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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.11.2004
Aktenzeichen: 5 TG 2864/04
Rechtsgebiete: HessKAG, StrBS der Stadt Bad Hersfeld


Vorschriften:

HessKAG § 11
StrBS der Stadt Bad Hersfeld vom 25.02.2002
Eine weitgehende Überbauung eines Anliegergrundstücks, die es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ausschließt, sich vom Hinterliegergrundstück einen Zugang zur Straße zu verschaffen, schließt auch bei Eigentümeridentität die vorteilhafte Möglichkeit der Inanspruchnahme der Straße durch das Hinterliegergrundstück unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit der Schaffung einer Zufahrt aus.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

5 TG 2864/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Straßenbeiträgen

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 9. November 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 6. September 2004 - 6 G 1770/04 - abgeändert.

Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller vom 15. Juni 2004 gegen die Straßenbeitragsbescheide der Antragsgegnerin vom 17. Mai 2004 für das Grundstück Gemarkung D-Stadt, Flur.. , Flurstück .., D-Straße a, wird angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt die Antragsgegnerin zu einem Anteil von vier Fünftel, der Antragsteller zu 1. zu einem Anteil von einem Zehntel und die Antragsteller zu 2. bis 5. je zu einem Anteil von einem Vierzigstel.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf einen Betrag von 971,79 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 6. September 2004 ist zulässig, aber nur hinsichtlich der Heranziehung der Antragsteller für das Grundstück Flur .., Flurstück ..., begründet. Nur insoweit hat der Senat aufgrund der im Beschwerdeverfahren allein zu überprüfenden Beschwerdegründe der Antragsteller (§ 146 Abs. 4 Satz 6 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Antragsteller zu dem streitigen Straßenbeitrag für den Ausbau der "A-Straße", die es nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO rechtfertigen, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller anzuordnen. Hinsichtlich des Grundstücks Flur .., Flurstück ..., bestehen derartige ernstliche Zweifel nicht.

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss die Rechtmäßigkeit des Ausbaus der "A-Straße" sowie die Rechtmäßigkeit der Belastung beider streitigen Parzellen der Antragsteller für diesen Ausbau bejaht. Die vom Bevollmächtigten der Antragsteller dagegen vorgebrachten Beschwerdegründe führen nur hinsichtlich des Flurstücks ... als so genanntes Hinterliegergrundstück zu einer anderen Entscheidung.

Zum einen trägt der Bevollmächtigte der Antragsteller vor, die in § 13 Straßenbeitragssatzung - StrBS - der Antragsgegnerin vorgesehene Regelung einer sogenannten "Eckgrundstücksvergünstigung" sei - wie auch vom Verwaltungsgericht angenommen - unwirksam. Dies führe - anders als vom Verwaltungsgericht angenommen - allerdings zur vollständigen Unwirksamkeit der Straßenbeitragssatzung. Dieser Einwand führt nicht zur Rechtswidrigkeit der streitigen Beitragsbescheide. § 13 StrBS der Antragsgegnerin sieht zur sachgerechten Abgeltung des Vorteils bei Grundstücken, die durch mehrere gleichartige Verkehrsanlagen erschlossen werden, vor, dass die ermittelten Berechnungsflächen für jede Verkehrsanlage nur mit zwei Dritteln zugrunde gelegt werden. Dies führt dazu, dass bei einer derartigen Entlastung - wie im Erschließungsbeitragsrecht seit längerem anerkannt - der Aufwand auf eine verminderte Fläche umgelegt wird und die Verminderung insofern vom Gesamtkreis der bevorteilten Anlieger getragen wird. Der Senat teilt die vom Verwaltungsgericht angenommenen Bedenken gegen eine derartige Regelung nicht. Ob überhaupt satzungsrechtlich eine Eckgrundstücksvergünstigung vorgesehen wird, steht im Ermessen des Satzungsgebers. Sieht eine Satzung aber eine derartige Eckgrundstücksermäßigung vor, so rechtfertigt sich dies aus der Überlegung, dass mehrere Anbaustraßen von einem mehrfach erschlossenen Grundstück erfahrungsgemäß in einem geringeren Umfang in Anspruch genommen werden, als von zwei jeweils getrennten Grundstücken, so dass die Gemeinde ermessensfehlerfrei von einem verminderten Vorteil durch die ausgebaute Anlage ausgehen kann. Damit spricht aber nichts dagegen, den gesamten beitragsfähigen Aufwand auf die - insofern verminderte - beitragspflichtige Fläche umzulegen (vgl. zur Argumentation im Erschließungsbeitragsrecht: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage, § 18 Rdnrn. 73 ff. m.w.N., der allerdings bei Ausbaubeiträgen eine differenziertere Einzelfallbeurteilung zugrunde legen will, a.a.O., § 36 Rdnrn. 16 ff.). Letztlich kann die Entscheidung dieser Frage hier jedoch offen bleiben, da sie im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich ist, wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist. § 13 Abs. 1 Satz 2 StrBS der Antragsgegnerin sieht nämlich vor, dass die Eckgrundstücksvergünstigungsregelung nur gilt, wenn mindestens zwei der Verkehrsanlagen voll in der Baulast der Gemeinde stehen. Die streitigen Grundstücke liegen jedoch mit einer Seite an einer Landesstraße, wie die Antragsgegnerin unwidersprochen vorgetragen hat. Außerdem gilt die Eckgrundstücksermäßigung gemäß § 13 Abs. 2 StrBS nicht in Gewerbe-, Industrie-, Kern- und Sondergebieten sowie für Grundstücke in unbeplanten Gebieten, die überwiegend entsprechend genutzt werden. Nach dem ebenfalls unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin liegen die betreffenden Grundstücke der von den Antragstellern gebildeten Erbengemeinschaft ausweislich des Bebauungsplans Nr. 4.11 in einem Gewerbegebiet. Zu Recht hat auch das Verwaltungsgericht dargelegt, dass selbst bei Annahme einer Unwirksamkeit der Eckgrundstücksvergünstigung in § 13 StrBS der Antragsgegnerin diese nicht zu einer Gesamtnichtigkeit der Satzung führen kann. Insofern wird auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

Anders als das Verwaltungsgericht hält der Senat die Belastung der Parzelle .... für den Ausbau der "A-Straße" als Hinterliegergrundstück nicht für rechtmäßig. Nach § 11 Abs. 1 Hessisches Kommunalabgabengesetz - KAG -können Kommunen zur Deckung des Aufwands für die Schaffung, Erweiterung und Erneuerung öffentlicher Einrichtungen - damit auch Straßen - Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile bietet. Anders als im Erschließungsbeitragsrecht ist damit also nicht zwingend eine Bebaubarkeit, d.h. ein "Erschlossensein" im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 Baugesetzbuch - BauGB - erforderlich, vielmehr ist jede rechtmäßige Grundstücksnutzung in den Vorteilsausgleich einzubeziehen. Gehören Anlieger- und Hinterliegergrundstück demselben Eigentümer, so ist das Hinterliegergrundstück in die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands einzubeziehen, wenn beide Grundstücke einheitlich genutzt werden. Eine einheitliche Nutzung kann dabei durch eine grenzüberschreitende Bebauung oder eine Zufahrt oder einen Zugang zum Hinterliegergrundstück dokumentiert werden. Entscheidend ist jedoch, ob dem Eigentümer des Hinterliegergrundstücks durch den Straßenausbau ein beitragsrelevanter Vorteil im Sinne des § 11 Abs. 1 KAG geboten wird, weil er vom Hinterliegergrundstück aus eine dauerhafte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Straße besitzt. Diese Möglichkeit besteht in Fällen der Eigentümeridentität bei Vorliegen einer einheitlichen Nutzung immer. Allerdings kann sie auch in weiteren Fällen vorhanden sein, etwa dann, wenn die ausgebaute Straße vom Hinterliegergrundstück aus erreicht werden kann. Der Zugang zur Straße vom Hinterliegergrundstück aus ist dann regelmäßig schon aufgrund der Eigentümeridentität unabhängig vom Vorhandensein einer einheitlichen Nutzung gegeben (vgl. Urteil des Senats vom 18. April 1996 - 5 UE 656/94 -, ZKF 1996, 253 = GemHH 1998, 69; OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. Juni 2000 - 9 M 1349/00 -, NdsVBl. 2001, 18). Hier vermag der Senat aufgrund der im Eilverfahren vorliegenden Unterlagen diese Voraussetzungen nicht zu bejahen. Zwar besteht zwischen dem Anliegergrundstück zur "A-Straße", der Parzelle ..., und dem so genannten Hinterliegergrundstück, der Parzelle ...., Eigentümeridentität. Beide Grundstücke stehen im Eigentum der von den Antragstellern gebildeten Erbengemeinschaft. Eine einheitliche Nutzung vermag der Senat jedoch nicht zu erkennen. Zwar sind beide Grundstücke gewerblich genutzt, allerdings von unterschiedlichen Nutzern. So befindet sich etwa auf der Parzelle ... ein Weinhandel, auf der Parzelle ... ein Tanzstudio. Allein die Tatsache, dass von den Besuchern beider Grundstücke auch Parkplätze auf der an beide anschließenden Parzelle ..., die ebenfalls im Eigentum der Erbengemeinschaft steht, genutzt und über die Parzelle .... angefahren werden, verknüpft diese Nutzung der Parzellen .... und .... nicht zu einer einheitlichen Nutzung. Es handelt sich nicht etwa um ein einheitliches Firmengelände. Im vorliegenden Fall fehlt es für das Hinterliegergrundstück .... nach den Erkenntnissen des Senats im Eilverfahren auch an der bei Eigentümeridentität in der Regel gegebenen Zugangsmöglichkeit zur ausgebauten Straße über das Anliegergrundstück hinweg. Diese Zugangsmöglichkeit entfällt nämlich dann, wenn es wegen einer weitgehenden Überbauung des Anliegergrundstücks bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ausgeschlossen ist, sich vom Hinterliegergrundstück einen Zugang zur Straße zu verschaffen (vgl. Urteil des Senats vom 18. April 1996, OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. Juni 2000, jeweils a.a.O.). Sowohl das Bildmaterial - insbesondere die Luftbildaufnahme - als auch die vorgelegten Planausschnitte weisen das Anliegergrundstück .... zur "A-Straße" als in seiner Breite so durchgehend bebaut aus, dass die Anlegung einer Zufahrt zum Hinterliegergrundstück .... bei wirtschaftlich sinnvoller Betrachtungsweise ausgeschlossen ist. Gleiches gilt offensichtlich auch hinsichtlich des ebenfalls im Eigentum der Erbengemeinschaft stehenden Grundstücks .... Damit erscheint aber eine für eine Beitragsverpflichtung gemäß § 11 KAG erforderliche vorteilhafte Inanspruchnahme der "A-Straße" vom Grundstück ... als nicht möglich.

Die vom Verwaltungsgericht - zutreffend - dargelegte Möglichkeit der Inanspruchnahme der "A-Straße" durch das Anliegergrundstück ... ist insofern in den Beschwerdegründen nicht mehr gerügt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Zivilprozessordnung und bemisst sich am Anteil des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 Gerichtskostengesetz - GKG - in der ab dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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