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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.01.2009
Aktenzeichen: 5 A 1532/08.Z
Rechtsgebiete: HessKAG


Vorschriften:

HessKAG § 11 Abs. 1
HessKAG § 11 Abs. 3
Straßenbeitragssatzung der Stadt Kronberg vom 2.6.2006
Der Beitragsfähigkeit eines abnutzungsbedingt nach Ablauf der üblichen Lebensdauer der Straßenanlage durchgeführten Um- und Ausbaus steht nicht entgegen, dass die Gemeinde sich bei dieser Gelegenheit nicht auf eine Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbildes der Anlage beschränkt, sondern Veränderungen mit dem Ziel eines nunmehr verkehrsberuhigten Ausbaus vornimmt.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 A 1532/08.Z

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Heranziehung zu Vorausleistungen auf einen Straßenbeitrag;

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 5. Januar 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2008 - 12 E 3537/07(2) - wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 9.521,-- € festgesetzt.

Gründe:

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3, 4 und 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - gestützte Zulassungsantrag der Klägerin ist fristgemäß gestellt und begründet worden und auch im Übrigen zulässig. In der Sache kann er jedoch keinen Erfolg haben, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

Nicht in Betracht kommt zunächst eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Weder das gegen die Gültigkeit der Straßenbeitragssatzung der Beklagten gerichtete Vorbringen der Klägerin noch die Einwände gegen die Annahme eines beitragsfähigen Um- und Ausbaus der Höhenstraße im Stadtteil Schönberg der Beklagten lassen derartige Zweifel aufkommen.

Ihre Bedenken gegen die Gültigkeit der Satzung begründet die Klägerin damit, dass die in § 6 der Straßenbeitragssatzung vom 2. Juni 2006 vorgesehene Verteilung des umlegungsfähigen Aufwands "auf die erschlossenen Grundstücke" nicht mit der Anknüpfung an die vorteilhafte Inanspruchnahmemöglichkeit in § 11 Abs. 1 des Gesetzes über Kommunale Abgaben in Hessen - HessKAG - übereinstimme. Die fragliche Satzungsregelung sei, wie es die Beklagte selbst darstelle, so zu verstehen, dass es für die Beteiligung der Grundstücke an dem zu verteilendem Aufwand auf deren bauliche Nutzbarkeit ankomme. Damit werde der Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke gesetzeswidrig eingeengt, denn die Möglichkeit der vorteilhaften Inanspruchnahme könne - weitergehend - auch bei nicht baulicher Nutzbarkeit bestehen. Dieser Argumentation ist entgegen zu halten, dass der in § 6 der Straßenbeitragssatzung verwendete Erschließungsbegriff ganz offensichtlich nicht deckungsgleich ist mit dem auf die Bebauungsmöglichkeit abzielenden Begriff des Erschlossenseins im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts. Aus der in § 11 der Satzung getroffenen Regelung über den anzuwendenden Nutzungsfaktor bei Außenbereichsgrundstücken ergibt sich, dass auch Nichtbaugrundstücke in die dem Vorteilsausgleich dienende Beitragsbelastung einzubeziehen sind. Letztlich maßgebend für das Erschlossensein im Sinne des § 6 der Straßenbeitragssatzung der Beklagten ist damit die durch ein unmittelbares Angrenzen oder eine gesicherte Zugänglichkeit über ein anderes Grundstück bewirkte Erreichbarkeit von der Straße aus, die es vorteilbringend ermöglicht, das Grundstück bestimmungsgemäß - gegebenenfalls auch in nicht baulicher Weise - zu nutzen. Von diesem Verständnis des Satzungsrechts ausgehend ist eine Abweichung von der gesetzlichen Anknüpfung an die vorteilhafte Inanspruchnahmemöglichkeit nicht zu erkennen. Soweit sich der für die Erhebung von Straßenbeiträgen verwendete Erschließungsbegriff nicht völlig mit dem Erschließungsbegriff des Erschließungsbeitragsrechts deckt, mag das, wie der Senat schon in seinem Beschluss vom 18. Juni 2002 - 5 TG 446/02 - angemerkt hat, auf den ersten Blick irritierend sein. Da sich ein gesetzeskonformes Begriffsverständnis dann aber aus dem Zusammenhang mit den anderen Satzungsregelungen ergibt, besteht kein Grund dafür, die Satzungsregelung als ungültig zu behandeln.

Zur Beitragsfähigkeit des streitigen Um- und Ausbaus dem Grunde nach hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass Fahrbahn und Gehwege der Höhenstraße nach einer Nutzungsdauer von 38 Jahren seit der erstmaligen Herstellung so abgenutzt und verschlissen gewesen seien, dass sie grundlegend hätten erneuert werden müssen. Die Rechtfertigung für die Erhebung eines Straßenbeitrags ergebe sich insoweit aus dem positiven Effekt, der durch die Wiederherstellung der Neuwertigkeit dieser Anlagenteile erzielt werde. Die Bevollmächtigten der Klägerin halten dem in der Begründung des Zulassungsantrags entgegen, dass die Beitragserhebung für die Erneuerung einer abgenutzten Straße nach Ablauf der Lebensdauer voraussetze, dass sich die Gemeinde auch tatsächlich auf eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Straßenanlage beschränke. Werde - wie im vorliegenden Fall - die Anlage wesentlich verändert bzw. baulich umgestaltet, so scheide eine "wiederherstellende" beitragsfähige Erneuerung von vorneherein aus und komme als Beitragstatbestand allein ein "verbessernder" Um- und Ausbau in Betracht, sofern sich eine Verbesserung auch tatsächlich feststellen lasse. Auch dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Soweit nach der Rechtsprechung des Senats die abnutzungsbedingt durchgeführte "schlichte" Erneuerung und die mit dem Ziel der Verbesserung vorgenommene "verändernde" Erneuerung zu unterscheiden sind, handelt es sich um zwei idealtypische Erscheinungsformen des nach § 11 Abs. 1 und 3 HessKAG beitragsfähigen Um- und Ausbaus. Mit ihnen wird zum Ausdruck gebracht, dass da, wo sich die Beitragserhebung mit der Wiederversetzung einer abgenutzten Anlage in einen neuwertigen Zustand rechtfertigt, es nicht zusätzlich einer verbessernden Veränderung bedarf, andererseits aber da, wo die Rechtfertigung in einer auf Veränderung beruhenden Verbesserung zu sehen ist, es nicht notwendig auf die Feststellung einer umfassenden Abnutzung, beruhend auf dem zwischenzeitlichen Ablauf der Lebensdauer, ankommt. Die Idealtypik der "Wiederherstellung" bei abnutzungsbedingter Erneuerung hindert die Gemeinde nicht etwa daran, bei dieser Gelegenheit Veränderungen vorzunehmen, die der Realisierung einer neuen Verkehrskonzeption - wie im vorliegenden Fall die angestrebte Verkehrsberuhigung - dienen. Macht sie von dieser Möglichkeit Gebrauch, so lässt dies die Rechtfertigung der Baumaßnahme mit der umfänglichen Abnutzung und dem daraus resultierenden Bedürfnis nach Erneuerung nicht entfallen. Daher kann die Beitragserhebung nach wie vor allein auf den Gesichtspunkt der Wiederherstellung der Neuwertigkeit nach umfänglicher Abnutzung gestützt werden. Die grundsätzliche Beitragsfähigkeit wäre nur dann in Frage gestellt, wenn die Gemeinde bei den aus Anlass der abnutzungsbedingten Erneuerung vorgenommenen baulichen Veränderungen den Rahmen des "Erforderlichen" verlassen würde. Unter Berücksichtigung des weiten Ermessens, welches der Gemeinde in diesem Punkt zusteht, ist davon aber im vorliegenden Fall nicht auszugehen.

Da die hier streitige Straßenbaumaßnahme bereits als abnutzungsbedingte Erneuerung nach Ablauf der Lebensdauer der Straßenanlage beitragsfähig ist, kann dahinstehen, ob sich unabhängig davon die Beitragserhebung auch auf den Tatbestand der durch bauliche Veränderung zu bewirkenden Verbesserung stützen lässt, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat. Es erübrigt sich insoweit, auf den gegen die Annahme einer Verbesserung gerichteten Einwand der Klägerin einzugehen, als Folge der baulichen Umgestaltung träten hier "erhebliche Nachteile" ein wie Erschwerung des Parkens, Verlust von verfügbaren Verkehrsraum, Staubildung durch Verschwenkung und Verengung der Fahrbahn, Erschwerung des Begegnungsverkehrs, so dass der allenfalls "geringe" Vorteil, der in der Neuaufteilung der Verkehrsfläche zu sehen sei, vollständig "kompensiert" werde. Zu diesem Punkt sei in Anlehnung an entsprechende Ausführungen des Verwaltungsgerichts nur soviel gesagt, dass gewisse Erschwerungen wie z.B. die auf einer Fahrbahnverengung beruhende Verlangsamung des Verkehrs durchaus auf der Linie der angestrebten Verkehrsberuhigung liegen und sich so nicht eigentlich als "Nachteile" bezeichnen lassen, die einen Verbesserungseffekt wieder aufzehren.

Auch die anderen Zulassungsgründe, die die Klägerin geltend macht, können nicht zur Zulassung der Berufung führen. So weist zum einen das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts keine entscheidungserhebliche Abweichung vom Beschluss des Senats vom 18. Juni 2002 - 5 TG 441/02 - auf. Davon ausgehend, dass der in § 6 der Straßenbeitragssatzung der Beklagten verwendete Erschließungsbegriff weiter ist als der auf die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke ausgerichtete Erschließungsbegriff des Erschließungsbeitragsrechts, lässt sich ein inhaltlicher Widerspruch zu der Aussage des Senats, dass der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Verteilung des umlegungsfähigen Aufwands im Straßenbeitragsrecht die vorteilhafte Inanspruchnahmemöglichkeit ist, nicht feststellen. - Dem Rechtsstreit kommt auch nicht die von dem Bevollmächtigten der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu. Die in der Antragsbegründung aufgeworfene Frage, ob als Fall einer nach Ablauf der üblichen Lebensdauer abnutzungsbedingt vorgenommenen beitragsfähigen Erneuerung auch eine mit Änderungen des ursprünglichen Erscheinungsbildes der Straßenanlage verbundene Erneuerung angesehen werden könne, ist - wie oben im Einzelnen dargelegt - schon auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung zu bejahen. Damit fehlt es an dem für eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung vorausgesetzten obergerichtlichen Klärungsbedarf in dieser Frage. - Nicht ersichtlich ist schließlich das Vorliegen eines Verfahrensfehlers, auf dem im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO die Entscheidung beruhen kann. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe es durch Offenlassen der Alternativen der abnutzungsbedingten grundlegenden Erneuerung einerseits und des verändernden Um- und Ausbaus mit dem Ziel der Verbesserung andererseits an der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts fehlen lassen, ist unberechtigt. Richtig ist vielmehr, dass das Verwaltungsgericht beide Varianten geprüft und dabei für beide Konstellationen die Beitragsfähigkeit bejaht hat. Soweit des Weiteren das Verwaltungsgericht auch unabhängig von diesbezüglichem Vorbringen der Beteiligten den Sachverhalt ermittelt und bewertet hat und so z.B. zu der Feststellung gelangt ist, dass die Fahrbahn und die Gehwege durch die neue Straßenbeleuchtung besser ausgeleuchtet würden, ist auch das keine verfahrensfehlerhafte Vorgehensweise. Eine strikte Bindung des Gerichts an Parteivorbringen bei der Sammlung und Bewertung des Prozessstoffs gibt es in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess nicht. Auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Charakter verkehrsberuhigender Maßnahmen und die daraus abgeleiteten Folgerungen für den mit der baulichen Umgestaltung der Verkehrsfläche verbundenen Verbesserungseffekt lösen unter diesem Aspekt keine verfahrensrechtlichen Bedenken aus.

Der Zulassungsantrag der Klägerin ist nach allem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Entscheidung über die Höhe des Streitwerts beruht auf den §§ 52 Abs. 3, 47 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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