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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: 5 UE 1297/03
Rechtsgebiete: BauGB, EWS der Stadt Schlüchtern, GG, KAG


Vorschriften:

BauGB § 34
EWS der Stadt Schlüchtern
GG Art. 3 Abs. 1
KAG § 11
Ein Verteilungsmaßstab, der in beplanten Gebieten auf die nach den Festlegungen des Bebauungsplans zulässige Geschossfläche abstellt und für den unbeplanten Innenbereich in der Beitragssatzung gebietsbezogene Geschossflächenzahlen festlegt, entspricht nur dann den Anforderungen der Abgabengerechtigkeit, wenn diese Geschossflächenzahlen die nach den örtlichen Verhältnissen nach § 34 BauGB zulässige bauliche Ausnutzung widerspiegeln.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

5 UE 1297/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Heranziehung zu einem Kläranlagenbeitrag

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider, ehrenamtlicher Richter Bretthauer, ehrenamtliche Richterin Wendel

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2003 - 6 E 5117/01(2) - abgeändert.

Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Die Entscheidung über die Kosten ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen seine Heranziehung zu einem Kläranlagenbeitrag weiter.

Der Kläger ist gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer des Grundstücks Flur 18, Flurstück ........ "A-Straße" im Gebiet der Beklagten. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut. Für die Umgebung des Grundstücks besteht kein Bebauungsplan.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 1999 zog die Beklagte den Kläger zu einer Vorausleistung auf den Abwasserbeitrag in Höhe von 567,80 DM für die neu zu errichtende Abwasserbehandlungsanlage (Kläranlage) im Stadtteil Niederzell heran. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2001 zurück.

Mit Bescheid vom selben Tag forderte die Beklagte vom Kläger nunmehr den endgültigen Abwasserbeitrag. Unter Zugrundelegung einer Geschossflächenzahl von 0,8 setzte die Beklagte bei einem Beitrag von 0,75551 DM pro Quadratmeter Grundstücksfläche sowie 0,75551 DM pro Quadratmeter Geschossfläche für das Grundstück des Klägers einen Beitrag von 980,50 DM fest. Abzüglich der bereits gezahlten Vorausleistung wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom Kläger ein noch zu zahlender Betrag von 403,70 DM gefordert.

Mit Schriftsatz vom 28. November 2001 - eingegangen per Telefax beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main am selben Tag - hat der Kläger zunächst gegen den Vorausleistungsbescheid vom 1. Dezember 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2001 Klage erhoben. Nachdem der Kläger auch gegen den endgültigen Beitragsbescheid vom 30. Oktober 2001 mit Schreiben vom 28. November 2001 Widerspruch eingelegt hatte, über den bislang nicht entschieden worden ist, hat der Kläger auf Hinweis des Verwaltungsgerichts die Klage mit Schriftsatz vom 19. Juni 2002 nunmehr gegen den endgültigen Beitragsbescheid vom 30. November 2001 gerichtet. Die Beklagte hat sich mit dieser Klageänderung einverstanden erklärt.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger zum einen Veröffentlichungsmängel der zugrunde liegenden Satzung gerügt. Zu Unrecht gehe der Bescheid aber auch von einer Geschossflächenzahl von 0,8 für sein Grundstück aus. Sein Bevollmächtigter verweist dazu auf die Satzung der Beklagten, nach der sich bei einem Grundstück im unbeplanten Innenbereich die für die Berechnung des Abwasserbeitrags maßgebliche Geschossflächenzahl nach der nach § 34 Baugesetzbuch - BauGB - zulässigen Nutzung richte, wobei für Wohngebiete bei einem zulässigen Vollgeschoss eine Geschossflächenzahl von 0,5 und bei zwei zulässigen Vollgeschossen eine Geschossflächenzahl von 0,8 anzusetzen sei. Bei Anlegung dieses Maßstabes müsse beim klägerischen Grundstück davon ausgegangen werden, dass dort nur eine eingeschossige Bauweise zulässig sei. Die Straße "A-Straße" sei überwiegend nur eingeschossig bebaut. In diesem Zusammenhang hat der Bevollmächtigte des Klägers die Kopie eines Bauvorbescheides vom 25. Juli 2002 für das Nachbargrundstück " A-Straße ....." vorgelegt, in dem für die Bebauung ein Gebäude mit einem Vollgeschoss und eine Geschossflächenzahl von 0,25 vorgegeben sind. Auch bei einer zulässigen Bebauung mit nur einem Vollgeschoss dürfe als Berechnungsgrundlage des Beitrages allerdings nicht pauschal eine Geschossflächenzahl von 0,5 zugrunde gelegt werden, da die tatsächliche Ausnutzung der Grundstücke in der Umgebung deutlich darunter liege. Insofern dürfe die Satzung keine Geschossflächenzahl ansetzen, die nicht der tatsächlichen Bebauung entspreche und im Hinblick auf § 34 BauGB tatsächlich nicht ausgenutzt werden könne. Insofern sei bedenklich, dass die Satzung zwar bei Überschreitung der Geschossflächen die tatsächliche Ausnutzung zugrunde lege, aber keine Regelung für den Fall einer aus Rechtsgründen nur eingeschränkten baulichen Nutzung enthalte. Bei der Erhebung von Erschließungsbeiträgen sei anerkannt, dass öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen bei der Bemessung der Ausnutzbarkeit zu berücksichtigen seien.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Stadt Schlüchtern für die Heranziehung zum Abwasserbeitrag für den Neubau der Kläranlage im Stadtteil Niederzell vom 30. Oktober 2001 aufzuheben und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, die dem Bescheid zugrunde liegende Satzung sei den Vorgaben der Hessischen Gemeindeordnung entsprechend im Amtsblatt der Beklagten veröffentlicht worden. Ihrer Auffassung nach sei eine Bebauung des klägerischen Grundstücks mit zwei Vollgeschossen nach der näheren Umgebung zulässig. Insoweit werde auf eine von ihr vorgelegte Zusammenstellung der Bauantragsunterlagen eines Großteils der Grundstücke in der Straße " A-Straße " verwiesen. Soweit von Klägerseite vorgetragen worden sei, einzelne Grundstücke im beplanten Gebiet der Beklagten seien trotz deutlich höherer Ausnutzung nur auf der Grundlage einer Geschossflächenzahl von 0,3 abgerechnet worden, betreffe dies allenfalls die Vorausleistungsbescheide. Bei der endgültigen Beitragsfestsetzung sei bei all jenen Grundstücken im beplanten Bereich, deren Ausnutzung die Vorgaben des Bebauungsplans überschreite, gemäß der Satzung die tatsächlich vorhandene Geschossfläche der Berechnung des Beitrags zugrunde gelegt worden.

Mit Urteil vom 19. März 2003 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die dem Heranziehungsbescheid zugrunde liegende Entwässerungssatzung der Beklagten sei in ihrer Verteilungsregelung für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich nicht zu beanstanden. Eine Beitragsbemessung unter Berücksichtigung der im Einzelfall auf dem konkreten Grundstück tatsächlich erreichbaren Geschossfläche sei nur dann geboten, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände auf diesem Grundstück jetzt und auch für die Zukunft nur eine geringere als die in der Satzung festgelegte Geschossflächenzahl erreichbar sei. Es handele sich beim Abstellen auf die Geschossflächenzahl um einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der die Bemessung nur nach dem wahrscheinlichen Ausmaß der Vorteile möglich machen solle. Ein "Verminderungszwang" könne nur dann Anwendung finden, wenn die öffentlich-rechtliche Baubeschränkung ausreichend konkretisierbar sei. Der Kläger habe auch nicht substantiiert darlegen können, dass auf seinem Grundstück definitiv eine Bebauung unter Ausnutzung der in der Satzung für die Beitragsbemessung festgelegten Geschossflächenzahl nicht möglich sei. Insofern werde auf die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung der Baugenehmigungsunterlagen über die Grundstücke " A-Straße ... bis ....." verwiesen, denen sich nicht zwingend entnehmen lasse, dass für das Grundstück des Klägers tatsächlich nur eine geringere Ausnutzung als die in der Satzung zum Maßstab erklärte möglich sei.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 17. April 2003 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 12. Mai 2003 - eingegangen beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main am selben Tag - Berufung eingelegt.

Zur Begründung der Berufung hat der Bevollmächtigte des Klägers vorgetragen, die Bedenken gegen die ordnungsgemäße Verkündung der Entwässerungssatzung der Beklagten würden nicht aufrechterhalten. Allerdings sei die Satzung der Beklagten unwirksam, weil sie für Wohngebiete im unbeplanten Innenbereich eine Geschossflächenzahl von 0,5 bei eingeschossiger Bebaubarkeit und von 0,8 bei zweigeschossiger Bebaubarkeit festsetze. Unproblematisch sei es, dass sich die anzusetzende Geschossfläche im unbeplanten Innenbereich nach dem höchstzulässigen Maß der Nutzung des Grundstücks richten müsse. Ebenso wie es im Bereich von Bebauungsplänen nicht darauf ankomme, ob die nach dem Plan zulässige Ausnutzung auch tatsächlich in Anspruch genommen werde, müsse dies auch im unbeplanten Bereich gelten. Es komme also bei Unterschreitung der zulässigen Ausnutzung nicht auf die tatsächliche, sondern auf die rechtlich zulässige Nutzung an. Die Praxis in Hessen orientiere sich an den Höchstgeschossflächenzahlen nach der früheren Baunutzungsverordnung. Es werde unterstellt, dass diese Ausnutzungsziffern nach § 34 BauGB auch tatsächlich realisiert werden könnten. Dies sei bereits in Bezug auf die Neufassung der Baunutzungsverordnung problematisch. So werde nach § 14 EWS für Grundstücke in Wohngebieten nunmehr mit der Geschossflächenzahl von 0,5 bei einem zulässigen Vollgeschoss eine Ausnutzungsziffer als höchstzulässig unterstellt, die nach der neuen Baunutzungsverordnung planungsrechtlich überhaupt nicht mehr zulässig sei. Hinzu komme, dass im konkreten Fall jedenfalls im Gebiet der Beklagten die tatsächliche Ausnutzung der Wohngebiete außerhalb des eigentlichen Stadtkerns in den unbeplanten Gebieten in der Regel noch nicht einmal eine Geschossflächenzahl von 0,4 erreiche. Dem Kläger sei es naturgemäß nicht möglich, die vorhandene Nutzung der Grundstücke im unbeplanten Innenbereich detailliert darzustellen. Wohl aber könne und müsse die Beklagte anhand ihrer Unterlagen darstellen, welche Ausnutzung in welchen Gebieten ohne Bebauungsplan tatsächlich vorhanden sei. Nur so könne sie die Festlegung in ihrer Satzung rechtfertigen, in diesen Gebieten eine Geschossflächenzahl von 0,5 bzw. 0,8 zugrunde zu legen. Es gehe nicht nur darum, für die Grundstücke im unbeplanten Innenbereich untereinander einen plausiblen Maßstab für die Bemessung der Vorteile zu gewinnen. Da der gesamte umlegungsfähige Aufwand für die Abwasseranlage nach Maßgabe der Geschossflächen umgelegt werde, führe eine ungleiche Belastung der Grundstücke im unbeplanten Innenbereich gegenüber denen im beplanten Bereich dazu, dass die Grundstücke im beplanten Gebiet im Ergebnis trotz gleicher rechtlich zulässiger Ausnutzung geringer belastet würden als die im unbeplanten Innenbereich. Wenn sich die Beklagte in ihrer Satzung für den Geschossflächenmaßstab (in Kombination mit der Grundstücksfläche) entschieden habe, müsse sie diesen Maßstab auch durchgängig anwenden. Andernfalls werde der Grundsatz der Typengerechtigkeit und damit der Gleichheitsgrundsatz verletzt. Das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass § 10 Abs. 2 EWS auf die "zulässige Geschossfläche" verweise und damit auch den Fall regele, dass die nach § 14 Abs. 1 EWS zugrunde zu legende Geschossfläche aus rechtlichen Gründen nicht realisiert werden könne. Ob die Satzung aber so verstanden werden könne, erscheine zweifelhaft. Vielmehr liege es näher, die abweichende Formulierung in § 10 Abs. 2 EWS als einen schlichten Verweis auf die zulässige Geschossfläche in den §§ 12 bis 14 EWS zu verstehen. Selbst wenn man die Entwässerungssatzung der Beklagten trotz dieser Bedenken für rechtswirksam halte, sei der angegriffene Bescheid jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil er für das Grundstück des Klägers von einer Geschossfläche von 0,8 bei zweigeschossiger Bebauung ausgehe. Diese Geschossflächenzahl sei nämlich aus Rechtsgründen auf diesem Grundstück nicht realisierbar. Maßstab für die Bemessung der Geschossflächenzahl sei das Maß der zulässigen Nutzung. Dabei bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls im beplanten Bereich ein "Verminderungszwang" im Falle von Baubeschränkungen, die eine volle Ausnutzung des Grundstücks entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht zuließen. Für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich könne nichts anderes gelten. Auch hier verlange der Grundsatz der Typengerechtigkeit, dass nur das rechtlich zulässige Nutzungsmaß zugrunde gelegt werden dürfe, wenn für die Bemessung des Vorteils an das Maß der Nutzung angeknüpft werde. Das Verwaltungsgericht nehme von diesem Ausgangspunkt einen Verminderungszwang im unbeplanten Innenbereich jedoch nur bei Baubeschränkungen an, die z. B. auf naturschutzrechtlicher oder denkmalschutzrechtlicher Grundlage beständen. Bei der Feststellung der zulässigen Ausnutzung der Grundstücke im Bereich eines Bebauungsplans werde auch allein auf die gegenwärtig nach dem Plan zulässige Ausnutzung abgestellt. Maßgeblich sei also bei diesen Grundstücken, welche Ausnutzung im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides baurechtlich zulässig sei. Nichts anderes könne für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich gelten. Der Kläger habe im erstinstanzlichen Verfahren detailliert vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass sein Grundstück nach § 34 BauGB nur eingeschossig mit einer Geschossflächenzahl von maximal 0,3 bebaubar sei. Wenn das Verwaltungsgericht nun meine, es sei nicht zwingend davon auszugehen, dass auf dem Nachbargrundstück des Klägers nicht dennoch bei Vorlage eines konkreten Bauantrags eine Bebauung mit zwei Vollgeschossen genehmigt würde oder eine solche nicht auf dem Rechtsweg erstritten werden könne, müsse das schon fast als abwegig angesehen werden. Jedenfalls überspanne das Gericht damit die Anforderungen an die Darlegung eines rechtlichen Hindernisses für die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte zweigeschossige Bebauung. Keine Rolle bisher im Verfahren habe die Frage gespielt, ob die Beklagte bei der Berechnung des umlagefähigen Aufwands für die Abwasserbehandlungsanlage im Stadtteil Niederzell einen angemessenen Betrag für den Vorteil der Allgemeinheit in Abzug gebracht habe. Den Bescheiden über die Vorausleistung wie auch für die endgültige Heranziehung des Klägers zu diesem Beitrag sei dazu nichts zu entnehmen. Von Beginn des Widerspruchsverfahrens an habe der Kläger ferner darauf hingewiesen, dass die Beklagte in einer Vielzahl von Fällen Grundstücke im beplanten Innenbereich entgegen § 12 Abs. 1 EWS nicht mit ihrer tatsächlichen Ausnutzung, sondern mit der niedrigeren Geschossflächenzahl des Bebauungsplans von 0,3 abgerechnet habe. Wenn die Beklagte nunmehr vor dem Verwaltungsgericht vorgetragen habe, bei der endgültigen Heranziehung seien in zahlreichen Fällen höhere Festsetzungen erfolgt, habe der Kläger von diesen Bescheiden keine Kenntnis. Falls es in einer erheblichen Zahl von Fällen im beplanten Bereich zu einer falschen Berechnung gekommen sein sollte, würde dies auch den Vorwurf der Verletzung des Gleichheitssatzes begründen. Durch das Umlageprinzip würden dadurch nämlich automatisch die anderen Grundstückseigentümer höher belastet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2003 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 aufzuheben sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, es sei zutreffend, dass sich die für den unbeplanten Bereich geltenden Geschossflächenzahlen an § 17 BauNVO 1977 orientierten. Die dortige Zusammenfassung der reinen und allgemeinen Wohngebiete mit Mischgebieten und Ferienhausgebieten sei lediglich im Satzungsrecht nachvollzogen. Es sei deshalb nicht problematisch, Wohngebiete und Dorfgebiete zusammenzufassen. Abgesehen davon sei die Behauptung unrichtig, die neue Baunutzungsverordnung lasse in Wohngebieten nur noch eine Geschossflächenzahl von 0,4 zu. Sowohl in reinen als auch allgemeinen Wohngebieten, wie auch in Ferienhaus-, Dorf- und Mischgebieten sei eine Geschossflächenzahl bis zu 1,2 zulässig. Die von Klägerseite ins Feld geführten Werte von 0,4 für Wohngebiete und 0,6 für Dorf- und Mischgebiete beträfen die Grundflächenzahl. Unzutreffend sei die Behauptung, wonach die Satzung dazu führe, dass Grundstücke in beplanten Gebieten im Ergebnis trotz gleicher rechtlich zulässiger Ausnutzung geringer belastet würden als die im unbeplanten Innenbereich. Wenn ein Bebauungsplan eine Geschossflächenzahl von 0,8 vorsehe, wenn Grundstücke in einem allgemeinen Wohngebiet zweigeschossig bebaut werden dürften, so gelte die gleiche Geschossflächenzahl für Grundstücke mit gleicher Ausnutzbarkeit im unbeplanten Innenbereich. Eine geringere Belastung trete nur dort ein, wo der Bebauungsplan unter den Höchstwerten der Baunutzungsverordnung bleibe und damit gerade beabsichtige, dass die so bewerteten Grundstücke geringer ausgenutzt werden dürften. Daraus folge, dass selbst dann, wenn Bebauungspläne in dem geschilderten Beispielsfall sämtlich unter der Höchstgeschossflächenzahl von 0,8 blieben, die Grundstücke des unbeplanten Innenbereichs nicht an den Vorgaben dieser Bebauungspläne zu messen wären, sondern daran, was dort im unbeplanten Innenbereich zulässig sei. Die Beklagte behelfe sich mit Höchstwerten der früheren Baunutzungsverordnung allein deshalb, weil eine andere Verfahrensweise nicht praktikabel, auf jeden Fall mit erheblichem Aufwand verbunden sei. Wolle man nämlich jedes einzelne Grundstück im unbeplanten Innenbereich so belasten, wie es in einer konkreten Situation nach baurechtlichen Vorgaben ausgenutzt werden dürfe, so müssten im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht im Gemarkungsbereich der Beklagten mehrere Tausend Grundstücke gleichzeitig auf ihre Ausnutzungswerte hin untersucht werden, die wechselseitig von den Zufälligkeiten der in diesem Moment anzutreffenden Bebauung abhingen. Deshalb müsse eine gewisse Pauschalierung erlaubt sein und damit ein Abstellen darauf, welche Ausnutzung in etwa erreicht werden könne. Wenn die Satzung auf die zulässige Geschossfläche abstelle, sei damit nicht die Geschossfläche nach den Vorgaben des Baurechts gemeint, sondern die abwasserbeitragsrechtliche Geschossfläche. Wie diese zu ermitteln sei, bestimme die Satzung selbst. In beplanten Gebieten knüpfe man an die Festsetzung des Bebauungsplans an, im unbeplanten Bereich würden Geschossflächenzahlen "geschaffen", deren Verwendung dann letztlich zu den im satzungsrechtlichen Sinne zulässigen Geschossflächen führe. Verwende eine Gemeinde den so genannten Vollgeschossmaßstab und erfinde entsprechend der Anzahl der Vollgeschosse bestimmte Nutzungsfaktoren, so werde auch nicht danach gefragt, ob diese Faktoren baurechtlich verwirklichungsfähig seien. Es gehe allein darum, Grundstücke vorteilsgerecht zu belasten. Rein vorsorglich werde auch deshalb noch einmal darauf hingewiesen, dass auf dem klägerischen Grundstück auch eine Geschossflächenzahl von 0,8 verwirklichungsfähig sei, da in dem fraglichen Bereich zwei Vollgeschosse errichtet werden könnten, wie dies Bauwerke in der unmittelbaren Nachbarschaft zum klägerischen Grundstück belegten. Auch habe die Beklagte den Vorteil der Allgemeinheit im Rahmen der Beitragsbestimmung ausreichend berücksichtigt. Dies ergebe sich schon daraus, dass sie von den Gesamtkosten in Höhe von rund 24 Mio. DM die geflossenen Zuschüsse und Beteiligungen anderer Gemeinden in Höhe von 13 Mio. DM in Abzug gebracht habe. Höher sei der Vorteil der Kläranlage für die Allgemeinheit sicherlich nicht anzusetzen.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens 5 UE 2518/03 sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten in beiden Verfahren (5 Hefter und 3 Ordner) und der Beiakte des Main-Kinzig-Kreises (Az.: 01371-2002-40) verwiesen, die insgesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht in seinem die Klage abweisenden Urteil zugelassene Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht begründet worden.

Die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten über die Heranziehung des Klägers zu einem Beitrag für die Errichtung der Kläranlage Niederzell vom 30. Oktober 2001 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Es fehlt dem Bescheid an einer wirksamen Rechtsgrundlage.

Rechtsgrundlage für den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 für sein Grundstück im unbeplanten Innenbereich ist § 11 Abs. 1 Hessisches Kommunalabgabengesetz - HKAG - in Verbindung mit der Entwässerungssatzung - EWS - der Beklagten vom 21. November 2000. Diese enthält keine wirksame Beitragsbemessungsregelung.

Nach § 10 Abs. 1 EWS erhebt die beklagte Stadt zur Deckung des Aufwands für die Schaffung, Erweiterung und Erneuerung der Abwasseranlagen Beiträge, die nach der Grundstücksfläche und der zulässigen Geschossfläche bemessen werden. Der Beitrag für die im Stadtteil Niederzell neu zu errichtende Abwasserbehandlungsanlage beträgt nach § 10 Abs. 2 EWS 0,75551 DM je Quadratmeter Grundstücksfläche und 0,75551 DM je Quadratmeter Geschossfläche. Die in beplanten Gebieten für die Bestimmung des Beitrags zugrunde zu legende Geschossfläche bestimmt sich nach § 12 EWS nach den Festsetzungen des Bebauungsplans durch Vervielfachung der Grundstücksflächen mit der im Plan festgesetzten Geschossflächenzahl. Im unbeplanten Innenbereich bestimmt sich die Geschossfläche nach in § 14 Abs. 1 EWS festgelegten Geschossflächenzahlen, die nach der Art des jeweiligen Baugebiets und - teilweise - innerhalb der Baugebiete nach der Zahl der zulässigen Vollgeschosse differenziert sind. Diese Regelung orientiert sich an der in der Vergangenheit in den kommunalen Beitragssatzungen üblichen Verweisung auf die Höchstgeschossflächenzahlen, die in § 17 Abs. 1 Baunutzungsverordnung - BauNVO - in der Fassung vom 15. September 1977 (BGBl. I S. 1763, geändert durch VO vom 19. Dezember 1986, BGBl. I S. 2665) baugebiets- und geschosszahlenbezogen ausgewiesen waren. Nachdem die Baunutzungsverordnung - und ihr § 17 - durch die Neufassung (Bekanntmachung vom 23. Januar 1990, BGBl. I S. 132) diese Möglichkeit der Verweisung nicht mehr zuließ, sind in vielen Beitragssatzungen - wie bei der Beklagten - direkt entsprechende Regelungen aufgenommen worden.

Derartige Satzungsregelungen für die Ermittlung der zulässigen Geschossfläche im unbeplanten Innenbereich hat der Senat in der Vergangenheit (vgl. Urteil vom 11. Februar 1987 - 5 OE 82/82 -, HSGZ 1987, 529 = GemHH 1988, 91) für zulässig erachtet, unabhängig davon, ob die jeweilige Geschossflächenzahl nach der im Abrechnungsgebiet überwiegend vorhandenen Grundstücksnutzung tatsächlich erreichbar sei. Bedenken hat er nur dann gesehen, wenn die tatsächlich erreichbare Nutzung in einer nach dem Grundstück der Typengerechtigkeit beachtlichen Anzahl von Fällen zu weit überschritten werde. Nachdem allerdings von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht tatsächliche Einschränkungen der zulässigen baulichen Nutzung durch öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen, die sich auf das satzungsrechtlich zugrunde zu legende Nutzungsmaß auswirken, unter dem satzungsrechtlichen Tatbestandsmerkmal der "zulässigen Geschossfläche" sowohl im beplanten als auch im unbeplanten Bereich bei der Bestimmung der Geschossfläche zu berücksichtigen sind (Urteil vom 3. Februar 1989 - 8 C 66.87 -, BVerwGE 81, 251, zum beplanten Gebiet, und Urteil vom 10. Oktober 1995 - 8 C 12.94 -, Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 100 = NVwZ 1996, 800, zum unbeplanten Innenbereich), hat der Senat diese Einschränkungen durch öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen auch auf das Anschlussbeitragsrecht übertragen (vgl. Beschluss vom 24. September 1996 - 5 TG 3919/95 -, HSGZ 1997, 171 = GemHH 1998, 238, zum beplanten Gebiet, Urteile vom 17. Dezember 2003 - 5 UE 1734/02 -, HSGZ 2004, 151 = UPR 2004, 155, und vom 16. Juni 2004 - 5 UE 1701/02 -, JURIS = BauR 2004, 1667, zum unbeplanten Innenbereich). Insofern hat der Senat die Satzungsregelungen für den unbeplanten Innenbereich bereits als - in derartigen Einzelfällen widerlegbare - Vermutungsregelung angesehen (vgl. Beschluss vom 29. September 1999 - 5 TG 189/98 -, insoweit als "obiter dictum" -; Urteil vom 16. Juni 2004, a.a.O.).

Das Bundesverwaltungsgericht hat vergleichbare Satzungsregelungen zur Bestimmung der Geschossfläche für den unbeplanten Innenbereich im Erschließungsbeitrags- und Anschlussbeitragsrecht für zulässig angesehen (vgl. z.B. Urteile vom 10. Oktober 1975 - 7 C 64.74 -, BVerwGE 49, 227, und vom 10. Juni 1981 - 8 C 20.81 -, BVerwGE 62, 308), hat aber bereits in seinem Urteil vom 10. Juni 1981 hinzugefügt, dass Vorteilsprinzip und Abgabengerechtigkeit einer derartigen Regelung dann nicht entgegenstehen, wenn das der Verteilung zugrunde zu legende Nutzungsmaß sich von dem zulässigen Nutzungsmaß nicht zu weit entfernt (a.a.O., S. 313; so auch: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 2. Juni 2004 - 4 K 38/02 -, Juris). Es hat auch auf Bedenken hingewiesen, die bestehen, wenn für den unbeplanten Innenbereich bei einer derartigen Bemessungsregelung keine Tiefenbegrenzungsregelung satzungsrechtlich vorgesehen ist (a.a.O., S. 314 f).

Eine - nach Auffassung des Senats rechtlich grundsätzlich zulässige - satzungsrechtliche Vermutungsregelung für die zulässige bauliche Nutzung im unbeplanten Innenbereich kann allerdings den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG - nur genügen, wenn sich die satzungsrechtlichen Vorgaben an den tatsächlichen Verhältnissen im Gemeindegebiet orientieren. Da in beplanten Gebieten die zulässige bauliche Ausnutzbarkeit aufgrund der in den konkreten Bebauungsplänen getroffenen Regelungen ermittelt wird (§ 12 Abs. 1 EWS), hält eine satzungsrechtliche Vermutungsregelung für unbeplante Gebiete, die für bestimmte Gebiete bestimmte Höchstgeschossflächenzahlen festlegt, den Anforderungen des aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatzes der Abgabengerechtigkeit nur stand, wenn die Vermutung, die satzungsrechtlich vorausgesetzten Geschossflächenzahlen könnten im unbeplanten Innenbereich erreicht werden, im Ergebnis auf für das Satzungsgebiet festgestellten Tatsachen beruhen. Entfernt sich die Vermutungsregelung dagegen deutlich von der tatsächlich im Gemeindegebiet erreichbaren baulichen Ausnutzbarkeit, führt dies zu einer im Vergleich mit den beitragspflichtigen Grundstücken der beplanten Gebiete nicht den Anforderungen der Abgabengerechtigkeit genügenden Ungleichbehandlung. Für die Überschreitung der höchstzulässigen Ausnutzbarkeit sieht die Satzung der Beklagten diese Problematik selbst und legt in diesen Fällen die tatsächliche bauliche Ausnutzung zugrunde (§ 14 Abs. 1 Satz 2 EWS). Die ungeprüfte Übernahme der Geschossflächenzahlen aus dem § 17 BauNVO a.F. begegnet schon deshalb Bedenken, weil diese Norm eben nicht für die Festlegung baulicher Ausnutzbarkeit unbeplanter Gebiete vorgesehen war, sondern Höchstgrenzen für die einzelnen Baugebietsarten bei der Aufstellung von Bebauungsplänen vorgab, die im Übrigen in neueren Bebauungsplänen in der Regel nicht erreicht werden.

Für den Beleg der Tatsache, dass die in § 14 Abs. 1 EWS festgelegten Geschossflächenzahlen die zulässige bauliche Ausnutzbarkeit im unbeplanten Satzungsgebiet der Beklagten im Wesentlichen widerspiegeln, also die Vermutung auf den tatsächlichen Verhältnissen im Satzungsgebiet beruht, trägt die Beklagte als die Körperschaft, die die Satzungsregelung erlassen hat, die Darlegungslast. Die von ihr im Verfahren vorgelegten Unterlagen sprechen jedoch dagegen, dass in den unbeplanten Gebieten des Satzungsgebiets die bauliche Ausnutzbarkeit in der Regel das von § 14 Abs. 1 EWS vorausgesetzte Maß erreicht, insbesondere in den Wohn-, Misch-, Dorf- und Ferienhausgebieten die dort nach der Zahl der zulässigen Vollgeschosse festgelegten Geschossflächenzahlen von 0,8 bei zwei zulässigen und 0,5 bei einem zulässigen Vollgeschoss erreicht werden können. Aus dem vorgelegten Kartenmaterial über die Umgebung des streitigen Grundstücks ergeben sich erheblich niedrigere tatsächliche Ausnutzungen, nämlich bei einem Vollgeschoss Geschossflächenzahlen von höchstens bis zu 0,2427, bei zwei Vollgeschossen von höchstens bis zu 0,44, meist aber deutlich weniger. Beim Parallelverfahren ist nur einmal in der Umgebung bei zwei Vollgeschossen als höchstes eine Geschossflächenzahl von 0,54 erreicht. Zusätzlich hat die Beklagte eine Aufstellung mit stichpunktartig ausgewählten Beispielen über die bauliche Ausnutzung der unbeplanten Gebiete in ihrem Stadtgebiet vorgelegt. Dabei hat sie jeweils für unterschiedliche Bereiche Beispiele für besonders hohe, besonders niedrige und durchschnittliche bauliche Ausnutzung ausgewählt. Auch diese Aufstellung lässt nur den Schluss zu - was auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird -, dass die jeweils nach § 34 BauGB zulässige bauliche Ausnutzung im unbeplanten Innenbereich in der Regel im Gebiet der Beklagten die Höchstgeschossflächenzahlen nach § 14 Abs. 1 EWS nicht erreicht. Dies führt jedoch zu der oben beschriebenen mit den Grundsätzen des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung zu beitragspflichtigen Grundstücken im Bereich von Bebauungsplänen. Die dort liegenden Grundstücke werden nämlich bei der Bemessung der Beiträge mit der Geschossfläche veranlagt, die auch tatsächlich auf dem betreffenden Grundstück planungsrechtlich zulässig ist, während im unbeplanten Gebiet gemäß § 14 Abs. 1 EWS Geschossflächenzahlen gelten sollen, die nach § 34 BauGB baurechtlich gar nicht erreicht werden können.

Entgegen der Ansicht der Beklagten widerlegt auch ihre Aufstellung über die bauliche Ausnutzung in den beplanten Gebieten der Stadt nicht diese Ungleichbehandlung. Zwar ist nach dieser Aufstellung in einer größeren Anzahl von älteren Bebauungsplänen im Stadtgebiet die Höchstzahl des § 17 BauNVO a.F. ausgenutzt worden, so dass dort bei zweigeschossiger Bauweise im Wohngebiet eine Geschossflächenzahl von 0,8 zulässig ist. Allerdings zeigt die Aufstellung auch einen beachtenswerten Teil von Bebauungsplänen mit niedrigeren Festlegungen höchstzulässiger Geschossflächenzahlen. Letztlich ist diese Unterscheidung aber deshalb nicht von Bedeutung, weil im beplanten Gebiet das herangezogene Grundstück tatsächlich nach seiner - im Bebauungsplan festgelegten - baulichen Ausnutzbarkeit veranlagt wird, während dies in unbeplanten Gebieten nicht gewährleistet ist, weil die satzungsrechtlich vorgegebenen Geschossflächenzahlen die Verhältnisse im Gemeindegebiet nicht widerspiegeln.

Auch das Argument der Beklagten, die Festlegung von Geschossflächenzahlen in § 14 Abs. 1 EWS für die unbeplanten Gebiete im Innenbereich sei als Festlegung reiner Bemessungsfaktoren anzusehen, deren Gründung auf tatsächliche Verhältnisse deshalb unerheblich sei, greift nicht durch. Zwar ist auch eine Beitragsbemessung aufgrund von festgelegten Bemessungsfaktoren denkbar, um den abzugeltenden Vorteil zu erfassen. Diese müsste allerdings für alle beitragspflichtigen Grundstücke in gleicher Weise gelten. Bei der Satzung der Beklagten gilt aber - wie oben ausgeführt - im beplanten Gebiet als Bemessungsmaßstab die nach dem Bebauungsplan rechtlich zulässige Geschossfläche, so dass eine Bemessung im unbeplanten Bereich nach Bemessungsfaktoren einen unzulässigen Maßstabswechsel bedeuten würde.

Grundsätzlich ist allerdings der von der Beklagten gewählte Beitragsmaßstab, nach dem in beplanten Gebieten auf die im Plan festgesetzte zulässige Geschossfläche abgestellt und für den unbeplanten Innenbereich gebietsbezogene Geschossflächenzahlen festgelegt werden, nicht zu beanstanden, so lange sich die darin enthaltene Vermutungsregelung für den unbeplanten Innenbereich ausreichend an den tatsächlichen Verhältnissen orientiert (so auch: OVG Mecklenburg-Vorpommern a.a.O.). Ob dafür bei stark unterschiedlicher Gestaltung der nicht beplanten Gebiete im Satzungsgebiet einheitliche Geschossflächenzahlen als Vermutung für das gesamte Gemeindegebiet ausreichen können, kann Zweifeln unterliegen, muss hier jedoch nicht entschieden werden. Basiert eine Vermutungsregelung einer Beitragssatzung für den unbeplanten Innenbereich auf den tatsächlichen Verhältnissen im Gemeindegebiet, so liegt es nahe, dass die Gesichtspunkte der Praktikabilität und der Pauschalierung zu Gunsten der Stadt eine Widerlegung dieser festgelegten Geschossflächenzahlen im Einzelfall mit der Begründung, § 34 BauGB lasse gerade auf diesem Grundstück nur eine geringere Ausnutzung zu, ausschließen. Für Extremfälle bliebe noch die Möglichkeit des teilweisen Beitragserlasses im Einzelfall. Auch dies muss jedoch im vorliegenden Fall abschließend nicht entschieden werden.

Da somit die Beitragsbemessungsregelung des § 14 Abs. 1 EWS der Beklagten mit dem Grundsatz der Abgabengerechtigkeit aufgrund der Ungleichbehandlung von unbeplanten Gebieten einerseits und beplanten Gebieten andererseits unvereinbar ist, ist die Beitragsregelung der Satzung hinsichtlich der Erhebung des Beitrags für die Errichtung der Kläranlage Niederzell insgesamt unwirksam. Weil die Kalkulation dieses Beitragsatzes auf der Zugrundelegung der gesamten Grund- und zulässigen Geschossfläche - je zur Hälfte - beruht, die zugrundegelegte zulässige Geschossfläche für den unbeplanten Innenbereich aber auf dem unwirksamen § 14 Abs. 1 EWS basiert, setzt die Festlegung eines wirksamen Beitragssatzes demnach eine Neukalkulation nach Neufestlegung der Bewertungskriterien - und damit Neufestlegung der Beitragsfläche - voraus.

Da es dem streitigen Beitragsbescheid somit an einer wirksamen Rechtsgrundlage fehlt, ist er auf die Berufung des Klägers hin aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).



Ende der Entscheidung

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