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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 13.09.2002
Aktenzeichen: 4 UE 981/99
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, HBO 1993


Vorschriften:

BauGB § 34
BauNVO § 4 Abs. 2 Nr. 3
HBO 1993 § 65 Abs. 2
HBO 1993 § 70 Abs. 1
1. Die Bebauung eines Grundstücks mit einem Wohnhaus als sog. Hinterlandbebauung kann sich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, wenn dort bereits ein Schulerweiterungsgebäude vorhanden ist, das den Wegfall einer früher vorhandenen faktischen hinteren Baugrenze zur Folge hat.

2. Ein Schulgebäude, das im Wesentlichen von Wohngebäuden umgeben ist, stellt keinen bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB auszusondernden Fremdkörper dar.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

4. Senat

4 UE 981/99

Verkündet am 13. September 2002

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Baurechts

hier: Bauvoranfrage betreffend Wohnbebauung im unbeplanten Innenbereich

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 4. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Koch, Richter am Hess. VGH Mogk, an den Hess. VGH abgeordneter Richter am VG Wiesbaden Walther, ehrenamtlichen Richter Bayerlein, ehrenamtlichen Richter Diehl

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 12. Mai 1998 abgeändert.

Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 7. Dezember 1993 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 29. April 1996 verpflichtet, dem Kläger einen Bauvorbescheid betreffend die Bebauung seines Grundstücks Flur 1, Flurstück 102/2 mit einem Wohnhaus zu erteilen.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten vorläufig vollstreckbar, jedoch kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines positiven Bauvorbescheids betreffend die Bebauung seines im unbeplanten Innenbereich von Friedberg gelegenen Grundstücks mit einem Wohnhaus. Der Kläger ist Eigentümer des 652 qm großen Grundstücks Gemarkung , ( ). Dieses Grundstück war nach dem Vorbringen des Klägers und einem von ihm vorgelegten Katasterplan mit einem zweigeschossigen Wohnheim für Bauarbeiter und einem Bürogebäude sowie einer Garagenanlage bebaut. Die baulichen Anlagen wurden Anfang 1988 beseitigt. Es ist jetzt noch ringsum mit einer etwa zwei bis drei m hohen Mauer umgeben und hat ein automatisches Tor zum Flurstuck und eine verschließbare Tür zum Flurstück . Zur Zeit wird es - ohne bauaufsichtliche Genehmigung - als Parkfläche genutzt.

Mit Schreiben vom 02.03.1992 stellte der Kläger über den Magistrat der Beigeladenen unter Beifügung einer Lageplanskizze bei dem Beklagten eine Anfrage bezüglich der Bebauung des vorgenannten Grundstücks. Er wies u.a. darauf hin, dass es sich bei dem Grundstück um einen eigenständigen Bauplatz mit einer gesicherten Zufahrt handele. Das Schreiben endete mit dem Satz, dass nach Klärung der möglichen Ausnutzung, Grenzabstände etc. eine Bauvoranfrage mit Planskizzen eingereicht werden könne.

Nachdem die Beigeladene mit Schreiben vom 03.11.1993 ihr Einvernehmen zu dem als Bauvoranfrage behandelten Antrag mit der Begründung versagt hatte, das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, nicht in die vorhandene Bebauung ein und die faktische hintere Baugrenze werde überschritten, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 07.12.1993 den begehrten Bauvorbescheid ab. Zur Begründung verwies er auf die Versagung des zwingend erforderlichen Einvernehmens der Beigeladenen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit am 05.01.1994 bei dem Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch, den er darauf stützte, dass sich das Vorhaben hinsichtlich der zu bebauenden Grundstücksfläche in die Bebauung der näheren Umgebung einfüge.

Das Regierungspräsidium Darmstadt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.1996 zurück. Es bestätigte die Auffassung der Beigeladenen, dass sich das Vorhaben nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, weil sich eine faktische rückwärtige Baugrenze herangebildet habe, die die straßenseitigen Baugrundstücke von den nicht bebaubaren Hinterlandflächen abgrenze. Bei einer Bebauung der Hinterlandfläche würde dies zu einer Störung der Erholungsfunktion des Hintergartenbereichs und zu einer ungeordneten Verdichtung des Baugebiets führen. Es würde eine negative Vorbildwirkung eintreten, durch die ähnliche Bauwünsche auf den benachbarten Hinterlandflächen angeregt würden.

Hiergegen hat der Kläger am 24.05.1996 bei dem Verwaltungsgericht Gießen Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, die von ihm vorgesehene zwei- bis dreigeschossige Wohnbebauung sei zulässig, da ihr keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstünden und die Erschließung aufgrund einer durch Baulast gesicherten Zufahrt gesichert sei. Das Grundstück liege in einem Bereich, in dem zu der ursprünglich entlang der Straße vorhandenen Bebauung durch Gebäude im Hinterbereich eine bauliche Verdichtung entstanden sei. Dies sei keine Besonderheit des hier maßgeblichen Straßengevierts, sondern finde sich auch in den angrenzenden Straßen. Auffällig seien dabei die mehrgeschossigen öffentlichen Gebäude, wie Augustinerschule, Blindenschule, Post, Finanzamt, Sparkasse und Kreisverwaltung. Erst kürzlich sei auf dem ein massives Mehrfamilienhaus im hinteren Bereich eines Grundstücks genehmigt worden. Die nähere Umgebung des Flurstücks werde geprägt durch die Bebauung des östlich angrenzenden Grundstücks , auf dem sich im hinteren Bereich der beiden gemischt genutzten 4-geschossigen Wohn- und Geschäftshäuser eine Tiefgarage sowie eine Vielzahl oberirdischer Parkplätze befinde. Das Grundstück (Flurstück ) sei im hinteren Bereich mit einem Haus bebaut, das bewohnt sei. Auf dem Grundstück (Flurstück ) befinde sich im hinteren Bereich ein Gebäude, das teils zum Wohnen, teils gewerblich genutzt werde und die Grundstücke (Flurstücke und ) seien im hinteren Bereich mit Wohngebäuden bebaut. Auf dem westlich angrenzenden Flurstück ( ) befinde sich ein 5-geschossiger Erweiterungsbau. Ein derartiger rückwärtiger Erweiterungsbau befinde sich auch auf dem Schulgrundstück . Aufgrund der vorhandenen Bebauung könne von einer hinteren faktischen Baugrenze nicht die Rede sein. Eine Hinterlandbebauung zeige sich noch drastischer in den angrenzenden Baugebieten. Das geplante Vorhaben halte sich in dem durch die Bebauung vorgegebenen Rahmen und füge sich gemäß § 34 BauGB ein. Von ihm sei keine negative Vorbildwirkung zu erwarten, da sich der Bebauungscharakter längst gewandelt habe.

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides des Wetteraukreises vom 07.12.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 29.04.1996 den Beklagten zu verpflichten, die Bauvoranfrage betreffend das Grundstück , Flurstück ( ) in der Gemarkung positiv zu bescheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und ergänzend ausgeführt, für die von dem Kläger herangezogene Bebauung benachbarter Gebiete bestünden Bebauungspläne.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und die Auffassung vertreten, dass das Grundstück der bei der Bestimmung der maßgeblichen näheren Umgebung außer Betracht bleiben müsse. Eine Bebauung des Flurstücks hätte präjudizierende Wirkung und würde erhebliche bodenrechtliche Spannungen mit negativer Vorbildwirkung hervorrufen.

Durch Urteil vom 12.05.1998 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Bauvorbescheides, weil seine Bauvoranfrage nicht hinreichend bestimmt sei. Die Formulierung im Antragsschreiben vom 02.03.1992 zeige, dass der Kläger kein konkretes Bauvorhaben im Blick gehabt, sondern eine gutachterliche Äußerung erbeten habe. Standort und Nutzungsart des Vorhabens seien nicht ersichtlich gewesen. Darüber hinaus könne die Klage auch in der Sache keinen Erfolg haben, weil sich das im gerichtlichen Verfahren näher beschriebene Vorhaben nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Insoweit werde auf die zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheids Bezug genommen. Bei der vom Kläger in Bezug genommenen Nachbarbebauung handele es sich um Nebengebäude ohne eigenen Zu- und Abgangsverkehr. Schließlich stehe dem Vorhaben entgegen, dass sich in dem hier maßgeblichen Straßengeviert ein schützenswerter innerörtlicher Grünbereich erhalten habe. Die Bebauung des Grundstücks der stelle einen Sonderfall dar, bei dessen Errichtung öffentliche Belange maßgebend gewesen seien. Hierauf könne sich der Kläger nicht berufen.

Gegen das ihm am 25.05.1998 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der vom Senat mit Beschluss vom 22.03.1999 zugelassenen Berufung. Er ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er mangels Bestimmtheit des Standorts und der Nutzungsart keine bescheidungsfähige Bauvoranfrage gestellt habe. Sowohl die Ausgangsbehörde als auch die Widerspruchsbehörde und die Beigeladene seien davon ausgegangen, dass er auf dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück ein Wohnhaus errichten wolle und es um seine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit gehe. Dies hätten die beteiligten Behörden auch geprüft, jedoch zu Unrecht die Zulässigkeit des Vorhabens verneint. Dabei hätten die Bediensteten der Bauaufsichtsbehörde und der Widerspruchsbehörde die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens in Gesprächen mit ihm, dem Kläger, zwar bejaht, sich jedoch aufgrund des fehlenden Einvernehmens der Beigeladenen an einer positiven Entscheidung gehindert gesehen. Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Grundstücksfläche die überbaut werden solle, nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. In dem hier maßgeblichen Straßengeviert, das vom gebildet werde, befänden sich mehrere Gebäude, die keineswegs, wie das Verwaltungsgericht meine, lediglich akzessorische Nebengebäude, sondern vielmehr Hauptgebäude seien und den ehemals vorhanden gewesenen Grünbereich beseitigt und funktionslos gemacht hätten. Die Gebäude der müssten berücksichtigt werden. Sie seien keine aus dem Rahmen fallenden Fremdkörper, sondern Teil der sie umgebenden Bebauung, die eine zahlreiche Hinterlandbebauung aufweise. Insoweit wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, auch in den angrenzenden Straßengevierten sei eine derartige Entwicklung eingetreten, etwa durch die Bebauung des Grundstücks und im Bereich . Auf der anderen Straßenseite seines Grundstücks befänden sich die ehemalige Blindenschule und das Postamt. Die Blindenschule weise mehrere Gebäude und Pavillons im Hinterlandbereich auf, in die die Stadtverwaltung eingezogen sei. Im Freiflächenbereich sei eine umfangreiche Garagenanlage genehmigt worden. Das Gelände des ehemaligen Postamtes sei im gesamten hinteren Bereich komplett bebaut worden. Ähnlich verhalte es sich mit den Grundstücken im , der sowie im südlichen Teil der Bismarckstraße. Dort seien Wasserwirtschaftsamt, Finanzamt und Kreisverwaltung ansässig, deren Grundstücke im hinteren Bereich bebaut seien. Schließlich sei auf dem Grundstück Bismarckstraße 34 eine klassische Hinterlandbebauung genehmigt worden.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 12.05.1998 - 1 E 750/94 (4) - zu verpflichten, seine Bauvoranfrage vom 02.03.1992 hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit seines Wohnbauvorhabens positiv zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, die von dem Kläger angeführte Bebauung auf dem Grundstück könne schon wegen des Abstandes von ca. 250m zum Baugrundstück des Klägers hier nicht als Vergleichsfall herangezogen werden. Auch erzeuge sie keine bodenrechtlichen Spannungen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer gegenseitigen Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 10. 09. 2002 das Grundstück des Klägers Gemarkung , Flur , Flurstück sowie dessen nähere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Die das Vorhaben des Klägers betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Hefter, die Bauakten des Beklagten 00441-01-B-0008 betreffend das Bauvorhaben sowie die Bauakten betreffend die Flurstücke und (12 Akten) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gemäß §§ 65 Abs. 2, 70 Abs. 1 Satz 1 HBO einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Bauvorbescheides, da er eine ordnungsgemäße Bauvoranfrage gestellt hat und das Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 22.03.1999 - 4 UZ 2324/98 -, mit dem die Berufung des Klägers zugelassen worden ist, ausgeführt hat, begegnet das Schreiben des Klägers vom 02.03.1992 insoweit zwar Bedenken, als es im Betreff von Anfrage bezüglich Bebauungsmöglichkeit spricht und im letzten Absatz den Hinweis enthält, dass nach Klärung der aufgeworfenen Fragen eine Bauvoranfrage mit Planskizze eingereicht werde; diese Bedenken hat der Kläger jedoch im Vorverfahren ausgeräumt und klargestellt, dass er eine Bauvoranfrage über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Wohnhauses auf seinem Grundstück gestellt hat. Hiervon sind daher zu Recht Bauaufsichtsbehörde und Widerspruchsbehörde ausgegangen.

Das im unbeplanten Innenbereich von geplante Vorhaben beurteilt sich bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB und ist nach dieser Vorschrift zulässig. Das Grundstück des Klägers fügt sich auch nach der zu überbauenden Grundstücksfläche, die allein zwischen den Beteiligten streitig ist, in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Bei dem Grundstück handelt es sich um ein sogenanntes Hinterliegergrundstück, dessen besonderes Merkmal darin liegt, dass die zu überbauende Grundstücksfläche hinter der vorderen, zur Erschließungsstraße hin ausgerichteten Bebauung liegt (Söfker, in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand: Februar 2000, § 34 Rn 57). § 34 Abs. 1 BauGB stellt auf die Eigenart der näheren Umgebung ab. Es kommt daher auf die Umgebung insoweit an, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits das Baugrundstück prägt. Das vom Verwaltungsgericht als nähere Umgebung bestimmte Straßenfünfeck zwischen wird auch vom Senat als maßgebend angesehen, da das geplante Wohnbauvorhaben nur geringfügige Auswirkungen auf seine Umgebung hat, die nicht über die vorgenannte Begrenzung hinausgehen. Auf Grund der zentralen Lage des Grundstücks in der Mitte des vorgenannten Bereichs kann der Auffassung des Regierungspräsidiums Darmstadt und der Beigeladenen nicht gefolgt werden, das Flurstück ( ) müsse bei der hier festzulegenden näheren Umgebung außer Betracht bleiben.

Bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung sind zwar grundsätzlich alle städtebaulich bedeutsamen baulichen und sonstigen Nutzungen zu berücksichtigen, allerdings muss alles außer Acht gelassen werden, was die Umgebung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint (BVerwG, U. v. 15. 02. 1990 - IV C 23.86 -, BRS 50 Nr. 75). Die ursprüngliche Bebauung des Grundstücks mit Betriebsgebäuden einer Baufirma, die vor etwa 14 Jahren beseitigt worden ist, kann heute keine Berücksichtigung mehr finden. Allerdings verliert ein Altbestand, der vernichtet worden ist, nicht automatisch die prägende Kraft, von der § 34 Abs. 1 BauGB es abhängen lässt, wie weit der Bezugsrahmen reicht. Die Prägung dauert fort, so lange mit einer Wiederbebauung zu rechnen ist (BVerwG, U. v. 27. 08. 1998 - IV C 5.98 -, BRS 60 Nr. 83), wobei sich die zu beachtende zeitliche Grenze für die Wiederbebauung nach der Verkehrsauffassung richtet. Zwar sind die den früheren Baubestand umgebenden Einfriedigungsmauern nicht beseitigt worden und das Grundstück wird seit Jahren in Kenntnis des Beklagten und der Beigeladenen als Parkplatz genutzt, dennoch ist seit der Beseitigung des Baubestandes bis zur Bauvoranfrage des Klägers vom 02. 03. 1992 mit etwa vier Jahren ein Zeitraum verstrichen, nach dem nach der Verkehrsauffassung nicht mehr mit einer Wiederbebauung zu rechnen war. Dabei hat der Senat allerdings nicht berücksichtigt, ob sich der Kläger bereits vorher bei der Beigeladenen oder dem Beklagten um eine Bebauung des Grundstücks bemüht hat, da die Behördenakten hierfür keinen Hinweis enthalten.

Das Flurstück mit den Gebäuden der ist als zu berücksichtigende überbaubare Grundstücksfläche anzusehen. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, auf die Schule könne sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil sie ein Sonderfall sei, bei dem öffentliche Belange eine entscheidende Rolle gespielt hätten, kann nicht gefolgt werden. Bei der Ermittlung der Eigenart der näheren Umgebung i. S. von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB sind singuläre Anlagen, die in einem auffälligen Kontrast zu der sie umgebenden im Wesentlichen homogenen Bebauung stehen, regelmäßig als Fremdkörper unbeachtlich, soweit sie nicht ausnahmsweise ihre Umgebung beherrschen oder mit ihr eine Einheit bilden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 15. 02. 1990, aaO) sind zum einen solche baulichen Anlagen auszusondern, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen. Zum anderen können auch solche Anlagen aus der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung auszusondern sein, die zwar quantitativ die Erheblichkeitsschwelle überschreiten, aber nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen. Dies ist der Fall, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Andersartigkeit und Einzigartigkeit den Charakter ihrer Umgebung letztlich nicht beeinflussen kann. Hierfür ist unter anderem die Größe und die Ausstrahlungswirkung (Immissionen) der einzelnen baulichen Anlagen auf die nähere Umgebung maßgebend. Der Senat hat bei der durchgeführten Augenscheinseinnahme den Eindruck gewonnen, dass die Augustinerschule nicht als ein derartiger Fremdkörper in Erscheinung tritt. Nach der Art der Nutzung fällt sie mit Haupt- und Erweiterungsbauten in der hier als allgemeines Wohngebiet zu qualifizierenden näheren Umgebung nicht aus dem Rahmen. Schulen sind als Anlagen für kulturelle Zwecke i. S. des § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Unter den Nutzungsbegriff "kulturelle Zwecke" fasst die Baunutzungsverordnung unabhängig von dem Träger der Einrichtung im Teilbereich Bildung und Wissenschaft vor allem Schulen (Stock, in König/Roeser/Stock, BauNVO, 1999, § 4 Rn 49; Bielenberg, in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand: Jan. 2002, § 4 BauNVO Rn 18). Von dem Maß der Nutzung hebt sich die Augustinerschule zwar von der umgebenden Bebauung ab, tritt jedoch auch insoweit nicht als Fremdkörper in Erscheinung. Diese Einschätzung der Fremdkörperwirkung eines Bauwerks steht mit der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einklang (vgl. BVerwG, U. v. 27. 08. 1998 - IV C 5.98 -, BRS 60 Nr. 83, in dem die von der Vorinstanz verneinte Fremdkörperwirkung eines Kurhauses bestätigt worden ist).

Die Bebauung in dem hier maßgeblichen Straßenbereich wird daher nicht allein geprägt durch eine Straßenbebauung, die in der Bebauungstiefe variiert, sondern auch durch die vorhandene Hinterlandbebauung auf dem Flurstück ( ). Dies hat zur Folge, dass sich entgegen der Auffassung der Widerspruchsbehörde und der Beigeladenen keine einheitliche straßenseitige hintere Baugrenze gebildet hat. Vielmehr ist auf Grund der Erweiterungsbauten der eine derartige faktische hintere Baugrenze nicht vorhanden. Auch auf den Grundstücken sowie befinden sich im hinteren Bereich Gebäude, die - teil gewerblich, teils wohnlich - genutzt werden. Soweit das Verwaltungsgericht diese Hinterlandbebauung mit der Begründung unberücksichtigt gelassen hat, es handele sich dabei um akzessorische Nebengebäude, kann ihm nicht gefolgt werden. Für die räumliche Lage von Nebengebäuden sieht das Bauplanungsrecht gewisse Erleichterungen vor (vgl. § 23 Abs. 5 BauNVO), die jedoch nicht auf die Hauptgebäude übertragen werden können. Eine rückwärtige Bebauung ist daher unzulässig, wenn im hinteren Bereich der umliegenden Grundstücke nur Nebenanlagen vorhanden sind (BVerwG, B. v. 06. 11. 1997 - IV P 172.97 -, BRS 59 Nr. 79; U. d. Senats vom 04. 04. 1984 - IV UE 90/87 -, BRS 47 Nr. 64). Die hier teils wohnlich, teils gewerblich genutzten baulichen Anlagen im hinteren Bereich der vorgenannten Grundstücke können nicht als untergeordnete Nebenanlagen angesehen werden. Die vorgesehene rückwärtige Wohnbebauung fügt sich daher hinsichtlich der zu überbauenden Grundstücksfläche in die nähere Umgebung ein. Es handelt sich nicht um eine erstmalige, sondern um eine weitere Hinterlandbebauung, der keine Vorbildwirkung mehr zukommt. Sofern die Beigeladene eine weitere Bebauung der noch vorhandenen Freiflächen für unerwünscht hält, kann sie zur Durchsetzung dieser Planungsabsichten die Instrumente der Bauleitplanung anwenden.

Der Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben und der Beklagte zu verpflichten, dem Kläger den begehrten Bauvorbescheid zu erteilen. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattet, da die Beigeladene im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt und damit auch nicht das Risiko eigener Kostentragung nach § 154 Abs. 3 VwGO auf sich genommen hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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