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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.10.2007
Aktenzeichen: 5 TG 1924/07
Rechtsgebiete: GG, Spielapparatesteuersatzung


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
Spielapparatesteuersatzung der Stadt Marburg
Räumt eine Satzung über die Erhebung einer Steuer auf Spielapparate dem Steuerschuldner eine Option zwischen einer Besteuerung nach Maßgabe der erzielten Bruttokasse oder nach Maßgabe der Stückzahl der aufgestellten Spielapparate ein, so unterliegt diese Regelung ernstlichen Zweifeln hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 TG 1924/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Spielapparatesteuer

hier: Antrag auf Aussetzung der Vollziehung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 23. Oktober 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 31. August 2007 - 8 G 1671/07 - abgeändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 12. Juli 2007 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin über die Erhebung von Spielapparatesteuer vom 14. Juni 2007 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf einen Betrag von 1.162,50 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 31. August 2007 ist zulässig und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Spielapparatesteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juni 2007 abgelehnt. Anders als das Verwaltungsgericht hat der Senat aufgrund der im Beschwerdeverfahren allein zu überprüfenden Beschwerdegründe der Antragstellerin (§ 146 Abs. 4 Satz 6 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Steuerbescheides, die es nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO rechtfertigen, den Sofortvollzug des Bescheides auszusetzen.

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss insbesondere auch die dem streitigen Steuerbescheid zu Grunde liegenden einschlägigen Vorschriften der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung einer Steuer auf Spielapparate und auf das Spielen um Geld oder Sachwerte vom 30. November 1993 in der zuletzt durch den von der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin am 14. November 2006 beschlossenen IV. Nachtrag geänderten Fassung für rechtlich unbedenklich gehalten. Dabei hat es unter anderem ausgeführt, die Möglichkeit des Steuerschuldners in § 3 Nr. 1, 2. Alternative der Steuersatzung, anstelle der Besteuerung gemäß der Bruttokasse eine Besteuerung nach Höchstbeträgen zu wählen (§ 4 Abs. 1 der Steuersatzung), die zugleich Festbeträge seien, begegne keinen rechtlichen Bedenken. Dies gelte auch dann, wenn die Antragsgegnerin eine Höchstbetragsfestsetzung wähle für den Fall, dass die Bruttokasse nicht nachgewiesen werde (§ 4 Abs. 2 der Steuersatzung). Dazu hat es sich auf den Beschluss des Senats vom (richtigerweise) 10. April 2007 - 5 TG 3116/06 - (HSGZ 2007, 205 = KStZ 2007, 131 = NVwZ-RR 2007, 706) berufen. - Dem hält der Bevollmächtigte der Antragstellerin in seiner Beschwerdebegründung entgegen, das Verwaltungsgericht verkenne, dass in § 4 Abs. 1 der Steuersatzung eine Versteuerung nicht nach Höchstbeträgen, sondern nach Optionsbeträgen als Festbeträge in Frage komme. Aufgrund der Satzung sei eindeutig, dass derjenige Unternehmer, der keinen gesonderten Antrag auf Pauschalversteuerung stelle, regelmäßig mit 15% auf die Bruttokasse besteuert werde. Somit könne die Steuer ungeahnte Höhen erreichen.

Wie der Bevollmächtigte der Antragstellerin zu Recht ausführt, hat das Verwaltungsgericht den Inhalt der Steuersatzung der Antragsgegnerin verkannt. Dieser ist nicht inhaltsgleich mit der dem Beschluss des Senats vom 10. April 2007 (a.a.O.) zu Grunde liegenden Satzungsfassung.

§ 3 Nr. 1 der Steuersatzung der Antragsgegnerin legt als Bemessungsgrundlage für die Steuer auf die Benutzung von Spiel- und Geschicklichkeitsapparaten die elektronisch gezählte Bruttokasse oder optional die Zahl der Apparate fest. Dementsprechend werden in § 4 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 jeweils nebeneinander für Apparate mit Gewinnmöglichkeit als Bemessungsmaßstäbe ein bestimmter Prozentsatz der Bruttokasse (12% der Bruttokasse, ab 1. Januar 2007 15% in Spielhallen, 14% in Gaststätten) oder ein Festbetrag als Optionsbetrag (in der Höhe gestaffelt nach zurückliegenden Jahren) festgesetzt. Der Steuerschuldner kann für künftige Besteuerungszeiträume anstelle der Besteuerung nach der Bruttokasse frei eine Besteuerung nach den in § 4 Abs. 1 der Steuersatzung genannten Optionsbeträgen verlangen (§ 5 Abs. 4 - 7 der Steuersatzung). Eine Regelung über Höchstbeträge findet sich in der Satzung nicht, nur die Pflicht der Antragsgegnerin, in den Fällen, in denen der Steuerschuldner die Bruttokasse nicht nachweist, die Optionsbeträge zu Grund zu legen (§ 4 Abs. 2 der Steuersatzung).

Die in der Satzung der Antragsgegnerin vorgesehene Möglichkeit des Steuerschuldners, d.h. des Aufstellers der Spielapparate, frei zwischen dem Maßstab einer prozentualen Besteuerung der Bruttokasse des Spielapparates oder dem Stückzahlmaßstab zu wählen, weckt beim Senat ernstliche Zweifel an der Wirksamkeit dieser satzungsrechtlichen Regelung.

Der Stückzahlmaßstab ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtlich erheblich problematisch. Das Bundesverwaltungsgericht verlangt nach der verbindlichen flächendeckenden Einführung von manipulationssicheren Zählwerken an Spielapparaten mit Gewinnmöglichkeit für die Anwendbarkeit des Stückzahlmaßstabs den von den Kommunen zu führenden Nachweis, dass die über einen längeren Zeitraum gemittelten Einspielergebnisse einzelner Spielautomaten nicht mehr als 50% von den durchschnittlichen Einspielergebnisse der Automaten in der Kommune abweichen (BVerwG, Urteil vom 13. April 2005 - 10 C 5.04 -, BVerwGE 123, 218). Da nunmehr dem steuerpflichtigen Personenkreis durch das zu Grunde liegende Satzungsrecht der Antragsgegnerin die Möglichkeit der Wahl zwischen der Anwendung des an den realen Aufwand des Spielers anknüpfenden Maßstabs der Bruttokasse und der Anwendung des - zumindest erheblichen rechtlichen Bedenken unterliegenden - Stückzahlmaßstabs eingeräumt wird, begründen bereits die Bedenken gegen die Wirksamkeit des Stückzahlmaßstabs ernstliche Zweifel an dieser Regelung, denn ein rechtswidriger Besteuerungsmaßstab, wie ihn bei Fehlen eines wenigsten lockeren Bezuges zum tatsächlichen Vergnügungsaufwand der Stückzahlmaßstab darstellt, kann nicht durch freiwillige "Unterwerfung" unter diesen Maßstab rechtmäßig werden (so Beschluss des Senats vom 10. April 2007, a.a.O.). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Satzungsregelung ergeben sich allerdings zusätzlich auch aus dem Gesichtspunkt, dass sich aus Gründen der im Lichte des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs.1 Grundgesetz gebotenen gleichmäßigen Besteuerung ein allein von einer entsprechenden Willensbekundung der steuerpflichtigen Personen abhängiger Maßstabswechsel verbietet. Dies würde nämlich - worauf der Bevollmächtigte der Antragstellerin zu Recht hinweist - dazu führen, dass die Besteuerung nach einem prozentualen Anteil der Bruttokasse im Ergebnis einen deutlich höheren Steuersatz zur Folge haben kann, als die Bemessung nach dem Stückzahlmaßstab. Die Satzung der Antragsgegnerin sieht nämlich anders etwa als die der Entscheidung des Senats vom 10. April 2007 (a.a.O.) zu Grunde liegende Satzungsfassung keine Höchstbetragsregelung vor, die die prozentuale Besteuerung der Bruttokasse der Höhe nach auf den - hier als Option vorgesehenen - Festbetrag begrenzt (vgl. insgesamt zu diesem Problemkreis auch: VG Arnsberg, Beschluss vom 18. August 2006 - 5 L 646/06 -, GemHH 2006, 235 = KStZ 2006, 16). Somit unterliegt auch die Regelung in § 4 Abs. 2 der Steuersatzung der Antragsgegnerin, nach der in den Fällen, in denen die Bruttokasse nicht nachgewiesen wird, bei der Besteuerung von den Festbeträgen (Optionsbeträgen) auszugehen ist, erheblichen Bedenken, da dies dazu führen kann, dass derartige Steuerschuldner günstiger behandelt werden als die aufgrund ihrer Angaben nach der Bruttokasse Veranlagten.

Da somit die Beschwerde der Antragstellerin bereits aus diesem Grunde Erfolg hat, braucht der Senat zu den übrigen vorgetragenen Beschwerdegründen nicht im Einzelnen Stellung zu nehmen. Zu einem großen Teil dieser Gründe hat er auch bereits in dem oben genannten Beschluss vom 10. April 2007 Stellung genommen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die Höhe des Streitwerts aus den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 47 Gerichtskostengesetz - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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