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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 22.03.2000
Aktenzeichen: 4 UE 613/97
Rechtsgebiete: MietRVerbG


Vorschriften:

MietRVerbG Art. 6 § 1 Abs. 1
1. Die Mitbenutzung von Wohnräumen einer Wohnung zu gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken ist zweckentfremdungsrechtlich unschädlich, wenn

1. weniger als die Hälfte der Wohnfläche der Wohnung ausschließlich, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken dient,

2. der übrige Teil der Wohnfläche bei objektiver Betrachtung die Führung eines selbständigen Haushaltes weiterhin ermöglicht und

3. die Wohnartigkeit der gesamten Nutzung erhalten bleibt, insbesondere eine Identität von Wohnungsnutzer und gewerblichem bzw. freiberuflichem Nutzer besteht.

2. Die Bauaufsichtsbehörde ist in derartigen Fällen berechtigt, die weitere Zugehörigkeit der gewerblich oder freiberuflich genutzten Räume zur Wohnung durch eine entsprechende Nebenbestimmung, die die Identität von Wohnungs- und gewerblichen bzw. freiberuflichen Nutzer vorschreibt, sicherzustellen.


Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer der mit einem Wohnhaus bebauten Liegenschaft R-straße 32 in F.. Das Gebäude besteht aus zwei Geschossen sowie einem Dachboden, in dem sich zwei Mansarden und ein Trockenboden befinden. Der Voreigentümerin der Liegenschaft wurde von der Beklagten eine Abgeschlossenheitsbescheinigung für die Wohnungen im Erd- und im ersten Obergeschoss erteilt. Seit 1996 ist die Klägerin Eigentümerin der Wohnung im Erdgeschoss, der Kläger Eigentümer der Wohnung im ersten Obergeschoss. Die Wohnung im Erdgeschoss weist eine Gesamtwohnfläche von 143,93 m², die im ersten Obergeschoss eine von 138,60 m² auf.

Am 23.12.1993 beantragten die Kläger, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht Eigentümer der Liegenschaft waren, die Erteilung einer wohnungswirtschaftlichen Ausnahmegenehmigung zur Nutzungsänderung der im Erdgeschoss gelegenen Räumlichkeiten, die sie für die von ihnen betriebene Anwaltskanzlei nutzen wollten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.11.1994 wegen fehlender Antragsbefugnis ab.

Mit Schreiben vom 21.11.1995 beantragten die Kläger bei der Beklagten die Erteilung eines Negativattestes des Inhalts, dass für die freiberufliche Nutzung der als Anlage zu dem Antrag näher bezeichneten vier Wohnräume mit einer Gesamtwohnfläche von 85,47 m² (vgl. Bl. 3 Behördenakte) eine Zweckentfremdungsgenehmigung nicht erforderlich sei. Zur Begründung ihres Antrages beriefen sich die Kläger auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.04.1994 - 8. C 29/92 -, NJW 1995, 542.

Nachdem die Kläger unter dem 17.01.1996 bzw. 29.02.1996 an die Bearbeitung ihres Antrages erinnert hatten, haben sie am 21.03.1996 Untätigkeitsklage mit dem Ziel, die Beklagte zur Erteilung des beantragten Negativattestes zu verpflichten, erhoben.

Mit Bescheiden vom 29.04.1996 versagte die Beklagte das beantragte Negativattest. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der zu beurteilende Sachverhalt werde von der von den Klägern genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht erfasst. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beziehe sich nur auf gemischt genutzte Wohneinheiten. Durch die vorgesehene Nutzung für freiberufliche Zwecke verliere aber die Wohneinheit im Erdgeschoss ihre Eigenschaft als Wohnung. Es sei vom Vorliegen getrennter Wohneinheiten auszugehen. Die Fläche, die für den Betrieb der Anwaltskanzlei vorgesehen sei, betrage bei Weitem mehr als 50 % der Wohnfläche der Erdgeschosswohnung. Zudem könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die im Erdgeschoss verbleibenden Wohnräume für den Betrieb der Anwaltskanzlei mitbenutzt würden.

Nach Bekanntgabe der vorgenannten Bescheide haben die Kläger auch sie in das Verfahren einbezogen.

Zur Begründung ihrer Klage haben sie an ihrer Auffassung festgehalten, in Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei vom Vorliegen einer genehmigungsfreien Mitbenutzung von Wohnräumen auszugehen. Die Zweckbestimmung der Räume als Wohnräume werde durch eine berufliche Mitbenutzung nicht aufgegeben. Dies gelte jedenfalls dann, wenn wie vorliegend weniger als 50 % der Wohnfläche ausschließlich freiberuflichen Zwecken dienen solle. Die beiden Wohneinheiten im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss seien als Einheit zu betrachten. Lediglich ein Drittel der im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss vorhandenen Wohnfläche sei für eine berufliche Nutzung vorgesehen. Als Eigentümer der Liegenschaft seien sie befugt, zwei Wohnungen zusammenzulegen und für den eigenen Wohnbedarf in Anspruch zu nehmen. Der verbleibende Raum im Erdgeschoss - ein Schlafzimmer, ein Bad, eine Küche, ein Abstellraum, eine Diele, ein Flur sowie ein Gäste-WC - sollten zur privaten Nutzung weiter verwendet werden. Auf die Mitbenutzung dieser Räume sei die aus ihnen, den Klägern, und ihren zwei Kindern bestehende Familie angewiesen. Die obere Etage sei räumlich kleiner als das bisher bewohnte Erdgeschoss. Zudem sollten die Kinder eigene Zimmer haben. Durch die vorgesehene freiberufliche Tätigkeit im eigenen Wohnhaus werde dem Wohnungsmarkt kein Wohnraum entzogen, da beide Etagen in jedem Falle selbst genutzt werden sollten. Die Abgeschlossenheitsbescheinigung sei zweckentfremdungsrechtlich ohne Bedeutung.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ein alternatives Nutzungskonzept vorgetragen und dieses hilfsweise zur Entscheidung gestellt. Nach diesem Konzept solle der in der in der Behördenakte enthaltenen Skizze (Bl. 3 Behördenakte) als Nr. 1 bezeichnete Raum von der ausschließlich beruflichen Nutzung ausgenommen und weiter zu Wohnzwecken genutzt werden, wodurch sich die Fläche zur Nutzung als Anwaltskanzlei auf 57,08 m² reduziere.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 29.04.1996 zu verpflichten, den Klägern ein Negativattest dahingehend auszustellen, dass für die Nutzung in freiberuflicher Berufsausübung der in dem Antrag vom 21.11.1995 Bezug genommenen, durch Skizze gekennzeichneten Räume im Hause R-straße 32 in ..... F. einer Zweckentfremdungsgenehmigung nicht bedarf,

hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 29.04.1996 zu verpflichten, ein dahingehendes Negativattest zu erteilen mit Ausnahme des in der Behördenakte (Bl. 3) bezeichneten Raumes Nr. 1.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zum Hauptantrag hat die Beklagte die Begründung der Bescheide vom 29.04.1996 wiederholt und vertieft. Zum Hilfsantrag hat sie ausgeführt, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht dahingehend verstanden werden dürfe, dass generell eine ausschließlich gewerbliche oder freiberufliche Nutzung bis 50 % der Wohnfläche einer Wohnung keiner zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung mehr bedürfe. Auch Einzelräume könnten Gegenstand einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung sein. Eine entsprechende Genehmigung sei auch im Hinblick auf das geänderte, mit dem Hilfsantrag zur Entscheidung gestellte Nutzungskonzept erforderlich, da die Wohnung im Erdgeschoss nicht mehr im gleichen Umfang wie zuvor dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stehe.

Mit Urteil vom 27.11.1996 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 29.04.1996 verpflichtet, den Klägern ein Negativattest dahingehend auszustellen, dass es für die Nutzung in freiberuflicher Berufsausübung der in dem Antrag vom 21.11.1995 Bezug genommenen, durch Skizze gekennzeichneten Räume - mit Ausnahme des in der Behördenakte (Bl. 3) bezeichneten Raumes Nr. 1 (Wohnzimmer) - im Hause R-straße 32 in ..... F. einer Wohnraumzweckentfremdungsgenehmigung nicht bedarf. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei hinsichtlich des Hauptantrages zwar zulässig, aber unbegründet. Als Verpflichtungsklage sei sie statthaft, da die Erteilung eines Negativattestes einen Verwaltungsakt darstelle. Es sei unschädlich, dass kein Vorverfahren durchgeführt worden sei, da die Klage schon bei Klageerhebung als Untätigkeitsklage zulässig gewesen sei und es der Durchführung eines Vorverfahrens gegen die nachträglich erlassenen Verwaltungsakte nicht bedürfe. Die Klage könne mit dem Hauptantrag jedoch keinen Erfolg haben. Die beabsichtigte Umnutzung von vier Wohnräumen im Erdgeschoss der Liegenschaft stelle eine genehmigungsbedürftige Zweckentfremdung von Wohnraum dar, da mehr als die Hälfte der Wohnfläche im Erdgeschoss ausschließlich beruflichen Zwecken dienen solle. Die Wohnungen im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss seien zweckentfremdungsrechtlich als getrennte Wohneinheiten zu betrachten. Der Hilfsantrag müsse jedoch Erfolg haben. In Bezug auf den Hilfsantrag liege eine Klageänderung vor, die zulässig sei. Der Zulässigkeit der Klage stehe nicht entgegen, dass die Kläger das hilfsweise verfolgte Begehren erstmals im Klageverfahren vorgebracht und nicht zuvor zur Prüfung der Behörde gestellt hätten. Die Kläger hätten nämlich die Änderung unter Bezugnahme auf die dem Gericht und der Beklagten vorliegenden Unterlagen in einer ohne Weiteres prüfungsfähigen Weise angeboten. Zudem habe die Änderung auch nur untergeordnete Bedeutung, da sie sich in einer Reduzierung der für die freiberufliche Tätigkeit vorgesehenen Nutzungsfläche erschöpfe. Auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse sei gegeben, da die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, dass sie auch bei einer Reduzierung der für das Anwaltsbüro vorgesehenen Nutzungsfläche im Erdgeschoss eine zweckentfremdungsrechtliche Genehmigung für nötig erachte. Der Hilfsantrag sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folge, auch begründet. Auch wenn der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedene Sachverhalt mit dem vorliegenden Fall nicht unmittelbar vergleichbar sei, sei der von den Klägern angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein allgemein geltender Rechtssatz zu entnehmen, wonach generell eine ausschließliche freiberufliche Nutzung bis zu 50 % der Wohnfläche einer Wohneinheit keiner zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung bedürfe. In Anwendung dieser Rechtsprechung werde durch die ausschließliche Nutzung von Wohnräumen mit einer Gesamtwohnfläche von 57.08 m² bei einer Gesamtwohnfläche von 143,93 m² bezüglich der Wohneinheit im Erdgeschoss der Tatbestand der Zweckentfremdung nicht verwirklicht. Eine ausschließliche Nutzung der in der Anlage zu dem Antrag als Räume, 2, 3 und 4 bezeichneten Zimmer zu freiberuflichen Zwecken sei möglich. Eine darüber hinausgehende Nutzung weiterer Räumlichkeiten ausschließlich für freiberufliche Zwecke durch die Kläger werde die Beklagte zum Einschreiten wegen Verstoßes gegen das Zweckentfremdungsverbot berechtigen. Die bloß theoretische Möglichkeit einer Inanspruchnahme weiterer Räumlichkeiten für das Anwaltsbüro könne jedoch nicht zur Versagung des beantragten Negativattestes führen. Eine berufliche Mitbenutzung von Nebenräumen stehe dem begehrten Negativattest ebenfalls nicht entgegen. Eine derartige Mitbenutzung von Räumlichkeiten, die keine Aufenthaltsräume darstellten, insbesondere der Diele, des Flures und des Gäste-WC's sei eine fast zwangsläufige Folge einer ausschließlichen Nutzung einzelner Räume zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken, die auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht als Zweckentfremdung anzusehen sei.

Gegen das ihr am 08.01.1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.01.1997 Berufung eingelegt.

Zur Begründung trägt sie vor, der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass generell eine ausschließliche gewerbliche oder freiberufliche Nutzung bis zu 50 % der Wohnfläche einer Wohneinheit keiner zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung bedürfe, sei abzulehnen. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Bundesverwaltungsgericht seine frühere, gegenteilige Rechtsprechung habe aufgeben wollen. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts widerspreche dem Wortlaut des Art. 6 MRVerbG. Ausdrücklicher Regelungsgegenstand des Gesetzes sei nämlich die andere als wohnliche Nutzung von Wohnraum, nicht etwa von Wohnungen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auch nicht mit dem Zweck des Gesetzes zu vereinbaren, den Schutz des Wohnraumbestandes sicherzustellen. Der Wohnraumbegriff umfasse jeden Wohnraum einer Wohneinheit. Gegenteiliges lasse sich auch nicht aus § 82 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes herleiten. Die Wohneinheit im Erdgeschoss werde dem Wohnungsmarkt bei ausschließlich freiberuflicher Nutzung einzelner Räume nicht mehr in gleichem Umfang zur Verfügung stehen wie zuvor die gesamte Fünf-Zimmer-Wohnung. Die verbleibenden, für eine Wohnnutzung weiterhin vorgesehenen Räumlichkeiten im Erdgeschoss könnten nicht mehr für einen Vier-Personen-Haushalt, wie ihn die Kläger unterhielten, wohnlich genutzt werden. Durch den Betrieb einer Gemeinschaftskanzlei mit Notariat im Erdgeschoss der Liegenschaft verliere diese Wohneinheit den Charakter als Wohnung. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass generell bis zu 50 % der Wohnfläche einer Wohneinheit ohne Zweckentfremdungsgenehmigung freiberuflich genutzt werden dürfe, solle vorliegend mehr als 50 % der Wohnfläche der Erdgeschosswohneinheit einer freiberuflichen Nutzung zugeführt werden. Für eine ausschließliche wohnliche Nutzung seien lediglich 48,88 m² der Gesamtwohnfläche vorgesehen. Ihnen stünden 64,36 m² für eine rein berufliche Nutzung unter Einbeziehung des Gäste-WC's gegenüber. Die sowohl für eine Wohnnutzung als auch für eine freiberufliche Nutzung vorgesehenen Nebenraumflächen (Diele, Küche einschließlich Vorratsraum und Flur) von 30.94 m² müssten entweder ganz außer Betracht bleiben oder sowohl der Wohnnutzung als auch der beruflichen Nutzung zumindest jeweils mit der Hälfte zugeschlagen werden. Insgesamt überwiege damit in Bezug auf die Erdgeschosswohnung die freiberufliche Nutzung. Die Erteilung eines Negativattestes für die drei Räume im Erdgeschoss der Liegenschaft hätte unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung (Entscheidungen vom 12.05.1999 - 4 TZ 4416/98 - und vom 13.02.1998 - 4 TZ 1692/97 - ZfBR 1999, 47) zur Folge, dass die komplette Wohnung aus dem Geltungsbereich des Zweckentfremdungsverbotes falle. Schließlich sei zweifelhaft, ob das Verwaltungsgericht zu Recht von der Zulässigkeit des Hilfsantrages ausgegangen sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 27.11.1996 - 4 E 1010/96 (1) - die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Sie sind der Auffassung, dass die von dem Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 22.04.1994 aufgestellten Rechtsgrundsätze auch für ihren Fall anwendbar seien. Sie seien dringend auf eine private Mitbenutzung der unteren Räumlichkeiten zu Wohnzwecken angewiesen. Aufgrund des gestiegenen Wohnbedarfs gäbe es im ersten Obergeschoss der Liegenschaft weder ein Wohnzimmer noch ein Esszimmer. Sie hätten auch keine Möglichkeit, im ersten Obergeschoss des Hauses Übernachtungsgäste unterzubringen. Deshalb sei der in der Planskizze als Raum 1 bezeichnete Raum im Erdgeschoss als Wohn- und Esszimmer vorgesehen, und werde auch tatsächlich so genutzt. Nur von hier aus seien auch die Terrasse und der Garten nutzbar. Der zweite Aufenthaltsraum im Erdgeschoss solle als Gästezimmer dienen. Bei größeren Gesellschaften könne die Flügeltür zwischen dem Arbeitszimmer (Raum Nr. 2 der Planskizze) und dem Wohnzimmer geöffnet werden. In beiden Räumen stünden Stereoanlagen. Er, der Kläger, benutze sein Büro teilweise auch in der Freizeit mit. Der in der Planskizze als Raum Nr. 4 bezeichnete Raum diene dem Sekretariat. Sie, die Kläger, beschäftigten eine Ganztagskraft, zur Zeit sei dies ein Lehrling. Ferner hätten sie zwei Halbtagskräfte, die überwiegend im Wechsel tätig seien, so dass täglich ein bis zwei Kanzleikräfte während der Bürostunden da seien. In dem Raum Nr. 4 seien zwei Arbeitsplätze eingerichtet. Die Angestellten benutzten die als Gäste-WC im Plan eingetragene Toilette. Es gebe zusätzlich ein WC in dem hinter dem Gästezimmer liegenden Badraum für private Nutzung. Außerdem benutzten die Angestellten die Küche im Erdgeschoss mit, um sich dort Tee oder Kaffee zu kochen. Aktenschränke seien im Sekretariat aufgestellt. Raum für ein Archiv bestehe in Form des ehemaligen Luftschutzkellers. Die Handbücherei befinde sich in ihren, der Kläger, Büroräumen Weiterer Raum für die Unterbringung von Büchern und Zeitschriften sei im Keller neben dem Archiv vorhanden und hierfür eingerichtet. Das von ihnen bewohnte Haus sei vor dem Krieg ein großbürgerliches Einfamilienhaus gewesen, das nur nachträglich von der Voreigentümerin zu einem Zweifamilienhaus "umfunktioniert" worden sei. Das Anwaltsbüro habe im Wesentlichen nur Stammkunden. Nur wenige Mandanten würden in der Woche die Kanzleiräume aufsuchen. Ein Warteraum und ein Besprechungszimmer für eine größere Personenzahl seien dementsprechend nicht erforderlich, zumal er, der Kläger, in seinem Arbeitszimmer, wenn es denn einmal vorkäme, etwa ein Dutzend Personen versammeln könne. Entgegen der Auffassung der Beklagten dürften die Nebenräume nicht der freiberuflichen Tätigkeit zugeschlagen werden. Eine Diele werde beispielsweise nicht dadurch zum Büro, dass ein Fremder sie durchschreite. Auch eine Küche werde nicht zum Büro, weil sich hier die Hilfsperson eines Freiberuflers einen Tee zubereite. Weder bei konkreter noch bei abstrakter Betrachtungsweise werde dem Markt Wohnraum entzogen, da das Haus auf jeden Fall selbst genutzt werden solle und eine separate Vermietung von Räumlichkeiten nicht in Betracht komme. Da sich an dem Charakter der Räumlichkeiten im Erdgeschoss als Wohnung nichts ändere, liege auch keine baurechtliche Nutzungsänderung vor. Sie, die Kläger, hätten unterdessen ihr Rechtsanwalts- und Notariatsbüro in das Erdgeschoss ihres Anwesens in der Roseggerstraße in Frankfurt verlegt. Die freiberufliche Nutzung erfolge aber nur in dem Umfang, wie sie Gegenstand des in der ersten Instanz gestellten Hilfsantrages sei. Deshalb sei der von der Beklagten erlassene Bußgeldbescheid, gegen den sie Einspruch erhoben hätten und der noch nicht rechtskräftig sei, zu Unrecht ergangen, da er davon ausgehe, dass ein Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot vorliege und zu Unrecht unterstelle, dass die als Wohnzimmer und Gästezimmer vorgesehenen Räumlichkeiten tatsächlich als Warteraum bzw. Besprechungszimmer genutzt würden. Der Bußgeldbescheid stütze sich auf angebliche Beschwerden von Anwohnern, die frei erfunden seien.

Die Verwaltungsvorgänge (ein Heft) sind vorgelegt worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die von der Beklagten dort zu den Gerichtsakten überreichten Unterlagen gewesen (Mappe mit einem Vermerk und einer Serie von Lichtbildern betreffend eine Durchsuchung seitens des Amtes für Wohnungswesen am 16.09.1998, Schreiben des Klägers vom 30.03.1994 an das Amt für Wohnungswesen und das Stadtplanungsamt der Beklagten).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat auf den Hilfsantrag der Kläger hin die Beklagte zu Recht verpflichtet, den Klägern ein Negativattest dahingehend zu erteilen, dass es für die Nutzung in freiberuflicher Ausübung der in ihrem Antrag vom 21.11.1995 in Bezug genommenen, durch Skizze gekennzeichneten Räume mit Ausnahme des in der Behördenakte (Bl. 3) bezeichneten Raumes Nr. 1 (Wohnzimmer) in ihrem Hause R-straße 32 in F. einer Wohnraumzweckentfremdungsgenehmigung nicht bedarf.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellte Hilfsantrag zulässig ist. Die Verpflichtungsklage ist die statthafte Klageart, da die Versagung oder Erteilung eines Negativattestes einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 HVwVfG darstellt. Zwar ist die Erteilung eines Negativattestes weder im Mietrechtsverbesserungsgesetz noch der Hessischen Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum noch im Hessischen Gesetz zur Bekämpfung der Zweckentfremdung von Wohnraum vorgesehen. Es entspricht jedoch ständiger, langjähriger Verwaltungsübung der Beklagten, derartige Atteste, insbesondere zur Vorlage bei der Bauaufsichtsbehörde, auf Antrag auszustellen, so dass bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung eines solchen Attestes besteht und dieser Anspruch gegebenenfalls im Wege der Verpflichtungsklage verfolgt werden kann (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 13.12.1984 - 9 OE 83/82). Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es in Bezug auf den Hilfsantrag nicht am Vorverfahren als einer besonderen Voraussetzung für die Verpflichtungsklage fehlt. Von dem sich aus dem Verwaltungsprozessrecht ergebenden Grundsatz, dass der Verpflichtungsklage ein Antrag des selben Inhalts bei der Verwaltungsbehörde zugrunde liegen und dass die Ablehnung dieses Antrages in einem Vorverfahren überprüft sein, zumindest aber mit dem Widerspruch angegriffen sein muss, gibt es eng begrenzte Ausnahmen. Eine solche Ausnahme greift dann Platz, wo die Möglichkeit einer vom ursprünglichen Genehmigungsantrag abweichenden Lösung in einer Weise nahe liegt, die die Zurücksetzung des entgegenstehenden Behördeninteresses gebietet. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 18.11.1983 - IV OE 98/81), die zu einem baurechtlichen Fall ergangen ist, insoweit aber ohne Weiteres auf das Zweckentfremdungsrecht übertragen werden kann, ist dies dann der Fall, wenn der Betroffene die Änderung in einer ohne Weiteres prüfungsfähigen Weise anbietet und die Änderung darüber hinaus bezogen auf die Beurteilung des Sachverhaltes - hier die zweckentfremdungsrechtliche Beurteilung - nur untergeordnete Bedeutung hat. Diese Voraussetzungen waren in Bezug auf das mit dem Hilfsantrag vorgelegte Nutzungskonzept, das lediglich einen Raum weniger als ursprünglich vorgesehen für eine ausschließlich freiberufliche Nutzung vorsah, erfüllt. Dies hat das Verwaltungsgericht mit Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (vgl. S. 20 des Entscheidungsumdrucks), in der angegriffenen Entscheidung ausgeführt.

Das Verwaltungsgericht hat den Hilfsantrag zu Recht auch als begründet angesehen, da die vorgesehene Nutzung von Räumen für freiberufliche Zwecke in dem durch den Hilfsantrag umschriebenen räumlichen Umfang nicht dem Zweckentfremdungsverbot unterfällt.

Gemäß Art. 6 § 1 Abs. 1 MRVerbG i.V.m. der Ersten Hessischen Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 25.01.1972, zuletzt geändert durch die 10. Hessische Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 03.12.1991 (GVBl. I S. 360) darf in F. Wohnraum anderen als Wohnzwecken nur mit Genehmigung des Magistrats zugeführt werden.

Bei den streitbefangenen Räumlichkeiten im Erdgeschoss der Liegenschaft Roseggerstraße 32 in Frankfurt am Main handelt es sich um schützenswerten Wohnraum im Sinne des Art. 6 § 1 MRVerbG. Um schützenswerten Wohnraum im vorgenannten Sinne handelt es sich bei Räumen, die entweder bei Inkrafttreten des Wohnraumzweckentfremdungsverbotes oder aufgrund einer später vorgenommenen sogenannten Umwidmung bestimmt und geeignet waren, auf Dauer bewohnt zu werden, und dies auch heute noch sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.08.1991 - 8 C 101.89 - Buchholz 454.51 Nr. 17). Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die streitbefangenen Räumlichkeiten, was zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten ist, erfüllt.

Durch die von den Klägern vorgesehene Nutzung von Räumlichkeiten für freiberufliche Zwecke in dem räumlichen Umfang, in dem er Gegenstand des in der ersten Instanz gestellten Hilfsantrages ist, wird aber der Tatbestand der Zweckentfremdung nicht erfüllt.

Es ist allgemein anerkannt, dass eine bloße Mitbenutzung von Wohnräumen einer Wohnung zu gewerblichen oder (frei-)beruflichen Zwecken zweckentfremdungsrechtlich unschädlich ist (BVerwG, Beschluss vom 03.10.1990 - 8 B 129/90 -; Böhle, Zweckentfremdung von Wohnraum, 1994, Rdnr. 44 zu Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVerbG). Auch eine solchermaßen gemischt genutzte Wohnung bleibt nämlich rechtlich eine Wohnung, da die für den Erhalt der Wohnungseigenschaft erforderliche Zweckbestimmung der Räume zu dauerndem Bewohnen durch eine solche bloße Mitbenutzung nicht aufgehoben wird (BVerwG, Urteil vom 15.11.1985 - 8 C 103.83 - Buchholz 454.4 § 82 II. WoBauG Nr. 41, S. 38 = NJW-RR 1986, 633 und BVerwG, Urteil vom 22.04.1994 - 8 C 29/92 - NJW 1995, 542, 545, jeweils m.w.N.). Das Zweckentfremdungsverbot greift selbst dann nicht ein, wenn weniger als die Hälfte der Wohnfläche einer Wohnung sogar ausschließlich beruflichen oder gewerblichen Zwecken dient. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 22.04.1994 - 8 C 29/92 - a.a.O. ausdrücklich klargestellt und zur Begründung darauf verwiesen, dass dieses aus § 82 VI. des Zweiten Wohnungsbaugesetzes folge, wonach Wohnungen, die zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken mitbenutzt werden, sogar als steuerbegünstigt anzuerkennen seien, wenn nicht mehr als die Hälfte der Wohnfläche ausschließlich beruflichen oder gewerblichen Zwecken diene. Der insoweit vom Bundesgesetzgeber ausdrücklich vorgesehene Erhalt sogar der Förderungsfähigkeit schließe, so das Bundesverwaltungsgericht, die Annahme, eine (frei-)berufliche Tätigkeit in diesem räumlichen Umfang verstoße gleichwohl gegen das auf bundesrechtlicher Grundlage erlassene Zweckentfremdungsverbot, schlechthin aus. Diesen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich zur Frage des Vorliegens einer Zweckentfremdung bei der Mitbenutzung in Form der ausschließlichen Nutzung von einzelnen Räumen einer Wohnung zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken der allgemeine Rechtssatz entnehmen, dass eine Zweckentfremdung von Wohnräumen dann nicht vorliegt, wenn weniger als die Hälfte der Wohnfläche einer Wohnung ausschließlich beruflichen Zwecken dient.

Einem solchen Verständnis der vorgenannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts steht weder der Wortlaut des Art. 6 § 1 Abs. 1 MRVerbG noch der Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVerbG verbietet es, dass "Wohnraum anderen als Wohnzwecken" zugeführt wird. Bereits diese Formulierung macht deutlich, dass eine Zweckänderung erforderlich ist, um zur Anwendbarkeit der zweckentfremdungsrechtlichen Vorschriften zu gelangen. Darüber hinaus wird das Zuführen zu anderen als Wohnzwecken in Satz 2 der Vorschrift als "Aufgabe des Wohnzweckes" umschrieben. Auch diese Formulierung macht deutlich, dass die Fälle vom Zweckentfremdungsverbot nicht erfasst werden sollen, in denen Räume weiterhin zu Wohnzwecken genutzt werden, also die Wohnnutzung gerade nicht aufgegeben wird, neben diese Nutzungsart aber eine weitere, jedoch nicht überwiegende tritt. Der Sinn und Zweck der Vorschrift, der darin zu sehen ist, den Bestand von Wohnraum im Interesse der Versorgung der Bevölkerung in Gebieten mit einem besonderen Wohnraummangel zu sichern, wird bei diesem Verständnis der Reichweite des Zweckentfremdungsverbotes angemessen berücksichtigt, da die lediglich mitbenutzten Räume zweckentfremdungsrechtlich ihre Eigenschaft als Wohnräume trotz der beruflichen Mitbenutzung nicht verlieren und weiterhin dem Wohnungsmarkt zu Wohnzwecken erhalten bleiben.

Allerdings ist der Beklagten einzuräumen, dass die Fallgestaltung, die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.04.1994 - 8 C 29/92 - zugrunde lag, sich von der des vorliegend zu beurteilenden Falles nicht unwesentlich unterscheidet. Während es in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall um die Versagung einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung ging und der Kläger des dortigen Verfahrens u. a. auf die Möglichkeit verwiesen wurde, statt der beantragten, zur Genehmigung gestellten Zweckentfremdung einer von ihm vermieteten Wohnung die eigene Wohnung für freiberufliche Zwecke in Form der Verlegung seines "Chef-Büros" in die eigene Wohnung mit in Anspruch zu nehmen, geht es vorliegend um die Erteilung eines Negativattestes und wollen die Kläger gerade die eigene Wohnung für freiberufliche Zwecke mitbenutzen. Gerade der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedene Fall macht jedoch deutlich, dass die Mitbenutzung von Wohnräumen für freiberufliche Zwecke, sofern sie einen gewissen räumlichen Umfang nicht übersteigt, zweckentfremdungsrechtlich unschädlich ist. Würde der Kläger des Verfahrens der bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung von der ihm vom Gericht aufgezeigten Möglichkeit, sein "Chef-Büro" in die eigene Wohnung zu verlegen, Gebrauch machen, würde dies am Charakter der Räumlichkeit als Wohnung nichts ändern und würde die Mitbenutzung eines oder möglicherweise auch zweier seiner Räume als Büro keiner zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung bedürfen.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass auch der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach im Fall einer Mitbenutzung einer Wohnung für gewerbliche oder berufliche Zwecke eine Zweckentfremdung im Sinne des Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVerbG selbst dann nicht gegeben ist, wenn weniger als die Hälfte der Wohnfläche einer Wohnung ausschließlich gewerblichen oder beruflichen Zwecken dient, folgt. Denn auch dann liegt immer noch eine Wohnung, wenn auch eine gemischt genutzte, vor, und bleibt der Charakter der Räumlichkeiten als Wohnung erhalten. Damit Letzteres der Fall ist, muss allerdings - auch und gerade in Anbetracht der Mitnutzung der Räumlichkeiten zu gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken - der übrige Teil der Wohnfläche bei objektiver Betrachtung weiterhin ein Wohnen ermöglichen, es also zulassen, dass dort ein selbständiger Haushalt geführt werden kann. Weiterhin setzt eine zweckentfremdungsrechtlich unschädliche, bloße Mitbenutzung von Wohnräumen zu gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken voraus, dass die Wohnartigkeit der gesamten Nutzung erhalten bleibt und insbesondere eine Identität von Wohnungs- und gewerblichen bzw. freiberuflichen Nutzer besteht, da nur dann von einer fortdauernden Nutzung der gesamten Einheit als Wohnung gesprochen werden kann.

Hiernach bedarf die von den Klägern vorgesehene Mitnutzung von Räumlichkeiten im Erdgeschoss ihres Anwesens in dem räumlichen Umfang, in dem sie Gegenstand des in der ersten Instanz gestellten Hilfsantrages ist, keiner zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung. Weniger als die Hälfte der Wohnfläche der Wohnung im Erdgeschoss soll ausschließlich freiberuflichen Zwecken dienen. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, kann als Bezugsgröße nur die Gesamtwohnfläche der Erdgeschosswohnung nicht aber auch die der Wohnung im 1. Obergeschoss berücksichtigt werden. Insoweit liegen nämlich getrennte, auch räumlich abgeschlossene Wohneinheiten vor, an denen zudem auch Sondereigentum besteht. Die Wohneinheit im Erdgeschoss weist eine Gesamtwohnfläche von 143,93 qm auf. Für eine ausschließlich freiberufliche Nutzung sind nach den Angaben der Kläger die in der Planskizze zum Antrag vom 21.11.1995 (Bl. 3 Behördenakte) als 2,3 und 4 bezeichneten Räume vorgesehen, die zusammen eine Wohnfläche von 57,08 qm aufweisen. Auch wenn man zu diesen 57,08 qm noch die Grundfläche des WC's von 7,28 qm hinzurechnet, weil dieses wohl ausschließlich von den Angestellten der Kläger genutzt wird, bleibt die für eine ausschließlich freiberufliche Nutzung vorgesehene Wohnfläche noch immer unter der genannten 50 %-Grenze. Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung der Beklagten, dass die Flächen der Nebenräume wie Diele, Flur, Küche einschließlich Vorratsraum von 30,94 qm bei der Berechnung ganz außer Betracht bleiben oder mit der Hälfte auch der beruflichen Nutzung zugeschlagen werden müssten. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, allein, ob die ausschließlich für gewerbliche oder berufliche Zwecke in Anspruch genommene Wohnfläche unter der Hälfte der Gesamtwohnfläche bleibt. Erst bei einer Überschreitung dieser Grenze verlieren die Räumlichkeiten nämlich ihren bisherigen Charakter als Wohnung. Die genannten Nebenräume sollen nach dem vorgelegten Nutzungskonzept aber nicht ausschließlich beruflichen Zwecken dienen.

Auch die weiteren Voraussetzungen für eine zweckentfremdungsrechtlich unschädliche bloße Mitbenutzung von Wohnräumen für gewerbliche oder freiberufliche Zwecke sind erfüllt. Die Räume der Erdgeschosswohnung, die nach dem Konzept der Kläger ausschließlich Wohnzwecken dienen sollen, ermöglichen mit zwei zum Wohnen bzw. Schlafen geeigneten und zugelassenen Räumen, einer ausschließlich privat genutzten Toilette, einem Bad und einer Küche mit Kochgelegenheit weiterhin die Führung eines selbständigen Haushaltes in diesen Räumlichkeiten. Durch die vorgesehene Mitbenutzung von Räumlichkeiten für freiberufliche Zwecke verlieren diese auch nicht die für den Wohnungscharakter notwendige Eigenschaft zum Dauerbewohnen. Die freiberufliche Tätigkeit der Kläger erfordert nämlich keine baulichen Änderungen der Räume, die den Räumlichkeiten die Eigenschaft zum Dauerbewohnen nehmen würde. Die Wohnartigkeit der Nutzung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Anwesens bleibt auch bei einer Mitnutzung für freiberufliche Zwecke vielmehr erhalten. Schließlich ist auch die für die Wohnartigkeit der Nutzung weiterhin erforderliche Identität zwischen Wohnungsnutzer und Kanzleibetreiber gegeben, wobei es wohnraumrechtlich unerheblich ist, dass die Wohnung und die Kanzlei auch von weiteren Familienangehörigen des Wohnungsnutzers und Kanzleiinhabers mitgenutzt wird.

Ein Anspruch der Kläger auf Erteilung des begehrten Negativattestes wäre allerdings dann zu verneinen, wenn das von den Klägern vorgelegte Nutzungskonzept, mit dem Ziel der Umgehung zweckentfremdungsrechtlicher Vorschriften, nur vorgeschoben oder bei objektiver Betrachtungsweise von vornherein nicht zu realisieren wäre. Für eine derartige Annahme liegen jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Zwar ist gegen die Kläger ein Bußgeldbescheid ergangen mit dem Vorwurf, die gesamte Wohneinheit im Erdgeschoss zu freiberuflichen Zwecken zu nutzen. Doch bestreiten die Kläger dies, und ist der Bußgeldbescheid noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Kläger ihr Rechtsanwalts- und Notariatsbüro als Zwei-Personen-Büro mit nur einer Ganztagskraft sowie zwei überwiegend im Wechsel tätigen Halbtagskräften betreiben und nach ihrem Vortrag nur in geringem Umfang Mandantenbesuch erfolgt, erscheint es dem Senat auch nicht ausgeschlossen, dass die freiberufliche Tätigkeit der Kläger auf der Fläche, wie sie mit dem Hilfsantrag räumlich umschrieben wird, ausgeübt werden kann. Sollten die Kläger sich allerdings nicht an das von ihnen vorgelegte Nutzungskonzept halten und tatsächlich die Hälfte der Wohnfläche des Erdgeschosses oder mehr an Fläche ausschließlich für freiberufliche Zwecke in Anspruch nehmen, wird dies die Beklagte zum Einschreiten berechtigen, da eine derartige Nutzung zweckentfremdungsrechtlich genehmigungsbedürftig wäre und eine solche Genehmigung nicht vorliegt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Erteilung eines Negativattestes unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung (Entscheidungen vom 12.05.1999 - 4 TZ 4416/98 - und vom 13.02.1998 - 4 TZ 1692/97 -) nicht zur Folge, dass die Wohnung im Erdgeschoss ganz oder in Teilen aus dem Zweckentfremdungsverbot fällt. Zwar ist der Beklagten einzuräumen, dass bauordnungsrechtlich schon im Hinblick auf den geänderten Stellplatzbedarf in Bezug auf die nunmehr ausschließlich zu Bürozwecken genutzten Räumen im Erdgeschoss des klägerischen Anwesens eine Umnutzungsgenehmigung erforderlich ist. Eine baurechtliche Genehmigung dieser Räume als Kanzleiräume muss jedoch nicht zwingend zur Folge haben, dass diese Räumlichkeiten aus dem Zweckentfremdungsverbot entlassen werden. Zur Durchsetzung des von den Klägern vorgelegten Nutzungskonzepts, insbesondere um die erforderliche Identität von Wohnungsnutzer und Kanzleibetreiber zu gewährleisten, wird die Bauaufsichtsbehörde berechtigt sein, die weitere Zugehörigkeit der Kanzleiräume zur Wohnung durch eine entsprechende Nebenbestimmung in Form einer Auflage sicherzustellen. Die Entscheidung vom 12.05.1999 gibt für die vorliegende Fallgestaltung nichts her, da sie eine Ladenwohnung betraf, die von vornherein nicht dem Zweckentfremdungsverbot unterlag.

Da die Beklagte mit ihrem Rechtsmittel erfolglos bleibt, hat sie gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 16.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Der Senat bewertet das von der Beklagten mit der Berufung verfolgte Verwaltungsinteresse mit dem doppelten Auffangstreitwert.

Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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