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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.07.2005
Aktenzeichen: 5 TG 3920/04
Rechtsgebiete: HGO, KGG


Vorschriften:

HGO § 143 Abs. 1 Satz 3
KGG § 10
KGG § 11
KGG § 21
KGG § 35
Auf die aufsichtsbehördliche Genehmigung einer Kündigung der Verbandsmitgliedschaft aus wichtigem Grund gem. § 21 Abs. 3 des Hess. Gesetzes über Kommunale Gemeinschaftsarbeit (KGG) lässt sich die an den Ablauf von drei Monaten nach Eingang des Genehmigungsantrages anknüpfende Erteilungsfiktion des § 143 Abs. 1 Satz 3 der Hess. Gemeindeordnung (HGO) nicht sinngemäß anwenden.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 TG 3920/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Heranziehung zu einer Umlage;

hier: Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Schneider, Richter am Hess. VGH Dr. Jürgens

am 28. Juli 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 14. Dezember 2004 - 3 G 1461/04(2) - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung für beide Instanzen auf 30.132,-- € festgesetzt.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Heranziehung zu einer Umlagezahlung in Höhe von 90.396,41 € durch den Antragsgegner abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, kann in der Sache jedoch keinen Erfolg haben. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen auch nach Auffassung des Senats keine ernstlichen Zweifel, die es nach der im gerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO rechtfertigen können, die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides auszusetzen.

Die Antragstellerin macht geltend, dass sie der Verpflichtung zur Entrichtung der streitigen Umlage zum Ausgleich der in der Vergangenheit erwirtschafteten Verluste beim Antragsgegner nicht unterliege, da die von ihr erklärte Kündigung aus wichtigem Grund im Februar 2001 zur Beendigung ihrer Verbandsmitgliedschaft geführt habe. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, fehlt es jedoch an der Erfüllung der formalen Anforderungen, von denen nach der Regelung im Gesetz über Kommunale Gemeinschaftsarbeit (KGG) vom 16. Dezember 1969, GVBl. I S. 307, die Wirksamkeit einer solchen Kündigung abhängt. Nach § 21 Abs. 3 Satz 1 KGG bedarf u.a. die Kündigung aus wichtigem Grund der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Des Weiteren ist, wie sich aus der Verweisung des § 21 Abs. 5 KGG auf die sinngemäße Geltung des § 11 KGG ergibt, die Kündigung "mit dem Genehmigungsvermerk der Aufsichtsbehörde öffentlich bekannt zu machen". Im vorliegenden Fall hat das Regierungspräsidium Gießen als zuständige Aufsichtsbehörde die Erteilung der Genehmigung mit Bescheid vom 5. September 2002 abgelehnt. Soweit sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf den Eintritt der "Genehmigungsfiktion" des § 143 Abs. 1 Satz 3 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) beruft, weil nicht innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Antrags die Genehmigung abgelehnt wurde und etwaige Hinderungsgründe für eine abschließende Entscheidung nicht mitgeteilt worden waren, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar verweist § 35 Abs. 1 Satz 2 KGG für die staatliche Aufsicht, der die Zweckverbände unterstehen, auf die sinngemäße Anwendung der §§ 135, 137 bis 146 HGO. Für eine Anwendung gerade des § 143 Abs. 1 Satz 3 HGO ist jedoch, soweit es um die Genehmigungserteilung bei Änderungen und Auflösungen im Sinne des § 21 KGG geht, kein Raum. Das hier speziell geregelte Erfordernis der öffentlichen Bekanntmachung "mit Genehmigungsvermerk der Aufsichtsbehörde" lässt einen Rückgriff auf die Erteilungsfiktion im Rahmen der allgemeinen Staatsaufsicht nicht zu. Von der inhaltlichen Unverträglichkeit der Erteilungsfiktion des § 143 Abs. 1 Satz 3 HGO mit dem für die Kündigung aus wichtigem Grund besonders geregelten Bekanntmachungserfordernis geht die Antragstellerin selbst aus. Durchaus zutreffend stellt sie auf Seite 2 ihrer Beschwerdebegründung fest, dass die Verweisung in § 21 Abs. 5 KGG auf § 11 KGG an den "Normalfall einer Kündigung nach § 21 Abs. 3 KGG mit ausdrücklicher Entscheidung der Aufsichtsbehörde" anknüpft und sich damit nicht auf die Konstellation der "Genehmigungsfiktion" nach § 143 Abs. 1 Satz 3 HGO beziehen lässt. Freilich leitet sie daraus nicht die richtigen Schlüsse ab. Sie meint nämlich, dass sich zu Gunsten der ihr erwünschten Anwendung des § 143 Abs. 1 Satz 3 HGO die Nichtanwendbarkeit des in § 11 KGG geregelten Bekanntmachungserfordernisses ergebe. Richtig ist es aber gerade umgekehrt: Wenn die öffentliche Bekanntgabe einer positiv erteilten Genehmigung bei einer bloß fiktiven Genehmigungserteilung nicht in Betracht kommt, so folgt eben daraus, dass § 143 Abs. 1 Satz 3 HGO mit der hier geregelten Erteilungsfiktion nicht anzuwenden ist, denn § 11 KGG geht vor.

Wollte man § 143 Abs. 1 Satz 3 HGO gleichwohl auch für den Fall der aufsichtsbehördlichen Genehmigung einer Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne des § 21 Abs. 3 KGG zur Geltung bringen, so müsste, um die Verträglichkeit mit dem Bekanntmachungserfordernis des § 11 KGG zu erreichen, die letztgenannte Vorschrift so ausgelegt werden, dass in diesem Fall als "Genehmigungsvermerk" der Eintritt der Genehmigungsfiktion öffentlich bekannt zu machen wäre. Da im vorliegenden Fall auch eine solche Veröffentlichung nicht erfolgt ist, würde das aber der Antragstellerin nicht weiterhelfen.

Liegt aus den genannten Gründen eine wirksame Kündigung nicht vor, so ist die Antragstellerin Mitglied der Antragsgegnerin geblieben. Als solches unterliegt sie der in der geänderten Satzung der Antragsgegnerin geregelten Verpflichtung, sich mittels Umlagezahlung an der Deckung der in der Vergangenheit entstandenen Verluste des Antragsgegners zu beteiligen.

Die Frage, ob die von der Antragstellerin erklärte Kündigung wegen tatsächlichen Vorliegens eines wichtigen Grundes inhaltlich gerechtfertigt war, braucht bei dieser Ausgangslage nicht erörtert zu werden. Hierzu sei nur soviel angemerkt, dass in Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts manches dafür spricht, für eine Kündigung, die sich als "Flucht" aus der solidarischen Belastungsteilhabe darstellt, einen wichtigen Grund nicht anerkennen zu können.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist nach allem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertentscheidung beruht für das Beschwerdeverfahren auf den §§ 52 Abs. 3, 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes - GKG - in der insoweit schon anzuwendenden Fassung ab 1. Juli 2004, für das erstinstanzliche Verfahren dagegen auf den §§ 13, 20 Abs. 3 der vor diesem Zeitpunkt geltenden Fassung. Es entspricht der ständigen Streitwertpraxis des Senats, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel ein Drittel der streitigen Abgabenforderung als Streitwert festzusetzen. Der vom Verwaltungsgericht für das erstinstanzliche Verfahren höher angesetzte Streitwert war dementsprechend zu ermäßigen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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