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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.04.2005
Aktenzeichen: 5 TG 116/05
Rechtsgebiete: EWS, KAG


Vorschriften:

EWS der Gemeinde Fuldatal
KAG § 11
Die Entscheidung, nach der gebührenfinanzierten Errichtung der Kläranlagen deren Erneuerung über Beiträge zu finanzieren, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

5. Senat

5 TG 116/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kläranlagenbeitrag

hier: Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 12. April 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 16. Dezember 2004 - 6 G 2218/04 - abgeändert.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 24. August 2004 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. August 2004 wird abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf einen Betrag von 121,83 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 16. Dezember 2004 ist zulässig und begründet. Der Senat hat - anders als das Verwaltungsgericht - keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der der streitigen Beitragserhebung zugrunde liegenden Satzungsregelung und damit an der Rechtmäßigkeit des streitigen Beitragsbescheides, die es rechtfertigen, nach der im gerichtlichen Eilverfahren des § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.

Die Entwässerungssatzung der Antragsgegnerin sieht in § 10 Abs. 2 Buchst. a) einen Beitrag für die erstmalige Anschlussmöglichkeit an eine Sammelleitung (Netzbeitrag) und in § 10 Abs. 2 Buchst. b) einen Beitrag für die Erneuerung/Erweiterung der im Ortsteil Ihringshausen befindlichen Behandlungsanlage (Kläranlagenbeitrag) vor. Zusätzlich findet sich dort in § 10 Abs. 2 Satz 2 EWS die Regelung, dass Beitragssätze für Erneuerungs- und Erweiterungsmaßnahmen weiterer Kläranlagen gesondert kalkuliert und festgesetzt werden, sobald entsprechende beitragsfähige Maßnahmen zur Verwirklichung anstehen. Diese Regelung des Beitrags für die Erneuerung der alten Kläranlage Ihringshausen ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - aufgrund der im Eilverfahren vorliegenden Erkenntnisse nicht zu beanstanden.

Die Antragsgegnerin hat die Errichtung der Kläranlagen ihres Gemeindegebiets in der Vergangenheit über die Benutzungsgebühren für Abwasser finanziert. Nunmehr hat sie sich entschlossen, die Finanzierung für die Erneuerung der Kläranlage Ihringshausen, zukünftig auch für die Erneuerung der übrigen Kläranlagen des Gemeindegebiets, auf eine Beitragsfinanzierung umzustellen. Grundsätzlich steht die Entscheidung, ob Maßnahmen an der öffentlichen Einrichtung "Abwasserbeseitigung" durch Gebühren oder durch Beiträge oder im Wege einer Mischung beider Systeme finanziert werden sollen, im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde (vgl. zu den Grenzen der Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Gebührenfinanzierung: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2005, § 8 Rdnr. 508 m. w. N.), das sie durch den Erlass entsprechender Satzungsregelungen ausübt (vgl. Driehaus (Hrsg.), a. a. O., § 8 Rdnrn. 507 ff., 823 f.). Die von der Gemeinde einmal getroffene Wahl des Finanzierungssystems bindet sie allerdings nicht für alle Zukunft. Der ihr eingeräumte Ermessensspielraum lässt es zu, das System zu wechseln und etwa - wie die Antragsgegnerin - von einer Gebührenfinanzierung der Kläranlagen zu einer Beitragsfinanzierung überzugehen. Allerdings muss sie dabei darauf achten, dass bei einem derartigen Wechsel Mehrfachbelastungen für dieselben Maßnahmen vermieden werden (vgl. Driehaus (Hrsg.), a. a. O., § 8 Rdnr. 512).

Hier hat die Antragsgegnerin die ursprüngliche Errichtung ihrer Kläranlagen über Benutzungsgebühren finanziert. Erst - und nur - die Erneuerung der Kläranlage Ihringshausen - und später auch der übrigen Kläranlagen - werden nunmehr gemäß § 10 Abs. 2 Buchst. b) EWS über Beiträge finanziert. Eine Doppelbelastung kann insofern bereits deshalb nicht auftreten, weil die gebührenfinanzierte und die beitragsfinanzierte Investition damit klar abgegrenzt sind. Die nunmehr streitige Erneuerungsmaßnahme "Kläranlage Ihringshausen" ist niemals Teil einer Gebührenfinanzierung gewesen.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht dargelegt, dass die Antragsgegnerin mit der Festlegung in § 1 EWS, dass sie die Abwasserbeseitigung als eine öffentliche Einrichtung betreibt, auch das Abrechnungsgebiet festgelegt hat. Dies gilt auch für Erneuerungs- oder Erweiterungsmaßnahmen, die sich allein auf eine technisch selbständige Anlage beziehen, etwa auf ein Ortsteilnetz (vgl. z. B. Beschlüsse des Senats vom 16. November 1999 - 5 TG 1972/99 -, HSGZ 2000, 151 = NVwZ-RR 2000, 713, und vom 5. Oktober 2000 - 5 TG 2895/00 -, HSGZ 2001, 38 = NVwZ-RR 2001, 265; Driehaus (Hrsg.), a. a. O., § 8 Rdnr. 841 f.). Auch Beiträge für derartige Maßnahmen sind deshalb auf das gesamte Gebiet der öffentlichen Einrichtung umzulegen.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sind diese Anforderungen jedoch - soweit im Eilverfahren erkennbar - für den Erneuerungsbeitrag "Kläranlage Ihringshausen" nach § 10 Abs. 2 Buchst. b) EWS der Antragsgegnerin gewahrt. Diese hat dargelegt, dass sie in die Kalkulation dieses Beitrags alle derzeitigen (Alt-) Anlieger-, aber auch alle erkennbar hinzukommenden Neuanliegerflächen einbezogen hat. Im Beschwerdeverfahren hat sie auch klargestellt, dass diese Neuanlieger auch neben dem Beitrag für das Verschaffen der Anschlussmöglichkeit nach § 10 Abs. 2 Buchst. a) EWS den Erneuerungsbeitrag zu zahlen haben. Damit ist sowohl eine ordnungsgemäße Kalkulation, als auch eine gleichmäßige Belastung aller durch die öffentliche Einrichtung bevorteilten Flächen sichergestellt. Dass sich zukünftige Neuanlieger nicht mehr an der in der Vergangenheit erfolgten Gebührenfinanzierung des Altbestands der Kläranlagen beteiligten, sondern nur an den nach ihrem Anschluss anfallenden Gebühren, stellt insofern hinsichtlich der Beitragsfinanzierung der Erneuerungsmaßnahmen keinen Verstoß gegen das Gebot der Abgabengerechtigkeit dar, sondern liegt in dem Instrument der Gebührenfinanzierung begründet, das immer nur die tatsächlich abwassereinleitenden Benutzer belastet. Dies wird im Übrigen häufig als ein Argument gegen diese Finanzierungsart ins Feld geführt (vgl. Driehaus (Hrsg.), a.a.O., § 8 Rdnr. 508 m. w. N.).

Somit ist auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hin der Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes auf den §§ 52 Abs. 1, 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 Gerichtskostengesetz in der ab dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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