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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 02.09.2009
Aktenzeichen: 5 A 631/08
Rechtsgebiete: HessKAG


Vorschriften:

HessKAG § 10 Abs. 3 Satz 1
Die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Entwässerungsgebühr für die Schmutz- und Niederschlagsableitung setzt ein annähernd gleich bleibendes Verhältnis zwischen der überbauten/versiegelten Grundstücksfläche und der Frischwasserbezugsmenge auf den Grundstücken des Entsorgungsgebietes voraus. Hiervon kann auf Grund der heutigen Wohn- und Lebensgewohnheiten, die durch deutliche Unterschiede in der Wohnstruktur auf den einzelnen Grundstücken gekennzeichnet sind, auch für die Städte und Gemeinden in Hessen kaum noch ausgegangen werden.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 A 631/08

Verkündet am 2. September 2009

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Abwassergebühren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider, ehrenamtlicher Richter Janda, ehrenamtlicher Richter Dr. Gudehus

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. September 2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 14. September 2006 - 6 E 1900/04 (V) - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main, durch das ihre Bescheide über die Heranziehung der Klägerin zu Abwassergebühren für die Jahre 2002 und 2003 aufgehoben worden sind.

Die Klägerin ist Miteigentümerin des bebauten Grundstücks A-Straße im Stadtgebiet der Beklagten, das an die öffentliche Kanalisation für Schmutz- und Niederschlagswasser angeschlossen ist. Nach § 24 Abs. 1 der Entwässerungssatzung der Beklagten vom 13. November 2000 ist Gebührenmaßstab für das Einleiten häuslichen Abwassers der Frischwasserverbrauch auf den angeschlossenen Grundstücken. Die Gebühr belief sich im Jahr 2002 auf 2,43 € pro Kubikmeter Frischwasserverbrauch und im Jahr 2003 - nach Anhebung des Gebührensatzes durch die erste Änderungssatzung vom 11. November 2002 - auf 2,76 €.

Die Beklagte setzte die auf das Grundstück der Klägerin entfallende Abwassergebühr mit Grundbesitzabgabenbescheid vom 9. Januar 2003 für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2002 auf 641,52 € und mit Grundbesitzabgabenbescheid vom 12. Januar 2004 für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2003 auf 524,40 € fest. Die Bescheide enthalten darüber hinaus Festsetzungen zur Höhe des "Wassergeldes" für die fraglichen Zeiträume.

Mit ihren Widersprüchen vom 9. Februar 2003 gegen den Bescheid vom 9. Januar 2003 und vom 31. Januar 2004 gegen den Bescheid vom 12. Januar 2004 machte die Klägerin geltend, der von der Beklagten gewählte Maßstab für die Bemessung der Abwassergebühren sei rechtswidrig, weil er auch für das in die Kanalisation abgeleitete Niederschlagswasser auf den Frischwasserverbrauch abstelle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2004 wies die Beklagte die Widersprüche zurück und führte zur Begründung aus, der für die Entwässerungsgebühren einheitlich zugrunde gelegte Frischwassermaßstab sei zulässig. Nach der Mehrkostenmethode entfalle auf die Niederschlagswasserbeseitigung lediglich ein Kostenanteil von 10,36% der Gesamtkosten. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die von der Rechtsprechung geforderte Homogenität der Siedlungsstruktur im Stadtgebiet gegeben sei.

Mit Schreiben vom 19. April 2004 - bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am 21. April 2004 eingegangen - hat die Klägerin gegen die oben genannten Abgabenbescheide, soweit darin Abwassergebühren festgesetzt sind, Klage erhoben. Die unter den Aktenzeichen 6 E 1900/04 (V) und 6 E 1901/04 (V) geführten Klageverfahren wurden mit Beschluss vom 29. September 2005 zur gemeinsamen Entscheidung unter dem Aktenzeichen E 1900/04 (V) verbunden.

Die Klägerin wandte sich mit ihrer Klage erneut gegen die einheitliche Bemessung der Abwassergebühren nach dem Frischwassermaßstab. Die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für die Anwendung des Frischwassermaßstabes auch auf das Niederschlagswasser lägen nicht vor. Bei sachgerechter Kostenzuordnung betrügen die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung mindestens 35% der gesamten Entwässerungskosten. Ebenso fehle es an der von der Rechtsprechung geforderten Homogenität der Siedlungsstruktur. Der Anteil der Gebäude mit drei und mehr Wohnungen betrage im Stadtgebiet der Beklagten schon 13,51%. Bei dem angenommenen Regelfall eines Grundstücks mit ein- oder zweigeschossiger Einfamilienhausbebauung gebe es insgesamt 38% atypische Grundstücke im Stadtgebiet.

Die Klägerin hat beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 9. Januar 2003 und 12. Januar 2004 betreffend die Grundbesitzabgaben insoweit aufzuheben, als darin Gebühren für die Abwasserbeseitigung in Höhe von 641,52 € bzw. 524,40 € enthalten sind, sowie den Widerspruchsbescheid vom 5. April 2004 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, die Bebauungsstruktur des Stadtgebietes sei homogen. Normaltyp sei die Bebauung mit Ein- oder Zweifamilienhäusern. Bei 5740 Anschlussteilnehmern entsprächen nur 390 Grundstücke nicht diesem Normaltyp. Unter Zugrundelegung der Mehrkostenmethode liege der Kostenanteil der Regenwasserentsorgung bei weniger als 12% der Gesamtkosten der Abwasserbeseitigung. Gegen die Änderung des Gebührenmaßstabes für die Entwässerung spreche auch, dass aufgrund der topografischen Situation der Stadt und der Struktur der Böden im Stadtgebiet mit geringer bis sehr geringer Durchlässigkeit eine Versickerung der Niederschlagswässer nicht möglich sei. Die bei einer gesplitteten Gebühr naheliegende Entsiegelung von Flächen könne deshalb zu verheerenden Folgen wie z. B. Überschwemmungen führen.

Mit Beschluss vom 29. September 2005 hat das Verwaltungsgericht der Beklagten aufgegeben, den tatsächlichen prozentualen Anteil von Schmutzwasser einerseits und Niederschlagswasser andererseits an dem Abwasser in der Kanalisation der Beklagten für die Jahre 2002 und 2003 zu ermitteln und die für die Abwasserbeseitigung dieser Jahre entstandenen Kosten diesen beiden Abwasserarten nach ihrer Inanspruchnahme der Kanalisation prozentual zuzuordnen. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Gutachten des Diplomingenieurs X... vom 27. Januar 2006 (Blatt 407 ff. der Gerichtsakte) und der Kalkulation der Beklagten (Blatt 468 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 14. September 2006 hat das Verwaltungsgericht die angegriffenen Bescheide in dem beantragten Umfang aufgehoben. Zur Begründung führt es aus, die Bescheide seien rechtswidrig, da sie auf einer unwirksamen Bemessungsgrundlage beruhten. Der von der Beklagten in ihrer Entwässerungssatzung gewählte Frischwassermaßstab, der das auf dem Grundstück anfallende Niederschlagswasser völlig außer Betracht lasse, verstoße gegen § 10 Abs. 3 Hess. KAG. Nach dieser Vorschrift seien die Gebühren nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der Einrichtung zu bemessen. Dabei sei es nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zulässig, dass die Gebührenbemessung unter Verzicht auf eine exakte Leistungsermittlung an Merkmale anknüpfe, die in einer bestimmten abhängigen Beziehung zur Leistungsmenge stünden. Ein solcher Wirklichkeitsmaßstab könne insbesondere dann gewählt werden, wenn es technisch unmöglich oder mit unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden sei, die genaue Leistungsmenge im Einzelfall festzustellen. Bei der Wahl des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes müsse allerdings auf die Indizwirkung des Maßstabes geachtet werden. Die Vernachlässigung der Leistungsunterschiede bei einer pauschalierten Einheitsgebühr dürfe nicht zu einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bzw. des den Gleichheitssatz konkretisierenden landesrechtlichen Grundsatzes der leistungsgerechten Gebührenbemessung führen. Eine pauschalierte Einheitsgebühr für Schmutz- und Niederschlagswasser nach dem Frischwassermaßstab sei mit diesem Grundsatz nur dann zu vereinbaren, wenn entweder die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung im Vergleich zu den Kosten der Schmutzwasserbeseitigung so gering seien, dass sie vernachlässigt werden könnten, oder wenn auf den Grundstücken des Entsorgungsgebietes das Verhältnis zwischen abzuleitender Niederschlagswassermenge und abzuleitender Schmutzwassermenge so weitgehend vergleichbar sei, dass es aus diesem Grunde einer besonderen Berücksichtigung der Niederschlagswasserableitung bei der Gebührenbemessung nicht bedürfe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien die Kosten für die Beseitigung des Niederschlagswassers in diesem Sinne geringfügig, wenn sie nicht mehr als 12% der Gesamtkosten der Entwässerung betrügen. Vergleichbare Grundstücksverhältnisse in Bezug auf die Mengen von abzuleitendem Schmutzwasser und Niederschlagswasser lägen dann vor, wenn der Anteil der vom durchschnittlichen Grundstückstyp abweichenden Entwässerungsverhältnisse nicht über 10% aller zu entwässernden Grundstücke liege. Keine dieser Voraussetzungen rechtfertige für das Stadtgebiet der Beklagten die Anwendung des Frischwassermaßstabes. Die von der Beklagten zur Bestimmung des fiktiven Kostenanteils der Niederschlagswasserbeseitigung zugrunde gelegte Mehrkostenmethode sei nicht tragfähig, da sie mit Annahmen arbeite, die von den wirklichen Kostenanteilen weit entfernt seien. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die gestiegenen wasserwirtschaftlichen Anforderungen an die Behandlung und Beseitigung des Niederschlagswassers. Eine in der Tendenz realistischere Berechnung des Kostenanteils der Niederschlagswasserbeseitigung ergebe sich dagegen aus dem von der Beklagten vorgelegten Gutachten des Diplomingenieurs X... und ihren darauf aufbauenden Berechnungen. Nach dem Gutachten habe der Regenwasseranteil am gesamten Abwasser im Stadtgebiet der Beklagten im relativ niederschlagsarmen Jahr 2003 mindestens 25% betragen, woraus sich ein Kostenanteil der Niederschlagswasserbeseitigung von mindestens 17,38% ergebe. Im Übrigen weise auch die Siedlungsstruktur im Stadtgebiet der Beklagten eine hinreichende Homogenität im Sinne der 10% - Regel nicht auf. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten sei der Normaltyp im Stadtgebiet das Ein- und Zweifamilienhausgrundstück. Aus den vorgelegten statistischen Erhebungen der Beklagten ergebe sich jedoch, dass bereits der Anteil von Drei- und Mehrfamiliengebäuden am Gesamtbestand 13,51% betrage, wobei offenbar die Gebäude mit anderen Nutzungen als der Wohnnutzung noch nicht eingerechnet worden seien. Nach allem könne der reine Frischwassermaßstab zur Berechnung der Abwassergebühr keinen rechtlichen Bestand haben.

Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 3. März 2008 - 5 UZ 604/07 - die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zugelassen. Der Beschluss wurde den Bevollmächtigten der Beklagten am 11. März 2008 zugestellt.

Innerhalb der vom Vorsitzenden bis zum 5. Mai 2008 verlängerten Frist hat der Bevollmächtigte der Beklagten die Berufung begründet und hierzu ausgeführt, der von der Beklagten in ihrer Entwässerungssatzung gewählte Wahrscheinlichkeitsmaßstab sei nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für die Verwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabes für die Entsorgung von Schmutz- und Niederschlagswasser seien erfüllt. Der Aufwand für die Beseitigung des Niederschlagswassers sei gering. Der Kostenanteil sei mit Hilfe der Mehrkostenmethode auf insgesamt 10,36% beziffert worden. Die Anwendung dieser Methode sei vom Senat im Beschluss vom 27. September 2006 - 5 N 358/04 - gebilligt worden. Dagegen überzeuge die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Alternativberechnung nicht, weil nicht allein aus dem Verhältnis der Niederschlagswassermenge zur Gesamtwassermenge auf die anteiligen Kosten geschlossen werden könne.

Darüber hinaus weise das Stadtgebiet der Beklagten eine derart homogene Siedlungsstruktur auf, dass der Anteil atypischer Grundstücke deutlich unter der 10%-Grenze liege. Erstinstanzlich sei bereits vorgetragen worden, dass im Stadtgebiet der Beklagten 364 nicht typischen Grundstücken insgesamt 5740 typische Grundstücke gegenüberstünden. Typisch sei eine Wohnbebauung mit zwei- bis viergeschossiger Bebauung. Untypisch seien dagegen deutlich größere Wohneinheiten sowie industriell genutzte Grundstücke.

Zur Konkretisierung ihres Vorbringens hat die Beklagte im Berufungsverfahren zum einen die genaue Zahl der industriell/gewerblich genutzten Grundstücke einschließlich der Größe der versiegelten Flächen dargestellt und diese Grundstücke als vom Regelfall abweichend qualifiziert. Hinsichtlich der Wohnbebauung hat sie für jedes Grundstück die Zahl der Bewohner ermittelt und unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Bewohnerzahl von 2,2 Personen pro Wohnung sowie der Annahme, dass sich in den Gebäuden pro Geschoss eine Wohnung befindet, all die Gebäude als untypisch qualifiziert, in denen mehr als 8,8 Personen wohnen. Auf diese Weise hat sie für die von einer zwei- bis viergeschossigen Bebauung abweichenden Grundstücke einen Anteil am Gesamtbestand ermittelt, der bei 8,13% liegt. Die Beklagte trägt dazu vor: Soweit die Klägerseite - in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht - von einem Prozentsatz von 13,59% abweichender Fälle ausgehe, werde übersehen, dass das Verwaltungsgericht von der unzutreffenden Annahme ausgegangen sei, die typische Bebauung bestünde in einer ein- und zweigeschossigen Bauweise. Der Ansatz der Klägerin, bei der Prüfung der Homogenität nicht auf die Zahl der Geschosse, sondern auf die Zahl der Wohneinheiten abzustellen, stehe im Widerspruch zu den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, wonach es für die Homogenität auf die Geschosszahl oder die Kubatur des Gebäudes ankomme. Im Übrigen habe das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gebilligt, wonach bei Gemeinden bis zu einer Größenordnung von 60.000 bis 80.000 Einwohnern von homogenen Abwasserverhältnissen im Gemeindegebiet auszugehen sei.

Gegen die Notwendigkeit einer Abkehr vom einheitlichen Frischwassermaßstab spreche vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes und des Grundsatzes der leistungsgerechten Gebührenbemessung auch, dass die Wahl des Gebührenmaßstabes wirtschaftlich vertretbar sein müsse. Für kleinere Städte und Gemeinden sei der Übergang zu einem Maßstab, bei dem das tatsächlich abgeleitete Niederschlagswasser gemessen und ermittelt werde, mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. Wolle man die versiegelten Flächen der Grundstücke, von denen auf die eingeleitete Menge an Niederschlagswasser geschlossen werden könne, ermitteln, so erfordere dies die Begehung der einzelnen Grundstücke mit entsprechenden Messungen, die Erfassung durch Aufnahmen aus der Luft oder schließlich eine Befragung der Grundstückseigentümer. Hierfür seien erhebliche personelle Kapazitäten bzw. finanzielle Mittel erforderlich, die in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zum Ertrag einer größeren Wirklichkeitsnähe stünden. Das Argument des OVG Münster in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 2007 - 9 A 3648/04 -, es könnten ohne großen finanziellen Aufwand im Rahmen einer Selbstveranlagung der Gebührenschuldner die an die Abwasseranlage angeschlossenen versiegelten Flächen ermittelt werden, überzeuge nicht. Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen worden sei, führten Selbstauskünfte oder Selbstveranlagungen nicht zu brauchbaren Ergebnissen. Eine Vielzahl von Gebührenschuldnern entziehe sich regelmäßig der zutreffenden Erfassung der versiegelten Grundstücksflächen durch fehlende oder fehlerhafte Angaben. Hinzu komme eine große Zahl unbewusster Falschangaben; viele Grundstückseigentümer seien mit den notwendigen Angaben schlicht überfordert. Eine Anfrage der Beklagten bei dem Hessischen Städtetag habe ergeben, dass lediglich noch 13 von 36 Gemeinden das Mittel der Selbsterklärung wählten, während 15 Gemeinden zum Mittel der Befliegung mit nachfolgender Auswertung griffen. All dies zeige, dass die gesplittete Abwassergebühr tatsächlich und rechtlich im Ergebnis undurchführbar sei. Die Befliegungsmethode sei unvertretbar kostspielig und ungenau und das Mittel der Selbsterklärung äußerst fehlerbehaftet. Zweifelhaft sei im Übrigen, ob derartige Kosten über Gebühren refinanzierbar seien, da es sich um Kosten für eine Maßnahme handele, die als solche zur Leistungserbringung nicht erforderlich sei.

Die von der Klägerseite zitierte neue Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen überspanne die Anforderungen, die der Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip im Gebühren- und Beitragsrecht statuierten. Konsequenz dieser Rechtsprechung sei die Abkehr von der Zulässigkeit eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes und damit von den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht zu den Möglichkeiten der Typisierung aufgestellt habe. Das Oberverwaltungsgericht räume dem Satzungsgeber bei der Wahl des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes ein weites Ermessen ein, gebe aber zugleich das Kriterium der homogenen Bebauung auf, wenn es trotz homogener Siedlungsstruktur regelmäßig ein offensichtliches Missverhältnis bei Anwendung des Frischwassermaßstabes annehme. Soweit dies mit Veränderungen in den Lebensverhältnissen der Bewohner begründet werde, fehle dafür jeder sozialwissenschaftlich belegte Nachweis. Faktisch gebe das OVG die anerkannten Beurteilungsmaßstäbe ohne tragfähige Begründung auf.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 2006 - 6 E 1900/04 (V) - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung macht sie geltend: Die Abwassergebühr nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Hess. KAG sei nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung im Sinne des Grundsatzes der Leistungsproportionalität zu bemessen. Der gewählte Maßstab - hier der Frischwassermaßstab - dürfe nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Inanspruchnahme stehen. Dies bedeute, dass die Relation der jeweiligen Schmutz- und Niederschlagswassermengen in etwa gleich sein müsse. Die dem Kanal zugeführte Schmutzwassermenge werde weitgehend durch den Frischwasserbezug bestimmt. Die zu entsorgende Regenwassermenge resultiere dagegen ausschließlich aus der Größe der bebauten und befestigten (versiegelten) Grundstücksflächen. Da es hinsichtlich der Beseitigung des Niederschlagswassers an einem hinreichenden Zusammenhang zwischen dem Wasserverbrauch und dem Umfang der Inanspruchnahme fehle, sei der Frischwasserbezug keine taugliche Bemessungsgröße für die Umlegung der Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung. Deshalb sei der einheitliche Frischwassermaßstab generell unzulässig. Selbst wenn man an der Rechtsprechung über die "Homogenität der Siedlungsstruktur" festhalte, dürfe der Einheitsmaßstab nicht zu Gebührenmehrbelastungen führen, die nicht mit dem Gleichheitssatz und dem Äquivalenzprinzip vereinbar seien. Bei der Homogenitätsprüfung dürfe sich die Beurteilung der Gleichartigkeit der Siedlungsstruktur nicht auf das äußere Erscheinungsbild der Bebauung beschränken. Kriterien zur Ermittlung der durchschnittlichen Gebührenlast seien der Wasserverbrauch, die Personenzahl je Haushalt und die Wohngebäude mit der Zahl der darin befindlichen Wohnungen (Haushalte). Während die Größe der versiegelten Flächen unverändert bleibe, steige die Gebührenlast proportional zur Personenzahl eines Haushalts. Die annähernd gleiche Relation der Abwasserarten sei bereits ab einem Vier- bis Fünfpersonenhaushalt gröblich gestört. Beziehe man die gewerblich bzw. industriell genutzten Grundstücke, die Mischgebiete, die Gemeinschaftsflächen und die landwirtschaftlichen Betriebe mit ein, verstärke sich das beschriebene Missverhältnis aufgrund der ausgedehnten versiegelten Flächen und des in der Regel geringen Wasserverbrauchs noch einmal deutlich.

Demgegenüber seien die pauschalierenden Verallgemeinerungen und abstrakten Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht geeignet, die Beibehaltung des Einheitsmaßstabes zu rechtfertigen. Konkrete, an den örtlichen Verhältnissen orientierte Darlegungen zu den im Zulassungsbeschluss aufgeworfenen Fragen nach der Abwassermengen-Relation und dem Maß der Versiegelung enthalte der Begründungsschriftsatz nicht. Auch die neuen, im Berufungsverfahren vorgelegten Zahlen genügten den insoweit zu stellenden Anforderungen nicht. Die Geringfügigkeitsgrenze der Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung im Verhältnis zu den Gesamtentwässerungskosten werde überschritten, da die Beklagte den Anteil der Beseitigungskosten für das Niederschlagswasser selbst mit 17,38% errechnete habe. Hinsichtlich der Homogenität der Siedlungsstruktur bezeichne die Beklagte - im Widerspruch zum erstinstanzlichen Vorbringen - als typisch eine zwei- bis viergeschossige Wohnbebauung. Untypisch seien größere Wohneinheiten und industriell genutzte Grundstücke. Die Geschossigkeit der Wohngebäude ergebe aber kaum Aufschluss über den Wasserverbrauch. Verlässliche Aussagekraft komme dagegen der Zahl der - statistisch erfassten - Ein-, Zwei und Mehrfamilienhäuser zu, weil der personenbezogene Frischwasserbezug anhand der amtlichen Daten über die in einer Wohnung bzw. in einem Haushalt lebenden Personen und deren durchschnittlichen Wasserverbrauch jeweils pro Wohneinheit zuverlässig ermittelt werden könne. Danach betrage der Anteil der vom Regeltyp abweichenden Fälle - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen habe - bereits 13,51% der Wohnbebauung. Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg die Homogenität der Siedlungsstruktur allein aus der Einwohnerzahl ableite, verwende sie ein ungeeignetes Kriterium. Schließlich sprächen auch wirtschaftliche Gründe nicht gegen die Einführung einer gesplitteten Abwassergebühr. Zum einen stehe durch die Selbstveranlagung der Grundstückseigentümer eine vernünftige, zweckmäßige und kostengünstige Methode zur Verfügung. Zum anderen müssten Gründe der Wirtschaftlichkeit zurücktreten, wenn nach den gesetzlichen Anforderungen eine Maßstabsänderung notwendig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens (vier Bände) und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (ein Ordner) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die mit Beschluss vom 3. März 2008 - 5 UZ 604/07 - zugelassene Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht begründet worden.

Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bescheide der Beklagten über Grundbesitzabgaben vom 9. Januar 2003 und 12. Januar 2004 für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2003, soweit darin Abwassergebühren festgesetzt sind, und den Widerspruchsbescheid vom 5. April 2004 zu Recht aufgehoben, denn die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Erhebung von Abwassergebühren für die Veranlagungsjahre 2002 und 2003 ist mangels wirksamer Rechtsgrundlage rechtswidrig. § 24 Abs. 1 der Entwässerungssatzung - EWS - der Beklagten in der ursprünglichen Fassung vom 13. November 2000 und in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 11. November 2002, enthält für diese Gebühren keine gültige Bemessungsregelung.

Der in § 24 Abs. 1 für die Einleitung häuslichen Abwassers - das ist nach der Begriffsbestimmung des § 2 EWS das durch Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte Wasser (Schmutzwasser) und das von Niederschlägen aus dem Bereich bebauter oder künstlich befestigten Flächen abfließende und gesammelte Wasser (Niederschlagswasser) - als einheitliche Bemessungsgrundlage vorgesehene Frischwassermaßstab stellt keinen für das Gemeindegebiet der Beklagten zulässigen (Wahrscheinlichkeits-) Maßstab dar, denn er verstößt gegen den aus § 10 Abs. 3 Satz 1 Hess. KAG folgenden Grundsatz der leistungsbezogenen (leistungsproportionalen) Gebührenbemessung. Die durch diese Vorschrift vorgeschriebene Bemessung der Gebühr nach Art und Umfang der Inanspruchnahme erfordert einen Gebührenmaßstab mit einem der Art der Leistung gemäßen Bemessungsfaktor zur Erfassung jedenfalls der wahrscheinlichen Leistungsmenge (Driehaus [Hrsg.], Kommunalabgabenrecht, 40. Erg.Lfg., Stand: März 2009, § 6 Rn. 681). Mit der Wahl des Frischwassermaßstabs für eine die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers abdeckende "Einheitsgebühr" geht der Satzungsgeber davon aus, dass sich in diesem Anknüpfungspunkt neben der Inanspruchnahme der Einrichtung zur Ableitung des Schmutzwassers auch das Maß der Nutzung zur Ableitung des Niederschlagswassers angemessen widerspiegelt, obwohl der Frischwassermaßstab in erster Linie auf die Schmutzwasserbeseitigung zugeschnitten ist. Als pauschalierende Gebühr vernachlässigt die Einheitsgebühr grundsätzlich Leistungsunterschiede, die sich im Hinblick auf die unterschiedliche Inanspruchnahme einzelner Leistungen der abgegoltenen Leistungsgesamtheit ergeben. Mit dem aus § 10 Abs. 3 Satz 1 Hess. KAG folgenden Grundsatz der leistungsgerechten Gebührenbemessung ist eine solche Pauschalierung bei der Gebührenbemessung für das Abwasser nur dann zu vereinbaren, wenn entweder die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung im Vergleich zu den Kosten der Schmutzwasserbeseitigung so gering sind, dass sie vernachlässigt werden können (Senatsbeschluss vom 7. Juni 1985 - V N 3/82 -, KStZ 1985, 193 = ZKF 1985,2 154 = GemHH 1986, 186), oder wenn auf den Grundstücken des Entsorgungsgebietes das Verhältnis zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der nach dem Frischwasserverbrauch berechneten Schmutzwassermenge so weitgehend vergleichbar ist, dass es aus diesem Grunde einer besonderen Berücksichtigung der Niederschlagswasserableitung nicht bedarf (Driehaus [Hrsg.], a.a.O., § 6 Rn. 692b).

Keine dieser Voraussetzungen für eine einheitliche Abwassergebühr nach dem Frischwassermaßstab liegen jedoch im Gemeindegebiet der Beklagten vor.

So sind zum einen die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung im Verhältnis zu den Kosten der Schmutzwasserbeseitigung nicht als geringfügig anzusehen, denn sie überschreiten die von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse vom 12. Juni 1972 - VII B 117.70 -, DÖV 1972,7 122; 25. März 1985 - 8 B 11.84 -, NVwZ 1985, 496 und 27. Oktober 1998 - 8 B 137.98 -, Juris) gezogene Geringfügigkeitsgrenze von 12% der gesamten Abwasserentsorgungskosten.

Zur Ermittlung der Kostenanteile sind jeweils gesonderte Kostenmassen für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung zu bilden. Nach der von der Beklagten vorgenommenen Kostenberechnung ergibt sich ein Kostenanteil von 10,36%. Zur Berechnung dieses Kostenanteils hat die Beklagte in einem ersten Schritt die Differenz zwischen den Gesamtkanalnetzkosten und einem fiktiven kleineren Rohrnetz (>= 300 mm) - als reinem Schmutzwasserkanal - ermittelt. Den überschießenden Anteil hat die Beklagte der Niederschlagsentwässerung zugeordnet und gelangt dadurch zu einem prozentualen Anteil der Grundstücksregenentwässerung an den Gesamtkosten der Kanäle von 10,88% (zu dieser Berechnung: Blatt 95 des Verwaltungsvorganges). Unter Zugrundelegung dieses prozentualen Verhältnisses (Niederschlagswasserentsorgung 10,88% - Schmutzwasserentsorgung 89,12%) wurden sodann - in einem zweiten Schritt - die gebührenfinanzierten Aufwendungen der Gesamteinrichtung auf die Niederschlags- und die Schmutzwasserbeseitigung verteilt, woraus sich der oben genannte Kostenanteil von 10,36% ergab (zu diesem Berechnungsschritt: Blatt 94 des Verwaltungsvorganges). Die Beklagte hat sich danach der vom Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 25. März 1985 - 8 B 11.84 -, KStZ 1985, 129) gebilligten Mehrkostenmethode bedient. In der genannten Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht eine Ermittlung der anteiligen Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung unbeanstandet gelassen, bei welcher der durch die Einbeziehung der Grundstücksregenentwässerung für die Gemeinschaftsanlage Mischwasserkanalisation entstandene Aufwand dem Aufwand gegenübergestellt wird, der für eine reine Schmutzwasserkanalisation entstanden wäre. Der Mehraufwand wird der Grundstücksregenentwässerung zugeordnet und zur Grundlage der Ermittlung des auf sie entfallenden Kostenanteils gemacht. Ob diese Methode der Ermittlung der maßgeblichen Kostenanteile unter Berücksichtigung der geänderten wasserwirtschaftlichen Anforderungen an die Beseitigung des Niederschlagswassers noch den aktuellen Anforderungen entspricht, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn auch unter Zugrundelegung dieser Methode ist bei ordnungsgemäßer Einstellung aller maßgeblichen Mehrkosten nicht davon auszugehen, dass hier die anteiligen Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung gering im vorgenannten Sinne sind und deshalb vernachlässigt werden können. Als Aufwand für ein Mischwasserkanalsystem, dass die Grundstücksregenentwässerung einbezieht, sind auch nach der Mehrkostenmethode Kosten(-anteile) für Regenklärbecken, Regenentlastungsbauwerke, Mischwassersammler, Pumpanlagen und Ähnliches einzustellen. Dieser Mehraufwand führt zu einer erheblichen Verschiebung, die den prozentualen Anteil der Niederschlagswasserentsorgung bereits in dem ersten von der Beklagten vorgenommenen Berechnungsschritt erhöht. Ebenfalls unberücksichtigt gelassen hat die Beklagte fiktive Mehrkostenanteile an der Kläranlage. Soweit sie hierzu vorträgt, die Zahlungen an den Wasserverband seien prozentual bei der Verteilung des gebührenfinanzierten Aufwandes - also im zweiten Berechnungsschritt - berücksichtigt worden, ist dies unzureichend. Denn der Kostenanteil für eine durch die Niederschlagswasserentsorgung bedingte Höherdimensionierung auch der Kläranlage muss bereits auf der Ebene des ersten Berechnungsschritts berücksichtigt werden. Bei Einbeziehung der genannten zusätzlichen Kosten wird die Geringfügigkeitsgrenze auch unter Zugrundelegung der Mehrkostenmethode überschritten.

Das auf Veranlassung des Verwaltungsgerichts von der Beklagten vorgelegte Gutachten des Diplomingenieurs X... beziffert im Übrigen den Kostenanteil der Niederschlagswasserbeseitigung bei einem Regenwasseranteil von 25% am gesamten Abwasser im Stadtgebiet für das relativ niederschlagsarme Jahr 2003 auf 17,38%. Diese Zahl nähert sich - worauf bereits das Verwaltungsgericht hinweist - den in der Fachliteratur veröffentlichten Zahlen an, nach denen bei den Abwasserentsorgungskosten regelmäßig ein Anteil von 25% und mehr für die Niederschlagswasserentsorgung zu veranschlagen ist (vgl. etwa Dudey/Jakobi in GemHH 2005, 83; zu den die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung beeinflussenden Anforderungen der Wasserwirtschaft an die Behandlung und Beseitigung des Niederschlagswassers vgl. auch Fabry in HSGZ 1992, 302 [303] mit Hinweis auf das Hessische Abwassergesetz).

Es liegen auch keine vergleichbaren Entwässerungsverhältnisse auf den Grundstücken des Entsorgungsgebietes vor. Diese Annahme ist nur gerechtfertigt, wenn auf den Grundstücken das Verhältnis zwischen abzuleitender Niederschlagswassermenge und abzuleitender Schmutzwassermenge weitgehend vergleichbar ist. Liegt der Anteil der vom "Regeltyp" abweichenden Entwässerungsverhältnisse über 10% aller zu entwässernde Grundstücke, so ist nach dem Grundsatz der Typengerechtigkeit eine Vernachlässigung bei der Gebührenbemessung nicht mehr hinnehmbar (Driehaus [Hrsg.], a.a.O., § 6 Rn. 692b).

Die Prüfung der Vergleichbarkeit der Entwässerungsverhältnisse setzt zunächst die Ermittlung eines "Regeltyps" voraus, das heißt des Typs von Grundstücken, auf denen eine vergleichbare Entwässerungssituation vorliegt. Einen solchen Regeltyp bilden all diejenigen Grundstücke, bei denen die Relation der beiden maßgeblichen Komponenten annähernd gleich ist. Die erste Komponente - die Flächenseite - wird bestimmt durch den Bereich bebauter oder künstlich befestigter Grundstücksflächen, von denen Niederschlagswässer der Entsorgungseinrichtung zugeführt werden. Dies sind die versiegelten Grundstücksflächen, deren Größe sich nach der Kubatur der Baukörper und dem Vorhandensein weiterer befestigter Flächen - Stellplätze, Terrassen oder sonstige befestigte Flächen - richtet. Die zweite Komponente bildet das nach dem Frischwasserbezug berechnete Schmutzwasser. Dessen Menge wird im Falle der Wohnbebauung maßgeblich durch die Zahl und die Größe der auf dem Grundstück vorhandenen Haushalte beeinflusst. Bei gewerblich oder industriell genutzten Grundstücken, die erfahrungsgemäß einen hohen Versiegelungsgrad aufweisen, kommt es auf die vorhandenen Frischwasserbezugsquellen an. Von einem nach diesen Maßgaben gebildeten Regeltyp weichen einerseits diejenigen Grundstücke ab, die bei einer gleich großen oder größeren versiegelten Grundstücksfläche einen geringeren Frischwasserverbrauch aufweisen, sowie andererseits diejenigen Grundstücke, auf denen bei einer gleich großen oder einer geringer versiegelten Fläche ein höherer Wasserverbrauch stattfindet.

Die Beklagte hat die zwei- bis viergeschossige Wohnbebauung als Regeltyp benannt und deshalb alle gewerblich genutzten Grundstücke als nicht regeltypisch bezeichnet. Von den 5944 Grundstücken sind deshalb 224 gewerbliche Grundstücke mit einer durchschnittlichen Versiegelung von 78,19% ausgeschieden worden. An Wohngebäuden hat die Beklagte 259 Grundstücke als nicht regeltypisch ausgeschieden. Diese Zahlen hat sie - ausgehend von zwei- bis viergeschossiger Wohnbebauung mit einer Wohnung pro Geschoss, einer durchschnittlichen Bewohnerzahl von 2,2 Personen je Wohnung und einem durchschnittlichen Wasserverbrauch von 48 m³ pro Person und Jahr - derart ermittelt, dass sie alle Grundstücke mit einem größeren Frischwasserbezug als 422,40 m³ als atypisch behandelt hat. Dies sind nach den Ermittlungen der Beklagten 483 Grundstücke, also 8,13%.

Diese Berechnung rechtfertigt die Annahme vergleichbarer Entwässerungsverhältnisse auf den Grundstücken im Gemeindegebiet der Beklagten nicht; sie rechtfertigt nicht einmal die Annahme des Vorliegens eines Regeltyps. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass aufgrund der hohen Bodenpreise eine eingeschossige Bauweise praktisch nicht vorkommt, ist allein mit dem Hinweis auf die vorherrschende zwei- bis viergeschossige Wohnbebauung als Regelfall noch nicht dargelegt, dass diese Grundstücke hinsichtlich der versiegelten Flächen vergleichbar sind bzw. dass dort annähernd vergleichbare Verhältnisse herrschen. Wie der Senat bereits im Zulassungsbeschluss vom 3. März 2008 ausgeführt hat, kommt es für die Beantwortung dieser Frage auf die Kubatur der Baukörper an. Vorstellbar sind insoweit das kleine zweigeschossige Einfamilienhaus mit einer Grundfläche von 80 m², aber auch die viergeschossige Mehrfamilienhauszeile mit 16 oder 20 Wohneinheiten und einer Grundfläche von 350 m² und mehr. Dies mag jedoch letztlich dahinstehen, denn zur Darlegung eines Regeltyps der Grundstücke, auf denen vergleichbare Entwässerungsverhältnisse herrschen, die Relation von abzuleitendem Schmutz- und Niederschlagswasser also vergleichbar ist, gehört auch die Betrachtung des auf der Grundlage des Frischwasserbezugs ermittelten Schmutzwassers und damit der im Gemeindegebiet vorherrschenden Haushaltsgrößen. Indem die Beklagte ihrer Darstellung die in der Gemeinde existierende durchschnittliche Bewohnerzahl pro Wohneinheit zugrunde legt, bleibt dieser Teil der Relation völlig unberücksichtigt. Die Bedeutung des Aspekts der Haushaltsgröße wird an den vorgenannten Beispielen augenfällig: Wird das kleine Einfamilienhaus von einer Einzelperson bewohnt, entfällt auf dieses Grundstück nach der Gebührensatzung der Beklagten für das Jahr 2002 bei einem Jahresfrischwasserverbrauch von 48 m³ eine Abwassergebühr von 116,64 €. Das mit der Mehrfamilienwohnhauszeile mit 16 Wohneinheiten bebaute Grundstück und einer durchschnittlichen Bewohnerzahl von 2,2 Personen wird mit Abwassergebühren in Höhe von 1689,60 € belastet. Von der Existenz eines Regeltyps von Grundstücken, auf denen bei zwei- bis viergeschossiger Wohnbebauung vergleichbare Entwässerungsverhältnisse herrschen, kann deshalb nicht ausgegangen werden.

Unter Berücksichtigung der Streuungsbreite der Haushaltsgrößen muss auch im Gemeindegebiet der Beklagten davon ausgegangen werden, dass die Wohn- und Siedlungsstruktur so inhomogen ist, dass sie die pauschalisierende Einheitsgebühr nicht rechtfertigen kann. Zwar weist die Beklagte zutreffend daraufhin, dass exakte Zahlen über die Haushaltsgrößen in ihrem Gemeindegebiet nicht zur Verfügung stehen. Genügend aussagekräftig sind aber die vom Senat beim Hessischen Landesamt für Statistik ermittelten Zahlen (Mikrozensus 2006) für das Land Hessen und für die einschlägige maßgebliche regionale Anpassungsschicht (Hochtaunus-, Main-Taunus- und Rheingau-Taunus-Kreis). Bereits die Betrachtung der Haushaltsgrößen in Einfamilienhäusern (Wohngebäude mit einer Wohneinheit) ergibt folgendes Bild: Von den 727.800 Haushalten in Hessen in Wohngebäuden mit einer Wohneinheit entfallen auf

Haushalte mit einer Person 139.900 = 19,22%,

Haushalte mit zwei Personen 293.200 = 40,28%,

Haushalte mit drei Personen 127.900 = 17,57%,

Haushalte mit vier Personen 121.700 = 16,72%,

Haushalte mit fünf und mehr Personen 45.200 = 6,21%.

In der oben genannten Anpassungsschicht (Hochtaunus-, Main-Taunus- und Rheingau-Taunus-Kreis) verteilen sich die 84.000 Haushalte in Wohngebäuden mit einer Wohneinheit wie folgt:

Haushalte mit einer Person 16.300 = 19,40%,

Haushalte mit zwei Personen 36.600 = 43,57%,

Haushalte mit drei Personen 12.700 = 15,12%,

Haushalte mit vier Personen 13.400 = 15, 95%,

Haushalte mit fünf und mehr Personen 5000 = 5, 95%.

Diese Zahlen verdeutlichen, dass von einer Homogenität der Haushaltsgrößen auch im Gemeindegebiet der Beklagten nicht ausgegangen werden kann. Die Abweichungen bei den Zahlen für das gesamte Land Hessen und für eine Einheit von drei Landkreisen sind lediglich marginal. Dafür, dass sich im Gemeindegebiet der Beklagten die Verhältnisse grundlegend anders darstellen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass bereits im Bereich der Einfamilienhäuser die Gruppe der Haushalte mit vier und mehr Personen (circa 20%) unter Zugrundelegung der Einheitsgebühr mindestens viermal soviel Abwassergebühren zahlt wie die in etwa gleich große Gruppe der Haushalte mit einer Person. Diese Unterschiede vergrößern sich noch, wenn man die Wohngebäude mit mehreren Wohneinheiten betrachtet. Nach allem kann von vergleichbaren Entwässerungsverhältnissen auf den Grundstücken im Gemeindegebiet der Beklagten nicht gesprochen werden. Angesichts des dargestellten Zahlenmaterials dürfte eine die Einheitsgebühr rechtfertigende (homogene) Wohn- und Siedlungsstruktur in einer Gemeinde nach den heutigen Verhältnissen die absolute Ausnahme bilden.

Eine Umstellung von der Einheitsgebühr zu der "gesplitteten Abwassergebühr" ist auch nicht mit einem die Beklagte in unvertretbarer Weise finanziell belastenden Kostenaufwand verbunden (zu dem in diesem Zusammenhang erörterten Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 GG vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2008 - 9 B 19.08 -, Buchholz 401.84 Nr. 107). Soweit die Beteiligten die außerordentlichen finanziellen Belastungen einer Überfliegung erörtern, weist das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 2007 - 9 A 3648/04 - (KStZ 2008, 74 [75/76] auf die Möglichkeit der Selbstveranlagung des Gebührenschuldners hin. Daneben besteht eine praktikable und kostengünstigere Möglichkeit darin, im Wege der Pauschalierung Grundstückskategorien mit einem bestimmten Versiegelungsgrad zu bilden. Als "Grundstückstypen" kämen hierfür etwa - entsprechend den Verhältnissen im Gemeindegebiet - in Betracht: das großflächige Villengrundstück mit geringem Versiegelungsanteil, das "normale" Wohnhausgrundstück, für das zur Differenzierung gegebenenfalls mehrere Kategorien gebildet werden könnten, sowie das gewerblich oder industriell genutzte Grundstück mit einer sehr hohen - bis zu 100%igen - Versiegelung. Die Zuordnung der einzelnen Grundstücke zu den so gebildeten Grundstückskategorien könnte mit vertretbarem Verwaltungsaufwand für beplante Gebiete unmittelbar an Hand des Bebauungsplans vorgenommen werden. Für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich und im Außenbereich müsste eine Begehung stattfinden und - gegebenenfalls unterstützend oder vorbereitend - auf elektronische Dateien zurückgegriffen werden. Zwecks allfälliger Korrektur sollte dabei den Grundstückseigentümern die Möglichkeit eingeräumt werden, vom jeweils anzunehmenden Versiegelungsgrad im konkreten Einzelfall abweichende Grundstücksverhältnisse dazulegen. Dass diese Vorgehensweise mit einem unvertretbaren Verwaltungs- bzw. Kostenaufwand verbunden wäre, ist wohl auszuschließen.

Nach allem ist die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 1.165,92 € festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 Gerichtskostengesetz - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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