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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.06.2007
Aktenzeichen: 5 UE 1905/06
Rechtsgebiete: ÄndVO, EG-Vertrag, RL 85/73/EWG, RL 96/43/EG, Veterinärkontroll-KostenG, VwKostO-MULV


Vorschriften:

ÄndVO vom 31.01.2005
EG-Vertrag Art. 234
RL 85/73/EWG
RL 96/43/EG
Veterinärkontroll-KostenG
VwKostO-MULV vom 16.12.2003
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 UE 1905/06

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Gebühren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider, ehrenamtliche Richterin Kienitz-Vollmer, ehrenamtliche Richterin Kalbfleisch

am 13. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Gemäß Art. 234 EG-Vertrag wird eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu nachfolgenden Fragen eingeholt:

1. Ist der nationale Normgeber beim Gebrauch der Möglichkeiten, die in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 i.d.F. der Richtlinie 96/42/EG des Rates vom 26. Juni 1996 und in Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchstabe a) für die Anhebung der Pauschalbeträge für bestimmte Betriebe und in Nr. 4 Buchstabe b) für die Erhebung einer Gebühr, die die tatsächlichen Kosten deckt, festgelegt sind, strikt an die in Anhang A Kapitel I Nr. 1 und 2a vorgesehene Gebührenstruktur (nach Tierarten, Jung- und ausgewachsenen Tieren, Schlachtgewicht usw.) gebunden oder besteht für ihn die Möglichkeit, bei Festlegung des Gebührensatzes der Höhe nach zwischen Untersuchungen von Schlachteinheiten in Großbetrieben und sonstigen Untersuchungen zu differenzieren und darüber hinaus auch innerhalb dieser beiden Gruppen nach der Anzahl der vorgenommenen Schlachtungen innerhalb der Tierarten den Gebührensatz degressiv zu staffeln, allein unter der Voraussetzung, dass dies den tatsächlichen Kosten entspricht?

2. Kann der nationale Normgeber aufgrund der oben genannten Regelungen für Schlachtungen, die außerhalb der normalen Schlachtzeiten auf Verlangen des Besitzers vorgenommen werden, einen prozentualen Zuschlag zu den für Schlachtuntersuchungen innerhalb der normalen Schlachtzeiten erhobenen Gebühren erheben, wenn dies den zusätzlichen tatsächlichen Kosten entspricht, oder müssen diese Kosten innerhalb der pauschalen (erhöhten) Gebühr für alle Gebührenpflichtigen enthalten sein?

Gründe:

Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht begründet worden.

Ob die Berufung des Beklagten auch begründet ist, d.h. ob die streitigen Gebührenbescheide in voller Höhe zu Recht ergangen sind, hängt entscheidungserheblich von der Beantwortung der dem Europäischen Gerichtshof vorgelegten Fragen ab.

Der Senat sieht Klärungsbedarf bezüglich der Vereinbarkeit der Gebührensatzregelung in der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz - VwKostO-MULV - vom 16. Dezember 2003 (GVBl. I Seite 362) und der ab 15. Februar 2005 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 31. Januar 2005 (GVBl. I Seite 74) mit den Regelungen der Richtlinie (RL) 85/73/EWG in der Fassung der RL 96/43/EG des Rates vom 26. Juni 1996 (ABl.EG Nr. L 162/1) im Hinblick auf die im Beschlusstenor formulierten Fragen.

Zu Frage 1.:

Beruhend auf den Regelungen des hessischen Gesetzes zur Durchführung des § 24 des Fleischhygienegesetzes, des § 26 des Geflügelfleischhygienegesetzes und des § 46a, auch in Verbindung mit § 46b, des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (Veterinärkontroll-Kostengesetz) vom 3. November 1998 (GVBl. I Seite 414) hat der hessische Verordnungsgeber in den oben genannten Fassungen seiner Verwaltungskostenordnung Schlachtuntersuchungsgebühren unterschieden nach "Großbetrieben" (Betriebe, in denen im Durchschnitt des vergangenen Kalenderjahres mindestens 1500 Tiere im Kalendermonat geschlachtet worden sind) und nach "sonstigen Schlachtungen" und innerhalb dieser beiden Gruppen degressiv gestaffelt bei unterschiedlichen Tierarten festgelegt. Er hat dabei nicht strikt die Systematik und Struktur der in Anhang A Kapitel I Nr. 1 der oben genannten Richtlinie beibehalten.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 9. September 1999 (Rechtssache C-374/97 "Feyrer", Slg. 1999 Seite I-05153) ausgeführt, ein Mitgliedsstaat könne von der ihm durch den Anhang Kapitel I Nr. 4 b) der oben genannten Richtlinie eingeräumten Befugnis, eine spezifische Gebühr zu erheben, die die in Kapitel I Nr. 1 festgelegten Pauschalbeträge übersteigt, ohne weitere Voraussetzungen unter dem alleinigen Vorbehalt Gebrauch machen, dass die spezifische Gebühr die tatsächlich entstandenen Kosten nicht überschreitet. Andererseits hat der europäische Gerichtshof in seinem Urteil am 30. Mai 2002 (Rechtssache C-284/00 "Stratmann", Slg. 2002 Seite I-04611) unter Rdnr 56 ausgeführt, dass sich aus Kapitel I Nr. 4 Buchstaben a) und b) des Anhangs der Richtlinie 85/73 in der durch die Richtlinie 93/118 geänderten Fassung ergibt, dass jede von einem Mitgliedsstaat beschlossene Erhöhung den Pauschalbetrag der Gemeinschaftsgebühr selbst betreffen und als dessen Anhebung erfolgen muss. Insoweit sieht der Senat Klärungsbedarf in Bezug auf die Vereinbarkeit der genannten nationalen Gebührensatzregelungen mit Gemeinschaftsrecht unter den in der ersten Vorlagefrage genannten Aspekten.

Zu Frage 2.:

Der hessische Landesgesetzgeber hat in § 5 Veterinärkontroll-Kostengesetz die Möglichkeit vorgesehen, für Amtshandlungen, die auf besonderen Antrag außerhalb der normalen Schlachtzeiten vorgenommen werden, einen Aufschlag zur Gebühr zu verlangen. Von dieser Möglichkeit hat er in Nr. 5518 der oben genannten Verwaltungskostenordnungen Gebrauch gemacht. Danach wird ein Zuschlag von 25% der Gebühren nach Nrn. 5501111 bis 5502 für Amtshandlungen, die auf Verlangen des Besitzers außerhalb normaler Schlachtzeiten in Betrieben nach § 5 Veterinärkontroll-Kostengesetz vorgenommen werden, erhoben. Auch insoweit sieht der Senat Klärungsbedarf, ob dies mit der Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 30. Mai 2002 (a.a.O.) vereinbar ist. Darin hatte der Senat in den Rdnrn 54 und 55 ausdrücklich ausgeführt, dass die Mitgliedsstaaten aufgrund der oben genannten Regelungen zwar einen höheren Betrag als die Gemeinschaftsgebühren erheben können, sofern dieser Betrag die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet, dass jedoch keine dieser Bestimmungen die Erhebung einer spezifischen Gebühr zusätzlich zu der Gemeinschaftsgebühr gestattet, um bestimmte Kosten für Untersuchungen und Kontrollen abzudecken, die nicht in allen Fällen stattfinden. Allerdings regelt Anhang A Kapitel I Nr. 4 a), letzter Spiegelstrich der oben genannten Richtlinie die Möglichkeit, die vorgesehenen Pauschalbeträge für bestimmte Betriebe anzuheben bei der Untersuchung der Tiere, die auf Verlangen des Eigentümers außerhalb der normalen Schlachtzeiten geschlachtet werden. Dabei ist die Höhe der Aufschläge auf die pauschale Leitgebühr abhängig von der Höhe der zu deckenden Kosten. Insofern spricht das Gemeinschaftsrecht nach Auffassung des Senats für die Zulässigkeit dieses vom nationalen Gesetz- und Verordnungsgeber gewählten Aufschlags.

Dieser Beschluss ist unannfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO)

Ende der Entscheidung

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