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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.03.2004
Aktenzeichen: 5 TG 185/01
Rechtsgebiete: GG, Satzung des Wasserverbandes Hochtaunus, WVG


Vorschriften:

GG Art. 3
Satzung des Wasserverbandes Hochtaunus
WVG § 28
WVG § 30
WVG § 6
Anforderungen an die Beitragsbemessung für einen Verlustausgleichsbeitrag eines Wasser- und Bodenverbandes gegenüber seinen Mitgliedern, wenn der Verband im Wesentlichen die gemeinschaftliche Nutzung landwirtschaftlicher Maschinen betreibt.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

5 TG 185/01

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Verlustausgleichsbeitrags

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzender Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 4. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 5. Oktober 2000 - 14 G 4920/00 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf einen Betrag von 484,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners - eines Wasser- und Bodenverbandes - gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 5. Oktober 2000, mit dem dieses die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen seine Heranziehung zu einem Verlustausgleichsbeitrag für das Jahr 1997 angeordnet hat, ist unbegründet. Auch der Senat hat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides, die es nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahrens des § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 VwGO rechtfertigen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers anzuordnen.

Als satzungsrechtliche Grundlage für den vom Antragsgegner von seinen Mitgliedern geforderten Verlustausgleichsbeitrag sieht der Senat wie das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main in dem angefochtenen Beschluss (anders etwa: Verwaltungsgericht Gießen, Beschluss vom 14. November 2000 - 8 G 3991/00 -) § 30 Abs. 7 der Satzung des Wasser-, Boden- und Landschaftspflegeverbandes "Hochtaunus, Wetterau und Umgebung" in A-Stadt im Hochtaunuskreis vom 18. Mai 1998, genehmigt durch den Landrat des Wetteraukreises am 28. Mai 1998 - im Folgenden: VS - in Verbindung mit dem Beschluss der Verbandsversammlung des Antragsgegners vom 20. Oktober 1999 an. Nach § 30 Abs. 7 VS kann die Verbandsversammlung in besonderen Fällen weitere Beitrags- und Gebührenarten - neben den in den vorhergehenden Absätzen aufgeführten Beiträgen - beschließen. Als Maßstab verweist § 30 Abs. 7 Satz 2 VS auf die Regelungen des § 30 Abs. 1 VS. Nach § 30 Abs. 6 VS kann die Verbandsversammlung bei entsprechendem Kapitalbedarf einen Sanierungs- oder Investitionsbeitrag beschließen, wobei Maßstab die Mitgliedsfläche ist, die sich aus der Summe der Eigentums- und Pachtflächen zusammensetzt. Die Regelung des § 30 Abs. 6 VS kommt als Grundlage für den vom Antragsgegner geforderten Verlustausgleichsbeitrag bereits von ihrem Wortlaut her nicht in Betracht. Die Bestimmung spricht von einem "Sanierungs- oder Investitionsbeitrag". Damit sind Fälle gemeint, in denen der Verband Kapital benötigt, um bestehende Anlagen oder Einrichtungen des Verbandes zu sanieren oder noch zu schaffen. Offensichtlich nicht von diesem Wortlaut erfasst ist jedoch der Fall einer reinen Haushaltssanierung.

Anders als das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main in seinem angefochtenen Beschluss hat der Senat allerdings keine Bedenken bezüglich des geforderten Verlustausgleichsbeitrags im Hinblick auf eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung. Das Verwaltungsgericht ist insofern davon ausgegangen, es handele sich hierbei um eine so genannte echte Rückwirkung, da ein in der Vergangenheit abgeschlossener Sachverhalt - Verluste aus dem Haushaltsjahr 1997 - nachträglich geregelt werden solle. Diese Sichtweise teilt der Senat nicht. Vielmehr handelt es sich um einen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Verbandsversammlung gegenwärtigen und andauernden Sachverhalt, nämlich das Bestehen eines finanziellen Fehlbestandes in dem zur Zeit der Beschlussfassung gegenwärtigen Haushalt des Verbandes. Damit liegt weder ein Fall der echten noch der unechten Rückwirkung in Bezug auf die Erhebung des Verlustausgleichsbeitrags vor.

Die gesetzlichen Grundlagen für die Satzungsvorschriften des Antragsgegners über die Erhebung von Beiträgen finden sich in den Vorschriften des Wasserverbandsgesetzes - WVG - vom 12. Februar 1991 (BGBl. I S. 405). Nach § 28 Abs. 1 WVG sind die Verbandsmitglieder verpflichtet, dem Verband Beiträge zu leisten, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Diese Beiträge kann der Verband in Form von Geld oder von Sachen, Werken, Diensten oder anderen Leistungen erheben (§ 28 Abs. 2 WVG). Allerdings besteht nach § 28 Abs. 4 WVG die Beitragspflicht nur insoweit, als die Verbandsmitglieder oder Nutznießer einen Vorteil haben oder der Verband für sie ihnen obliegende Leistungen erbringt oder von ihnen ausgehenden nachteiligen Einwirkungen begegnet. Dementsprechend sieht § 30 Abs. 1 WVG vor, dass sich der Beitrag der Verbandsmitglieder und der Nutznießer nach dem Vorteil bemisst, den sie von der Aufgabe des Verbands haben, sowie den Kosten, die der Verband auf sich nimmt, um ihnen obliegende Leistungen zu erbringen oder den von ihnen ausgehenden nachteiligen Einwirkungen zu begegnen. Für die Festlegung des Beitragsmaßstabs reicht dabei eine annähernde Ermittlung der Vorteile und Kosten aus. Die Grundsätze für die Beitragsbemessung müssen zwingend in der Satzung des Verbandes geregelt werden (§ 6 Abs. 2 Nr. 6 WVG).

In der hier zugrunde zu legenden Satzung des Antragsgegners aus dem Jahr 1998 hat der Antragsgegner die Grundsätze seiner Beitrags- und Gebührenerhebung in den §§ 29 ff. VS geregelt. Über die Bemessung der Beiträge enthält § 30 Abs. 1 VS - auf den für den hier erhobenen Verlustausgleichsbeitrag § 30 Abs. 7 Satz 2 VS verweist - allein eine Wiederholung des bereits in § 30 Abs. 1 WVG vorgegebenen Gesetzeswortlauts. Ob dies den Anforderungen an die Mindestregelungen der Satzung über die Grundsätze für die Beitragsbemessung (§ 6 Abs. 2 Nr. 6 WVG) genügt, gibt zu Zweifeln Anlass. Eine eindeutige Ablesbarkeit der Beitragsbemessung folgt nämlich aus der Satzungsregelung nicht. Allerdings enthält die Satzung an einigen anderen Stellen eingehendere Bemessungsregelungen, wie etwa in § 30 Abs. 2 für den Grundbeitrag, der sich nach der landwirtschaftlich genutzten Fläche des Mitgliedsbetriebes oder des Mitglieds von reinen Pachtbetrieben bemisst, in § 30 Abs. 6 VS, der für den oben bereits erwähnten Sanierungs- oder Investitionsbeitrag ebenfalls die Mitgliedsfläche als Maßstab festlegt oder auch § 30 Abs. 8 VS, der für den Beitrag ausscheidender Verbandsmitglieder die Flächeninhalte der zum Verband gehörenden Grundstücke zugrunde legt. Ansonsten verweist § 30 Abs. 5 VS für die Höhe der Beiträge auf die jährlich von der Verbandsversammlung zu beschließende Beitrags- und Gebührenordnung. Für den Beitrag in besonderen Fällen nach § 30 Abs. 7 VS kann sich der Maßstab jedoch im Einzelnen immer erst aus dem jeweils zugrunde liegenden Beschluss der Verbandsversammlung ergeben.

Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht zu der vor dem Wasserverbandsgesetz vom 12. Februar 1991 geltenden Ersten Wasserverbandverordnung vom 3. September 1937 entschieden, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn die Satzung selbst nur den Grundsatz enthalte, die Beitragslast verteile sich nach dem Verhältnis der Vorteile, und erst die an die Gründung unmittelbar anschließende Verbandsversammlung näher festlege, wie das Beitragsverhältnis zu ermitteln sei (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1966 - 4 C 222.65 -, BVerwGE 25, 151, 160; Urteil vom 16. November 1984 - 4 C 3.81 -, Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 55 = NVwZ 1985, 271, zum nordrhein-westfälischen Erftverbandsgesetz). Ob diese Auffassung zu den früheren so genannten "Veranlagungsrichtlinien", die aufgrund fehlender Kompetenz des Verbandes nicht in der Form der Satzung ergehen konnten, auch noch unter der heute insoweit bestehenden Satzungsautonomie der Verbände gelten kann, nämlich dass die Satzung nur den globalen Beitragsmaßstab festlegt, die genauen Bemessungskriterien jedoch durch schlichten Verbandsbeschluss festgelegt werden, wird in der Literatur mit beachtenswerten Argumenten bezweifelt (vgl. Löwer in: Achterberg/Püttner/Würtenberger (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band 1, 2. Auflage, § 12 Rdnr. 115 m.w.N.). Der Senat kann diese Frage jedoch im Ergebnis offen lassen, da der konkrete von der Verbandsversammlung für den Verlustausgleich gewählte Maßstab der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Mitgliedsbetriebes nicht den Anforderungen des § 30 Abs. 1 WVG und des § 30 Abs. 7 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 VS genügt. Nach diesen Bestimmungen bemisst sich der Beitrag der Verbandsmitglieder und der Nutznießer nach dem Vorteil, den diese von der Aufgabe des Verbandes haben, sowie den Kosten, die der Verband auf sicht nimmt, um ihnen obliegende Leistungen zu erbringen oder den von ihnen ausgehenden nachteiligen Einwirkungen zu begegnen. Hier hat die Verbandsversammlung des Antragsgegners den Maßstab der landwirtschaftlichen Nutzfläche des jeweiligen Mitgliedsbetriebes als Indikator für den Vorteil, den das betreffende Verbandsmitglied von der Aufgabe des Verbandes hat, gewählt. Zwar genügt für die Festlegung des Beitragsmaßstabs nach § 30 Abs. 1 Satz 2 WVG eine annähernde Ermittlung der Vorteile, dies entbindet jedoch den Verband nicht von der Verpflichtung, den zugrunde zu legenden Vorteil für das Mitglied nach der Aufgabe des Verbandes, die dieser für seine Mitglieder wahrnimmt, zu bestimmen. Diese Sichtweise, die bereits im Wortlaut des Gesetzes angelegt ist, verlangt auch der aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz folgende Grundsatz der Abgabengerechtigkeit.

Der Antragsgegner hat in § 3 VS unterschiedliche Aufgaben festgelegt, die er zu erfüllen hat. Dazu gehört u. a. nach § 3 Abs. 6 die Vermittlung des überbetrieblichen Maschinen- und Arbeitskräfteeinsatzes von und an Verbandsmitglieder zur Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen und zur Landschaftspflege, sowie nach § 3 Abs. 11 die Organisation der Vermittlung landwirtschaftlicher Betriebsmittel an Mitglieder. Dabei handelt es sich in der konkreten Ausprägung durch den Antragsgegner um zusätzliche Aufgaben nach § 1 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Wasserverbandsgesetz - HAGWVG - vom 16. November 1995 (GVBl. I S. 503), nämlich um - § 1 Nr. 3 HAGWVG - die Beschaffung, den Betrieb und die Unterhaltung von Maschinen zur überbetrieblichen Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen der Verbandsmitglieder, sowie - Nr. 4 der Bestimmung - um die Vermittlung von Maschinen von und an Verbandsmitglieder zur Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen und zur Landschaftspflege. Wie sich aus dem Vortrag der Beteiligten im Verfahren, sowie den vorgelegten Unterlagen über den Haushalt des Antragsgegners und aus der Beitrags- und Gebührenordnung des Antragsgegners im Haushaltsjahr 1998 ergibt, ist dieser im Wesentlichen ein reiner Maschinen- und Maschinennutzungsverband für seine Mitglieder. Dies bedeutet, dass der Vorteil, den die Mitglieder von der Aufgabe des Verbands haben, sich im Wesentlichen aus der Möglichkeit der Nutzung dieser Maschinen und Geräte für die Bearbeitung landwirtschaftlicher Flächen ergibt. Dieser Vorteil ist jedoch erkennbar nicht für die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche des jeweiligen Mitglieds gleich. Wie sich aus der Beitrags- und Gebührenordnung für das Jahr 1998 ergibt, handelt es sich bei den vom Antragsgegner seinen Mitgliedern zur Verfügung gestellten Maschinen weitgehend um solche zur Bearbeitung - unterschiedlich genutzter - Ackerflächen. Demgegenüber tritt die Zahl der Maschinen, die Mitglieder für ihr Grünland nutzen können, wie etwa ein Grasnachsägerät oder ein Exakthäcksler Grassilage oder ein Kreiselmäher, erheblich zurück. Der Vorteil, den die Mitglieder des Verbandes aus dessen Aufgabenwahrnehmung ziehen, ist deshalb nicht für jeden Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche gleich. Selbst für eine annähernde Ermittlung der Vorteile nach § 30 Abs. 1 Satz 2 WVG reicht diese pauschale Beitragsbemessung nicht aus. Dies hat offensichtlich auch der Antragsgegner bereits selbst erkannt. In der Beitrags- und Gebührenordnung für das Haushaltsjahr 1998 hat er jedenfalls die Beiträge für Mitglieder, die nach dem 1. Januar 1998 dem Verband beitreten und die nicht für die finanziellen Altlasten des Verbandes herangezogen werden sollen, für Ackerland mit 10,-- DM pro Hektar einerseits und für Grünland mit 5,-- DM pro Hektar deutlich differenziert und damit zum Ausdruck gebracht, dass sich der jeweilige Vorteil durch den Verband für die Mitglieder je nach Nutzung der landwirtschaftlichen Nutzfläche erheblich unterscheidet. Da sich somit bereits die Beitragsbemessung nicht ausreichend an dem durch den Verband erbrachten Vorteil orientiert, ist es auch nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, ob der Verlust, den der Antragsgegner mit diesem Sonderbeitrag ausgleichen will, im Wesentlichen darauf beruht, dass die vom Antragsgegner im Jahre 1997 erhobenen Benutzungsgebühren für die landwirtschaftlichen Maschinen nicht kostendeckend gewesen sind, oder ob der finanzielle Fehlbedarf entscheidend darauf zurückzuführen ist, dass in den Jahren zuvor die Mitgliedsbeiträge letztlich zu niedrig kalkuliert waren.

Weil somit beim Senat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verlustausgleichsbeitragsbescheides des Antragsgegners bestehen, ist insofern die Aussetzung der sofortigen Vollziehung geboten. Die Beschwerde des Antragsgegners ist deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die Höhe des Streitwerts aus den §§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 Gerichtskostengesetz - GKG -. Dabei legt der Senat im Eilverfahren ein Drittel des im Beschwerdeverfahren streitigen Betrages zugrunde.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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