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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 07.03.2005
Aktenzeichen: 5 UE 3009/02
Rechtsgebiete: BewG, GrStG


Vorschriften:

BewG § 22
BewG § 79
GrStG § 33
Führt ein die Nachfrage übersteigendes Angebot an gewerblich vermieteten Büroräumen zu verlängerten Leerstandszeiten, rechtfertigt dies keinen Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 GrStG.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

5. Senat

5 UE 3009/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Grundsteuererlass 1995

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch Richter am Hess. VGH Dr. Apell als Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung am 7. März 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Januar 2002 - 10 E 2024/98(V) - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin verfolgt ihr in erster Instanz erfolgloses Begehren auf einen Erlass der Grundsteuer für das Jahr 1995 im Berufungsverfahren weiter.

Die Klägerin ist ein in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführter Immobilienfonds. Sie erwarb im Dezember 1993 das Grundstück ..................................., das mit einem Bürogebäude bebaut ist. Die Voreigentümerin hatte das Gebäude selbst geschäftsmäßig genutzt und war im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin ausgezogen.

Mit Schreiben vom 11. Februar 1994 teilten die Voreigentümerin und die Klägerin der beklagten Stadt mit, dass gemäß Vertrag vom 1. Januar 1994 der Eigentumsübergang stattgefunden habe und die Klägerin die Grundbesitzabgaben zum 1. Januar 1994 übernehme. Daraufhin setzte die Beklagte die bereits vorher gegenüber der Voreigentümerin festgesetzte Grundsteuer für das Jahr 1994 nunmehr gegenüber der Klägerin fest.

Mit Grundsteuermessbescheid vom 1. Juli 1994 wurde der Einheitswert für das Grundstück ab 1994 gegenüber der Klägerin auf 2.460.000,-- DM festgesetzt. Ausweislich der von der Klägerin im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Nachweise bemühte sich die Klägerin schon im Jahr 1994 um die Vermietung des Gebäudes für das Jahr 1995. Aus einem Schreiben vom 23. September 1994 (Bl. 192 der Gerichtsakte) ergibt sich das Interesse eines Kunden an einer Anmietung von 2.000 qm (drei Etagen) für fünf Jahre mit fünf Jahre Verlängerungsmöglichkeit ab dem 1. Januar 1995, einem halben Jahr Mietfreiheit und Mietpreisvorstellung von BDO DM 45,-- pro Quadratmeter. Zu dem Zeitpunkt konnte die Klägerin die gewünschte Fläche ausweislich dieses Schreibens nicht verbindlich zur Verfügung stellen.

Zusätzlich hat die Klägerin weitere Mietgesuche für Büroflächen im Westend, die ihr im Jahre 1995 zugingen, vorgelegt (Bl. 161 bis 163 der Gerichtsakte). Soweit erkennbar wurden die Räume des Objekts mit einem Quadratmeterpreis von 45,-- DM zuzüglich Nebenkosten, teilweise auch zuzüglich Mehrwertsteuer, angeboten (Bl. 161, 162, 168 der Gerichtsakte, sowie die Unterlagen im Verwaltungsvorgang der Beklagten). Auch die Klägerin selbst stand offensichtlich in Verhandlungen mit Mietinteressenten (Bl. 167 der Gerichtsakte).

Ab dem 17. Juni 1996 bot die Klägerin nunmehr über fünf verschiedene Maklerfirmen das Objekt mit Netto 39,-- DM pro Quadratmeter an, wobei je nach Laufzeit des Mietvertrages (Fünf- oder Zehnjahresvertrag) drei bis sechs Monate Mietfreiheit gewährt werden sollten.

Mietverträge wurden in dem Objekt wie folgt abgeschlossen:

EG ab 01.06.1997 460,78 qm zu 35,-- DM pro Quadratmeter

I. OG ab 01.08.1997 344,91 qm zu 30,-- DM pro Quadratmeter

III. OG ab 01.01.1998 807,10 qm zu 35,-- DM pro Quadratmeter

I. OG ab 01.04.1998 462,19 qm zu 30,-- DM pro Quadratmeter

II. OG ab 01.04.1998 807,10 qm zu 35,-- DM pro Quadratmeter

EG ab 01.02.1999 288,86 qm zu 28,-- DM pro Quadratmeter.

Mit Bescheid vom 31. Januar 1995 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Grundsteuer für das Jahr 1995 auf einen Betrag von 49.077,-- DM fest. Mit Schreiben vom 20. März 1996 beantragte die Klägerin gemäß § 33 Grundsteuergesetz - GrStG - den Erlass der von ihr für das Jahr 1995 gezahlten Grundsteuer wegen wesentlicher Ertragsminderung des nicht eigengenutzten Grundstückes, das trotz erheblicher Bemühungen nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen bisher leer stehe, da keine Mietverträge abgeschlossen worden seien.

Mit Bescheid vom 6. Mai 1996 lehnte die Beklagte den Antrag auf teilweisen Erlass der Grundsteuer ab. Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 20. Mai 1996 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 1998 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe die eingetretene Minderung des Rohertrags im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG zu vertreten, da der Leerstand im Jahr 1995 auf ihre eigene unternehmerische Entscheidung zurückzuführen sei.

Mit Schreiben vom 13. Juli 1998 - eingegangen beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main am selben Tag - hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie ihr Erlassbegehren weiter verfolgt. Sie hat vorgetragen, sie habe den Wegfall des Rohertrages durch Leerstand für das Jahr 1995 nicht im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG zu vertreten, da sie alle zumutbaren Anstrengungen zur Vermietung des Objekts unternommen habe. Die Höchstmietpreise im Bereich Westend hätten im Jahr 1995 bei 57,-- DM pro Quadratmeter zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung und Mehrwertsteuer gelegen. Der im Jahr 1995 durchschnittlich erzielte Mietzins habe bei 45,-- DM pro Quadratmeter netto zuzüglich Nebenkostenvorauszahlungen und Mehrwertssteuer gelegen. Für 1995 sei dieser Mietzins von 45,-- DM pro Quadratmeter zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung und Mehrwertssteuer auch für ihr Objekt ortsüblich und marktgerecht, also keineswegs überhöht, gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 6. Mai 1996 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1998 die Beklagte zu verpflichten, den Grundsteuererlassantrag vom 20. März 1996 für das Grundstück ................................. positiv zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, ein Leerstand in der Anfangsphase nach Neuerrichtung bzw. Umbau sei grundsätzlich vom Eigentümer zu vertreten, unabhängig von den Bemühungen um eine Vermietung.

Mit Urteil vom 22. Januar 2002 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin die Ertragsminderung im Sinne des Gesetzes zu vertreten habe. Der Steuerpflichtige habe eine Ertragsminderung nur dann nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruhe, die außerhalb seines Einflussbereiches lägen. Solche Umstände seien nicht ersichtlich.

Mit Beschluss vom 5. November 2002 - 5 UZ 756/02 - hat der Senat auf Antrag der Klägerin die Berufung zugelassen.

Mit Beschluss vom 10. November 2003, abgeändert durch die Beschlüsse vom 28. Januar 2004 und 1. März 2004, hat der erkennende Berichterstatter Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Fragen:

1. Bestand im Jahre 1995 für Büroräume der von der Klägerin in dem Gebäude ................................. angebotenen Art im Gebiet der Stadt Frankfurt am Main ein Überangebot, so dass strukturell eine Nachfrage ausschied?

2. Falls dies verneint wird: Wie hoch war die durchschnittliche marktgerechte Mieter pro qm für derartige Büroräume im Jahre 1995 im Gebiet der Stadt Frankfurt am Main, zu der in diesem Zeitraum neue Mietverträge abgeschlossen werden konnten?

Auf das Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie für Mieten und Pachten und Grundstücksverwaltung Dipl.-Kaufmann .................................... vom 8. September 2004 bei den Gerichtsakten wird Bezug genommen.

Zur Begründung der Berufung trägt der Klägerbevollmächtigte vor, auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2001 könne das angefochtene Urteil nicht im Ergebnis als zutreffend qualifizieren. Das Bundesverwaltungsgericht habe in jenem Fall für das betreffende und die Folgejahre eine "nachhaltige, strukturell bedingte fehlende Mieternachfrage" in dem betreffenden Stadtgebiet und als solcher eine dauerhafte Veränderung der Wertverhältnisse angenommen. Eine derartige Nachhaltigkeit einer Veränderung der allgemeinen Wertverhältnisse im Stadtgebiet von Frankfurt am Main für den hier interessierenden Mietmarkt sei auch nicht im entferntesten festzustellen. Weiterhin sei nach Auffassung der Klägerseite die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht richtig. Bei konsequenter Anwendung dieser Auffassung würde nämlich § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG im Falle des "Leerstehens infolge strukturell bedingter mangelnder Mieternachfrage" überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Damit würde die gesetzgeberische Intention in ihr Gegenteil verkehrt. Dies beruhe auf einer Fehlinterpretation des § 33 Abs. 1 Nr. 2 GrStG. Dabei handele es sich nur um eine Definition, wie der normale Rohertrag zu bestimmen sei, um gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG eine Minderung des normalen Rohertrags um mehr als 20 % feststellen zu können. Das Bundesverwaltungsgericht verkenne, dass es unerlässlich sei, zum Zweck der Ermittlung des Ausmaßes des Erlasses für bebaute Grundstücke den tatsächlichen Ertrag des Erlasszeitraums dem normalen Rohertrag gegenüber zu stellen. Deshalb eröffne nach Auffassung der Klägerseite entgegen der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Auffassung § 33 GrStG nach wie vor auch bei strukturell mangelnder Mieternachfrage einen Anspruch auf Grundsteuererlass, wenn die erforderliche Minderung des Rohertrags im Erlasszeitraum gegeben sei.

Zum Ergebnis des Sachverständigengutachtens trägt der Klägerbevollmächtigte vor, der Sachverständige habe festgestellt, dass strukturell ein Bedarf an Büroräumen der verfahrensgegenständlichen Art bestand mit der Folge, dass strukturell eine Nachfrage nicht ausschied. Insoweit habe er im folgenden die durchschnittliche marktgerechte Miete pro Quadratmeter für Büroraum dieser Art im Jahr 1995 feststellen müssen. Diesen ortsüblichen Mietpreis habe der Sachverständige mit 45,49 DM pro Quadratmeter als Durchschnittswert festgestellt, um dann unter Nr. 5.2 des Gutachtens unter Berücksichtigung von Incentives zu einem Mietniveau von durchschnittlich 42,50 DM pro Quadratmeter zu gelangen. Im Übrigen liege nach Ansicht der Klägerseite insofern ein Rechenfehler vor. Vielmehr müsse von einem Durchschnittswert von 43,31 DM pro Quadratmeter ausgegangen werden. Des Weiteren habe nach Klägeransicht der Sachverständige übersehen, dass typischerweise, wenn keine Incentives - Gewährung von mietfreien Zeiten und/oder Übernahme von Maklerkosten durch die Vermieter - gewährt würden, nicht nur 60, sondern 63 Monatsmieten bei Berücksichtigung von drei Monatsmieter Maklerprovision zu zahlen seien. Somit ergebe sich eine durchschnittliche Miete von rund 47,87 DM pro Quadratmeter. Nur für den Fall, dass kumulativ eine mietfreie Zeit von drei Monaten und die Maklerkosten von drei Monatsmieten durch den Vermieter zu übernehmen gewesen wären, könne man auf die von dem Sachverständigen angenommenen 57 Monatsmieten gelangen. Insofern halte der Klägerbevollmächtigte den vom Sachverständigen gewählten Ausgangspunkt von 60 Monatsmieten bei einem typischen Fünfjahresmietvertrag für systemfehlerhaft. Im Übrigen bestätige das Gutachten, dass der Mietzins von 45,-- DM pro Quadratmeter mit dem die Klägerin das Objekt im Jahr 1995 angeboten habe bzw. habe anbieten lassen, ortsüblich und marktgerecht gewesen sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Objekt im Jahr 1995 durchgängig provisionsfrei angeboten worden sei. Im Verhandlungswege wäre je nach Verhandlungsführung des Mieters dann ohnehin noch in Betracht gekommen, dass entweder der Mietzins etwas gesenkt oder möglicherweise auch noch zusätzlich eine mietfreie Zeit hätte vereinbart werden können. Bei der Bewertung des Durchschnittswertes sei insoweit auch zu berücksichtigen, dass dieser Wert zustande komme durch rückschauende Betrachtung der nach entsprechenden Verhandlungen bereits tatsächlich erfolgten Vertragsabschlüsse. In Zeiten eines sogenannten "Mietermarktes" wisse jeder Mieter ohnehin, dass der von dem Vermieter angebotene und benannte Mietzins eine Verhandlungsbasis und nicht das "letzte Wort" sei. Auch insoweit dokumentiere das Sachverständigengutachten - auch unter Berücksichtigung des dargelegten Rechenfehlers - das marktgerechte und ortsübliche Mietzinsangebot der Klägerin im Jahr 1995. Die Auffassung der Beklagten, die Klägerin habe ihr "vorliegende Mietangebote" nur anzunehmen brauchen, sei lebensfremd und zeuge von einer gravierenden Unkenntnis im Bereich der Vermietung. Sie sei schon aus ureigenstem wirtschaftlichen Interesse und darüber hinaus auch den Fondsanlegern gegenüber verpflichtet, alles zu unternehmen, um einen Leerstand zu vermeiden. Diese Anstrengungen habe sie auch unternommen. Im Übrigen habe es auch tatsächlich ganz andere Gründe, warum es zu dem ortsüblichen Mietzins in dem Erlasszeitraum nicht zur Vermietung des Objektes gekommen sei. Jedenfalls habe dies nicht daran gelegen, dass sie - die Klägerin - sich geweigert habe, zu dem von ihr angebotenen Mietzins tatsächlich abzuschließen. Die in den Unterlagen dargelegten Mietinteressenten hätten von einer Vermietung jeweils Abstand genommen. Dies führt der Bevollmächtigte der Klägerin im Einzelnen aus. Die Beklagte übersehe, dass die seinerzeitige Marktsituation dadurch geprägt gewesen sei, dass Mietinteressenten sich nicht nur ein Objekt angeschaut, sondern eine Vielzahl von Objekten in ihrer Entscheidungsauswahl einbezogen hätten. Jedenfalls habe die Klägerin das verfahrensgegenständliche Objekt im Erlasszeitraum des Jahres 1995 zu marktüblichen und marktgerechten Konditionen angeboten und trotzdem keine Vermietung erzielen können.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Januar 2002 - 10 E 2024/98(V) - wird abgeändert,

2. der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 1996 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 10. Juni 1998 werden aufgehoben,

3. die Beklagte wird verpflichtet, den Grundsteuererlassantrag der Klägerin vom 20. März 1996 für das Grundstück ...................................... in Frankfurt am Main für das Kalenderjahr 1995 dahingehend positiv zu bescheiden, dass der Klägerin hinsichtlich des Grundstücks für das Kalenderjahr 1995 ein Erlass der Grundsteuer in Höhe von 20.074,34 € (39.262,00 DM) gewährt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, aufgrund der vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass die Klägerin nach eigenem Vorbringen auf vorliegende Mietangebote nicht eingegangen sei. Sie habe insofern den Leerstand im Erlasszeitraum zu vertreten. Im vorliegenden Fall habe sie aber nicht nur die Höhe der geforderten Mietpreise zu beachten, sondern auch die sonstigen Umstände, die zum Leerstand des Gebäudes beigetragen hätten. So habe die Klägerin das Gebäude Ende November 1993 frei von Mietern erworben und anschließend teilweise umgebaut und renoviert. Die unternehmerische Konzeption habe darin bestanden, durch die Schaffung hochwertigen Büroraumes eine entsprechend hohe Rendite zu erwirtschaften. Diese Konzeption habe sich aufgrund der im Erlasszeitraum bestehenden Marktsituation auf dem gewerblichen Immobilienmarkt in A-Stadt und insbesondere dem Überangebot hochwertiger Büroflächen nicht so schnell verwirklichen lassen, wie es die Klägerin ursprünglich geplant gehabt habe. So sei der Leerstand ursächlich auf eine unternehmerische Entscheidung zurückzuführen, die nicht sofort zu den erhofften Ergebnissen geführt habe. Dies gelte auch dann, wenn sie sich in ortsüblicher Weise um eine Vermietung bemüht habe. Das Sachverständigen-gutachten bestätige die Auffassung, dass eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietpreis möglich gewesen wäre. Nach dem Gutachten hätten die durchschnittlichen Mietpreise im Jahr 1995 im Westend zwischen 32,-- DM und 55,-- DM gelegen. In dem Gebiet am Rande des Westends Richtung Messe und Friedrich-Ebert-Anlage/Theodor-Heuss-Allee, zu dem auch die ................................ gehöre, habe der durchschnittliche Mietpreis 1995 nach Angaben des Gutachters bei 37,50 DM gelegen. Im Hinblick auf die seither bekannten Fakten, die durch das Gutachten unterstützt würden, sei nach wie vor daran festzuhalten, dass eine Vermietung zu marktgerechten Preisen möglich gewesen wäre. Die Klägerin hätte also nicht, wie von ihr verschiedentlich vorgetragen, zu nicht marktgerechten Tiefpreisen vermieten müssen.

Die Beteiligten haben sich schriftlich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände) sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin - über die im Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 87a Abs. 2 und 3 und § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) - ist auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage auf positive Bescheidung des Grundsteuererlassantrags für das Jahr 1995 für das Grundstück .................................... ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als unbegründet abgewiesen worden. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 1996 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1998 ist rechtmäßig.

Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Grundsteuergesetz - GrStG - wird bei bebauten Grundstücken die Grundsteuer im dort genannten Umfang erlassen, wenn der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 20 v.H. gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere: Urteil vom 4. April 2001 - 11 C 12.00 -, BVerwGE 114, 132 ff., m.w.N.), der auch der Senat folgt, ist dabei die Erlassvorschrift des § 33 GrStG im Gesamtzusammenhang mit den Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes zu sehen.

Normaler Rohertrag ist bei bebauten Grundstücken, deren Wert nach dem Bewertungsgesetz im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, die Jahresrohmiete, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums maßgebend wäre (§ 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG). Jahresrohmiete ist nach § 79 Abs. 1 Bewertungsgesetz - BewG - das Gesamtentgelt, das die Mieter oder Pächter für die Benutzung des Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für ein Jahr zu entrichten haben. Bei Grundstücken, die eigengenutzt, ungenutzt, zu vorübergehenden Gebrauch oder unentgeltlich überlassen sind, oder die der Eigentümer dem Mieter zu einer um mehr als 20 v.H. von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat, gilt nach § 79 Abs. 2 Satz 1 BewG die übliche Miete als Jahresrohmiete. Diese ist in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (§ 79 Abs. 2 Satz 2 BewG). Damit scheiden Veränderungen aller den Wert beeinflussenden Umstände, die bei einer Hauptfeststellung zur Feststellung eines verminderten Einheitswerts führen würden, als Erlassgrund aus. Dies gilt nicht nur für Ertragsminderungen, die durch Fortschreibung des Einheitswerts berücksichtigt werden können (vgl. § 33 Abs. 5 GrStG). Vielmehr können nach der für Grundstücke, deren Wert im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, im besonderen geltenden Vorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG auch Ertragsminderungen, die auf einer Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse ("Wertverhältnisse" im Sinne von § 27 BewG) beruhen, nicht zu einem Grundsteuererlass führen, weil diese bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums - anders als Fortschreibungen und Nachfeststellungen - zu berücksichtigen wären (BVerwG, Urteil vom 4. April 2001, a.a.O. S. 134). Dieser Regelung liegt - worauf das Bundesverwaltungsgericht besonders hinweist - erkennbar die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass Ertragsminderungen einen Grundsteuererlass nur rechtfertigen, wenn sie auf für die Ertragslage außergewöhnlichen ("atypischen") Umständen beruhen (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. Dezember 2003 - 13 LA 213/03 -, NVwZ 2004, 370 = ZKF 2004, 210). Umständen, die den normalen Rohertrag mindern und als solche für den Einheitswert erheblich sind, soll im Rahmen der Einheitsbewertung und nicht im Wege des Steuererlasses Rechnung getragen werden.

Damit werden Änderungen der "tatsächlichen Verhältnisse" nach Maßgabe des § 22 BewG im Wege der Wertefortschreibung berücksichtigt und führen über eine neue Festsetzung des Steuermessbetrags auf den Fortschreibungszeitpunkt (Neuveranlagung) zu einer geringeren Grundsteuer (§ 13 Abs. 1, § 17 Abs. 1 GrStG). Vermindert sich er normale Rohertrag hingegen wegen Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, wird dies erst bei der nächsten Hauptfeststellung (§ 21 BewG) erfasst und wirkt sich bis dahin auf die Erhebung der Grundsteuer nicht aus (vgl. §§ 16 bis 18 GrStG). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass derartige Veränderungen grundsätzlich alle Vermieter in vergleichbarer Weise treffen. Zum anderen kann von Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse im Sinne des Bewertungsrechts nur bei nachhaltigen, länger dauernden Veränderungen der Wertverhältnisse gesprochen werden. Im Interesse der Stetigkeit und Gleichmäßigkeit der Grundsteuererhebung bleiben deshalb Veränderungen der Werteverhältnisse unberücksichtigt, die zwischen den Hauptfeststellungen liegen.

Auch im vorliegenden Fall liegt die Nichtvermietung der Räume des Bürogebäudes Beethovenstraße 8 - 10 durch die Klägerin im Bereich der Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse und ist deshalb erst - soweit sie sich auswirkt - bei der nächsten Hauptfeststellung zu berücksichtigen. Wie sich aufgrund des Vortrags der Klägerin selbst und des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten ergeben hat, bestand im Jahr 1995 für Büroräume der im Objekt der Klägerin angebotenen Art im Gebiet der Beklagten allgemein und im Bereich Westend, in dem das Gebäude liegt, ein Bedarf durch Mietkunden, wie der Flächenumsatz zeigt, allerdings in Form eines sogenannten "Mietermarktes", d.h. das Angebot überstieg ersichtlich die Mieternachfrage, was sich - wie das Sachverständigengutachten ausweist - auch in den gegenüber den vorhergehenden Jahren sinkenden Durchschnittsmieten zeigt. Derartige, für alle Vermieter geltende Marktbedingungen stellen aber nicht nur dann "allgemeine wirtschaftliche Verhältnisse" dar, die im Rahmen der nächsten Hauptfeststellung zu berücksichtigen sind, wenn - wie im vom Bundesverwaltungsgericht konkret entschiedenen Einzelfall - strukturell gar keine Mieternachfrage mehr besteht, sondern auch, wenn diese Nachfrage gegenüber dem Angebot überwiegt und deshalb die Vermietungsmöglichkeiten schwieriger und durchschnittliche Leerstandszeiten aufgrund des Marktes länger werden. Dabei handelt es sich eben nicht um den einen Erlass nach § 33 GrStG rechtfertigenden Fall einer Ertragsminderung aufgrund von außergewöhnlichen "atypischen" Umständen. Der Gesetzgeber ist nicht davon ausgegangen, dass zur Vermietung geschaffene Räumlichkeiten typischer Weise vermietet sind und dass deshalb ein vom Steuerschuldner nicht zu vertretender Leerstand ohne Weiteres zu einem Grundsteuererlass führen muss (BVerwG, Urteil vom 4. April 2001, a.a.O. S. 137). Somit führt die fehlende Vermietung der Büroräume im Gebäude der Klägerin im Jahr 1995, die erst in den Jahren 1998/1999 aufgrund deutlich niedrigerer Mietabschlüsse beendet wurde, nicht zu einem Erlass, weil sie innerhalb der allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Gemeindegebiet der Beklagten begründet lag und nicht rein zufälliger, "atypischer" Art war.

Insofern kommt es auf die Frage, ob die Klägerin die Nichtvermietung im Jahr 1995 zu vertreten hat, nicht mehr an. Allerdings ist ersichtlich, dass sie die Räume mit einem Preis von 45,-- DM zuzüglich 5,-- bis 6,-- DM Nebenkosten pro Quadratmeter zuzüglich Mehrwertssteuer etwas oberhalb des mittleren Bereichs der nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens im Jahr 1995 im Westendviertel, in dem das betreffende Gebäude liegt, bestehenden Mietpreisspanne von 32,-- bis 55,-- DM pro Quadratmeter angeboten hat. Angesichts der Angebotslage eines sogenannten "Mietermarktes" - das Angebot überstieg die Nachfrage - dürfte es allerdings zur Vermeidung des "Vertretenmüssens" nahe liegen, auch an den unteren Rand der Mietpreisspanne des umgebenden Viertels zu gehen, damit die Nichtvermietung nicht auch auf eigenes Verhalten zurückzuführen ist. Ein Grundsteuerpflichtiger hat eine Ertragsminderung nämlich nur dann nicht im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG zu vertreten, wenn er sie weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt hat, noch ihren Eintritt durch geeignete und zumutbare Maßnahmen hätte verhindern können (BVerwG, Urteil vom 15. April 1983 - 8 C 150.81 -, BVerwGE 67, 123; FG Berlin, Urteil vom 17. Januar 2001 - 2 K 2268/98 -, ZKF 2002, 132). Dies kann jedoch im Ergebnis im vorliegenden Verfahren offen bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO - in Verbindung mit § 167 VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf einen Betrag von 20.074,34 € festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 13 Abs. 2, 14 Gerichtskostengesetz - GKG - in der im vorliegenden Verfahren noch anzuwendenden bis zum 1. Juli 2004 geltenden Fassung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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