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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.01.2001
Aktenzeichen: 4 UZ 610/00
Rechtsgebiete: WoBindG, VO ü. d. Überlassung v. Sozialwohnungen m. erh. Wohnb.v. 21.10.1994 GVBl. I S. 623


Vorschriften:

WoBindG § 5
WoBindG § 5 a
VO ü. d. Überlassung v. Sozialwohnungen m. erh. Wohnb.v. 21.10.1994 GVBl. I S. 623 § 2
VO ü. d. Überlassung v. Sozialwohnungen m. erh. Wohnb.v. 21.10.1994 GVBl. I S. 623 § 3
VO ü. d. Überlassung v. Sozialwohnungen m. erh. Wohnb.v. 21.10.1994 GVBl. I S. 623 § 4
1. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht bei der Beantwortung der Frage, ob eine alleinerziehende Wohnungssuchende mit zwei Kindern unzureichend untergebracht ist, auf die im Erlass des Hessischen Ministeriums für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 13.04.1992 (StAnz. S. 1087) getroffene Regelung abstellt.

2. Eine alleinerziehende Wohnungssuchende mit zwei Kindern ist in einer 2 1/2-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 56,60 qm, in der das halbe Zimmer eine Größe von 2,30 m x 3,50 m aufweist, unzureichend untergebracht.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

4 UZ 610/00

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Wohnungsbindungsrechts,

hier: Registrierung als Wohnungssuchende

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 4. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Koch, Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann

am 12. Januar 2001 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Oktober 1999 - 4 E 3662/97 - wird abgelehnt.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Antragsverfahren auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, sie als Wohnungssuchende zu registrieren.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11.08.1997 den Wohnungsbewerbungsantrag der Klägerin mit der Begründung ab, die Klägerin sei als Hauptmieterin einer 2 1/2-Zimmer-Wohnung dort entsprechend ihrer Haushaltsgröße ausreichend untergebracht. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 28.10.1999 den Bescheid der Beklagten und ihren Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin als Wohnungssuchende zu registrieren. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht u. a. ausgeführt, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 der Verordnung über die Überlassung von Sozialwohnungen in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf. Sie sei als Sozialhilfeempfängerin wohnberechtigt im Sinne dieser Vorschrift, da ihr Einkommen nicht die sich aus § 25 Abs. 2 des II. Wohnungsbaugesetzes - WoBauG - ergebende Einkommensgrenze übersteige. Der Bezug einer öffentlich geförderten Wohnung durch die Klägerin wäre auch nicht offensichtlich ungerechtfertigt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 6 Wohnungsbindungsgesetz - WoBindG -. Das Hessische Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz habe in seinem Erlass vom 13.04.1992 (StAnz. S. 1087) eine Wohnung mit zwei Wohnräumen für Alleinerziehende mit Kind als nicht ausreichend angesehen. Künftig sei bei der Benennung von Wohnungssuchenden für Alleinerziehende mit einem Kind eine Wohnung mit nicht mehr als 3 Wohnräumen zuzüglich Küche und den zur Wohnung gehörenden Nebenräumen (ohne Rücksicht auf die Wohnfläche) als angemessen anzusehen. Es sei nicht gerechtfertigt, wenn die Beklagte einer Alleinerziehenden mit Kind eine Wohnung mit drei vollwertigen Zimmern vermitteln dürfte, während die Klägerin als Alleinerziehende mit zwei Kindern, die in einer Wohnung lebe, in der das dritte Zimmer nicht vollwertig sei (§ 47 Abs. 3 Satz 4 HBO), von dem Vergabeverfahren nach § 5 a WoBindG von vornherein ausgeschlossen wäre.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrem am 01.02.2000 eingegangenen Antrag auf Zulassung der Berufung, den sie auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stützt.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, denn der von der Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund ist nicht gegeben. Die Beklagte macht geltend, das Verwaltungsgericht habe die von ihm zitierte Vorschrift des § 47 Abs. 3 Satz 1 HBO unzutreffend interpretiert, denn nach dieser Vorschrift sei bei mehreren Wohn- und Schlafräumen ein Raum mit mindestens 6 qm Grundfläche zulässig. Da die Wohnung der Klägerin aus drei Wohn- bzw. Schlafräumen bestehe, sei der dritte Raum mit 8,5 qm Grundfläche als ein vollwertiger Raum im Sinne der vorgenannten Bestimmung zu betrachten.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu begründen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nur dann hinreichend dargelegt, wenn sich der Antragsteller mit den Entscheidungsgründen auseinandersetzt und im Einzelnen anführt, welche Erwägungen er für zutreffend hält, aus welchen Gründen sich die Unrichtigkeit ergeben soll und warum dies im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Es genügt nicht, die Richtigkeit einzelner Begründungselemente in Zweifel zu ziehen, vielmehr muss dargelegt werden, dass die Entscheidung im Ergebnis fehlerhaft ist. Ob die im Wesentlichen zu § 47 Abs. 3 Satz 4 HBO gemachten Ausführungen der Beklagten in der Antragsschrift den vorgenannten Darlegungsanforderungen genügen, kann dahingestellt bleiben, da sie ernstliche Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht zu begründen vermögen. Das Verwaltungsgericht ist zu zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin gemäß § 2 der Verordnung über die Überlassung von Sozialwohnungen in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf vom 21.10.1994 (GVBl. I S. 623) als Wohnberechtigte einen Anspruch auf Registrierung als Wohnungssuchende hat. Dieser Anspruch besteht in der für das Benennungsrecht der Beklagten nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der vorgenannten Verordnung verbindlichen Form, für das die soziale Dringlichkeit der Bewerbung unter Berücksichtigung der Anforderungen des § 5 a Satz 3 WoBindG maßgebend ist. Die zur Auswahl Benannten brauchen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung vom 21.10.1994 keine Bescheinigung nach § 5 WoBindG, und zwar weder zur Vorlage beim Verfügungsberechtigten noch bei der zuständigen Stelle; diese hat die Voraussetzungen des § 5 WoBindG vor der Benennung zu prüfen. Die Wohnraumberechtigungsbescheinigung ist deshalb entbehrlich, weil nur ein Wohnungssuchender benannt werden darf, der wohnberechtigt ist und bei dem die Voraussetzungen für die Ausstellung der Wohnberechtigungsbescheinigung erfüllt sind und die Wohnberechtigung gegenüber dem Verfügungsberechtigten nur durch die behördliche Benennung nachgewiesen ist (Fischer-Dieskau, Pergande, Schwender, Wohnungsbaurecht, Stand: September 1998, § 5 a WoBindG, Anm. 2.6).

Die Klägerin ist wohnberechtigte Wohnungssuchende im Sinne des § 2 Satz 1 der Verordnung vom 21.10.1994. Voraussetzung für die Wohnberechtigung ist, dass das Einkommen des Wohnungssuchenden die Einkommensgrenze des § 25 Abs. 1 II. WoBauG nicht übersteigt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 WoBindG) und er über unzureichenden Wohnraum verfügt. Sind diese Voraussetzungen - wie hier - erfüllt, dann hat der Wohnungssuchende einen Rechtsanspruch auf die Registrierung als Wohnungssuchender. Das Einkommen der Klägerin als Sozialhilfeempfängerin übersteigt nicht die Einkommensgrenze des § 25 Abs. 2 II. WoBauG. Das Verwaltungsgericht hat auch die soziale Dringlichkeit im Sinne des § 4 Satz 1 der Verordnung vom 21. Oktober 1994 zu Recht bejaht, wonach eine Wohnungsbewerbung insbesondere dann sozial dringlich ist, wenn Wohnungssuchende u. a. unzureichend untergebracht sind. Allerdings hat das Verwaltungsgericht diese Frage zu Unrecht im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 6 WoBindG geprüft. Nach dieser Vorschrift ist eine Bescheinigung zu versagen, wenn auch bei Einhaltung der Einkommensgrenze der Bezug öffentlich geförderter Wohnungen offensichtlich nicht gerechtfertigt wäre. Der Bezug einer öffentlich geförderten Wohnung ist im Sinne der vorgenannten Bestimmung offensichtlich nicht gerechtfertigt, wenn er als missbräuchlich angesehen werden müsste. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn die Einkommensgrenze nur deshalb eingehalten wird, weil hohe Verluste im steuerrechtlichen Sinne zu einer wesentlichen Einkommensverringerung geführt haben oder wenn der Antragsteller zwar gegenwärtig aufgrund seiner Einkommensverhältnisse noch wohnberechtigt ist, jedoch in Kürze sein Einkommen die Einkommensgrenze übersteigen wird (Fischer-Dieskau, Pergande, Schwender, a.a.O., § 5 WoBindG Anm. 3.6). Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin unzureichend im Sinne des § 4 der Verordnung vom 21.10.1994 untergebracht ist. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich das Verwaltungsgericht zur Auslegung des Begriffs "unzureichend untergebracht" auf den Erlass des Hessischen Ministeriums für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 13.04.1992 (StAnz. S. 1087) stützt, wonach für Alleinerziehende mit Kind eine Wohnung mit nicht mehr als drei Wohnräumen zuzüglich Küche und der zur Wohnung gehörenden Nebenräume (ohne Rücksicht auf die Wohnfläche) als angemessen bezeichnet wird. Es begegnet keinem ernstlichen Zweifel, diese Regelung erst Recht auf eine Alleinerziehende mit zwei Kindern anzuwenden.

Ebenfalls nicht zu beanstanden sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach die Klägerin keine Wohnung mit drei Wohnräumen im Sinne des vorgenannten Erlasses bewohnt. Dies wird von der Beklagten im Widerspruchsbescheid selbst eingeräumt, denn dort bezeichnet sie die Wohnung der Klägerin selbst als eine 2 1/2-Zimmer-Wohnung, allerdings mit der Einschränkung, dass das halbe Zimmer ein vollwertiger Wohnraum sei. Für ihre Auffassung kann sich die Beklagte jedoch nicht auf § 47 Abs. 3 Satz 4 HBO stützen, wonach bei mehreren Wohn- und Schlafräumen einer Wohnung ein Raum mit mindestens 6 qm zulässig ist. Kinderzimmer sollen grundsätzlich eine Mindestgröße von 10 qm haben, da hier durch die zusammenfallenden Funktionen Wohnen bzw. Spielen und Schlafen ein höheres Raumbedürfnis besteht. Auf diesen Überlegungen beruht auch die Regelung des § 47 Abs. 3 Satz 3 HBO, mit dem die zuvor in § 17 Abs. 3 AllgDVOHBO festgelegte Mindestgröße von 6 qm angehoben wurde. Wegen der Bestimmung der Nutzungsart der Räume durch die nutzenden Personen und der mangelnden bauaufsichtlichen Überwachung beim Nutzungswechsel hat der hessische Gesetzgeber jedoch bei mehreren Wohn- und Schlafräumen an der Zulässigkeit eines Raumes mit 6 qm Grundfläche festgehalten, um bewährte Wohnformen für Kleinhaushalte nicht auszuschließen (Drucks. 13/4813 S. 142 f.). Selbst wenn der Maßstab des § 47 Abs. 3 Satz 4 HBO auf die Wohnung der Klägerin anzuwenden wäre, erfüllte das 2,30 m x 3,50 m große dritte Zimmer nicht die nach dem Baurecht zu stellenden Mindestanforderungen an gesundes Wohnen und Schlafen, denn hierfür wäre eine Mindestbreite von 2,50 m erforderlich (vgl. Simon, Bay. BauO 1994, Stand: November 1995, Art. 48, Rn. 4), die hier nicht gewahrt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 13 Abs. 1, 14 GKG. Der Senat bewertet das Verwaltungsinteresse der Beklagten für das Antragsverfahren mit 8.000,-- DM.

Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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