierungsstrukturen plant (10. September 2001, UNHCR an Beratungsstelle der Ev. Kirche für Flüchtlinge in der Region Kassel). Es gibt zwar in Zentral- und Südsomalia einzelne Sympathisanten, die - vor allem aus religiösen Gründen - den Kurs der Übergangsregierung unterstützen, der Großteil dieser Regionen befindet sich jedoch in einem von der TNG nicht erreichbaren Machtvakuum, welches von den Clanführern und Milizenchefs ausgefüllt wird. Diese heterogene Oppositionsgruppe, die im SRRC zusammengeschlossen ist, konnte ihre Machtstellung in letzter Zeit deutlich ausbauen. Die Hauptbasis des SRRC gegen die in Mogadischu amtierende Übergangsregierung befindet sich im südlichen Somalia (Provinzen Bay, Bakool, Gedo). Einer der Hauptakteure der SRRC, Hassan C. Nur "Shatigadud", hat in dieser Region Ende April 2002 den Verwaltungsbezirk "Südwestsomalia" ausgerufen. Die Tragweite dieses politisch motivierten Schachzuges ist noch offen, da "Shatigadud" bis jetzt noch bemüht ist, seine eigene Machtbasis in der neuen Region zu festigen. Bis heute ist weder eine Regierung noch eine funktionstüchtige Verwaltung etabliert. Statt dessen wird von Auseinandersetzungen innerhalb der diversen Clanfraktionen berichtet. Teile der Bevölkerung der Provinz Gedo sahen sich gezwungen, den andauernden Kampfhandlungen durch Flucht auf kenianisches Staatsgebiet zu entkommen (20. September 2002, Lagebericht des AA).

Insgesamt ist festzustellen, dass sich die Sicherheitslage in Süd- und Zentralsomalia, insbesondere in Mogadischu und Kismaayo nicht verbessert hat. So kommt es immer wieder zu aufflammenden Kämpfen zwischen verschiedenen Clans, Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung, die Kriminalitätsrate ist immer noch sehr hoch und es fehlt an jeglicher Infrastruktur (10. September 2001, UNHCR an Beratungsstelle der Ev. Kirche für Flüchtlinge in der Region Kassel). Die Lage in den meisten Teilen Zentral- und Südsomalias und auch in Mogadischu ist durch Rechtlosigkeit und weitverbreitetes Banditentum gekennzeichnet (3. Februar 2000, Lagebericht des AA).

Auch unter Berücksichtigung der vom Bundesverwaltungsgericht in seinem oben bereits dargestellten Urteil vom 20. Februar 2001 (9 C 20.00, a.a.O.) auf der Grundlage der gleichfalls bereits zitierten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung vom 10. August 2000 entwickelten erleichterten Anforderungen an die Qualifizierung von Verfolgungsmaßnahmen in einem noch andauernden Bürgerkrieg als quasi-staatliche, politische Verfolgung geht der Senat bei der zuvor geschilderten Sachlage davon aus, dass in Süd- und Zentralsomalia eine zu politischer Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG taugliche staatliche oder staatsähnliche Herrschaftsgewalt momentan und auch auf absehbare Zeit nicht existiert. Weder ist bislang von der Übergangsregierung in Mogadischu (TNG) ein Herrschaftsgefüge von einer gewissen Stabilität in einem abgrenzbaren (Kern-) Territorium - im Sinne einer übergreifenden Friedensordnung - errichtet worden, noch gilt dies in Bezug auf die die Übergangsregierung bekämpfende heterogene Oppositionsgruppe, die im SRRC zusammengeschlossen ist. Der Einfluss der auf der Konferenz in Arta im Jahr 2000 eingesetzten Übergangsregierung in Mogadischu auf die tatsächlichen Machtverhältnisse in Zentral- und Südsomalia kann nur als sehr gering bezeichnet werden; bis heute ist es der TNG nicht gelungen, ihren Einflussbereich über einige Viertel der Stadt hinaus auszudehnen (10. September 2001, UNHCR an Beratungsstelle der Ev. Kirche für Flüchtlinge in der Region Kassel; 20. September 2002, Lagebericht des AA). Inzwischen ist das dreijährige Mandat der somalischen Übergangsregierung am 13. August 2003 ausgelaufen, ohne dass sich die bisherigen Amtsträger auf eine Lösung hätten einigen können. Der bisherige Präsident kündigte an, dass die Übergangsregierung weiter im Amt bleibe; der entlassene Ministerpräsident bezeichnete die Verlängerung des Mandats dagegen als illegal. In der Hauptstadt Mogadischu wuchs daraufhin die Furcht vor einem neuen Ausbruch der Gewalt (14. August 2003, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Mandat der somalischen Übergangsregierung endet). Von einer auch nur annähernd dauerhaften, schutz- und verfolgungsmächtigen Gebietsgewalt kann daher in Bezug auf die TNG nicht gesprochen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der Großteil des südlichen Somalias - wie zuvor bereits dargelegt - in einem von der TNG nicht erreichbaren Machtvakuum befindet, welches von den Clanführern und Milizenchefs ausgefüllt wird. In seinem Artikel "Mutmaßungen über eine Leiche" (8. Mai 2002, Die Zeit) gibt der seit zwölf Jahren in Afrika lebende "Zeit"-Korrespondent Bartholomäus Grill die tatsächliche Lage dort anschaulich wieder, wenn er ausführt: "Die Kriegsfürsten und Räuberbanden teilen die Beute Somalia unter sich auf: Wasserstellen und Weidegründe, Kamelherden und Hilfsgüter. Sie kontrollieren die Straßen, Brücken, Seehäfen, Landepisten. Sie kämpfen um die Macht über die Armut. ..."

Auch in Bezug auf die um die Macht in dieser Region kämpfenden Clans bzw. Zusammenschlüsse von Milizen, wie SRRC, gilt nichts anders. In dem von Hassan C. Nur "Shatigadud" im April 2002 ausgerufenen Verwaltungsbezirk "Südwestsomalia" hat sich bis heute weder eine Regierung noch eine funktionstüchtige Verwaltung etabliert. Es handelt sich bei diesem "Gründungsakt" wohl in der Tat - wie auch das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht vom 20. September 2002 vermutet - um einen rein politischen Schachzug. Dieser Umstand vermag daher nicht als Indiz für das Bestehen einer auch nur annähernd hinreichend organisierten, effektiven und stabilen Gebietsgewalt in einem abgrenzbaren (Kern-) Territorium zu dienen.

Anders stellt sich dagegen die Situation im Norden Somalias dar. Dort haben sich im Verlauf der letzten zehn Jahre zwei eigenständige Verwaltungsstrukturen herausgebildet, denen indes bisher die internationale Anerkennung versagt blieb (s. 20. September 2002, Lagebericht des AA).

In Nordwestsomalia - dem früheren britischen Protektorat Somaliland - wurde bereits am 17. Mai 1991 die "Republik Somaliland" ausgerufen. Nach kurzem Bürgerkrieg innerhalb des in Nordwestsomalia herrschenden Clans der Issaq, der Anfang 1993 zur Vertreibung des Präsidenten Abdurrahman Tur und zur Einsetzung von Mohammed Ibrahim Egal führte, begannen dort die Stabilisierung des Systems und der Wiederaufbau, die sich seither kontinuierlich fortsetzten (vgl. 20. September 2002, Lagebericht des AA; 9. Januar 1997, Niederländisches Außenministerium an Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde). Als Reaktion auf die Ernennung einer gesamtsomalischen Übergangsregierung mit Sitz in Mogadischu stimmte die Bevölkerung Somalilands in einem Referendum am 31. Mai 2001 mit großer Mehrheit für die Verabschiedung einer eigenen Verfassung und festigte somit die einseitige Abspaltung Somalilands weiter. Selbst der überraschende Tod des Präsidenten Egal am 8. Mai 2002 hat die Region nicht in eine tiefe Krise gestürzt. Als dessen Nachfolger ist verfassungsgemäß der vormalige Vizepräsident Dahir Riyale Kahin nachgerückt. Zwar galt die Clanbasis von Kahin, der dem Minderheitenclan der Gadabursi angehört, als nicht ausreichend für einen dauerhaften Machterhalt, dennoch kam es nicht zu einem offenen Widerstand gegen ihn (20. September 2002, Lagebericht des AA). Am 14. April 2003 fanden zum ersten Mal seit 35 Jahren auf dem Staatsgebiet Somalias, nämlich in der "Republik Somaliland", freie Wahlen statt, die vom Präsidenten Kahin angesetzt worden waren und in denen dieser seinen wichtigsten Herausforderer Ahmed Mohammed Silanyo knapp besiegte (22. April 2003, taz: Historische Wahl in Somalia). Die fünf Provinzen - Woqooyi, Galbeed, Toghdeer, Sanaaq und Nugaal (westlicher Teil) - die im Jahre 1991 die unabhängige Republik Somaliland ausriefen, haben eine erkennbare Form von Obrigkeitsverwaltung, in die Polizei, Gerichte und ein Steuersystem eingebettet sind. Seit Mai 1993 existiert ein Parlament, bestehend aus zwei Kammern mit je 75 Mitgliedern, dem Haus der Abgeordneten und einem Rat der (Clan-) Ältesten (Guurti). Eine unabhängige richterliche Gewalt spricht Recht auf der Basis des vor allem britischen common law, manchmal ergänzt mit islamischem Recht (23. Oktober 1998, Niederländisches Außenministerium: Bericht vom Oktober 1998 betreffend die Situation in Somalia in Verbindung mit Asylverfahren).

In seinem Lagebericht vom 20. September 2002 teilt das Auswärtige Amt mit, die "Republik Somalia" besitze eine in weiten Landesteilen, wenn auch nicht überall in demselben Maße, institutionalisierte Staatsgewalt mit zentraler Regierung sowie Verwaltung, Rechtsprechung und Polizei auf örtlicher Ebene, einem Territorium (dessen östliche Grenze zu "Puntland" umstritten sei) und einer Bevölkerung, die sich - abgesehen von den östlichen Landesteilen - mehrheitlich mit Somaliland identifiziere. Auch der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen bestätigt in seiner - bereits mehrfach zitierten - an die Beratungsstelle der Ev. Kirche für Flüchtlinge in der Region Kassel gerichteten Mitteilung vom 10. September 2001, dass sich in Somaliland Herrschaftsstrukturen mit einer funktionierenden Verwaltung entwickelt hätten, die Kontrolle über ihr Territorium ausübten und deren Behörden in der Lage seien, Recht und Ordnung wirksam durchzusetzen. Dazu bedient sich die Regierung in erster Linie eines Heeres von ca. 25.000 Polizisten und Soldaten, das sich aus ehemaligen Milizionären rekrutiert (4. September 2001, FAZ: "Und wenn es hundert Jahre dauert").

In Anbetracht dieser Sachlage geht der Senat davon aus, dass der ständig fortschreitende Wiederaufbau Nordwestsomalias dort zu staatsähnlichen Machtstrukturen geführt hat. Für diese Einschätzung spricht bereits die lange Zeitdauer des Bestehens der Herrschaftsgewalt. Bereits im Mai 1991 ist die "Republik Somaliland" in den Grenzen des ehemaligen britischen Protektorates ausgerufen worden. Eine Staatsgewalt stabilisierte sich zusehends mit der Einsetzung eines Parlamentes sowie von Mohammed Ibrahim Egal als Präsident im Mai 1993. Es gibt eine funktionierende Verwaltung und eine unabhängige Rechtsprechung, so dass von der Errichtung einer übergreifenden Friedensordnung mit einem prinzipiellen Gewaltmonopol auszugehen ist, die von einer hinreichend organisierten, effektiven und stabilen Gebietsgewalt in einem abgrenzbaren (Kern-) Territorium getragen wird. Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass die östliche Grenze des Territoriums zu dem - im Jahr 1998 ausgerufenen - Regionalstaat "Puntland" umstritten ist und nach Angaben des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 20. September 2002 die Regierung alles vermeidet, was als gewaltsame Durchsetzung der Staatsmacht in dieser Region ausgelegt werden könnte. Nach der oben bereits dargestellten neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schließt selbst eine anhaltende militärische Bedrohung von Außen nicht zwingend das Bestehen eines staatsähnlichen Herrschaftsgefüges aus. Vorliegend kann indes allenfalls von einer Einschränkung der Herrschaftsgewalt in der genannten Grenzregion, also den von den Darod(-Harti)-Subclans Dulbahante und Warsangeli bewohnten Provinzen Sanaaq und Sool, gesprochen werden (Februar 2000, Bericht des Niederländischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten zu Somalia, Lage im Zusammenhang mit Asylverfahren). Die Übergangsregierung in Mogadischu stellt schon wegen fehlenden Machtpotentials keine Bedrohung der in der "Republik Somaliland" existierenden Herrschaftsmacht dar. Der Annahme einer graduell sich von einer Staatsgewalt nur geringfügig unterscheidenden Herrschaftsgewalt in der "Republik Somaliland" stehen die vorgenannten Aspekte damit jedenfalls nicht entgegen.

Die Lage im Nordosten Somalias entzieht sich demgegenüber einer solch eindeutigen Bewertung. In Nordostsomalia (Provinzen Bari, Nugaal und der nördliche Teil von Mudug), das überwiegend von den dem Darod-Harti-Verband angehörenden Clans der Majarteen, der Dulbahante und der Wasangeli bewohnt wird, hatte die herrschende Somali Salvation Democratic Front (SSDF) zunächst auf regionaler Ebene mit der Errichtung von Verwaltungsstrukturen begonnen. Die politische Situation stabilisierte sich aufgrund des beträchtlichen Maßes an verwaltungsmäßiger Verbesserung (9. Januar 1997, Niederländisches Außenministerium an Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde). Die Provinz Bari wurde seit April 1996 durch einen Regionalen Rat regiert, der sich aus Vertretern aller 28 (Sub-)Clans der Region zusammensetzte. Die SSDF - die militärisch-politische Bewegung des in Bari dominierenden Clans der Majarteen - hat die ausführende Gewalt auf den Regionalen Rat übertragen, mit Ausnahme der Geschäftsbereiche internationaler Beziehungen, Verteidigung und nationale Schlichtung. In den beiden übrigen Provinzen Mudug und Nugaal (östlicher Teil) ist unter ähnlichen Umständen ein Regionaler Rat eingerichtet worden. Am 1. Oktober 1996 haben Vertreter der drei nordöstlichen Provinzen in Boosaaso unter anderem die Einsetzung einer Dachverwaltung erörtert (9. Januar 1997, Niederländisches Außenministerium an Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde). Im Sommer 1998 wurde auf der Konferenz von Garowe der Regionalstaat "Puntland" ausgerufen, der sich zur territorialen Einheit ganz Somalias bekennt und sich insoweit als "Nukleus" eines künftigen, föderal organisierten Staates Somalia begreift (20. September 2002, Lagebericht des AA); es wurde eine Charta des Staates "Puntland", die als ein Übergangs-Grundgesetz (für drei Jahre) anzusehen ist, verabschiedet und Abdullahi Yussuf Ahmed zum Präsidenten gewählt.

Die innere Situation des "Staates Puntland" änderte sich allerdings gravierend, als eine weitere Konferenz, auf der die Nachfolge von Präsident Abdullahi Yussuf Ahmed bestimmt werden sollte, scheiterte. Folge dieses Scheiterns ist der Zerfall "Puntlands" in zwei Lager. Eine Gruppe der Bevölkerung unterstützt weiterhin den alten Präsidenten, die andere Gruppe hat sich dem auf einer Clankonferenz gewählten Jama Ali Jama angeschlossen, der sich mit seinen Anhängern im Norden "Puntlands" etablierte. Nachdem auf einer Ältestenkonferenz im November 2001 Jama Ali Jama zum Präsidenten "Puntlands" gewählt wurde, suchte Abdullahi Yussuf Ahmed immer wieder den bewaffneten Konflikt. Die Situation gipfelte Anfang Mai 2002 in der Vertreibung Jamas aus seiner Hochburg Boosaaso durch Yussuf. Jama hält sich seitdem in Libyen auf. Zwischen den Anhängern Jamas und Yussufs kam es im August 2002 immer wieder zu schweren Kämpfen, zuletzt in der Stadt Qardho, einer Hochburg von Jama. Auch soll Yussuf für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein. Eine erneute militärische Auseinandersetzung zwischen den Anhängern Jamas und Yussufs kann für die nahe Zukunft nicht ausgeschlossen werden (siehe zum Ganzen: 20. September 2002, Lagebericht des AA). Der Aufbau von Regierung, Verwaltung, Parlament und unabhängiger Justiz hat durch diese Auseinandersetzung nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes einen herben Rückschlag erlitten. Des Weiteren erschweren mangelnde Steuereinnahmen sowie Streitigkeiten der örtlichen Clanführer den Verwaltungsaufbau.

Nach der oben näher dargelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Annahme einer staatsähnlichen Herrschaftsmacht in erster Linie auf die Beschaffenheit des Herrschaftsgefüges im Innern des beherrschten Gebietes abzustellen. Ob für die genannte Region "Puntland" tatsächlich noch von einer gewissen Stetigkeit und Dauerhaftigkeit der dortigen Herrschaftsgewalt ausgegangen werden kann, erscheint zweifelhaft. Wegen der geschilderten ernsthaften und noch anhaltenden Bedrohung der Herrschaftsgewalt im Innern durch die Spaltung der Bevölkerung "Puntlands" in die Anhänger des ehemaligen Präsidenten Yussuf und die des im November 2001 von einer Ältestenkonferenz gewählten Präsidenten Jama, die sich nach wie vor in militärischen Auseinandersetzungen um die Macht in dieser Region befinden, erscheint das Vorhandensein einer in sich befriedeten Einheit, die nach innen alle Gegensätze, Konflikte und Auseinandersetzungen durch eine übergreifende Ordnung in der Weise relativiert, dass diese unterhalb der Stufe der Gewaltsamkeit verbleiben und die Existenzmöglichkeit des Einzelnen nicht in Frage stellen, insgesamt also die Friedensordnung nicht aufheben (so BVerfG, Beschluss vom 10. August 2000 - 2 BvR 260/98 und 1353/98 -., a.a.O.), fraglich.

Vorliegend kann indes die Frage nach der Existenz einer "stabilisierten" schutz- und verfolgungsmächtigen Gebietsgewalt in Bezug auf "Puntland" offen bleiben.

Denn auch wenn man dies zugunsten der Klägerin unterstellt und weiterhin nach den obigen Ausführungen in Bezug auf die "Republik Somaliland" dort vom Vorliegen einer staatsähnlichen Herrschaftsgewalt ausgegangen werden kann, so sind Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bei einer Einreise nach Somalia in den genannten beiden Regionen einer politischen Verfolgung durch die jeweilige Herrschaftsmacht ausgesetzt wäre, nicht ersichtlich. Eine Verfolgung der Klägerin allein aufgrund der von ihr behaupteten Zugehörigkeit zu der Minderheitsgruppe der Galgale bzw. wegen des patrilinearen Abstammungsprinzips (vgl. dazu: 4. Mai 2000, Institut für Afrikakunde an Unabhängigen Bundesasylsenat Wien) aufgrund der durch ihren Vater vermittelten Zugehörigkeit zu dem Darod-Marehan-Subclan Reer Diine ist dort nicht zu erwarten. In dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes betreffend Somalia vom 25. Februar 1999 wird die Feststellung getroffen, dass im Norden Somalias eine Verfolgung von Personen nur aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit nicht (mehr) stattfinde. Dies soll auch für Personen gelten, die früher in anderen Landesteilen gewohnt haben und nach Nordsomalia umsiedeln. Dass in der "Republik Somaliland" und auch in "Puntland" eine systematische Verfolgung wegen der Clanzugehörigkeit nicht bekannt ist, wird auch vom Institut für Afrikakunde bestätigt (11. November 1999, IfA an VG Düsseldorf). Nach einem Bericht des Niederländischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten vom Februar 2000 zu Somalia (Lage im Zusammenhang mit Asylverfahren, S. 25, 34) gibt es sogar in ganz Somalia keine Hinweise darauf, dass ausschließlich aufgrund der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan oder einer Minderheitengruppe Verfolgungen stattfinden. Auch nach Einschätzung von Prof. Dr. Maho Aves (26. November 2001, Stellungnahme an VG Hannover) hat aufgrund einer gewissen Aussöhnung zwischen den Clans in den letzten Jahren kein Somali zu befürchten, wegen seiner Clanzugehörigkeit verfolgt oder sogar getötet zu werden. Die von Prof. Dr. Aves angenommenen Ausnahmen von dieser Regel beziehen sich auf den Abgal-Clan als möglichen Verfolger der Galgale. Der Clan der Abgal ist indes ausschließlich im Süden von Somalia ansässig und somit nach den obigen Ausführungen in einem Gebiet, in dem eine zur Verfolgung fähige staatsähnliche Herrschaftsmacht nicht existiert.

Anhaltspunkte dafür, dass die in der Bundesrepublik Deutschland geborene minderjährige Klägerin wegen ihrer Clan- oder Gruppenzugehörigkeit in den genannten nördlichen Regionen Somalias einer Verfolgung durch die dortige Herrschaftsgewalt ausgesetzt sein könnte, sind daher nicht erkennbar. Andere Verfolgungsgründe sind von ihr weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

(2) Angesichts des Umstandes, dass die von der Vorinstanz ausgesprochene Verpflichtung zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nach den obigen Ausführungen keinen Bestand hat, ist im vorliegenden Berufungsverfahren weiter über die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 AuslG zu entscheiden. Über diesen vom Rechtsschutzbegehren der Klägerin mit umfassten Hilfsantrag brauchte das Verwaltungsgericht nicht zu entscheiden, weil es dem Hauptantrag entsprochen hat. In der Berufungsinstanz ist indes - wenn wie hier - die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen wird, weiterhin über den in erster Instanz gestellten Hilfsantrag zu entscheiden (vgl. dazu BVerwG, Urt. vom 15. April 1997 - 9 C 19.96 -, BVerwGE 104, 260 = NVwZ 1997, 1132).

(a) Ein Abschiebungsschutz steht der Klägerin nach Maßgabe des § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte - EMRK - nicht zu.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, besteht ein Abschiebungshindernis nach den genannten Bestimmungen nur, wenn dem Ausländer im Zielland der Abschiebung eine Behandlung droht, die - würde er sie in einem Vertragsstaat der EMRK erleiden - alle tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt. Dazu ist erforderlich, dass der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung Misshandlungen ausgesetzt wäre, die nach Art, Intensität und Urheberschaft dem Art. 3 EMRK unterfallen und darum dort gegen den Standard von Art. 3 EMRK verstoßen (Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 15.95 - BVerwGE 99, 331). Dabei kann grundsätzlich nur eine im Zielstaat von einer staatlichen, ausnahmsweise auch von einer staatsähnlichen Herrschaftsmacht begangene oder von ihr zu verantwortende Misshandlung eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK sein, wobei der Begriff der Behandlung ein geplantes, vorsätzliches, auf eine bestimmte Person gerichtetes Handeln im Zielstaat der Abschiebung voraussetzt. Art. 3 EMRK schützt ebenso wie das Asylrecht nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen und (Bürger-) Kriegen (Urteil vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 15.95 - a.a.O.). Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 15. April 1997 - 9 C 38.96 - (InfAuslR 1997, S. 341) bestätigt und sich in dieser und auch einer weiteren Entscheidung vom 2. September 1997 (- 9 C 40.96 -, DVBl. 1998, S. 271.) eingehend mit den inzwischen ergangenen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auseinandergesetzt. Es hat das Festhalten an seiner eigenen Auslegung - in Übereinstimmung mit der übrigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - unter anderem damit begründet, dass den Gerichten - auch dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - die "Kompetenz zur umfassenden dynamischen und rechtsschöpferischen Fortentwicklung des Vertragsinhalts durch Auslegung" fehle und dass es nach dem deutschen Ausländerrecht ohnehin nicht auf eine solche "den Vertragsinhalt sprengende extensive Auslegung des Art. 3 EMRK" ankomme, da schon aufgrund der sonstigen Abschiebungshindernisse, insbesondere gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, und der Duldungsgründe gemäß § 55 Abs. 2 bis 4 AuslG ausreichender Schutz gewährleistet sei. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung, die von anderen Oberverwaltungsgerichten (s. etwa OVG Koblenz, Urt. vom 3. April 1998, - 10 A 11891/96 - <juris-Dokument>; VGH München, Urt. vom 17. Juni 1999, - 23 B 99.30345 -, EZAR 043, Nr. 38) und auch vom Bundesverfassungsgericht geteilt wird (vgl. Urteile vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1507, 1508/93 und 2 BvR 1938, 2315/93 -, BVerfGE 94, S. 115 f., 136 f., bzw. S. 49 f., 99), an.

Ein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK ist der Klägerin daher in Bezug auf die oben geschilderte aktuelle Situation in Zentral- und Südsomalia bereits deshalb nicht zuzuerkennen, weil dort keine zu unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe taugliche staatliche oder staatsähnliche Herrschaftsgewalt existiert. Hinsichtlich der nördlichen Regionen Somalias scheidet eine Anwendbarkeit der genannten Vorschriften zwar nicht bereits schon aus diesen Gründen aus bzw. kann dies zugunsten der Klägerin unterstellt werden. Aber für eine drohende zielgerichtete, unmenschliche, von einer staatsähnlichen Herrschaftsmacht begangene oder von ihr zu verantwortende Misshandlung der Klägerin, die, da andere Gründe nicht ersichtlich sind, allein durch ihre Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan bzw. zu einer bestimmten Volksgruppe bedingt sein könnte, sind nach den obigen Ausführungen zur politischen Verfolgungssituation in Bezug auf die Klägerin Anhaltspunkte nicht erkennbar.

(b) Die Klägerin hat aber gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Feststellung, dass in ihrer Person ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG für Somalia besteht, so dass insoweit die Berufung zurückzuweisen und die erstinstanzliche Entscheidung um diesen Verpflichtungsausspruch zu ergänzen ist.

Nach der genannten Vorschrift kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (Satz 1). Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, werden bei Entscheidungen nach § 54 AuslG berücksichtigt (Satz 2). Die oberste Landesbehörde kann gemäß § 54 AuslG aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von sonstigen Ausländergruppen allgemein oder in einzelne Zielländer für längstens sechs Monate ausgesetzt wird (§ 54 Satz 1 AuslG); für längere Aussetzungen bedarf es des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern (§ 54 Satz 2 AuslG). Beruft sich der einzelne Ausländer auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur im Rahmen eines generellen Abschiebestopps nach § 54 AuslG (Anspruch auf Duldung gemäß § 55 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 AuslG) erhalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG zusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG; vgl. insbesondere Urt. vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324; Urt. vom 19. November 1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249; Urt. vom 27. April 1998 - 9 C 13.97 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 12 = NVwZ 1998, 973; Urteil vom 8. Dezember 1998 - 9 C 4.98 - BVerwGE 108, 77, jeweils m.w.N.). Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG - als Ausdruck eines menschenrechtlichen Mindeststandards (vgl. auch das Urteil vom 24. Mai 2000 - 9 C 34.99 - BVerwGE 111, 223 zu Art. 9 EMRK unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Auslieferung) -, jedem betroffenen Ausländer trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 2, § 54 AuslG Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren.

Die Annahme einer extremen Gefahrenlage setzt nicht voraus, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft eintreten würden und besteht deshalb beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungerstod ausgeliefert werden würde (BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 1999, -9 B 617.98 -; NVwZ 1999, 668).

Die Klägerin wäre nach Einschätzung des Senats im Falle ihrer Abschiebung nach Somalia dort landesweit solchermaßen gefährdet. Das ergibt sich aus Folgendem:

Zunächst ist festzustellen, dass Somalia auf dem Luftweg erreicht werden kann. Flugverbindungen nach Mogadischu gibt es ab Dschibuti sowie einmal wöchentlich von Nairobi aus. Ebenfalls von Dschibuti aus gibt es mehrmals pro Woche Linienflüge u.a. nach Boorama, Hargeysa, Berbera und Burao in "Somaliland" sowie nach Boosaaso in "Puntland". Darüber hinaus bestehen regelmäßige Flugverbindungen zwischen Äthiopien und "Somaliland" sowie von den Vereinigten Arabischen Emiraten nach "Somaliland" und "Puntland". Auf dem Seeweg kann "Somaliland" über Berbera, "Puntland" über Boosaaso erreicht werden (20. September 2002, Auswärtiges Amt, Lagebericht Somalia).

Von grundsätzlicher Bedeutung für die Frage der Rückkehrgefährdung somalischer Staatsangehöriger ist nach der Stellungnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (10. September 2001, UNHCR an Beratungsstelle der Ev. Kirche für Flüchtlinge in der Region Kassel), ob eine Person aus dem Norden, d.h. aus der "Republik Somaliland" oder aus "Puntland" stammt oder aus dem Süden des Landes, wobei der UNHCR alle Gebiete nördlich der Stadt Gaalkacyo dem nördlichen Sektor zurechnet und alle südlich dieser Stadt gelegenen Gebiete dem Süden Somalias. Eine freiwillige Rückkehr nach "Somaliland" und "Puntland" ist danach grundsätzlich möglich, allerdings nur für Personen, die aus der entsprechenden Region stammen. Eine Wiederansiedlung am Herkunftsort sichere hierbei in der Regel am ehesten den Aufbau einer Existenzgrundlage. Vor einer Rückkehr sei immer das Einverständnis der lokalen Behörden einzuholen, um sicherzustellen, dass die Betreffenden auch aus der Region stammten. Die Niederlassung in anderen als den angestammten Gebieten, insbesondere in den politisch stabilen Regionen um Hargeysa, Boosaaso und Gaalkacyo sei dagegen schwierig. Hier gebe es riesige Flüchtlingslager und Slums ohne jegliche Infrastruktur, zu denen bereits Tausende inländischer Flüchtlinge Zuflucht genommen hätten. Es fehlten jegliche Rahmenbedingungen, um der Vielzahl an Vertriebenen Arbeitsmöglichkeiten und damit eine eigene Existenzgrundlage zu schaffen. Aufgrund der sehr angespannten wirtschaftlichen Lage im Norden Somalias und der schon bestehenden Probleme, das Überleben der großen Massen inländischer Flüchtlinge zu sichern, schließt der UNHCR eine Rückkehr für Personen aus Südsomalia nach Nordsomalia aus. Auch wenn eine Zugehörigkeit zu einem im Norden ansässigen Stamm vorliege, reiche dies nicht aus, um das Überleben zurückkehrender Personen zu gewährleisten (10. September 2001, UNHCR an Beratungsstelle der Ev. Kirche für Flüchtlinge in der Region Kassel).

Auch das Auswärtige Amt hält in seinem Lagebericht betreffend Somalia vom 20. September 2002 eine Rückführung von Somalis nach "Somaliland" und nach "Puntland" grundsätzlich für möglich. Dieser stünden aber nach wie vor erhebliche praktische Probleme entgegen. Dabei werde zunächst erwartet, dass die Rückkehrer eine individuelle Wiedereingliederungshilfe in Form eines Geldbetrages mitbrächten. Wegen der allgemeinen schwierigen Wirtschafts- und Sicherheitslage seien jedoch die Überlebensmöglichkeiten von Personen in Frage gestellt, die nicht über familiäre Bindungen verfügten und in diesem Rahmen unterstützt werden könnten. Ein weiteres Problem stelle die Verminung großer Landflächen in "Somaliland" und "Puntland" dar. Erst durch großangelegte Entminungsprojekte könnten bestimmte Regionen v.a. im äthiopisch-somalischen Grenzgebiet für Rückkehrer bewohnbar gemacht werden.

Das Institut für Afrikakunde geht in seiner Stellungnahme vom 4. Mai 2000 an den Unabhängigen Bundesasylsenat in Wien davon aus, dass auch bei einer von den Behörden "Somalilands" oder auch "Puntlands" erlaubten Rückkehr nicht bereits die soziale Akzeptanz des Rückkehrers gesichert sei, denn diese hänge in erster Linie von familiären und verwandtschaftlichen Beziehungen im weiteren Sinne und vom sozialen Status ab.

Diesen Einschätzungen der Rückkehrsituation bezogen auf den Norden Somalias liegt übereinstimmend die Annahme zugrunde, dass ein Überleben dort letztlich nur gewährleistet ist, wenn der Rückkehrer aus dieser Region stammt und deshalb dort eine Wiederansiedlung mit behördlichem Einverständnis, vor allem aber mit Unterstützung durch Familienangehörige oder Verwandte, die dem Betreffenden Schutz und Versorgung gewähren, überhaupt in Betracht zu ziehen ist.

Zur gleichen Bewertung gelangt Prof. Dr. Aves in seiner Stellungnahme an den Hess. VGH vom 12. Januar 1999, in der er ausführt, dass es für zurückkehrende Somali in Nordostsomalia keine Flüchtlingslager oder soziale oder karitative Einrichtungen gebe, die die zurückkehrenden Flüchtlinge mit dem Notwendigsten versorgen könnten. Er hält es auch für unwahrscheinlich, dass ein mittelloser Rückkehrer sein Leben dort durch eigene Erwerbstätigkeit erhalten kann. Denn über 90 % der Einwohner Nordostsomalias seien arbeitslos und die wenige vorhandene Arbeit werde nicht nach Qualifikation und Kenntnissen vergeben, sondern nach Verwandtschaften und Bekanntschaften, so dass ein Gebietsfremder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keinen Arbeitsplatz finden werde. Deshalb könne ein Rückkehrer in Nordostsomalia nur existieren, wenn er sofort Schutz und Versorgung durch Familienangehörige finde. Ähnliches gelte auch für Nordwestsomalia. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass sich dort ein gebietsfremder zurückkehrender Flüchtling niederlassen könne, denn in Nordwestsomalia herrsche im Allgemeinen eine große Aversion gegen Somalis, die aus südlicher gelegenen Gebieten stammten, da diese für den Krieg von 1988 verantwortlich gemacht würden, in dem die Städte und Dörfer Nordwestsomalias zerstört worden seien. Flüchtlingslager und karitative Einrichtungen für nach Somalia Rückkehrende gebe es auch dort nicht und die von staatlichen Einrichtungen betriebene Wiedereingliederung von Flüchtlingen stehe ausschließlich solchen offen, die aus dieser Region stammten. Für die Frage der Sicherung des Lebensunterhaltes durch eine Erwerbstätigkeit gelte das bereits zur Situation in Nordostsomalia Gesagte entsprechend.

Zur Rückkehrsituation in Bezug auf den Süden des Landes führt Prof. Dr. Aves in der zuvor zitierten Stellungnahme vom 12. Januar 1999 an den Hess. VGH aus, dass vor allem in den Provinzen Bay, Bakool, Jubaland und in der Stadt Kismaayo nach wie vor Bürgerkrieg herrsche und deswegen dort die Sicherheit zurückkehrender Somalis nicht gewährleistet sei. Die Menschen seien aus diesen Gebieten nach dort aufgetretenen Dürrekatastrophen und anschließenden Überschwemmungen geflohen, weil sie von Seuchen und Hungersnöten bedroht gewesen seien. Neben den genannten Bedrohungen seien Neuankömmlinge auch durch bewaffnete Räuber gefährdet, die jeden überfallen würden, der besser ernährt und gesund aussehe; diese Banden würden auch schon wegen geringer Sachwerte vor Raubmorden nicht zurückschrecken.

In Übereinstimmung mit dieser Stellungnahme wird auch vom UNHCR in seiner bereits mehrfach zitierten Mitteilung vom 10. September 2001 an die Beratungsstelle der Ev. Kirche für Flüchtlinge in der Region Kassel die Sicherheitslage im Süden des Landes, insbesondere in Mogadischu und Kismaayo, als weiterhin äußerst prekär eingestuft. Es komme immer wieder zu aufflammenden Kämpfen zwischen verschiedenen Clans; Menschenrechtsverletzungen seien an der Tagesordnung, die Kriminalitätsrate sei immer noch sehr hoch und es fehle an jeglicher Infrastruktur. Aufgrund des Clansystems, auf dem seit 1991 das Machtgefüge Südsomalias im Wesentlichen beruhe, sei die Sicherheit einer Person noch am ehesten gewährleistet, wenn sie in den Gebieten ihres Clans lebe, der ihr Schutz gewähren könne. Eine Rückkehr komme für Angehörige von kleinen Subclans und ethnischen Minderheiten, die diesen Schutz nicht genießen würden, nicht in Frage. Für Angehörige größerer Clans müsse eine Rückkehr in die Gebiete gewährleistet sein, in denen der Clan oder Subclan der betreffenden Person beheimatet sei. Voraussetzung sei der direkte Zugang zu den entsprechenden Gebieten, da ein Durchqueren von Regionen, die von anderen Clans kontrolliert würden, aus Sicherheitsgründen nicht zumutbar sei. Weitere Voraussetzung sei, dass in dem entsprechenden Gebiet keine bewaffneten Auseinandersetzungen stattfänden.

Auch das Auswärtige Amt bestätigt in seinem Lagebericht vom 20. September 2002, dass es häufig schwierig oder unmöglich sei, im Süden Somalias sichere Zufluchtsgebiete tatsächlich zu erreichen. Während im gesamten Norden des Landes Bewegungsfreiheit für Angehörige aller Clans herrsche, verhinderten Kampfhandlungen, Willkürmaßnahmen unterschiedlicher Milizen und Verfolgungsmaßnahmen gegenüber anderen Clans in den meisten Fällen Reisen durch die zentralen oder südlichen Landesteile. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes kehren zwar gelegentlich Menschen auch freiwillig in das Zentrum oder den Süden des Landes zurück. Vor allem entlang der Flüssen Shebelle und Juba seien jedoch in Folge der anhaltenden Gewalt und Unsicherheit sowie mehrerer Missernten in den vergangenen Jahren die Überlebensmöglichkeiten sehr begrenzt.

Für Angehörige ethnischer Minderheiten und bestimmte Personengruppen wie alleinstehende Frauen, Familien mit Kindern oder ältere Menschen besteht nach Einschätzung des Hohen Flüchtlingskommissars (10. September 2001, UNHCR an Beratungsstelle der Ev. Kirche für Flüchtlinge in der Region Kassel) generell aufgrund höherer Verletzbarkeit eine zusätzliche Gefahr, Opfer von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen zu werden. Dies bestätigt auch Prof. Dr. Aves in seiner Stellungnahme vom 26. November 2001 an das Verwaltungsgericht Hannover. Seiner Einschätzung nach ist es für eine alleinstehende Frau mit Kindern äußerst schwer, in Somalia zu überleben. Für alleinstehende Frauen bestehe zudem noch die zusätzliche Gefahr, Opfer einer Vergewaltigung durch marodierende Milizen oder Räuber zu werden.

Unter Berücksichtigung der oben dargestellten, für den Senat nachvollziehbaren und in ihren Aussagen im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben zu den inneren Verhältnissen in den einzelnen Landesteilen Somalias, die ein dorthin Rückkehrender/Einreisender vorfindet, ist der Klägerin Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zuzusprechen.

Dabei ist für die Klägerin zu unterstellen, dass sie gemeinsam mit ihrer Mutter, nicht dagegen auch mit ihrem Vater nach Somalia einreist. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt. Nicht angenommen werden kann indessen eine gemeinsame Rückkehr mit Familienangehörigen, die aufgrund rechtskräftiger Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen. Es widerspräche dem damit zugleich verbindlich festgestellten Flüchtlingsstatus (§ 3, § 4 Satz 1 AsylVfG), auch bei einem solchen Sachverhalt die gemeinsame Rückkehr des erfolglosen Asylbewerbers mit seinen als politische Flüchtlinge anerkannten Angehörigen zu unterstellen. Dies wäre zudem wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der Rechtsprechung zum Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall nicht in Einklang (BVerwG, Urteil vom 21. September 1999, - 9 C 12.99 -, BVerwGE 109, 305 = DVBl. 2000, 419). Da der Vater der Klägerin aufgrund rechtskräftiger Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (s. Gerichtsakte VG Frankfurt am Main - 9 E 30560/94.A -) Flüchtlingsstatus genießt, ist zu unterstellen, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrer Mutter nach Somalia einreist. Denn Letztere verfügt ausweislich der beigezogenen Gerichtsakte des Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (9 E 30466/94.A) betreffend ihr Asylklageverfahren nicht über den Flüchtlingsstatus und auch das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ist in Bezug auf ihre Person nicht festgestellt.

Die Klägerin hat vorgetragen, ihre Mutter gehöre der Volksgruppe der Galgale an, einem kleinen Minderheitenclan, der über kein eigenes Territorium verfüge.

Die vom erkennenden Gericht im vorliegenden Verfahren eingeholte Stellungnahme des Institutes für Afrikakunde vom 17. März 1998 führt zu den Galgale (oder auch Galgalo) aus, dass diese in einem Abhängigkeits-/Klientelverhältnis zu dem Abgal-Clan des Hawiye-Clanverbandes gestanden hätten, sich dann aber gegen Ende des Jahres 1990 auf die Seite des Marehan-Verbandes, d.h. des Clans des damaligen Staatspräsidenten Mohamed Siad Barre, gestellt hätten; sie seien von Barre bewaffnet worden und hätten sich gegen die Abgal gewandt. Nach der Flucht Barres aus Mogadischu seien die Galgale ebenso wie die Marehan und fast alle Angehörigen anderer Clans aus dem Darod-Clanverband gewaltsam aus Mogadischu vertrieben worden. Über den weiteren Verbleib der Galgale lägen keine Angaben vor. Bei den Galgale handele es sich anscheinend um eine relativ kleine Gruppe, die vermutlich durch die Vertreibung bzw. Flucht aus Mogadischu zerstreut worden sei. Soweit sich dies verfolgen lasse, seien die Galgale seit 1991 nicht als Clanfraktion oder Miliz in Erscheinung getreten. Hinweise darauf, dass sie irgendwo in Somalia in einem geographisch abgrenzbaren Gebiet eine Vorherrschaft hätten, lägen nicht vor.

In einem Informationsschreiben des Niederländischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten vom 11. Juni 1998 wird mitgeteilt, dass sich die Völkergruppe der Galgale ursprünglich als eine Untergruppe der Harti-Abgal (Hawiye) betrachtet habe. Diese Gruppe habe die Galgale wie eine niedere Kaste behandelt. Diesen Umstand habe Barre ausgenutzt und die Galgale für seinen Kampf gegen die Abgal in Mogadischu gewonnen. Dies habe zu zahlreichen Konflikten zwischen den beiden Völkergruppen geführt. Nach einer erneuten Beratung über ihre Herkunft und ihre Stammesverwandtschaft seien die Galgale zu dem Schluss gekommen, dass zwischen ihnen und dem Saleban-Stamm engere Verbindungen bestünden. Letzterer sei eine Untergruppe der Majarteen (Darod). Daraufhin hätten die Galgale im Januar 1991 in Mogadischu selbst und in der Umgebung der Stadt an der Seite dieser Untergruppe der Darod gekämpft. Bei der auf die Kämpfe folgenden Massenflucht der Galgale seien Mitglieder dieser Gruppe nach Kismaayo ausgewichen. In Folge davon würden seitdem die Galgale im Gebiet Lower-Juba von den Majarteen unterstützt und geschützt. Angehörige der Galgale, die im Gebiet des Abgal-Stammes zurückgeblieben seien, stünden unter dem Schutz der Untergruppe der Mudulod, die zur Darod-Gruppe gehörten. Heute komme eine systematische Verfolgung der Galgale durch die Abgal-Gruppe nicht mehr vor. Die Mitglieder der Galgale, die sich im Beisein von Abgal-Stammesangehörigen auffällig verhielten, könnten jedoch unter den Verdacht geraten, eine Verbindung zu den Kämpfen von 1990/91 zu haben und dadurch Nachteile erfahren.

Prof. Dr. Aves teilt in einer Stellungnahme vom 26. November 2001 an das Verwaltungsgericht Hannover als Ergebnis seiner eingehenden Recherchen mit, dass es in Somalia eine kleine Clangruppe namens Galgale gebe. Diese habe seit Jahrzehnten mit dem Abgal-Clan (Hawiye) in der Nähe der Hauptstadt Mogadischu zusammengelebt; man habe sie lange Zeit als einen Subclan des Abgal-Clans betrachtet. Die Galgale seien in Somalia nicht besonders auffällig gewesen, bis Siad Barre dringend Verbündete für die Eliminierung seines großen Rivalen, nämlich des Abgal-Clans, gesucht und in dem Stamm der Galgale gefunden habe. Jüngere Mitglieder des Galgale-Clans seien im Militär bevorzugt aufgenommen worden, wo sie Karriere gemacht hätten. Die Stellung des Clans sei unter dem Barre-Regime aufgestiegen und die Clanangehörigen seien für ihre Dienste großzügig mit Geld und staatlichen Positionen belohnt worden. Sehr viele Familien des Abgal-Clans seien in dem gegen sie gerichteten Feldzug des Barre-Regimes umgekommen. Nach der Vertreibung Barres habe der Abgal-Clan einen Vergeltungsfeldzug gegen den Galgale-Clan geführt. Angehörige des kleinen Galgale-Clans seien von dem großen Clan der Abgal erbarmungslos verfolgt worden. In den letzten Jahren sei es in Somalia zu einer gewissen Versöhnung zwischen den Clans gekommen; deswegen brauche kein Somali befürchten, wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Clan verfolgt oder gar getötet zu werden. Der zuvor geschilderte Clankonflikt sei aber besonderer Natur. In den letzten Jahren sei zwar kaum eine Verfolgung des Galgale-Clans durch die Abgal festzustellen und er könne sich auch nicht vorstellen, dass Angehörige des Galgale-Clans wegen ihrer mehr als zehn Jahr zurückliegenden Verfehlungen heute noch allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu diesem Clan verfolgt würden. Dennoch hätten Einzelpersonen und auch Familien des Galgale-Clans, die an dem Massaker des Barre-Regimes beteiligt gewesen seien und die den davon betroffenen Opfern des Abgal-Clans oder deren Hinterbliebenen persönlich bekannt seien, mit Sicherheit mit Vergeltungsmaßnahmen bis hin zur Tötung zu rechnen. Diese Bedrohung hänge jeweils von ihren Aktivitäten und ihrer Rolle bei dem Genozid ab.

Nach dem glaubhaften Vorbringen der Klägerin, das von ihrem Vater in der mündlichen Verhandlung bekräftigt worden ist, stammen beide Elternteile aus Mogadischu. Ihre Mutter gehört der Gruppe der Galgale an. Ihr Vater stammt (väterlicherseits) von dem in Mogadischu ansässigen Darod-Marehan-Subclan Reer Diine ab, dem auch Siad Barre entstammte; mütterlicherseits stammt ihr Vater von dem Clan der Sheikal ab.

Bei einer gemeinsamen Einreise der Klägerin mit ihrer Mutter in ihre Heimatregion wären beide dort aufgrund der oben geschilderten Verhältnisse in Zentral- und Südsomalia, insbesondere in der Stadt Mogadischu, dem baldigen sicheren Hungerstod oder jedenfalls schwersten Verletzungen ausgeliefert. Die Lage in den meisten Teilen Zentral- und Südsomalias, insbesondere in Mogadischu, ist unter Sicherheitsaspekten als äußerst prekär einzustufen, sie ist nach wie vor durch Rechtlosigkeit und weitverbreitetes Banditentum gekennzeichnet (3. März 2000, Lagebericht des AA). Ohne den Schutz von in erster Linie männlichen Familienangehörigen oder weiteren Verwandten wären die Klägerin und ihre Mutter dort ohne jegliche Existenzgrundlage. Dem Clan der Reer Diine oder dem Clan der Mutter der Klägerin angehörige Familienmitglieder leben indes nach dem nachvollziehbaren Vorbringen der Klägerin - das von ihrem Vater in der mündlichen Verhandlung auf gerichtliche Befragung bestätigt worden ist - in Mogadischu nicht mehr. Die Angaben der Klägerin, dass ihre Familie und ihre Clangruppe zerschlagen worden seien und für sie in Somalia keinerlei familiäre Strukturen mehr existierten, werden auch durch die im vorliegenden Verfahren eingeholte Stellungnahme des Institutes für Afrikakunde vom 17. März 1998 bestätigt, wonach die (relativ kleine) Gruppe der Galgale durch die Vertreibung bzw. Flucht aus Mogadischu zerstreut worden ist und es keine Hinweise darauf gibt, dass diese Gruppe irgendwo in Somalia als Clanfraktion oder als Miliz in Erscheinung getreten ist oder in einem geographisch abgrenzbaren Gebiet eine Vorherrschaft hat. In diesem Zusammenhang ist von entscheidender Bedeutung, dass die Klägerin bereits unmittelbar nach ihrer Ankunft in Mogadischu der konkreten Gefahr ausgeliefert wäre, Opfer von schwersten Gewaltanwendungen zu werden. Nach den obigen Ausführungen drohen ihr aufgrund der prekären Sicherheitslage speziell in Mogadischu schwerste Körperverletzungen und sogar die Tötung durch Mitglieder marodierender Banden oder verschiedener Milizen, die überall in der Stadt Straßensperren errichtet haben. Dies gilt in besonderem Maße für die Klägerin als minderjährige weibliche Person und ihre Mutter als alleinstehende Frau, die ohne männlichen (Begleit-) Schutz zudem noch der konkreten Gefahr, Opfer einer Vergewaltigung zu werden, ausgesetzt wären.

Aber auch wenn man - abstellend auf die Informationen in dem Schreiben des Niederländischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten vom 11. Juni 1998 - davon auszugehen hätte, die Galgale würden nach ihrer Flucht aus Mogadischu nach Kismaayo seitdem in dem Gebiet "Lower-Juba" von den Majarteen unterstützt und geschützt oder auch von dem im Gebiet der Abgal ansässigen Stamm der Mudulod, der im Übrigen nach den auf die Ausarbeitungen des UNHCR-Mitarbeiters Guido Ambroso ("Das somalische Clansystem" vom 12.02.1997, Abbildung 9) gestützten Erkenntnissen des Senats nicht der Darod-Gruppe, sondern dem Hawiye-Clanverband zuzurechnen ist, könnte die Klägerin nach den zuvor bereits wiedergegebenen übereinstimmenden Angaben der verschiedenen Erkenntnisquellen und der darauf basierenden Einschätzung des Senats diese Gebiete, in denen ihr möglicherweise Schutz von den dort ansässigen zuvor genannten Stämmen gewährt würde, gar nicht erst sicher erreichen.

Der Klägerin steht auch keine Ausweichmöglichkeit im Norden des Landes offen.

Im Norden Somalias ist zwar die allgemeine Sicherheitslage besser und es finden dort auch keine größeren Kampfhandlungen mehr statt. Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin dort als Gebietsfremde ebenfalls keine Existenzmöglichkeit fände mit der Folge von Unterernährung und dem baldigen Hungertod. Denn in Bezug auf den Norden Somalias und die dort ansässigen Clans bzw. Subclans sind familiäre/verwandtschaftliche Bindungen für die Klägerin nicht ersichtlich. In der mündlichen Verhandlung hat der Vater der Klägerin auf Befragung durch das Gericht vielmehr nachvollziehbar versichert, dass weder seine Familie noch die der Mutter der Klägerin familiäre oder verwandtschaftliche Anbindungen an die im Norden des Landes ansässigen Clans bzw. Subclans hätten, sondern beide Familien von im Raum Mogadischu siedelnden Gruppen abstammten.

Im Norden Somalias hätte nach den obigen Darlegungen die aus dem Süden des Landes stammende Klägerin aber ohne familiäre/verwandtschaftliche Beziehungen nicht die Möglichkeit einer eigenständigen Existenzsicherung. Im Hinblick auf die Mentalität der Somalis, nach der Schutz und Versorgung regelmäßig nur innerhalb der nach außen abgeschlossenen Gruppe (Familie/Verwandtschaft) gewährt werden, die allgemeine Armut Somalias, die äußerst begrenzten Erwerbsmöglichkeiten und die ohnehin nicht sehr stark ausgeprägte Achtung vor dem Leben Clanfremder, geht der Senat mit dem UNHCR davon aus, dass eine Rückkehr für aus dem Süden Somalias stammende Personen nach Nordsomalia ausgeschlossen erscheint, weil ihr Überleben dort ohne den von einer Familie oder von Verwandten gewährten Schutz nicht gewährleistet ist (vgl. 10. September 2001, UNHCR an Beratungsstelle der Ev. Kirche für Flüchtlinge in der Region Kassel).

Ob die Klägerin weiterhin aufgrund ihres Alters von 8 Jahren in Somalia der konkreten Gefahr einer Genitalverstümmelung ausgesetzt wäre, - nach den Angaben des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 20. September 2002 erleiden Mädchen in der Regel im Alter von 10 bis 13 Jahren die traditionelle Genitalverstümmelung in ihrer schlimmsten Art und die Beschneidungsrate somalischer Frauen liegt bei 99,4 % - kann vorliegend offen bleiben, denn der Klägerin ist bereits im Hinblick auf die zuvor dargestellte extreme Gefahrenlage für Leib und Leben Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren.

Die vom Senat ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten, festzustellen, dass in Bezug auf die Klägerin Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 6 AuslG hinsichtlich Somalias vorliegen, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes vom 5. Februar 1996).

Nach der Bestimmung des § 34 Abs. 1 AsylVfG erlässt das Bundesamt nach den §§ 50 und 51 Abs. 4 AuslG die Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird und keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend hinsichtlich der Klägerin gegeben.

Nach § 50 Abs. 3 Satz 1 AuslG steht das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG dem Erlass der Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Die Abschiebungsandrohung ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil in ihr Somalia nicht als derjenige Staat bezeichnet worden ist, in den die Klägerin nicht abgeschoben werden darf, sondern Somalia im Gegenteil als vorrangiges Zielland der angedrohten Abschiebung angegeben worden ist. Die Bestimmung des § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG, wonach in der Abschiebungsandrohung der Staat zu bezeichnen ist, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf, gilt ihrem Wortlaut nach ausschließlich für Abschiebungshindernisse nach §§ 51 und 53 Abs. 1 bis 4 AuslG, nicht jedoch für Staaten, in die nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht abgeschoben werden darf. Auch eine über den Wortlaut des § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG hinausgehende Anwendung dieser Vorschrift auf zwingende Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (so BVerwG, Urteil vom 19. November 1996 - BVerwG 1 C 6.95 -, InfAuslR 1997, 193) kommt in Fällen einer auf asylverfahrensrechtlicher Grundlage ergangenen Abschiebungsandrohung nicht in Betracht. Der Hess. VGH hat sich insoweit bereits in früheren Entscheidungen der Rechtsprechung des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C 19.96 -, NVwZ 1997, 1132 = InfAuslR 1997, 420) angeschlossen (vgl. etwa Urteil des Hess. VGH vom 26. Juni 1998 - 13 UE 294/98.A -, EZAR 231 Nr. 9), wonach eine auf der Grundlage des § 34 AsylVfG ergangene Abschiebungsandrohung auch bei der Feststellung eines zwingenden Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bestehen bleibt, weil in § 41 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AsylVfG die Rechtsfolgen der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ausdrücklich und abschließend geregelt sind. Danach bewirkt auch die auf der Grundlage der verfassungskonformen Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG ausgesprochene zwingende Verpflichtung des Bundesamtes, ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festzustellen, gemäß § 41 AsylVfG nur eine "zeitweilige Vollziehbarkeitshemmung" der im übrigen in ihrem Bestand unberührt bleibenden Abschiebungsandrohung (vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 29. März 1996 - 9 C 116.95 -, DVBl. 1996, 1257; Bay. VGH, Urteil vom 17. Juni 1999 - 23 B 99.30345 -, EZAR 043 Nr. 38).

Die Kostenentscheidungen für das Verfahren erster Instanz und für das Berufungsverfahren beruhen jeweils auf § 155 Abs. 1 VwGO.

Dabei bewertet der Senat das Unterliegen der Klägerin im Streit über die den Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens darstellenden Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16 a Abs. 1 GG, auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG und auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 4 AuslG im Verhältnis zu dem nachrangigen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 AuslG - unabhängig von der pauschalierten Gegenstandswertregelung in § 83 b AsylVfG - mit fünf Sechstel des gesamten Interesses an einem Obsiegen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 4. September 1997 - 9 C 40.96 -, a.a.O.).

Die den Gegenstand des Berufungsverfahrens darstellenden Ansprüche auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG, nach § 53 Abs. 4 AuslG und nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bewertet der Senat jeweils mit einem Drittel des Gesamtinteresses an einem Obsiegen. Daraus ergeben sich die aus dem Tenor ersichtlichen jeweiligen Kostenentscheidungen für die einzelnen Verfahrensabschnitte.

Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b Abs. 1 AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO in entsprechender Anwendung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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