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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.08.2005
Aktenzeichen: 5 TG 3657/04
Rechtsgebiete: Hess KAG


Vorschriften:

Hess KAG § 11
1.) Bei "Zwischenwegen", die die Zufahrt zu Grundstücken im inneren Hintergelände einer ringförmigen Straßenanlage ermöglichen, kann es sich trotz einer Länge von jeweils über 100 m lediglich um unselbständige Verzweigungen des Hauptstraßenzugs der Ringstraße handeln, sofern auf Grund fester Absperrungen auf etwa halber Strecke ein durchgängiges Befahren ausgeschlossen ist und der Weg deshalb von der jeweiligen Seite des Hauptstraßenzugs aus als bloße Zufahrt zu angrenzenden "Innengrundstücken" in Erscheinung tritt.

2.) In die Verteilung des umlagefähigen Aufwands für die Erneuerung der Straßenanlage sind in einem solchen Fall auch die an die Zwischenwege angrenzenden "Innengrundstücke" einzubeziehen, auch wenn an den Wegen selbst keine Erneuerungsarbeiten vorgenommen werden. Eine das Abrechnungsgebiet im Wege der Abschnittsbildung auf die Grundstücke des Hauptstraßenzugs beschränkende gesonderte Abrechnung scheidet in diesem Fall aus.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 TG 3657/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Straßenbeitrag

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 18. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 15. November 2004 - 12 G 3863/04 (1) - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Vorausleistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 11. März 2004 wird insoweit angeordnet, als die festgesetzte Vorausleistung 320,-- € übersteigt.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 3/4 dem Antragsteller und zu 1/4 der Antragsgegnerin auferlegt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 140,85 € festgesetzt.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Heranziehung zu einer ersten Vorausleistung in Höhe von 422,56 € auf den Straßenbeitrag für die Erneuerung des Kurt-Schumacher-Rings im Stadtteil Roßdorf der Antragsgegnerin anzuordnen, abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und hat in Höhe eines Teilbetrages auch Erfolg. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Heranziehung, die es nach der im gerichtlichen Aussetzungsverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO rechtfertigen, die sofortige Vollziehung der angefochtenen Heranziehung auszusetzen, bestehen insoweit, als die Antragsgegnerin die Abrechnung auf die an den Hauptstraßenzug des Kurt-Schumacher-Rings unmittelbar angrenzenden Grundstücke sowie die durch Stichwege im äußeren Hintergelände dieses Hauptstraßenzugs erschlossenen Grundstücke beschränkt hat. Bei richtiger Abrechnung sind am umlegungsfähigen Aufwand auch die durch die "Innenwege" des Kurt-Schumacher-Rings erschlossenen Grundstücke zu beteiligen. Das aber führt wegen des damit verbundenen Zuwachses an insgesamt belastbarer Fläche zu einer Ermäßigung der Belastung, der der Kläger für seine Eigentumsanteile an den Grundstücken A-Straße und ..... ausgesetzt ist.

Das Verwaltungsgericht hat die Abrechnung der Antragsgegnerin mit der Begründung gebilligt, dass eine Einbeziehung der über die Innenwege des Kurt-Schumacher-Rings erschlossenen Grundstücksflächen in das Abrechnungsgebiet selbst dann ausscheide, wenn es sich - entgegen der Annahme der Antragsgegnerin - bei diesen Wegen nicht ihrerseits um selbständige Erschließungsanlagen handele. Gehe man nämlich von einer einzigen Erschließungsanlage aus, die den Hauptstraßenzug und die Innenwege als dessen unselbständige Verzweigungen umfasse, so stelle der Hauptstraßenzug einen Abschnitt dar, der sich bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 30.09.1996 - 5 TG 2165/96 - HSGZ 1997, 249 = GemHH 1998, 167) gesondert abrechnen lasse. Das aber bedeute, dass sich auch in diesem Fall das Abrechnungsgebiet auf die Grundstücke des Hauptstraßenzugs einschließlich der nach außen abzweigenden Stichwege beschränke. Bei den Innenwegen handele es sich dagegen um eigene Abschnitte, die gegebenenfalls künftig abzurechnen seien, wenn auch an ihnen Um- und Ausbauarbeiten durchgeführt würden.

Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen. Für eine das Erschließungsgebiet der Innenwege des Kurt-Schumacher-Rings aussparende Abrechnung der hier streitigen Erneuerungsmaßnahme ist auch unter Berücksichtigung dessen, dass nach der Senatsrechtsprechung die gesonderte Abrechnung einzeln erneuerter Abschnitte einer Straßenanlage grundsätzlich möglich ist, kein Raum. Im Einzelnen ist dazu Folgendes zu sagen:

Die Rechtfertigung der gesonderten Abrechnung einzeln erneuerter Straßenabschnitte ist nach der Rechtsprechung des Senats darin zu sehen, dass der Abschnitt gleichsam "stellvertretend" Straße sein kann, weil sich der straßenmäßig vermittelte Vorteil für die erreichbaren Grundstücke auf den Abschnitt selbst beziehen ("eingrenzen") lässt. Hiervon ausgehend kommt die gesonderte Abrechnung einzeln erneuerter Straßenabschnitte vornehmlich bei längeren Straßenzügen mit durch Einmündungen oder Kreuzungen klar abgegrenzten Teilstrecken in Betracht. Davon zu unterscheiden ist die Konstellation des Hauptstraßenzugs, von dem seitlich ein Stichweg als "Sackgasse" abzweigt. Ab einer bestimmten Länge - als Anhaltspunkt mag insoweit die vom Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegte Länge von 100 m bei nicht verzweigten Stichwegen dienen (BVerwG, Urteil vom 09.11.1984 - 8 C 77.83 - DVBl. 1985, 297) - und einer dieser Länge angemessenen Zahl zusätzlich erschlossener Grundstücke kann ein solcher Stichweg seinerseits eine selbständige Erschließungsanlage sein. Handelt es sich indessen um eine relativ kurze Verzweigung des Hauptstraßenzugs, deren Aufgabe nur darin besteht, einem oder einigen wenigen Grundstücken im Hintergelände die Zufahrt vom bzw. zum Hauptstraßenzug zu ermöglichen, so scheidet, was die Verzweigung als solche angeht, in der Regel sowohl die Annahme einer selbständigen Erschließungsanlage als auch eines gesondert abrechnungsfähigen Abschnitts aus. Für einen gesondert abrechnungsfähigen Abschnitt fehlt es in diesem Falle an der erforderlichen Beziehbarkeit (Eingrenzbarkeit) des Vorteils auf das jeweilige Straßenstück. Verzweigungen mit Zufahrtscharakter weisen im Verhältnis zum Hauptstraßenzug eine so starke räumliche und funktionelle Abhängigkeit auf, dass sie sich vorteilsmäßig nicht in der für einen selbständig abrechenbaren Abschnitt vorausgesetzten Weise verselbständigen lassen. Ihre Abrechnung ist deshalb zwangsläufig in die Abrechnung des Hauptstraßenzugs eingebettet. Eine das "Erschließungsgebiet" der Zufahrtsstrecke aussparende Bestimmung des Abrechnungsgebiets kommt insoweit auch dann nicht in Betracht, wenn die Erneuerungsmaßnahme ausschließlich im Bereich des Hauptstraßenzugs durchgeführt wird.

Der vorliegende Fall ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass die Innenwege des Kurt-Schumacher-Rings baulich nicht als "Stichwege" enden, sondern als "Zwischenwege" das gesamte vom Kurt-Schumacher-Ring eingefasste Gelände durchmessen. Sie zweigen vom Hauptstraßenzug ab und münden am jeweils anderen Ende in diesen wieder ein. Die dabei sich ergebende Länge von jeweils über 100 m - bei dem mittleren Innenweg, der am längsten ist, sogar von 146 m - scheint auf den ersten Blick für selbständige Erschließungsanlagen zu sprechen. Die bauliche Wegelänge spielt hier jedoch, wie sich bei der im Beschwerdeverfahren durchgeführten Augenscheinseinnahme bestätigt hat, für die anlagenmäßige Zuordnung keine maßgebende Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass die Wege jeweils in etwa der Mitte der Gesamtstrecke durch zwei versetzt angeordnete Geländer, die ein weiteres Durchfahren ausschließen, "abgesperrt" sind. Diese Absperrung lässt die Wege vom Kurt-Schumacher-Ring aus wie bei kurzen Stichwegen als bloße Zufahrten für die Grundstücke im Streckenbereich bis zur Absperrung in Erscheinung treten. Die Zahl der auf dieser Strecke zusätzlich erschlossenen Innengrundstücke beschränkt sich auf - in der Regel - drei Grundstücke. Der schon daraus abzuleitende Zufahrtscharakter wird auch in der einen Begegnungsverkehr ausschließenden geringen Breite und in der Ausstattung der Wege sichtbar. Das tatsächliche Verkehrsaufkommen hält sich zudem dadurch in Grenzen, dass für einen großen Teil der Innengrundstücke Garageneinstellplätze im Bereich der unmittelbar am Kurt-Schumacher-Ring angelegten Garagenzeilen zur Verfügung stehen. Besondere Einstellplätze auf den Innengrundstücken selbst sind nur vereinzelt angelegt. Sieht man von dem Fußgängerverkehr ab, für den die Innenwege Verbindungen zum jeweils gegenüberliegenden Straßenzug des Kurt-Schumacher-Rings ergeben, so scheinen die Innenwege vorrangig dafür gedacht zu sein, bei Vorgängen des Be- und Entladens eine Anfahrt mit dem PKW bis unmittelbar zum Grundstück bzw. gegebenenfalls auf das Grundstück zu ermöglichen. Bei dieser Ausgangslage kann dem Verständnis als bloße Zufahrt nicht etwa entgegengesetzt werden, dass es sich bei den in der Mitte der Wege installierten Absperrungen um verkehrliche Vorrichtungen handele, die gegebenenfalls auch wieder entfernt werden könnten, womit dann ein durchgehender befahrbarer Weg zur Verfügung stehe. Die Installierung der Absperrungen stellt eine bautechnische Lösung dar, durch die die den Innenwegen zugedachte Zufahrtsfunktion folgerichtig realisiert wird. Der Eröffnung von Durchgangsverkehr, wie er mit der Beseitigung der das Durchfahren hindernden Absperrungen verbunden wäre, steht schon die geringe Wegebreite entgegen, die einen Begegnungsverkehr nicht zulässt.

Scheidet aus den genannten Gründen bei den Innenwegen des Kurt-Schumacher-Rings nicht nur die Annahme selbständiger Erschließungsanlagen, sondern auch die Annahme gesondert abrechnungsfähiger Abschnitte des Kurt-Schumacher-Rings aus, so folgt daraus für die Abrechnung des erneuerten bzw. zu erneuernden Hauptstraßenzugs, dass zum Abrechnungsgebiet dieser Maßnahme auch die über die Innenwege zusätzlich erschlossenen Flächen gehören, mögen auch die Innenwege selbst nicht Gegenstand der Erneuerungsmaßnahme sein. Die Abrechnung der Antragsgegnerin, die sich auf die an den Hauptstraßenzug angrenzenden und die im äußeren Hintergelände des Kurt-Schumacher-Rings erschlossenen Flächen beschränkt, ist von daher fehlerhaft. Zur Aussetzung der Vollziehung des von dem Kläger angefochtenen Vorausleistungsbescheides in vollem Umfang kann dies freilich nicht führen. Die Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Veranlagung hat sich vielmehr auf den Teilbetrag zu beschränken, um den die Heranziehung wegen des zu klein gewählten Abrechnungsgebiets der Höhe nach "übersetzt" ist. Der Senat sieht im vorliegenden Eilverfahren davon ab, sich eine - mit entsprechendem Aufwand verbundene - Vergleichsberechnung der Antragsgegnerin vorlegen zu lassen. Aufgrund des vorliegenden Kartenmaterials mit den durch den Kurt-Schumacher-Ring einschließlich der Innenwege erschlossenen Flächen ist es möglich, die mit der beschriebenen Erweiterung des Abrechnungsgebiets verbundene Verringerung der Belastung für die Grundstücksanteile des Klägers wenigstens überschlägig zu ermitteln. Von der Zahl der erschlossenen Grundstücke und den Flächengrößen in den jeweiligen Gebietsbereichen ausgehend kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass sich die Belastung des Klägers auf etwa 320,-- €, damit um etwa ein Viertel des Ausgangsbetrags, ermäßigen wird. Soweit die streitige Heranziehung diesen Betrag übersteigt, ist unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers anzuordnen. Der Aussetzungsantrag im Übrigen ist abzulehnen.

Als Kostenfolge ergibt sich hieraus gemäß § 155 Abs. 1 VwGO die Belastung des Antragstellers mit drei Vierteln und der Antragsgegnerin mit einem Viertel der Verfahrenskosten.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 3, 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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