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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 26.02.2003
Aktenzeichen: 5 UE 2304/01
Rechtsgebiete: AbwasserVwV, AbwAG 1987, WHG 1986


Vorschriften:

AbwasserVwV § 22
AbwAG 1987 § 9 Abs. 5 S. 2
WHG 1986 § 7a Abs. 1
Eine weitergehende Reduzierung der Abwasserabgabe nach § 9 Abs. 5 Satz 2 AbwAG 1987 ist nur möglich, wenn in dem Einleitebescheid für die Abwasserbehandlung Anforderungen an die Schadstoffreduzierung festgelegt werden, die über die Mindestanforderungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik hinausgehen.

Die Mindestanforderungen, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen, ergeben sich aus den nach § 7a Abs. 1 WHG 1986 erlassenen Verwaltungsvorschriften.

Abgabenrechtlich ist es unerheblich, ob der Abwassereinleiter im Einzelfall eine höhere Abbaurate erreichen kann und ordnungsrechtlich auch zum Einsatz der jeweils bestmöglichen Abwasserbehandlungs- und -vermeidungsmaßnahmen verpflichtet ist.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

5 UE 2304/01

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Abwasserabgabe

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vizepräsidenten des Hess. VGH Dr. Klein, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Dr. Göbel-Zimmermann, ehrenamtlicher Richter Gall, ehrenamtlicher Richter Günther

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. Mai 1998 - 14 E 2598/91 (2) - abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 12. November 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 1991 wird insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Schadstoffgruppe CSB eine den Betrag von 785.829,82 € übersteigende Abwasserabgabe festgesetzt wurde. Der Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin 1.397.030,80 € zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 24. Oktober 2001 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe einer von der Klägerin für das Jahr 1989 zu entrichtenden Abwasserabgabe für das Einleiten von Abwasser.

Mit Bescheid vom 12. November 1990 setzte der Beklagte eine Abwasserabgabe für das Jahr 1989 in Höhe von insgesamt 10.668.080,-- DM (= 5.454.482,62 €) fest. Dabei wurde hinsichtlich des Schadstoffparameters "oxidierbare Stoffe in chemischem Sauerstoffbedarf" - CSB - eine Abwasserabgabe in Höhe von 4.269.320,-- DM (= 2.182.860,62 €) für das Veranlagungsjahr 1989 festgesetzt. Für den Parameter CSB legte der Beklagte 213.466 Schadeinheiten zu Grunde, die er mit dem halben Abwasserabgabensatz von 20,-- DM (= 10,23 €) je Schadeinheit multiplizierte. Die weiteren Festsetzungen des Abgabenbescheides sind nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens. Der Berechnung legte der Beklagte, soweit CSB betroffen ist, für den gesamten Veranlagungszeitraum die Werte des Einleitebescheides des Beklagten vom 30. März 1988 zu Grunde. Mit diesem Bescheid wurde der Klägerin für ihr Nordwerk in ......... das Einleiten von Abwässern gestattet und für das Jahr 1989 für CSB ein Überwachungswert von 440 mg/l festgelegt. Dieser Wert entspricht ausgehend von einem Gesamtwert von 2.588,24 mg/l im Zulauf der Abwasserreinigungsanlage der Klägerin einem Ablaufwert von 17 % und damit einer Abbaurate von 83 %. Der in der Abwasserreinigungsanlage der Klägerin in ihrem Nordwerk in ........ tatsächlich erreichte CSB-Eliminationsgrad betrug mindestens 87 %.

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren darüber, ob der Klägerin neben der ihr gewährten Halbierung der Abwasserabgabe gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 Abwasserabgabengesetz in der damals geltenden Fassung vom 5. März 1987 - AbwAG 1987 - (BGBl. I S. 880) in Verbindung mit § 7a Abs. 1 Satz 3 Wasserhaushaltsgesetz in der damals geltenden Fassung vom 25. Juli 1986 - WHG 1986 - (BGBl. I S. 1165) eine weitergehende Reduzierung der Abwasserabgabe gemäß § 9 Abs. 5 Satz 2 AbwAG 1987 zusteht.

§ 9 Abs. 5 AbwAG 1987 hatte folgenden Wortlaut:

"Der Abgabesatz nach Abs. 4 Satz 2 ermäßigt sich außer bei Niederschlagswasser (§ 7) und Kleineinleitungen (§ 8) bei den Abwassereinleitungen, für die nach § 7a Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes die allgemein anerkannten Regeln der Technik anzuwenden sind, um die Hälfte für die Schadeinheiten, die nicht vermieden werden, obwohl

1. der Inhalt des Bescheides nach § 4 Abs. 1 oder die Erklärung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 mindestens den Anforderungen nach § 7a Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes entspricht und 2. die Anforderungen nach § 7a Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes im Veranlagungszeitraum eingehalten werden, sofern sie nicht entgegen den allgemein anerkannten Regeln der Technik durch Verdünnung oder Vermischung erreicht werden.

Werden für die Abwassereinleitung über die allgemein anerkannten Regeln der Technik hinausgehende Anforderungen festgelegt oder nach § 6 Abs. 1 Satz 1 erklärt und eingehalten, ermäßigt sich der Abgabesatz nach Abs. 4 Satz 2 zusätzlich um den vom Hundertsatz, um den die allgemein anerkannten Regeln der Technik übertroffen werden."

§ 9 Abs. 6 AbwAG 1987 lautete:

"Der Abgabesatz nach Absatz 4 Satz 2 ermäßigt sich außer bei Niederschlagwasser (§ 7) und bei Kleineinleitungen (§ 8) bei den Abwassereinleitungen für die nach § 7a Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes der Stand der Technik anzuwenden ist, um 80 vom Hundert für die Schadeinheiten, die nicht vermieden werden, obwohl die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nr. 1 und 2, der entsprechend anzuwenden ist, erfüllt sind."

§ 7a Abs. 1 WHG 1986 hatte folgenden Wortlaut:

"Eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser darf nur erteilt werden, wenn die Schadstofffracht des Abwassers so gering gehalten wird, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Anforderungen nach Satz 3, mindestens jedoch nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik möglich ist. § 6 bleibt unberührt. Die Bundesregierung erlässt mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften über Mindestanforderungen, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen; enthält Abwasser bestimmter Herkunft Stoffe oder Stoffgruppen, die wegen der Besorgnis einer Giftigkeit, Langlebigkeit, Anreicherungsfähigkeit oder einer krebserzeugenden, fruchtschädigenden oder erbgutverändernden Wirkung als gefährlich zu bewerten sind (gefährliche Stoffe), müssen insoweit die Anforderungen in den allgemeinen Verwaltungsvorschriften dem Stand der Technik entsprechen."

In der damals geltenden 22. Abwasserverwaltungsvorschrift vom 19. Mai 1982 - 22. AbwasserVwV - (GMBl. 1982 S. 295) ist für den Schadstoffparameter CSB eine Abbaurate von 75 % festgelegt. Diese Verwaltungsvorschrift galt bis zum 31. Dezember 1991 und wurde dann durch die allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der allgemeinen Rahmenverwaltungsvorschrift über Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer vom 27. August 1991 (GMBl. 1991 S. 686) ersetzt. Der zum 1. Januar 1992 in Kraft getretene 22. Anhang zu der allgemeinen Rahmenverwaltungsvorschrift legte für den Parameter CSB eine Abbaurate von 90 % fest.

Nummer 1.2.1 der "Hinweise und Erläuterungen" zur 22. AbwasserVwV hatte folgenden Wortlaut:

"Da die Verwaltungsvorschrift für den CSB eine Mindestverringerung festgelegt hat, ist die Verminderung des CSB um Mindestens 75 v. H. allein nicht ausreichend.

Es muss zusätzlich geprüft werden, welche Abbaurate nach den a. a. R. d. T. (siehe 2.2.) im Einzelfall erreicht werden kann. Stellt sich bei dieser Prüfung heraus, dass bei Erfüllung der a. a. R. d. T. eine höhere Abbaurate zu erreichen ist, so gilt diese höhere Abbaurate als Mindestanforderung. Im Bescheid ist dann ein dieser Abbaurate entsprechender Überwachungswert zu fordern, sofern nicht zum Beispiel aus Gründen des Gewässerschutzes im Einzelfall noch strengere Anforderungen gestellt werden müssen.

Der Einleiter ist verpflichtet, die den a. a. R. d. T. entsprechenden Maßnahmen durchzuführen. Er kann sich nicht auf den Wert der Mischwasser-Verwaltungsvorschrift berufen, sondern er muss darüber hinaus die jeweils bestmöglichen Abwasserbehandlungs- und Vermeidungsmaßnahmen entsprechend der für ihn zutreffenden a. a. R. d. T. betreiben. Hinweise für die in Betracht kommenden Maßnahmen entsprechend den a. a. R. d. T. werden unter Nummer 2 gegeben."

Gegen die mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. November 1990 erfolgte Festsetzung der Abwasserabgabe hinsichtlich des Schadstoffparameters CSB für das Veranlagungsjahr 1989 legte die Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 1990 Widerspruch ein, mit dem Ziel der über 50 % hinausgehenden Ermäßigung der Abwasserabgabe nach § 9 Abs. 5 Satz 2 AbwAG 1987. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass bereits die CSB-Elimination von 75 %, die als Mindestanforderung in der 22. AbwasserVwV genannt ist, den allgemeinen Regeln der Technik entspreche. Da der Einleitebescheid einen Abbaugrad von 83 % vorschreibe, würden Anforderungen festgelegt, die über die allgemein anerkannten Regeln der Technik hinausgingen. Damit habe sie auch einen Anspruch auf eine weitergehende Reduzierung der Abgabe im Sinne des § 9 Abs. 5 Satz 2 AbwAG 1987.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 1991 wurde der Widerspruch bezüglich des vorliegenden Streitgegenstandes zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass eine über die allgemein anerkannten Regeln der Technik hinausgehende Abwasserbehandlung im Nordwerk der Klägerin nicht stattfinde. § 7a Abs. 1 Satz 1 WHG 1986 bestimme, dass die Abwasserbehandlung mindestens den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen müsse. § 7a Abs. 1 Satz 3 WHG 1986 ermächtige die Bundesregierung zum Erlass von Verwaltungsvorschriften über Mindestanforderungen, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprächen. Welche Mindestanforderungen dies seien, ergebe sich allein aus den Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung, d.h. aus der 22. AbwasserVwV. Zu dieser Verwaltungsvorschrift seien "Hinweise und Erläuterungen" ergangen, die unter Ziffer 1.2.1 festlegen, dass eine Verminderung des CSB um mindestens 75 % allein nicht ausreiche. Zusätzlich müsse geprüft werden, welche Abbaurate nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Einzelfall erreicht werden könne. Stelle sich bei dieser Prüfung heraus, dass bei Erfüllung der allgemein anerkannten Regeln der Technik eine höhere Abbaurate zu erreichen ist, so gelte diese höhere Abbaurate als Mindestanforderung. Unter Berücksichtigung dieser Hinweise und Erläuterungen ergebe sich, dass der im Einleitebescheid festgelegte Überwachungswert von 440 mg/l zwar über die Mindestanforderungen nach § 7a Abs. 1 Satz 3 WHG 1986 hinausgehe, nicht aber über das, was den allgemein anerkannten Regelung der Technik entspreche.

Hiergegen erhob die Klägerin am 9. Dezember 1991 Klage. In Ihrer Klagebegründung vertiefte sie ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren. So führte sie im Wesentlichen aus, dass der Gesetzgeber den Begriff der Mindestanforderungen und den Begriff der allgemein anerkannten Regeln der Technik gleichgesetzt habe, da das Wasserhaushaltsgesetz und das Abwasserabgabengesetz vorrangig dem Schutz der Umwelt dienten und diesen fördern sollten. Dieser Zweck lasse sich nur dann erreichen, wenn an die Einleitung von Abwasser bzw. an die entsprechende Abgabepflicht Anforderungen geknüpft würden, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprächen. Auch die Zielsetzung des Gesetzes rechtfertige ihre Interpretation, da die Reduzierung der Abwasserabgabe als eine Art Belohnung für getätigte Investitionen im Abwasserbereich anzusehen sei. Dasjenige Unternehmen, das als erstes eine neue Technik der Abwasserreinigung entwickele, könne durch die gesetzliche Regelung solange von einer Abgabenreduzierung profitieren, bis sich die von ihm entwickelte Technik als Standard und damit als allgemein anerkannte Regel der Technik durchgesetzt habe. Dieser Anreiz würde verloren gehen, wenn im Festsetzungsbescheid der vom Abwassereinleiter aufgrund der von ihm verwandten Technik erreichbare Abbauwert zugrundegelegt werde. In der Abwasserreinigung im Industriepark ......... würden dem Stand der Technik entsprechende Verfahren eingesetzt, wodurch ein höherer Standard als den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechend erreicht werde. Dieser hohe Wirkungsgrad werde insbesondere auch durch besonders präventive Anstrengungen, d.h. der Entstehung von Abwässern bzw. Abwässern bestimmter Schadstoffhaltigkeit vor folgenden Maßnahmen in den Betrieben, die Vorbehandlungen oder Herausnahme bestimmter Abwässer mit schlechter biologischer Abbaubarkeit aus dem Abwasserstrom und deren Verbrennung in der Rückstandsverbrennungsanlage erreicht. Diese höhere Eliminationsrate wurde somit durch eine über die allgemein anerkannten Regeln der Technik hinausgehende Abwasserbehandlung erzielt. Unabhängig hiervon sei jedenfalls entscheidungserheblich, dass der durch die 22. AbwasserVwV geforderte Abbaugrad stets den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspreche, ein darüber hinaus erreichter Abbaugrad somit stets über diese hinausgehe.

Die Klägerin beantragte sinngemäß,

den Bescheid vom 12. November 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 1991 insoweit aufzuheben als hinsichtlich der Schadstoffgruppe CSB eine 1.536.955,-- DM (=785.829,82 €) übersteigende Abwasserabgabe festgesetzt wurde.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Sie vertrat die Auffassung, dass die in der 22. AbwasserVwV angesprochene Mindestanforderung der CSB-Elimination von 75 % den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen könne, dies jedoch nicht immer der Fall sei. Ob diese CSB-Elimination ausreiche, sei im Einzelfall zu prüfen. Sofern wie im Fall der Klägerin eine höhere CSB-Elimination erreicht werde, ohne dass über das normale Maß hinausgehende Abwasserbehandlungsmaßnahmen stattfänden, entspreche dies nur den allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht aber höheren Anforderungen.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. Mai 1998 wurde die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass der im Einleitebescheid festgesetzte Überwachungswert nicht über die allgemein anerkannten Regeln der Technik gemäß § 9 Abs. 5 Satz 2 AbwAG 1987 hinaus gehe. Für die Bestimmung der allgemein anerkannten Regeln der Technik seien nicht die in der 22. AbwasserVwV festgelegten Mindestanforderungen maßgeblich. Vielmehr sei entscheidend, ob im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse des Betriebes eine höhere Verminderung der betreffenden Schadstoffe möglich sei. Diese Frage lasse sich nicht allein anhand des im Einleitebescheid festgesetzten Überwachungswertes beurteilen. Das Gericht habe deshalb auch nicht in eine Beweiserhebung durch Gutachtenbeweis eintreten müssen, wie dies das Verwaltungsgericht Wiesbaden in dem von den Beteiligten in Bezug genommenen Verfahren IX/V E 1161/91 getan habe. In diesem Verfahren sei es um einen Einleitebescheid gegangen, der einen Überwachungswert für die Schadstoffgruppe CSB von 750 mg/l festlegte, was einem CSB-Wirkungsgrad von über 75 % entsprach. Der Gutachter sei in dem dortigen Verfahren zum Ergebnis gekommen, dass der in dem Einleitebescheid für die Schadstoffgruppe CSB festgelegte Überwachungswert einem Eliminationsgrad entsprach, der eindeutig über den allgemein anerkannten Regeln der Technik gelegen habe. Dies zeige, dass auch in dem dortigen Verfahren die von der Klägerin vorgenommene Interpretation, jeder Eliminationsgrad, der 75 % erreiche, entspreche den allgemein anerkannten Regeln der Technik, nicht geteilt worden sei.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 2. Juli 1998 die Zulassung der Berufung beantragt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 14. August 2001 die Berufung zugelassen.

Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2001, eingegangen am 24. Oktober 2001, hat der Bevollmächtigte der Klägerin die Berufung begründet und zusätzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 1.397.030,80 € zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verpflichten. Zur Begründung trägt die Klägerin ergänzend vor, dass der Beklagte die Bestimmung des § 9 Abs. 5 Satz 2 AbwAG 1987 nicht beachtet habe und die Abwasserabgabe deswegen um einen Betrag von 2.732.364,80 DM (= 1.397.030,80 Euro) zu hoch festgesetzt worden sei. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe sich eindeutig, dass für die Abgabereduzierung nach § 9 Abs. 5 Satz 2 AbwAG 1987 zur Bestimmung der allgemein anerkannten Regeln der Technik die nach § 7a Abs. 1 WHG 1986 erlassenen Verwaltungsvorschriften maßgeblich sind. § 9 Abs. 5 AbwAG 1987 verweise uneingeschränkt auf § 7a Abs. 1 WHG 1986 und erfasse daher die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Verwaltungsvorschriften und bestimme somit deren vorrangige Anwendbarkeit. Der Wortlaut der Bestimmung gebe nichts dafür her, dass der Gesetzgeber die allgemein anerkannten Regeln der Technik durch andere außerhalb der Verwaltungsvorschriften liegenden Umstände bestimmt sehen wollte. Dem Wortlaut des § 7a Abs. 1 Satz 3 WHG 1986 sei darüber hinaus zu entnehmen, dass die in der AbwasserVwV festgelegten Anforderungen mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik gleichzusetzen seien. Wäre die von dem Verwaltungsgericht geteilte Auffassung richtig, wonach im Einzelfall die allgemein anerkannten Regeln der Technik einen höheren Abbaugrad fordern könnten, dann würde in diesem Fall die in der 22. AbwasserVwV geforderte Eliminationsquote von 75 % den allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht entsprechen. Die 22. AbwasserVwV habe aber auch normkonkretisierenden Charakter mit der Folge, dass sie für die Verwaltungsgerichte innerhalb der von der Norm gesetzten Grenzen verbindlich sei. Im Übrigen ließen sich die allgemein anerkannten Regeln der Technik hinsichtlich der CSB-Elimination nur durch einen bestimmten Abbaugrad bestimmen. Dies gelte erst Recht für die Beurteilung höherer Anforderungen, die über diesen Standard hinaus gingen. Die Auslegung des Verwaltungsgericht widerspreche auch dem im Abgabenrecht herrschenden Grundsatz der Normenklarheit und Bestimmtheit. Der angegriffene Bescheid sei daher insoweit aufzuheben, als hinsichtlich der Schadstoffgruppe CSB eine den Betrag von 1.536.955,20 DM (= 785.829,82 €) übersteigende Abwasserabgabe festgesetzt worden sei. Auf der Basis des tatsächlich festgesetzten und von der Klägerin gezahlten Abgabebetrages in Höhe von 4.269.320,-- DM (= 2.182.860,62 €) ergebe sich somit für den Folgenbeseitigungsanspruch ein Erstattungsbetrag in Höhe von 2.732.364,80 DM (= 1.397.030,80 €). Die Klägerin habe auch in analoger Anwendung von § 291 BGB einen Anspruch auf Verzinsung ab Rechtshängigkeit zu dem gesetzlichen Zinssatz gemäß § 288 BGB.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts vom 28. Mai 1998 - 14 E 2598/91(2) -, den Bescheid des Beklagten vom 12. November 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 1991 insoweit aufzuheben, als hinsichtlich der Schadstoffgruppe CSB eine den Betrag von 785.829,82 € übersteigende Abwasserabgabe festgesetzt wurde, und den Beklagten zur Zahlung von 1.397.030,80 € an die Klägerin zuzüglich Prozesszinsen seit Rechtshängigkeit des Rückzahlungsantrags zu verpflichten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen führt der Beklagte aus, dass sich die allgemein anerkannten Regeln der Technik jedenfalls im Anwendungsbereich der 22. AbwasserVwV gerade nicht allein aus dieser Verwaltungsvorschrift ergäben. Vielmehr sei insoweit nur die unterste Grenze im Sinne von Mindestanforderungen des Standards der allgemein anerkannten Regeln der Technik festgelegt worden, die auf jeden Fall eingehalten werden müssten. Damit sei aber nicht ausgesagt, dass bei einem höheren CSB-Abbau automatisch auch das Anforderungsniveau der allgemein anerkannten Regeln der Technik übertroffen sei. Das Verwaltungsgericht habe somit keinesfalls den normkonkretisierenden Charakter der 22. AbwasserVwV übersehen, sondern sich gerade innerhalb der von dieser gezogenen Grenze bewegt. In der amtlichen Begründung zu § 9 Abs. 5 AbwAG 1987 sei an keiner Stelle davon die Rede, dass die weitergehende Ermäßigung bereits bei Einhaltung der Anforderungen der Abwasserverwaltungsvorschriften gewährt werden sollte. Vielmehr werde auch dort immer nur auf die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik abgehoben. Erst § 9 Abs. 5 in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes vom 2. November 1990 (BGBl. I S. 2425) habe die Ermäßigung des Abgabensatzes an die Einhaltung der "Anforderungen der allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 7a Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz" gekoppelt. Selbst wenn die Auffassung der Klägerin zutreffend wäre, ließe sich daraus kein Erstattungsanspruch in der geltend gemachten Höhe begründen. Nach der korrekten Berechnung betrage der Differenzbetrag lediglich 1.366.782,40 DM (= 698.822,17 €). Auch für den geltend gemachten Zinsanspruch bestehe keine Rechtsgrundlage. Das Hessische Ausführungsgesetz zum Abwasserabgabengesetz habe in § 15 keine entsprechende Anwendung der Bestimmungen der §§ 233 ff. Abgabenordnung angeordnet. Im Übrigen sei § 291 BGB auf Anfechtungsklagen grundsätzlich nicht anwendbar. Hilfsweise werde die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Akten des Verwaltungsgerichts Wiesbaden in dem Verfahren IX/V E 1161/91 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und nach rechtzeitiger Stellung eines Berufungsantrags und nach der Begründung der Berufung auch sonst zulässige Berufung (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 12. November 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 1991 ist insoweit aufzuheben, als hinsichtlich der Schadstoffgruppe CSB eine den Betrag von 785.829,82 € übersteigende Abwasserabgabe festgesetzt wurde. Der Abgabenbescheid des Beklagten ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Beklagte ist verpflichtet, den Abwasserabgabesatz nach § 9 Abs. 4 AbwAG 1987 von 20,45 € (gerundet = 40,-- DM) pro Schadeinheit bei dem Parameter CSB auf 3,68 € (gerundet = 7,20 DM) pro Schadeinheit zu reduzieren und die Abwasserabgabe insoweit für das Jahr 1989 auf 785.829,82 € zu verringern.

Die Klägerin hat gemäß § 9 Abs. 5 Satz 2 AbwAG 1987 einen Anspruch auf eine über den halbierten Abgabesatz (§ 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG 1987) hinausgehende Ermäßigung der Abwasserabgabe, weil im Einleitebescheid des Beklagten vom 30. März 1988 über die allgemein anerkannten Regeln der Technik hinausgehende Anforderungen festgelegt und diese höheren Anforderungen eingehalten worden sind. Entgegen der Meinung des Beklagten ergibt sich aus dem Wortlaut und der Systematik des § 9 Abs. 5 AbwAG 1987, dass zur Bestimmung der allgemein anerkannten Regeln der Technik die nach § 7a Abs. 1 WHG 1986 erlassenen Verwaltungsvorschriften für einen Anspruch auf eine über dem halbierten Abgabesatz hinausgehende Ermäßigung der Abwasserabgabe maßgeblich sind. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht auf individuell zu bestimmende Anforderungen abgestellt. § 9 Abs. 5 AbwAG 1987 bezieht sich insgesamt auf die Abwassereinleitungen, "für die nach § 7a Abs. 1 WHG die allgemein anerkannten Regeln der Technik anzuwenden sind". Demgegenüber wird nach § 9 Abs. 6 AbwAG 1987 die Reduzierung des Abgabesatzes für Abwassereinleitung festgelegt, für die nach § 7a Abs. 1 WHG 1986 "der Stand der Technik" anzuwenden ist. Nach § 9 Abs. 5 Satz 2 AbwAG 1987 kommt es nur darauf an, ob für die Abwassereinleitungen Anforderungen festgelegt werden, die über die nach § 7a Abs. 1 Satz 3 WHG 1986 durch Verwaltungsvorschriften festgelegten Mindestanforderungen, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen, übersteigen. Soweit lediglich die Mindestanforderungen nach § 7a Abs. 1 WHG 1986 eingehalten werden, kommt nur eine Halbierung des Abgabensatzes nach § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG 1987 in Betracht. Insoweit wird durch die allgemein anerkannten Regeln der Technik ein Standard definiert, der jedenfalls nicht unterschritten werden darf. § 7a Abs. 1 Satz 2 WHG 1986 verweist lediglich auf die in den allgemeinen Verwaltungsvorschriften festgelegten Mindestanforderungen, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Mit dem Begriff der "Mindestanforderungen" soll offensichtlich zum Ausdruck gebracht werden, dass die Verwaltungsvorschriften "mindestens" diejenigen "Anforderungen" festlegen sollen, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Eine qualitative Differenzierung zwischen "Mindestanforderungen" und "darüber hinausgehenden Anforderungen", die auch den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen, wird damit nicht zum Ausdruck gebracht. Was den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, wird demgemäß allein durch die in den Verwaltungsvorschriften zu § 7a WHG 1986 festgelegten Anforderungen definiert. Wenn also nach der hier maßgeblichen Fassung von Ziffer 2.1.2 der 22. AbwasserVwV vom 19. Mai 1982 an das Einleiten von Abwasser für den Schadstoffparameter CSB als Mindestanforderung ein Ablaufwert in der 2-Stunden Mischprobe verlangt wird, der eine Verminderung des CSB um mindestens 75 % entspricht, so bedeutet dies, dass hiermit der nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erreichbare Standard definiert ist. Die 22. AbwasserVwV konkretisiert somit die als Ausfluss der allgemein anerkannten Regeln der Technik angesehenen Werte für den Bereich des § 7a Abs. 1 WHG 1986. Dies gilt wegen der Verweisung in § 9 Abs. 5 AbwAG 1987 auch für die Berechnung der Abgabesatzhöhe. Insoweit hat die 22. AbwasserVwV hinsichtlich des Begriffs der allgemein anerkannten Regeln der Technik eine normkonkretisierende Funktion, indem sie die unbestimmten Rechtsbegriffe des Gesetzes durch generelle, dem gleichmäßigen und berechenbaren Gesetzesvollzug maßgeblichen Grenzwerte festsetzt und damit für die Gesetzesanwendung- und -auslegung bindende Wirkung entfaltet (vgl. Giesecke/Wiedemann/Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz, 6. Auflage 1992, § 7a Rn. 22 m.w.N.).

In den Verwaltungsvorschriften wird daher für die Praxis brauchbar festgelegt, was im Gesetz als Anforderungsniveau mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der allgemein anerkannten Regeln der Technik beschrieben ist. Sie konkretisieren, welche Anforderungen den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen und haben damit zugleich auch die Funktion, für die praktische Anwendung bei einem vielfältigen Meinungsspektrum streitentscheidend klare Regelungen vorzugeben. Zu diesem Zweck werden die allgemein Verwaltungsvorschriften nach § 7a Abs. 1 Satz 3 WHG 1986 in geregelten Verfahren erarbeitet, in dem die für den Gewässerschutz zuständigen Bundes- und Länderstellen mit Sachverständigenvertretern der betroffenen Einleiterkreise die unterschiedlichen wasserwirtschaftlichen, ökonomischen und anderen Interessen zum Ausgleich bringen, und die schließlich von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates unter Berücksichtigung politischer Wertvorstellung erlassen werden (Gieseke/Wiedemann/Czychowski, a. a. O., § 7a Rdnr. 22).

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf Ziffer 1.2.1 der "Hinweise und Erläuterungen zur 22. AbwasserVwV über Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer" berufen. Nach den "Hinweisen und Erläuterungen" ist die Verminderung des CSB um mindestens 75 % allein nicht ausreichend, da die Verwaltungsvorschrift für den CSB eine Mindestverringerung festgelegt habe. Insoweit müsse zusätzlich geprüft werden, welche Abbaurate nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Einzelfall erreicht werden könne. Stelle sich bei dieser Prüfung heraus, dass bei Erfüllung der allgemein anerkannten Regeln der Technik eine höhere Abbaurate zu erreichen ist, so gelte diese höhere Abbaurate als Mindestanforderung. Soweit der Beklagte hieraus herleitet, dass von einem einzelnen Abwassereinleiter aufgrund seiner konkret-individuellen Leistungsfähigkeit im Einzelfall mehr verlangt werden kann, als es den in der AbwasserVwV abstrakt-generell geregelten "Mindestanforderung" entspricht, vermag dies für den ordnungsrechtlich zu beurteilenden Einleitebescheid zutreffen; dies gilt indessen nicht für die abwasserabgabenrechtliche Entscheidung. Ordnungsrechtlich ist es selbstverständlich, dass der Einleiter alle ihm zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten ausnutzen muss, um das Abwasser vor einer Einleitung zu reinigen und damit die Schadstoffbelastung für die Gewässer so gering wie möglich zu halten. Diesem Schutzzweck würde es widersprechen, wenn die Behörde ungeachtet der dem Einleiter im Einzelfall zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten in dem Einleitebescheid geringere Werte festlegen würde, die lediglich dem Mindeststandard der allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen würden. Demnach muss der Einleiter, soweit es ihm möglich ist, die jeweils bestmögliche Abwasserbehandlungs- und Vermeidungsmaßnahmen treffen. Grundsätzlich können somit in dem Einleitebescheid schärfere Anforderungen auf der Grundlage des § 7a Abs. 1 Satz 1 WHG 1986 gestellt werden, weil der Behörde bei der Entscheidung über eine beantragte Erlaubnis ein Ermessensspielraum zusteht. Die Einleitung von Abwasser kann nur dann nicht zugelassen werden, wenn die Schadstofffracht nicht so gering gehalten wird, wie dies mindestens nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik möglich ist. Durch die allgemein anerkannten Regeln der Technik wird somit lediglich ein Standard definiert, der nicht unterschritten werden darf. § 7a Abs. 1 Satz 3 WHG 1986 lässt eine Überschreitung der durch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften bestehenden Anforderungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu. So hat der Senat in seinem Urteil vom 10. April 1991 - 5 UE 221/86 - bereits ausgeführt:

"Hinsichtlich der Anforderungen, die sich danach aus § 7a Abs. 1 WHG für das Einleiten von Abwasser ergeben, muss unterschieden werden zwischen (a) den im Einzelfall zu stellenden Anforderungen, die dem Gebot des § 7a Abs. 1 Satz 1 WHG entsprechen, Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering zu halten, wie dies bei Anwendung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik möglich ist und (b) den abstrakt-generell in allgemeinen Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung nach Maßgabe dieser Regeln festgelegten "Mindestanforderungen" (§ 7a Abs. 1 Satz 3 WHG). Letztere können sich im Einzelfall mit den Anforderungen nach § 7a Abs. 1 Satz 1 WHG decken, müssen es aber nicht. Es ist durchaus denkbar, dass die Mindestanforderungen nach § 7a Abs. 1 Satz 1 WHG hinter den konkret zu stellenden Anforderungen im Einzelfall zurückbleiben. Ein Anlass für die Wasserbehörde, nach § 7a Abs. 1 Satz 1 WHG strengere Anforderungen zu stellen, als es den Mindestanforderungen in allgemeinen Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung entspricht, ergibt sich oft daraus, dass die allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes als Mindestanforderungen Werte für eine Branche festlegen, die unter Anwendung der allgemein anerkannten Regeln der Technik von einem Betrieb mit den (wegen der Art des eingesetzten Rohstoffs oder des erzeugten Produkts) ungünstigsten Verhältnissen für die Abwasserbehandlung gerade noch eingehalten werden können."

Insoweit vermag der Senat entgegen der Ansicht des Beklagten keinen Widerspruch zu den Voraussetzungen in Nummer 1.2.1 der Hinweise und Erläuterungen zur 22. AbwasserVwV erkennen. Im Übrigen hat der Senat in seinem Urteil vom 10. April 1991 bereits darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Mindestanforderungen nach § 7a Abs. 1 Satz 3 WHG 1986 maßgeblich auf die Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung, hier also auf die 22. AbwasserVwV abzustellen sei. Durch "Erläuterungen und Hinweise" außerhalb dieser Verwaltungsvorschriften können nicht die allgemein Verwaltungsvorschriften einen anderen - strengeren - Inhalt erhalten. Richtig verstanden besteht die Bedeutung der Nummer 1.2.1 der "Erläuterungen und Hinweise" deshalb auch allein darin, dass auf die Möglichkeit, ordnungsrechtlich höhere Anforderungen im Einzelfall gemäß § 7a Abs. 1 Satz WHG 1986 zu fordern, hingewiesen werden soll.

Eine konkret-individuelle Ermittlung der allgemein anerkannten Regeln der Technik aufgrund der in dem jeweiligen Betrieb angewendeten Verfahren würde auch dem Zweck des § 9 Abs. 5 AbwAG 1987 widersprechen, eine Vereinfachung des Gesetzesvollzugs und die Verringerung des Verwaltungsaufwands zu bewirken (vgl. BT-Drs. 10/5533, S. 8). Die Begründung erhält auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die allgemein anerkannten Regeln der Technik losgelöst von den einschlägigen Verwaltungsvorschriften bestimmt sehen wollte. Eine andere Auslegung würde auch der Anreizfunktion der Reduzierung der Abwasserabgabe widersprechen, nämlich den Abgabepflichtigen für - erhebliche Kosten verursachende - Maßnahmen, die der Schadstoffverringerung über die allgemein anerkannten Regeln der Technik hinaus dienen, zu belohnen. Der Abgabepflichtige muss sich insoweit an allgemeine Vorgaben halten können, um beurteilen zu können, ob sich eventuell zusätzliche Investitionen für eine verbesserte Abwasserbeseitigungseinrichtung oder ein fortschrittlicheres Reinigungsverfahren lohnen könnten, um in den Genuss der reduzierten Abwasserabgabe zu gelangen. Eine individuell-konkrete Auslegung des Begriffs durch die jeweils zuständige lokale Behörde würde auch zu einer uneinheitlichen Rechtsanwendung führen und damit die angestrebte gleichmäßige Behandlung aller Abwassereinleiter gefährden (so auch VG Neustadt a.d.W., Urteil vom 7.11.1994 - 1 K 3454/93 N.W. -).

Ein individueller Maßstab würde ferner gegen den abgabenrechtlichen Grundsatz der Normenklarheit und Bestimmtheit verstoßen. Insofern muss für den Normunterworfenen die voraussichtliche Höhe der Abwasserabgabe vorhersehbar sein. Nur auf Grund sicherer Kenntnis von den ordnungsrechtlich einzuhaltenden und somit auch für die Abwasserabgabenhöhe maßgeblichen Werten ist es für den Einleiter möglich, Maßnahmen zur Verbesserung seiner Reinigungseinrichtungen zu treffen. Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften über Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser sollen die im Einzelfall oft schwierige Beantwortung der Frage erleichtern, welche technischen Regeln allgemein anerkannt sind und sicherstellen, dass § 7a Abs. 1 WHG im gesamten Bundesgebiet im Interesse eines überregional abgestimmten Gewässerschutzes und aus Wettbewerbsgründen möglichst einheitlich angewandt wird und zu vergleichbaren Ergebnissen führt (vgl. Giesecke/Wiedemann/Czychowski, a.a.O., § 7a Rn. 18).

Mit der Neufassung des § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetz vom 2. November 1990 (BGBl. I S. 2425) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass hinsichtlich der Inhalte der Einleitebescheide auf die Anforderungen der allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 7a Abs. 1 WHG abzustellen ist. Anlass für die Neufassung waren auch die unterschiedlichen Abgabesatzverminderungen bei Einhaltung von Anforderungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik in § 9 Abs. 5 AbwAG und dem Stand der Technik in § 9 Abs. 6 AbwAG. So führt der Gesetzgeber in der Begründung zu § 9 Abs. 5 (Art. 1 Nr. 3 Buchst. b und c, BT-Drs. 11/4942, S. 9) aus: "Die nach § 9 Abs. 5 i.d.F. der Zweiten Novelle zum AbwAG bisher bestehende Möglichkeit durch besondere Reinigungsleistungen bei nicht gefährlichen Stoffen den Abgabesatz über die Halbierung hinaus bis zur Abgabefreiheit abzusenken, ist durch die Fortentwicklung der allgemein anerkannten Regeln der Technik bei der Abwasserreinigung und die entsprechende Fortschreibung der Abwasserverwaltungsvorschriften nach § 7a Abs. 1 WHG in der Praxis stark eingeschränkt. Das Technologieniveau der allgemein anerkannten Regeln der Technik gleicht sich vor allem im kommunalen Bereich dem Stand der Technik immer weiter an. Die in den Abwasserverwaltungsvorschriften nach § 7a Abs. 1 WHG festgelegten Mindestanforderungen an die Abwassereinleitung können in Zukunft nicht mehr so weit unterschritten werden, dass eine deutlich über die Halbierung hinausgehende Verminderung des Abgabensatzes erreicht werden kann. Diese Entwicklung würde aber gegenüber der beim Stand der Technik bisher bestehenden Abgabesatzverminderung von 80 v.H. zu einer abgaberechtlichen Benachteiligung führen".

Nach § 9 Abs. 5 Satz 2 AbwAG 1987 ermäßigt sich der Abgabesatz nach Absatz 4 Satz 2 zusätzlich um den vom Hundertsatz, um den die allgemein anerkannten Regeln der Technik übertroffen werden. Dabei ist zunächst von dem Wert von 647,06 mg/l auszugehen, der dem gemäß Ziffer 2.1.2 der 22. AbwasserVwV festgelegten, den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Verminderungswert von 75%, bezogen auf eine tatsächliche Konzentration von insgesamt 2588,24 mg/l im Zulauf der Abwasserreinigungsanlage der Klägerin in ihrem Nordwerk in Höchst entspricht. Dieser Wert ist in Verhältnis zu setzen zu dem Wert von 440 mg/l, der dem für den fraglichen Zeitraum in dem Einleitebescheid festgelegten Überwachungswert entspricht. Nach der Formel ([Konzentrationswert nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik - Konzentrationswert Einleitebescheid] x 100 : Konzentrationswert allgemein anerkannte Regeln der Technik = x), die von dem Beklagten auch in dem Verfahren VG Wiesbaden - IX/VE 1161/91 - akzeptiert wurde, ergibt sich ein vom Hundertsatz von 32 % [(647,06 mg/l - 440 mg/l] x 100 : 647,06 mg/l), um den die allgemein anerkannten Regeln er Technik übertroffen werden. Demgemäß ist der Abgabesatz nach § 9 Absatz 4 Satz 2 AbwAG 1987 in Höhe von 20,45 € (gerundet = 40,-- DM) nach § 9 Abs. 5 Satz 1 und 2 AbwAG 1987 um insgesamt 82 % zu ermäßigen. Der Abgabesatz reduziert sich damit auf (gerundet) 3,68 € (= 7,20 DM) pro Schadeinheit, so dass sich bei 213.466 Schadeinheiten eine zu zahlende Abwasserabgabe in Höhe von 785.829,82 € (= 1.536.955,20 DM) ergibt. Da tatsächlich durch den angefochtenen Bescheid für CBS eine Abgabe von 2.182.860,62 € (= 4.269.320,-- DM) festgesetzt wurde, ergibt sich ein Differenzbetrag von 1.387.030,80 € (= 2.732.364,80 DM).

Auch der erst in der Berufungsinstanz gestellte Antrag der Klägerin auf Rückerstattung des bereits gezahlten Betrages in Höhe von 1.397.030,80 € (= 2.732.364,80 DM) ist begründet. Der Anspruch auf Folgenbeseitigung kann nach § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf Antrag der Klägerin auch im Anfechtungsverfahren mit geltend gemacht werden. Die Erweiterung des Klageantrages in der Berufungsinstanz sowie die Verzinsung des zurückgeforderten Betrages ist gemäß § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung - ZPO - i.V.m. § 173 VwGO zulässig. Sie gilt nicht als Klageänderung und ist deshalb ohne die Voraussetzungen des § 91 VwGO möglich.

Der Anspruch auf Verzinsung des Rückforderungsanspruchs mit 4 % ab Rechtshängigkeit ist als Anspruch auf Zahlung von 4 % Prozesszinsen gemäß § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der auch der Senat folgt, ist § 291 BGB auch im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden (vgl. BVerwG, Urteile vom 28.05.1998 - 2 C 28.97 -, DVBl. 1998, 1082, und vom 28.06.1995 - 11 C 22.94 -, NJW 1995, 3135, jeweils m.w.N.; Hess. VGH, Urteil vom 27.10.1999 - 5 UE 3677/98 -, ESVGH 50, 101 = HessVGRspr. 2000, 89 = WissR 2000, 168). Voraussetzung ist die Rechtshängigkeit der betreffenden Forderung und dass das Verfahren mit der Verurteilung zu einem bestimmten Betrag bzw. einer Verpflichtung zum Erlass eines hierauf gerichteten Verwaltungsakts endet (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.06.1995, a.a.O., Beschluss vom 4.05.1994 - 1 B 26.94 -, NJW 1994, 3116 und Urteil vom 24.03.1999 - 8 C 27.97 -). Beide Voraussetzungen sind hier gegeben, wobei der Anspruch erst zu dem Zeitpunkt rechtshängig geworden ist, in dem der Bevollmächtigte der Klägerin im Berufungsverfahren mit am 24. Oktober 2001 eingegangenen Schriftsatz den Antrag auf Rückzahlung beim Verwaltungsgerichtshof gestellt hat, und erst ab diesem Zeitpunkt zu verzinsen ist. Der nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehene Zinssatz von 5 % über dem Basiszinssatz gilt nach Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB - erst für Geldforderungen, die seit dem 1. Mai 2000 fällig geworden sind. Für die am 1. Mai 2000 bereits fälligen Forderungen bleibt es bei 4 %.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO). So fehlt es an dem Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), weil es um die Anwendung einer Vorschrift geht (§ 9 Abs. 5 Satz 2 AbwAG 1987), die nur für zwei Veranlagungsjahre (1989 und 1990) in Kraft war. Auch die für den Ausgang des Rechtsstreits maßgebliche 22. AbwasserVwV ist nicht mehr in Kraft. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klärung der Rechtsfrage für einen nicht überschaubaren Personenkreis in absehbarer Zukunft von Bedeutung sein könnte oder sich die streitigen Fragen bei Nachfolgeregelungen stellen könnten, so dass trotz Auslaufens des alten Rechts eine richtungsweisende Klärung zu erwarten wäre, wie die neue Vorschrift anzuwenden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.1995 - 6 B 35/95 -, NVwZ-RR 1996, 712).

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf einen Betrag von 1.397.030,80 € festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 2, § 14 Gerichtskostengesetz - GKG -. Der Wert der geltend gemachten Prozesszinsen ist nicht zu berücksichtigen (§ 22 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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