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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 19.11.2002
Aktenzeichen: 5 UE 4670/96.A
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

GG Art. 16a
AuslG § 51
AuslG § 53
Tamilen droht, insbesondere unter Berücksichtigung der neueren politischen Lage, heute und in naher Zukunft in keinem Landesteil Sri Lankas mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit eine gruppengerichtete politische Verfolgung (im Anschluss an Urteil des Senats vom 3.5.2000 -5 UE 4657/96.A -).
5. Senat 5 UE 4670/96.A

Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts (Sri Lanka)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch Richter am Hess. VGH Dr. Göbel Zimmermann als Berichterstatter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 1995 - 9 E 30711/95.A (2) - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des gesamten Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Entscheidung über die Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 14. Juni 1966 geborene Klägerin zu 1. ist srilankische Staatsangehörige tamilischer Volkszugehörigkeit. Sie reiste zusammen mit ihrem am 6. September 1992 geborenen Sohn, dem Kläger zu 2. am 19. März 1994 über den Flughafen Colombo mit ihrem eigenen Reisepass aus Sri Lanka aus. Mit kurzen Zwischenaufenthalten in Singapur und Taschkent trafen sie am 31. März 1994 auf dem Flughafen Frankfurt am Main ein und suchten dort am 2. April 1994 um politisches Asyl nach. Der Ehemann der Klägerin zu 1. mit dem sie seit dem 26. Oktober 1991 verheiratet ist und Vater des Klägers zu 2. ist, lebt bereits seit 1988 in der Bundesrepublik Deutschland.

Mit Bescheid vom 22. Februar 1995 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag der Kläger ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Die Kläger wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen Monatsfrist nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, die Abschiebung nach Sri Lanka oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Übernahme verpflichtet ist, wurde den Klägern angedroht.

Hiergegen erhoben die Kläger am 28. März 1995 Klage. Zur Begründung trugen sie vor, srilankische Staatsangehörige tamilischer Volkszugehörigkeit zu sein und aus Mallakam auf der Jaffna-Halbinsel zu stammen. Die Klägerin zu 1. gab an, ihren Heimatort Mallakam verlassen zu haben, weil sich ständig großflächige Angriffe mit Bomben und Granaten seitens der srilankischen Armee ereignet hätten. Sie sei ständig auf der Flucht gewesen und habe sich in Bunkern verstecken müssen. Zeitweise habe sie ihr Kind und sich selbst in einem Tempel in Nallur, und in Schulen in Arunothaya und Urelu verborgen. Die Familie, bestehend aus ihren mittlerweile hinfälligen Eltern und sieben Geschwistern, sei durch den Bürgerkrieg zerrissen worden. Sie wisse heute nichts näheres über den Aufenthaltsort der übrigen Familienmitglieder. Aufgrund der Kriegswirren habe man sich im Norden Sri Lankas ständig zwischen verschiedenen Zufluchtsorten bewegen müssen. Sie habe sich bereits Ende des Jahres 1991 in Colombo aufgehalten. Am 26. Oktober 1991 habe sie in Colombo geheiratet. Im Anschluss an die Eheschließung sei ihr Ehemann wieder nach Deutschland gereist, sie hingegen zunächst in Colombo geblieben. Im Januar 1992 sei sie dann im Stadtteil Maratuva festgenommen worden. In der Polizeistation Kalkisa habe man sie zwei Tage lang festgehalten, dann aber wieder freigelassen. Diese Freilassung sei offensichtlich deshalb erfolgt, weil ihre Schwangerschaft bemerkt worden sei. Jedenfalls sei sie nach diesem Erlebnis wieder in ihren Heimatort Mallakam zurückgekehrt. Wegen der dort bestehenden ständigen Schwierigkeiten durch die Auseinandersetzungen zwischen der srilankischen Armee und der tamilischen Befreiungsorganisation LTTE habe sie sich dann im Jahr 1994 entschlossen, ihre Heimat zu verlassen. Die nötigen Reisemittel habe ihr Ehemann aus Deutschland übersandt. Die Reise sei durch die Inanspruchnahme einer professionellen Schlepperorganisation durchgeführt worden. Am 19. Februar 1994 seien die Kläger in Mallakam aufgebrochen und mit einem dreirädrigen Motorroller zunächst nach Kilaly, einem damaligen LTTE-Kontrollpunkt, gereist. Nach dem Überqueren der Lagune mit dem Boot sei die Reise per Traktor und Bus bis zum Kontrollpunkt Thandikulam und von dort aus nach Vavuniya fortgesetzt worden. In Vavuniya sei ihr ein Identitätspapier ausgestellt worden, mit dem sie sich dann per Zug nach Colombo begeben hätte. Diese Stadt sei am 21. Februar 1994 erreicht worden. Die gesamte Reise sei zusammen mit einer Kusine und einem Onkel durchgeführt worden. Man habe gemeinsam in Colombo ein Zimmer angemietet. Am 26. Februar 1994 sei ihr von den zuständigen Behörden ein bis 1997 gültiger Reisepass ausgestellt worden. Am 19. März 1994 sei sie zusammen mit ihrem Sohn von Colombo nach Singapur geflogen und dort bis zum 29. März 1994 in einer Pension geblieben. In Singapur sei ihr Reisepass von der Schlepperorganisation einbehalten worden. Sie seien dann über Taschkent, wo sie eine Nacht auf dem Flughafen verbracht hätten, nach Frankfurt am Main gereist. Welche Reisepapiere bei dieser Weiterreise von dem begleitenden Schleuser präsentiert worden seien, wisse sie nicht.

Die Kläger beantragten sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtling vom 22. Februar 1995 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Sie bezog sich in ihrer Begründung auf den angegriffenen Bescheid.

Mit Gerichtsbescheid vom 17. November 1995 verpflichtete das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 22. Februar 1995, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die Kläger wegen ihrer tamilischen Volkszugehörigkeit und Abstammung aus den Jaffna-Distrikt im Norden Sri Lankas in den Jahren 1992 bis 1994 in ihrer Heimatstadt Mallakam politischer Verfolgung unterlagen. Den Klägern hätte im Jahre 1994 auch keine inländische Fluchtalternative zur Verfügung gestanden, so dass sie vorverfolgt aus Sri Lanka ausgereist seien. Auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei den Klägern eine Rückkehr nach Sri Lanka nicht zumutbar. Als tamilische Volkszugehörige könnten die Kläger jederzeit in den Verdacht geraten, der LTTE oder dem sie unterstützenden Umfeld anzugehören. Den Klägern würde auch keine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stehen.

Gegen den dem Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten am 24. November 1995 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser mit beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main am 30. November 1995 eingegangenem Schriftsatz die Zulassung der Berufung beantragt.

Der damals zuständige 10. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat mit Beschluss vom 21. November 1996 antragsgemäß die Berufung wegen Divergenz zugelassen.

Der Beigeladene beantragt,

unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 7. November 1995 die Klage abzuweisen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen.

Die Kläger sind der Ansicht, dass sich die Rechts- und Sachlage seit der Grundsatzentscheidung des erkennenden Senats vom 3. Mai 2000 geändert habe. Es könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass Tamilen heute oder in naher Zukunft in keinem Landesteil Sri Lankas mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit keiner gruppengerichteten politischen Verfolgung ausgesetzt seien. Zurückkehrenden Tamilen stünde im Großraum Colombo auch grundsätzlich keine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Hinsichtlich der Änderungen der Rechts- und Sachlage verweist die Bevollmächtigte der Kläger insbesondere auf die Verschärfung des Strafrahmens des "Immigrant und Emigrant Act" sowie auf die nun bekannt gewordene Umsetzung im Zusammenhang mit verschärften Kontrollen auch nach der Rückkehr in Colombo. In diesem Zusammenhang verweist sie auf einige Stellungnahmen, insbesondere des Sachverständigen Keller-Kirchhoff und von amnesty international.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache auch nicht geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berichterstatter am 19. November 2002 wurde die Klägerin zu 1. informatorisch zu ihren persönlichen Verhältnissen gehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und die Erkenntnisquellenliste des Senats (Stand: 24. Oktober 2002 und die zusätzlich eingeführten Presseartikel aus der FR vom 1. November 2002, der TAZ vom 2. November 2002 und der FR vom 4. November 2002), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 1995 ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage hinsichtlich der Anerkennung der Kläger als Asylberechtigte und der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zu Unrecht stattgegeben. Die Ablehnung des Asylbegehrens der Kläger durch den Bescheid des Bundesamts vom 22. Februar 1995 erweist sich nach der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative Asylverfahrensgesetz - AsylVfG -) als rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Kläger als Asylberechtigte und für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 Ausländergesetz - AuslG - liegen nicht vor (A). Weiterhin steht den Klägern der in erster Instanz geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 AuslG, über den infolge der Abweisung der Klage mit den Hauptanträgen in der Berufungsinstanz zu entscheiden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.1997 - 9 C 19.96 -, BVerwGE 104, 260), nicht zu (B). Daraus ergeben sich die Nebenentscheidungen (C).

A

I.

Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne des nach Wortlaut und Inhalt mit dem früheren Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG übereinstimmenden Art. 16 a Abs. 1 GG genießt, wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, Beschluss vom 02.07.1980 - BvR 147/80 u. a. -, BVerfGE 54, 341). Unter "politischer Verfolgung" ist in Anlehnung an die Flüchtlingsdefinition des Art. 1 A Nr. 2 Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - ein Vorgehen zu verstehen, das im weitesten Sinne dem Machterwerb oder -erhalt bzw. der Entscheidungsfindung oder -durchsetzung in einem Gemeinwesen dienen soll und das bei dem Zufluchtsuchenden aufgrund seiner Rasse, Ethnie, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung zu einer Gefährdung für Leib und Leben oder einer Beschränkung der persönlichen Freiheit führt (BVerfG, Beschluss vom 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u. a. -, BVerfGE 76, 143; BVerwG, Urteil vom 17.05.1983 - 9 C 874.82 -, BVerwGE 67, 195; BVerwG, Urteil vom 26.06.1984 - 9 C 185.83 -, BVerwGE 69, 320). Eine Verfolgung ist dann politisch, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylrelevante Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck und nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/96 u. a. -, BVerfGE 80, 315). Werden nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind allerdings nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bevölkerung des Herkunftsstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen hat (BVerfG, Beschlüsse vom 02.07.1980 und vom 01.07.1987, a. a. O., BVerwG, Urteil vom 18.02.1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE 74, 31). Soweit der Asylbewerber in dem Herkunftsstaat noch keinen asylrechtlich relevanten Repressionen ausgesetzt war, die ihn zur Flucht veranlassten, hat er nur dann einen Asylanspruch, wenn ihm nach Rückkehr in seinen Herkunftsstaat aufgrund eines asylrechtlich erheblichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Beschluss vom 26.11.1996 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 = EZAR 200 Nr. 18 = NVwZ 1987, 311; BVerwG, Urteil vom 20.11.1990 - 9 C 74.90 -, BVerwGE 87, 152 = NVwZ 1991, 382 = EZAR 201 Nr. 22). Insoweit ist eine Prognose darüber anzustellen, ob dem Betroffenen bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG, Urteil vom 03.12.1985 - 9 C 22.85 -, NVwZ 1986, 760 m. w. N.). Beachtlich ist die Wahrscheinlichkeit dann, wenn bei zusammenfassender Bewertung des Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993 - 9 C 45.92 -, DVBl. 1994, 524). Für diejenigen Asylbewerber, die schon in ihrem Herkunftsstaat politisch verfolgt wurden, gilt ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. In diesem Fall kann dem Asylbewerber eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (BVerfG, Beschluss vom 02.07.1980, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 25.09.1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 = EZAR 200 Nr. 12 m. w. N.). Nach diesem Maßstab wird nicht verlangt, dass die Gefahr erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist - über die theoretische Möglichkeit, Opfer eines Übergriffs zu werden, hinaus - erforderlich, dass objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus "reale" Möglichkeit erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 08.09.1992 - 9 C 62.91 -, NVwZ 1993, 191).

Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, von sich aus umfassend die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse substantiiert und in sich schlüssig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen, so dass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urteile vom 08.05.1984 - 9 C 141.83 -, NVwZ 1985, 36 = EZAR 630 Nr. 13, vom 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, EZAR 630 Nr. 23 = InfAuslR 1986, 79 und vom 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25), und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen festzustellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22.03.1983 - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG und vom 18.10.1983 - 9 C 473.82 -, EZAR 630 Nr. 8). Hinsichtlich der allgemeinen politischen Verhältnisse im Herkunftsstaat reicht es für die Mitwirkungspflicht aus, wenn der Asylbewerber Tatsachen vorträgt, aus denen sich - ihre Wahrheit unterstellt - die nicht entfernt liegende Möglichkeit ergibt, dass ihm bei Rückkehr politische Verfolgung droht (BVerwG, Urteil vom 23.11.1982 - 9 C 74.81 -, BVerwGE 66, 237 = EZAR 630 Nr. 1).

Da der Anspruch auf Asyl ein Individualgrundrecht und der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG ebenfalls personenbezogen ist, setzt beides eine eigene Verfolgungsbetroffenheit voraus. Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich aber auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn Dritte wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das der Asylbewerber mit ihnen teilt. Zudem muss er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befinden und deshalb seine bisherige Verschonung als eher zufällig anzusehen sein (BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200). Zu einer in diesem Sinne verfolgungsbetroffenen Gruppe gehören alle Personen, die der Verfolger für seine Verfolgungsmaßnahmen in den Blick nimmt. Dies können entweder sämtliche Träger eines zur Verfolgung Anlass gebenden Merkmals - etwa einer bestimmten Ethnie oder Religion - sein oder nur diejenigen von ihnen, die zusätzlich (mindestens) ein weiteres Kriterium erfüllen, beispielsweise in einem bestimmten Gebiet leben oder ein bestimmtes Lebensalter aufweisen. In diesen Fällen handelt es sich um eine örtlich, sachlich oder persönlich begrenzte Gruppenverfolgung (BVerwG, Urteile vom 20.06.1995 - 9 C 294.94 -, NVwZ-RR 1996, 57, vom 30.04.1996 - 9 C 171.95 -, BVerwGE 101, 134 und vom 09.09.1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204 = DVBl. 1998, 274). Bei einer regionalen Verfolgung verfolgt ein "mehrgesichtiger" Staat aus Gründen der politischen Opportunität Personen einer bestimmten Gruppe nicht landesweit, sondern z. B. nur in einem akut umkämpften Bürgerkriegsgebiet. Dabei bleibt aber ein mitbetroffenes Gruppenmitglied, das in einer anderen Region lebt, potentiell gefährdet, da die regional begrenzte Verfolgung jederzeit in eine landesweite umschlagen kann. Soweit eine regionale Gefahr als objektiver Nachfluchtgrund auftritt, ist zu prüfen, ob dem Asylbewerber eine Rückkehr in den anderen Landesteil zumutbar ist. Dort muss eine Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein (BVerwG, Urteil vom 30.04.1996 - 9 C 171.95 -, a. a. O.). Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt eine Verfolgungsdichte voraus, die in quantitativer Hinsicht die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen aufweist, dass ohne weiteres von einer aktuellen Gefahr jedes Gruppenmitglieds gesprochen werden kann (BVerfG, Beschluss vom 02.07.1980, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 05.07.1994, a. a. O.). Die notwendige Verfolgungsdichte liegt immer dann vor, wenn die Übergriffe im Verfolgungszeitraum und -gebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und in quantitativer und qualitativer Hinsicht so um sich greifen, dass für jedes Gruppenmitglied nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, Urteile vom 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139 und vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200). Eine unmittelbare staatliche Gruppenverfolgung kann schon dann angenommen werden, wenn alternativ zur " Verfolgungsdichte" hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm bestehen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht. Ein solches "Verfolgungsprogramm" kann etwa dann vorliegen, wenn festgestellt werden kann, dass der Heimatstaat ethnische oder religiöse Minderheiten physisch vernichten, ausrotten oder aus seinem Staatsgebiet vertreiben will (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.08.1996 - 9 C 172.95 -, BVerwGE 101, 328 = NVwZ 1997, 194).

Die Verfolgung muss von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgehen, der der Verletzte unterworfen ist. Verfolgungshandlungen Dritter sind dem Herkunftsstaat nur zuzurechnen, wenn er Einzelne oder Gruppen zu Verfolgungsmaßnahmen anregt oder derartige Handlungen unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit den Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt (BVerfG, Beschlüsse vom 02.07.1980 und vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 06.03.1990 - 9 C 14.89 -, BVerwGE 85, 12 und vom 23.07.1991 - 9 C 154.90 -, BVerwGE 88, 369). Eine derartige mittelbare Verfolgung ist dem Staat aber dann nicht zuzurechnen, wenn er gegen solche Übergriffe im Großen und Ganzen erfolgreich vorgeht, selbst wenn ihm eine lückenlose Verhinderung und Ahndung aller in seinem Machtbereich auftretenden Vorfälle misslingt und die Betroffenen vor Diskriminierung und Straftaten auch künftig nicht völlig sicher sein können (BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u. a. -, BVerfGE 83, 216). Bei vereinzelten Exzessstaaten von Amtswaltern ist festzustellen, ob diese dem Staat ausnahmsweise zurechenbar sind, z. B. weil die Regierung gegen diese weder disziplinarisch noch strafrechtlich vorgeht (BVerfG, Beschlüsse vom 10.07.1989,a. a. O. und vom 11.05.1993 - 2 BvR 1989/92 u. a. -, InfAuslR 1993, 310).

Die staatliche Herrschaftssicherung im Rahmen eines Bürgerkriegs stellt nicht schon für sich allein politische Verfolgung dar. Voraussetzung für eine von dem Staat ausgehende oder ihm zurechenbare Verfolgung ist die effektive Gebietsgewalt des Staates im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit. Daran kann es sowohl beim offenen Bürgerkrieg als auch beim Guerilla-Bürgerkrieg fehlen. Dies ist dann der Fall, wenn der Staat in dem umkämpften Gebiet faktisch nur noch die Rolle einer militärisch kämpfenden Bürgerkriegspartei einnimmt und als übergreifende effektive Ordnungsmacht nicht mehr besteht. Maßnahmen, die typisch militärisches Gepräge aufweisen, also nicht von Justiz oder Polizei außerhalb der Bürgerkriegsgebiete oder unabhängig von den Kampfhandlungen ergehen, sondern der Bekämpfung des Bürgerkriegsgegners zur Rückeroberung des Gebietes dienen, sind in der Regel keine politische Verfolgung (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 20.11.1990 - 9 C 75.90 -, Buchholz 402.25, AsylVfG § 1 Nr. 138 und Beschluss vom 10.06.1992 - 9 B 176.91 -). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die staatlichen Kräfte den Kampf in einer Weise führen, die auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisten wollen oder können oder als Zivilisten an dem militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind. Ein systematisch als Mittel der Kriegsführung eingesetzter Gegenterror der staatlichen Sicherheitskräfte kann auch bei Fehlen einer effektiven Gebietsgewalt politische Verfolgung sein (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, a. a. O.; BVerwG, Beschluss vom 10.06.1992 - 9 B 176.91 -).

Ergibt die rückschauende Betrachtung eine lediglich regionale Verfolgungsgefahr am letzten Wohn- und Aufenthaltsort des Asylbewerbers vor seiner Ausreise aus dem Heimatstaat, der nicht identisch mit dem Ort zu sein braucht, aus dem er stammt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.02.1993 - 9 C 31.42 -, EZAR 203 Nr. 7), so bedarf es der weiteren Feststellung, dass der Asylbewerber dadurch landesweit in einer ausweglosen Lage war. Dies ist der Fall, wenn er in den anderen Landesteilen vor politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher war oder mit dem Ausweichen dorthin aus anderen als asylerheblichen Gründen in eine ausweglose Lage zu geraten drohte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 30.04.1996, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 188).

II.

Nach diesen Grundsätzen haben die Kläger aufgrund ihrer Angaben vor dem Bundesamt und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte. Diese Bewertung beruht zunächst auf einer Betrachtung der innenpolitischen Entwicklung und aktuellen Lage in Sri Lanka (1.). Es kann nicht festgestellt werden, dass die Kläger vor ihrer Ausreise individuell politisch verfolgt waren oder dass ihnen seinerzeit unmittelbar eine solche Verfolgung drohte (2.). Es kann dahingestellt bleiben, ob den Klägern vor ihrer Ausreise im Jahre 1994 im Norden Sri Lankas eine gruppengerichtete politische Verfolgung allein wegen ihrer tamilischen Volkszugehörigkeit drohte. Jedenfalls stand ihnen bei ihrer Ausreise im Süden und Westen ihres Herkunftsstaats, insbesondere im Großraum Colombo, eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung (3.). Den unverfolgt ausgereisten Klägern droht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch bei der Rückkehr nach Sri Lanka heute und in naher Zukunft in keinem Landesteil eine staatliche oder dem Staat zurechenbare gruppengerichtete Verfolgung allein wegen ihrer tamilischen Volkszugehörigkeit (4.). Auch aus individuellen Gründen droht den Klägern bei der Rückkehr keine politische Verfolgung (5.).

1. Zur historischen Entwicklung des Staates Sri Lanka bis Anfang des Jahres 2000 und des Konflikts zwischen den Volksgruppen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit bis hin zu der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen der Zentralregierung und der seit den 70-er Jahren im Norden Sri Lanka operierenden radikalen und militanten Tamilenorganisation "Liberation Tigers of Tamil Eelam" - LTTE - (Befreiungstiger von Tamil Eelam) verweist der Senat auf sein Grundsatzurteil vom 3. Mai 2000 - 5 UE 4657/96.A - (Bl. 14 ff. des amtlichen Abdrucks). Auf dieses und die darin enthaltenen Quellen sind die Beteiligten mit der Liste der Erkenntnisquellen hingewiesen worden, die Grundlage der Entscheidung sind.

Bezüglich der weiteren Entwicklung der allgemeinen politischen Lage ist zu erwähnen, dass ungeachtet der Vermittlungsinitiative der norwegischen Regierung der Bürgerkrieg im Norden Sri Lankas mit Offensiven der LTTE fortgesetzt wurde. So wurden im März 2000 bei einem Angriff tamilischer Rebellen auf eine Hauptverkehrsstraße im Norden Sri Lankas und auf Stellungen der Armee mindestens 59 Menschen getötet (FR, 29.03.2000). Im April 2000 mussten die Regierungstruppen die wichtigen Stellungen am Elephant Pass, der wichtigsten Zufahrtsstraße zur Halbinsel-Jaffna, räumen. Nach Presseberichten sollen dabei 79 Soldaten getötet und 625 verwundet worden sein. Seither erstreckt sich das von der LTTE beherrschte Gebiet auf die Region nördlich Vavuniyas bis oberhalb des nördlich von Kilinochchi gelegenen Elephant Pass. Darüber hinaus stehen einzelne Gebiete im Osten des Landes unter LTTE-Kontrolle (AA, 24.10.2001). Die militärischen Operationen führten zur Vertreibung von Zehntausenden von Menschen. Am 24. Dezember 2000 rief die LTTE einen einseitigen Waffenstillstand aus und sagte eine Aussetzung der Anschläge in Colombo zu. Nach Aufkündigung des Waffenstillstandes kam es vom 25. bis 28. April 2001 auf der Jaffna-Halbinsel zu einer militärischen Offensive der Regierungstruppen, die in deren Niederlage endete. Nach dieser Niederlage und weiteren Selbstmordattentaten in Colombo reagierte die Regierung, in dem sie am 3. Mai 2000 das Land durch eine Reihe von Maßnahmen in Kriegsbereitschaft ("War Footing") versetzte. Im Rahmen der damit verbundenen Neufassung der Notstandsregularien ("Emergency Regulations") wurden unter Bezugnahme auf den bestehenden Ausnahmezustand und die daraus abgeleiteten Vorschriften über die öffentliche Sicherheit und Ordnung erweiterte Sicherheitsbestimmungen in Kraft gesetzt, die der Regierung weitreichende Eingriffe in persönliches Eigentum erlaubten und ihr ermöglichten, jede Person für Aufgaben der nationalen Sicherheit oder Versorgung zwangsweise zu verpflichten. Auch die Pressefreiheit wurde eingeschränkt. Die Pressezensur wurde inzwischen wieder aufgehoben (AA, 24.10.2001). Die verschlechterte Sicherheitslage fand ihre Reaktion in verschärften Kontrollen, die sich hauptsächlich gegen junge Tamilen in wehrfähigem Alter richteten. Dabei kam es zu - meist kurzfristigen - Verhaftungen zur Identitätsklärung (AA, 11.07.2000 und 01.08.2000).

Die Parlamentswahlen von Anfang Oktober 2000 brachten zunächst keine Veränderung der Regierungsverhältnisse. Die bis dahin regierende People's Alliance - PA - der Präsidentin Kumaratunga errang 107 Sitze im Parlament und verfehlte damit die für eine Alleinregierung erforderliche Mehrheit von 113 Sitzen. Mit der Unterstützung zweier kleinerer Tamilen- und Moslemparteien erreichte sie aber eine ausreichende Parlamentsmehrheit. Die oppositionelle UNP kam auf 89 Sitze. Als Ministerpräsident wurde Ratnasiri Wickramanayake vereidigt (FR 14.10.2000).

Nach dem Verlust der Parlamentsmehrheit durch den Austritt der größten Moslempartei aus der Regierungskoalition löste Präsidentin Kumaratunga am 11. Juli 2001 das Parlament für 60 Tage auf, um einem drohenden Misstrauensvotum zuvorzukommen. Das Parlament tagte seit dem 6. September 2001 wieder (AA, 24.10.2001, S. 9). Bedingt durch den Verlust der Mehrheit im Parlament konnte die Geltungsdauer des Notstandsrechts im Juli 2001 nicht verlängert werden, so dass es am 4. Juli 2001 außer Kraft trat. Daraufhin wurden auf Grund des Art. 27 Prevention of Terrorism Act - PTA - Verordnungen erlassen, welche unter anderem alle Verwaltungsbezirke des Landes zu Sicherheitszonen, Colombo zur Hochsicherheitszone erklären und die LTTE verbieten (AA, 24.10.2001, S. 10).

Der LTTE gelang am 24. Juli 2001 ein schwerer Angriff gegen den militärischen und den zivilen Teil des Flughafens von Colombo. Dabei wurden 8 Militärmaschinen und 4 zivile Flugzeuge der Srilankan Airlines komplett zerstört (AA, 24.10.2001, S. 6). Durch den Anschlag wurde auch die Wirtschaft des Landes, insbesondere die Exportindustrie, hart getroffen (NZZ, 27.08.2001). Nach dem Anschlag wurden 115 Personen kurzfristig festgenommen, von denen bis März 2002 70 frei gelassen wurden. Gegen vier wurde Anklage erhoben, sechs Personen sind noch in Untersuchungshaft (AA, 06.09.2002).

Präsidentin Kumaratunga löste im Oktober 2001 das Parlament auf. Sie kam damit einem Misstrauensvotum in der 225 Abgeordnete zählenden Kammer zuvor (NZZ, 12.10.2001). Bei der Wahl am 5. Dezember 2001 errang das Oppositionsbündnis um die "United National Party" - UNP - einen klaren Sieg und gewann 129 der 225 Parlamentssitze. Die Regierungskoalition unter Führung der "People's Alliance" - PA - von Präsidentin Kumaratunga errang lediglich 96 Mandate. Am 9. Dezember 2001 wurde Ranil Wickremasinghe als Ministerpräsident vereidigt. Wickremasinghe hatte im Wahlkampf angekündigt, er werde Friedensgespräche mit den tamilischen Rebellen aufnehmen (TAZ, 10.12.2001). Am 24. Dezember 2001 trat ein einmonatiger Waffenstillstand zwischen der Regierung und der LTTE in Kraft. Unmittelbar vor Beginn des Waffenstillstands ließ die Regierung Militärkontrollpunkte und Straßensperren abbauen (FR, 27.12.2001). Am 1. Januar 2002 begann eine Amnestie für alle Bürger, die illegal Waffen besaßen. Innerhalb von 15 Tagen konnten die Waffen gegen die Zusicherung von Straffreiheit abgegeben werden. Mit dieser Maßnahme beabsichtigte die Regierung, die Gewalt in Sri Lanka einzudämmen (FR, 02.01.2002). Am 21. Januar 2002 verlängerte die Regierung den Waffenstillstand um einen Monat (TAZ, 22.01.2002).

Seit Februar 2002 ging das zwischen der Regierung und der LTTE vereinbarte Waffenstillstandsabkommen in ein von Norwegen vermitteltes und von den USA, der EU und Indien unterstütztes "Memorandum of Understanding" über. Dieses Abkommen, das seit Ende März von 23 skandinavischen Beobachtern überwacht wird, hat weitgehende Reiseerleichterungen vor allem für die tamilische Zivilbevölkerung gebracht. Die Wirtschaftsblockade der Regierung über weite Teile der von der LTTE kontrollierten Landesteile im Norden der Insel wurde fast vollständig aufgehoben. Selbst die seit über zehn Jahren geschlossene Landverbindung zwischen den südlichen Landesteilen und der Halbinsel Jaffna wurde in einer gemeinsamen Aktion von LTTE und Armee von Minen geräumt und am 15. Februar 2002 bis Kilinochchi wieder geöffnet (AA, 06.09.2002). Seit Anfang April ist es der LTTE sogar erlaubt, Büros in den bisher von Regierungstruppen kontrollierten Nordostgebieten zu eröffnen, um dort ihrer politischen Arbeit nachgehen zu können. Seit dem Beginn des Waffenstillstandes wurden die bis dahin bestehenden hohen Sicherheitsvorkehrungen, wie Check-Points und die Personenkontrollen, kontinuierlich abgebaut. Auch wurden sämtliche zuzugs- und aufenthaltsbeschränkenden Regelungen für Colombo abgeschafft. Eine polizeiliche Meldung bei Niederlassung im Großraum Colombo ist nach Auskunft der Deutschen Botschaft in Colombo an das Bundesamt vom 3. September 2002 nicht mehr notwendig. Auch die Zahl der Kontrollen und Festnahmen ist seit Inkrafttreten des Waffenstillstands zurückgegangen (AA, 06.09.2002). Im September begannen in Thailand die Friedensgespräche zwischen der LTTE und der Regierung. Vor Beginn der Friedensgespräche wurde das Verbot der LTTE aufgehoben. Bei den in Bangkok stattgefundenen ersten Friedensgesprächen hat die srilankische Regierung den Tamilen eine weitergehende Autonomie angeboten und die LTTE ihre Forderung nach einem eigenen Staat den Presseberichten zufolge aufgegeben (FR, 05.09. 2002; FAZ, 19. 09.2002).

Im Oktober 2002 kam es im srilankischen Osten bzw. Nordosten zu zwei Zwischenfällen. In der Stadt Amparai kam es zu Demonstrationen, bei denen seitens der Sicherheitskräfte auch Tamilen erschossen wurden (FR, 11.11.2002). Dies führte in der Nähe von Trincomalee am Folgetag zu weiteren Gewaltausbrüchen, bei denen im Zusammenhang mit einer Granatenexplosion und erneuten Schüssen der srilankischen Polizei weitere drei Personen getötet und über 30 verletzt wurden (FAZ, 12.10.2002). Ende Oktober 2002 verurteilte das oberste Gericht Sri Lankas den Führer der LTTE, Velupillai Prabhakaran, zu 200 Jahren Haft wegen der Planung des Bombenanschlags auf die Zentralbank in Colombo im Jahre 1996 (FR, 01.11.2002).

Am 1. November 2002 einigten sich Vertreter der srilankischen Regierung und der LTTE auf die Einrichtung einer gemeinsamen Kommission. Sie soll ausländische Hilfsgelder für einen Wiederaufbau von Gebieten verwalten, die im 1983 während des Bürgerkriegs zerstört wurden (TAZ, 02.11.2002). Am 3. November 2002 ging die zweite Runde der Friedensgespräche mit einem Durchbruch zu Ende. Dabei gab die LTTE ihre Forderung nach einer Übergangsregierung in dem von ihnen kontrollierten Norden und Osten auf. Außerdem kündigte der Unterhändler der LTTE, Anton Balasingham, an, andere Parteien in den von ihr kontrollierten Gebieten zuzulassen (FR, 04.11.2002).

2. Ausgehend von dieser politischen Entwicklung in Sri Lanka und den Bekundungen der Klägerin zu 1. kann nicht festgestellt werden, dass die Kläger zum Zeitpunkt ihrer Ausreise aus Sri Lanka im Jahre 1994 individuell politisch verfolgt waren oder dass ihnen seinerzeit unmittelbar eine solche Verfolgung drohte. Sowohl bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin zu 1. im Wesentlichen typischen Ereignisse des Bürgerkriegs in Sri Lanka geschildert. Staatlichen Maßnahmen der Sicherheitsorgane oder der srilankischen Armee war sie nach ihren eigenen Ausführungen lediglich 1992 ausgesetzt. Damals wurde sie im Stadtteil Maratuva in Colombo festgenommen und in der Polizeistation Kalkisa zwei Tage lang festgehalten. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser kurzfristigen Inhaftierung überhaupt eine asylrelevante Eingriffsintensität zukam. Jedenfalls würde es an dem notwendigen kausalen Zusammenhang zwischen der Verfolgungsmaßnahme und der Flucht fehlen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asylgrundrecht setzt von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl voraus. Die Ausreise muss sich bei objektiver Betrachtung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als eine unter dem Druck erlittener Verfolgung stattfindende Flucht darstellen. In dieser Hinsicht kommt der zwischen Verfolgung und Ausreise verstrichenen Zeit entscheidende Bedeutung zu. Je länger der Ausländer nach erlittener Verfolgung im Heimatstaat verbleibt, umso mehr verbraucht sich der objektive äußere Zusammenhang zwischen Verfolgung und Ausreise. Ein Ausländer ist daher grundsätzlich nur dann als verfolgt ausgereist anzusehen, wenn er seinen Heimatstaat in nahem zeitlichen Zusammenhang mit der erlittenen Verfolgung verlässt. Dieser zeitliche Zusammenhang war hier im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger im Jahr 1994 ersichtlich nicht mehr gegeben. Die Klägerin zu 1. hat zudem zugeben, dass sie sich 1994 nach Colombo begeben habe, um den in ihrem Heimatort Mallakam bestehenden ständigen Schwierigkeiten durch die Auseinandersetzungen zwischen der srilankischen Armee und der LTTE zu entgehen. An der erforderlichen Kausalität fehlt es erst recht hinsichtlich der behaupteten Festnahme der Klägerin zu 1. im Jahr 1983. Dass die Klägerin zu 1. nicht in das Visier der Sicherheitsbehörden geraten ist, zeigt auch die Tatsache, dass ihr 1994 ohne Probleme von den zuständigen Behörden ein Reisepass ausgestellt wurde. Bei einem konkreten Verdacht der Unterstützung der LTTE wäre es ihr auch kaum gelungen, die Sicherheitskontrollen auf dem Flughafen Colombo mit ihrem eigenen Reisepass zu passieren. Es ist deshalb offensichtlich, dass die Klägerin zu 1. Sri Lanka verlassen hat, um mit ihrem bereits seit 1988 in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ehemann zusammen zu leben.

3. Es kann dahingestellt bleiben, ob den Klägern zum Zeitpunkt ihrer Ausreise im Jahre 1994 im Norden Sri Lankas eine gruppengerichtete politische Verfolgung allein wegen ihrer tamilischen Volkszugehörigkeit etwa durch Übergriffe der srilankischen Regierungstruppen im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die LTTE drohte (hierzu bejahend bis 1995 der 12. Senat des Hess. VGH in ständiger Rechtsprechung, siehe Urteil vom 11.12.1995 - 12 UE 2151/95 -; bejahend für das Jahr 1991 auch der 10. Senat, Urteil vom 10.12.1996 - 10 UE 2117/95 -; siehe auch OVG Niedersachsen, Urteil vom 01.03.1994 - 12 L 7098/91 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06.11.1992 - 21 A 13040/91.A -). Jedenfalls stand einem srilankischen Staatsangehörigen tamilischer Volkszugehörigkeit vor seiner Ausreise im Großraum Colombo eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung (vgl. Urteil des Senats vom 03.05.2000, a.a.O., S. 35 ff; eine Fluchtalternative bei Ausreise Anfang der neunziger Jahre bejahend auch 10. Senat des Hess. VGH, so u. a. Urteile vom 11.06.1996 - 10 UE 1919/95 und 10 UE 3183/95 -, vom 01.11.1996 - 10 UE 1988/95 - sowie vom 10.11.1998 - 10 UE 3035/95). Ein srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit hatte dort grundsätzlich die Möglichkeit, wenn auch unter bescheidenen Verhältnissen, verfolgungsfrei zu leben. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf sein in das Verfahren eingeführte Urteil vom 3. Mai 2000 - 5 UE 4657/96.A - sowie auf die darin angeführten Erkenntnisse, die auch in das vorliegende Verfahren eingeführt wurden, Bezug.

Die Kläger sind demnach unverfolgt ausgereist, da ihnen jedenfalls im Großraum Colombo zum Zeitpunkt ihrer Ausreise eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stand.

4. Die unverfolgt ausgereisten Kläger können ihre Asylanerkennung auch nicht aufgrund eines im Sinne von § 28 AsylVfG beachtlichen Nachfluchtgrundes verlangen. Ein Nachfluchtgrund setzt voraus, dass dem Asylbewerber aufgrund von Umständen, die nach seiner Ausreise aus seinem Heimatland eingetreten sind, für den Fall seiner Rückkehr dort gegenwärtig und in absehbarer Zeit politische Verfolgung droht. Bei einem unverfolgt ausgereisten Asylbewerber ist eine Prognose darüber anzustellen, ob politische Verfolgung bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Urteil vom 31.03.1981 - 9 C 286.80 -, EZAR 200 Nr. 3). Der Senat ist auf der Grundlage der in dieses Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen der Überzeugung, dass tamilischen Volkszugehörigen heute und in naher Zukunft in keinem Landesteil Sri Lankas mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine staatliche oder dem Staat zurechenbare asylerhebliche Verfolgung allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit (Gruppenverfolgung) droht (Urteil vom 03.05.2000, a.a.O., S. 38. ff.; so auch u. a. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.12.2000 - 21 H 3962/96.A -; OVG Berlin, Urteil vom 06.10.2000 - 3 B 56.95 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.02.2001 - A 6 S 1888/00 - ; OVG Thüringen, Urteil vom 17.12.1998 - 3 KO 869/96 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.07.1998 - 11 A 10473.98 OVG -; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 05.04.2001 - 1 L 79/00 -; OVG Bremen, Urteil vom 14.06.2002 - 2 A 42/01.A -).

Der Senat hat sich in seinem Urteil vom 3. Mai 2000 unter Berücksichtigung der bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnisquellen ausführlich damit auseinander gesetzt, dass tamilischen Volkszugehörigen heute und in naher Zukunft in keinem Landesteil Sri Lankas mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gruppengerichtete politische Verfolgung droht. Sämtliche der in dieser Grundsatzentscheidung zur Frage der Gruppenverfolgung verwerteten Erkenntnisquellen sind auch in das vorliegende Verfahren eingeführt worden. Erkenntnisse die Anlass geben könnten, diese Einschätzung im Hinblick auf den vorliegenden Fall im Ergebnis neu zu überdenken, liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor. Die Erkenntnisquellen, die nach Verkündung des Grundsatzurteils vom 3. Mai 2000 zugänglich geworden und in dieses Verfahren eingeführt worden sind, veranlassen den Senat allerdings zu folgenden Ergänzungen:

Die LTTE kontrolliert die Distrikte Mullaitivu, Kilinochchi und weite Teile Vavuniyas und Mannars ("Vanni-Region") sowie kleine Gebiete im Südosten der Jaffna-Halbinsel. Nach erheblichen Geländegewinnen im November 1999 und im April 2000 (Eroberung des Elephant-Passes, der wichtigsten Zufahrt zur Jaffna-Halbinsel) erstreckt sich das von der LTTE beherrschte Gebiet auf die Region nördlich Vavuniyas bis oberhalb des nördlich von Kilinochchi gelegenen Elephant-Passes. Darüber hinaus stehen einzelne Gebiete im Osten des Landes unter LTTE-Kontrolle (AA, 06.09.2002).

Im Rahmen der Neufassung der "Emergency Regulations" wurden unter Bezugnahme auf die am 03. Mai 2000 verhängte Kriegsbereitschaft ("War Footing") und die daraus abgeleiteten Vorschriften über die öffentliche Sicherheit und Ordnung erweiterte Sicherheitsbestimmungen in Kraft gesetzt, die der Regierung weitreichende Eingriffe in Bürgerrechte erlaubten( AA, 06.09.2002). So konnte u.a. jegliches Gerät, Häuser und Grundbesitz beschlagnahmt sowie Personen zu Dienstleistungen herangezogen werden. Zudem schränkten die Bestimmungen vom 3. Mai 2000 die Versammlungs- und Pressefreiheit ein (AA, 01.08.2000). Das Versammlungs- und Demonstrationsverbot wurde am 3. Juni 2000 wieder aufgehoben (AA, 01.08.2000). Mit einem erweiterten Maßnahmekatalog, der weitgehend in ähnlicher Form bereits in der Zeit vor der Regierungsübernahme von Präsidentin Kumaratunga im Jahre 1994 bestanden hatte, wurden auch die Möglichkeiten der Polizei und Armee zur Verhaftung und Sistierung von terroristischen Aktivitäten verdächtiger Personen ohne Einschaltung eines Untersuchungsrichters erweitert. Danach konnten die Sicherheitskräfte Personen bis zu maximal 90 Tage festhalten. Zum anderen konnte die Polizei Verdächtige mit terroristischem Hintergrund nach dem "Prevention of Terrorism Act" bis zu 72 Stunden festhalten. Danach müssen sie grundsätzlich dem zuständigen Magistrate vorgeführt werden, es sei denn, der Verteidigungsminister erlässt eine "Detention Order" für maximal drei Monate, die in weiteren 3-Monats-Abständen auf bis zu 18 Monaten verlängerbar ist. Darüber hinaus ist ein Festhalten nur mit richterlicher Genehmigung zulässig (AA, 06.09.2002).

In der Praxis sind die seit dem 3. Mai 2000 vorgesehenen Möglichkeiten für die Verhaftungs- und Sistierungspraxis der Sicherheitsorgane im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (AA, 06.09.2002) jedoch weitestgehend ohne Auswirkungen geblieben.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist weiterhin neben dem NHRC befugt, alle gemäß Notstands/Anti-Terror-Recht festgehaltenen Verdächtigen bzw. Verurteilten zu besuchen und zu registrieren, sowie die Haftbedingungen zu dokumentieren. Internationalen Menschenrechtsorganisationen ist es eingeschränkt durch praktische und sicherheitsrelevante Gegebenheiten in den unmittelbaren Konfliktgebieten, grundsätzlich möglich, die Menschenrechtssituation zu beobachten (AA, 06.09.2002).

Das Hauptinteresse der Regierung bestand in den letzten Jahren in der Verhinderung weiterer mit den Aktivitäten der LTTE verbundenen Straftaten. Dabei bestand die Absicht bestanden, einerseits die LTTE konsequent zu bekämpfen und zu isolieren, andererseits Kader, die sich von der LTTE gelöst haben, in die Gesellschaft wieder einzugliedern. Um die Wiedereingliederung zu fördern, wurden bereits am 29. August 1996 Ausnahmebestimmungen erlassen, wonach LTTE-Angehörige, die sich eines Verstoßes gegen die Notstands- oder Anti-Terror-Gesetze schuldig gemacht haben und freiwillig von den Sicherheitskräften in so genannte Rehabilitationszentren ("Protective Accomodation and Rehabilitation Centres") eingewiesen werden können. In den Zentren werden die Betroffenen in einer ersten Phase bis zu 12 Monaten lang im halboffenen Vollzug festgehalten, wobei ihnen eine berufliche, technische oder sonstige Ausbildung gegeben werden soll. Die Rehabilitationszeit kann vom Verteidigungsministerium um maximal weitere 12 Monate, darüber hinaus nur gerichtlich verlängert werden (AA, 06.09.2002).

Die Umsetzung dieses vielfach als wegweisend angesehenen Wiedereingliederungsprogrammes verlief über mehrere Jahre problemlos. Etwa 1700 Rehabilitanden absolvierten Reintegrationsmaßnahmen, ohne dass nennenswerte Zwischenfälle zu verzeichnen gewesen wären. Am 25. Oktober 2000 kam es jedoch im damals noch existierenden Rehabilitation Centre in Bindunuwewa zu einem Massaker an den Rehabilitanden. Das nur gering gesicherte Lager wurde von einer größeren Menschenmenge der umliegenden singhalesischen Dorfbevölkerung überrannt. Dabei wurden 28 Insassen mit Steinen, Knüppeln und Macheten getötet und 13 zum Teil schwer verletzt. Nur zwei der Insassen, die im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahmen zum Zeitpunkt des Angriffs in einer Bäckerei in einem nahegelegenen Ort ausgebildet wurden, entkamen unverletzt. Staatspräsidentin Kumaratunga hat unmittelbar nach dem Zwischenfall den Vorfall auf das Schärfste verurteilt und eine konsequente Aufklärung des Vorfalls angekündigt. Die Familien erhielten eine Entschädigung von jeweils 250.000 Rupien (ca. 3.700 Euro). Es wurde eine Sonderkommission zur Untersuchung des Vorfalls eingesetzt. Die staatliche Menschenrechtskommission, welche sich ebenfalls mit dem Vorfall befasst, erhob in ihrem Zwischenbericht von Anfang November 2000 den Vorwurf, dass es der anwesenden und ausreichend bewaffneten Polizei bei entschiedenem Eingreifen hätte möglich sein müssen, die Menge zu zerstreuen. Die Regierung sieht sich in diesem Zusammenhang dem Vorwurf mangelhafter Sicherung des Zentrums ausgesetzt. 60 Polizisten wurden zwischenzeitlich vom Dienst suspendiert und eine polizeiliche Sonderermittlungsgruppe zusammengestellt, die gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft ermittelt und der Sonderkommission zuarbeitet. Es wurden mehrere hundert Zeugen vernommen, eine Reihe von Verdächtigen wurde verhaftet, mittlerweile aber auf Kaution freigelassen (AA, 06.09.2002).

Im Zusammenhang mit den Sicherheitsmaßnahmen zur Verhinderung und Aufklärung von Bombenanschlägen der LTTE ist es im Jahr 2000 zu einer großen Zahl von meist kurzfristigen Festnahmen ganz überwiegend tamilischer Personen gekommen. In der Regel handelte es sich um Fälle, in denen sich von der Polizei oder Armee bei Personenkontrollen Überprüfte nicht hinreichend ausweisen konnten und zum Zwecke der Identitätsprüfung in Polizeigewahrsam genommen wurden. Die meisten der derart Festgenommenen wurden nach wenigen Tagen wieder freigelassen. Infolge des einseitigen Waffenstillstandes der LTTE und entsprechender Zurückhaltung auch in Colombo kam es im ersten Halbjahr 2001 zu weniger Razzien, Überprüfungen und Kurzzeitfestnahmen. Auch in der Folge des Anschlages auf den Flughafen am 24. Juli 2001 kam es zu einer weit geringeren Zahl von Festnahmen als bei vergleichbar schweren früheren Anschlägen auf Einrichtungen bzw. Personen in Colombo. Über 100 Personen wurden kurzzeitig festgenommen, etwa 25 davon gemäß dem PTA mittels "Detention Order" festgehalten und 50 in richterlich angeordnete Untersuchungshaft genommen. Darunter befanden sich auch Militärangehörige, denen krasses dienstliches Fehlverhalten vorgeworfen wurde (AA, 06.09.2002).

Bedingt durch den Verlust der Mehrheit im Parlament konnte die Geltungsdauer der "Emergency Regulations" im Juli 2001 nicht verlängert werden, so dass sie am 4. Juli 2001 außer Kraft trat. Daraufhin wurden auf Grund des Art. 27 des PTA Verordnungen erlassen, welche unter anderem alle Verwaltungsbezirke des Landes zu Sicherheitszonen, Colombo zur Hochsicherheitszone erklären, die LTTE verbieten, jede Art von Unterstützung der LTTE mit 15 Jahren Gefängnis bedrohen und die Einziehung aller Guthaben der LTTE oder finanziellen Mittel, die zu ihrer Unterstützung dienen, ermöglichen. Trotz Außerkrafttretens der ER wurde auf diese Weise ein den ER ähnliches Regime etabliert. Unterschiede im Vergleich zum vorherigen Zustand bestehen insbesondere hinsichtlich der Befugnisse von Polizei und Armee bezüglich der Beschlagnahme von Privateigentum und des Heranziehens von Privatpersonen zu Dienstleistungen, die nach nunmehr geltendem Recht nicht mehr möglich sind. Verhaftungen sind nach der neuen Rechtslage weiterhin durch die Polizei möglich, die Betroffenen müssen innerhalb von 72 Stunden dem Haftrichter vorgeführt werden. Personen, die von der Armee verhaftet werden, müssen unverzüglich der Polizei übergeben werden. In der Praxis hat sich durch das Außerkrafttreten der ER nichts Wesentliches geändert, denn auch vorher wurden die "de jure" bestehenden weitergehenden Befugnisse nicht ausgeschöpft (AA, 06.09.2002).

Nach Auskunft der Deutschen Botschaft, Colombo (03.09.2002) wird auch der PTA unter dem derzeitigen Waffenstillstandsabkommen nicht angewandt. Am 23. Juli 2002 setzte die Präsidentin eine Kommission ein ("Truth Commission on Ethnic Violence"), welche die Ursachen und das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen in der Zeit von 1981 bis 1984 untersuchen soll. Die Kommission ist darüber hinaus befugt, die Verantwortlichen zu benennen und über mögliche Wiedergutmachung zu entscheiden (AA, 06.09.2002).

Seit der Wahl des bisherigen Oppositionsführers Ranil Wickremasinghe, der den Wählern versprochen hatte, Frieden herbeizuführen, ist es zu einer deutlichen Entspannung der innenpolitischen Lage gekommen. Auch nach Mitteilung des Sachverständigen Keller-Kirchhoff (17.04.2002) ist es seit den Neuwahlen in Bezug auf die LTTE zu einer "Kehrtwende" gekommen. Am 24. Dezember 2001 trat eine von der LTTE erklärte Waffenruhe in Kraft, der sich die Regierung anschloss. Im Januar 2002 lockerte die Regierung das vor sieben Jahren verhängte Wirtschaftsembargo, das die Einfuhr von Lebensmitteln und Medikamenten in Gebiete verbot, die von Rebellen kontrolliert werden. Das im Jahre 2001 zwischen der Regierung und der LTTE als Basis für weitere Verhandlungen vereinbarte Waffenstillstandsabkommen ist am 23. Februar 2002 in ein von Norwegen vermitteltes und von den USA, der EU und Indien unterstütztes "Memorandum of Understanding" übergegangen. Neben einem beidseitigen unbefristeten Waffenstillstand sieht es eine Reihe vertrauensbildender Maßnahmen vor. Das Abkommen, das seit Ende März 2001 von 23 skandinavischen Beobachtern überwacht wird, hat weitgehende Reiseerleichterungen für die Bevölkerung in den Gebieten unter Kontrolle der LTTE gebracht (AA, 06.09.2002). Die Wirtschaftsblockade der Regierung ist nunmehr für weite Teile der von der LTTE kontrollierten Landesteile im Norden Sri Lankas vollständig aufgehoben worden. Selbst die seit über zehn Jahren geschlossene Landverbindung zwischen den südlichen Landesteilen und der Halbinsel Jaffna ist seit Februar 2002 wieder geöffnet. Seit Anfang April 2002 ist es der LTTE sogar erlaubt, Büros auch in den bisher von Regierungstruppen kontrollierten Nordostgebieten zu eröffnen, um dort ihrer politischen Arbeit nachgehen zu können (Keller-Kirchhoff, April 2002). Seit April gestattet die LTTE der vertriebenen muslimischen Minderheit die Rückkehr in den Norden. LTTE-Führer Prabhakaran und der Vorsitzende der muslimischen Partei unterzeichneten ein Abkommen über die Rückkehr von hunderttausend Muslimen in den Norden Sri Lankas; 22.000 von ihnen lebten bislang in Flüchtlingslagern (FAZ, 15.04.2002). Seit Beginn des Waffenstillstands wurden Sicherheitsvorkehrungen, wie Check-Points und die umfangreichen Personenkontrollen, kontinuierlich abgebaut. Auch wurden sämtliche zuzugs- und aufenthaltsbeschränkenden Regelungen für Colombo abgeschafft. Eine polizeiliche Meldung bei Niederlassung im Großraum Colombo ist ebenfalls nicht mehr notwendig (Deutsche Botschaft Colombo an BAFl., 03.09.2002). Im September 2002 wurde sogar das LTTE-Verbot im Hinblick auf die am 16. September in Bangkok beginnenden Friedensverhandlungen aufgehoben (FAZ, 05.09.2002).

Bei der ersten Gesprächsrunde der Friedensgespräche am 18. September 2002 vereinbarten die srilankische Regierung und die LTTE unter anderem die Gründung einer Kommission, die sich um die Rückkehr von Flüchtlingen in die Kampfgebiete, um Minenräumung sowie um den Wiederaufbau der zerstörten Region kümmern soll (FAZ, 19.09.2002). Allerdings wurden die Friedensgespräche überschattet durch zwei Zwischenfälle im srilankischen Osten bzw. Nordosten Sri Lankas im Oktober 2002. In der Stadt Amparai kam es zu Demonstrationen, bei denen durch die Sicherheitskräfte acht Tamilen erschossen wurden (FR, 11.10.2002). Dieser Vorfall führte in der Nähe von Trincomalee am Folgetag zu weiteren Gewaltausbrüchen, bei denen im Zusammenhang mit einer Granatenexplosion und erneuten Schüssen der srilankischen Polizei weitere drei Personen getötet und 35 verletzt wurden (FAZ, 12.10.2002). Ungeachtet dieser Zwischenfälle ging die zweite Runde der Friedensgespräche am 3. November 2002 mit größeren Fortschritten zu Ende. Die tamilischen Rebellen ließen ihre Forderung nach einer Übergangsregierung in dem von ihnen kontrollierten Norden und Osten des Landes fallen. Außerdem kündigte der Chefunterhändler der LTTE, Anton Balasingham, an, dass die LTTE andere Parteien in den von ihn kontrollierten Gebieten zulassen wolle. Die LTTE räumte zudem ein, für ihre Gefechte gegen die Regierung Kindersoldaten eingesetzt zu haben. Sie haben aber damit begonnen habe, Kindersoldaten zu entlassen (FR, 04.11.2002). Neben der Einigung über einen Ausschuss, der zur Aufgabe hat, den wirtschaftlichen Wiederaufbau der vom Krieg zerstörten Gebiete und dabei vor allem die Verwendung der für diesen Zweck bestimmten ausländischen Hilfsgelder auf gerechte und transparente Weise durchzuführen, wurde die Einsetzung eines zweiten paritätisch zusammengesetzten Ausschusses vereinbart. Mit diesem Ausschuss, dem ein General der Regierungsstreitkräfte sowie einer der militärischen Führer der LTTE vorstehen wird, soll die militärische Entspannung der Lage weiter vorangetrieben und auf eine möglichst schnelle Demilitarisierung sowie Entminung der so genannten Sicherheitszonen hingearbeitet werden. Ziel ist es, so schnell wie möglich die Besiedlung durch rückkehrende Flüchtlinge zu ermöglichen. Für die offensichtlich gravierende Besserung der Atmosphäre zwischen den Konfliktparteien und eine tragfähige Friedenslösung spricht auch, dass trotz der erwähnten Zwischenfälle die Umsetzung zahlreicher vertrauensbildender Maßnahmen in Angriff genommen wurden. Zwar verurteilte <Oktober 2002> das oberste Gericht Sri Lankas den Führer der LTTE und vier weitere Angeklagte in Abwesenheit zu 200 Jahren Haft wegen Planung des verheerenden Bombenanschlags auf die Zentralbank in Colombo im Jahre 1996, bei dem 91 Menschen getötet worden waren (FR, 01.11.2002). Selbst die Verurteilung Prabhakarans führte aber nicht zu einer Verschlechterung der Verhandlungsatmosphäre zwischen der LTTE und der Regierung.

Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung kann erst recht nicht von einer Gruppenverfolgung von Tamilen in Sri Lanka gesprochen werden. Die kriegerischen Auseinandersetzungen im Norden und Osten haben aufgehört und ebenso die terroristischen Aktivitäten der LTTE im Süden und Westen, die ständig Anlass für Verhaftungsaktionen der Regierung waren. Dass sich die innenpolitische Lage grundlegend geändert hat, zeigt sich auch daran, dass der Sachverständige Keller-Kirchhoff für Rechtsanwälte und Richter nunmehr Reisen nach Sri Lanka, und zwar auch in die früheren Kampfgebiete des Nordens und Ostens, organisiert (Keller-Kirchhoff, April 2002).

Den Klägern droht bei ihrer Rückkehr nach Sri Lanka auch weiterhin im Süden und Westen, insbesondere im Großraum Colombo, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Wie der Senat bereits in seinem Grundsatzurteil vom 3. Mai 2000 dargelegt hat, sind zur Aufklärung und Verhinderung von LTTE-Anschlägen im Großraum Colombo regelmäßig erhebliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden. Dabei haben Identitätsprüfungen stattgefunden, denen eine Vielzahl von Personen unterlegen haben. Maßnahmen zur Identitätsfeststellung sind aber üblicher Bestandteil der präventiven und repressiven Tätigkeit staatlicher Sicherheitskräfte im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung. Verhältnismäßige Maßnahmen zur Terrorismusabwehr sind grundsätzlich keine politische Verfolgung. Soweit es in der Vergangenheit auch zu längerfristigen Inhaftierungen gekommen ist, handelt es sich um Fälle, in denen tatsächlich objektiv greifbare Anhaltspunkte für eine Unterstützung der LTTE in ihren terroristischen Aktivitäten ("aiding and abetting") vorgelegen haben. Aufgrund der ausgewerteten Erkenntnisquellen seit dem 3. Mai 2000 vermag der Senat nicht zu erkennen, dass Kontrollen und Festnahmen einzelner Personen die Schlechterstellung tamilischer Volkszugehöriger als solche dienten. Vielmehr dienten sie der Aufklärung der LTTE-Verbindungen und zur Verhinderung weiterer terroristischer Straftaten.

In der Praxis kam es im ersten Halbjahr 2001 bei Kontrollen und Festnahmen zur Personenüberprüfung ganz regelmäßig nicht zur Anwendung der Sondergesetze zur Terrorismusbekämpfung.

Auch im zweiten Halbjahr 2001 fanden weniger Kurzzeitfestnahmen statt als im Vorjahr. Dies dürfte auch auf das Auslaufen der ER im Juli 2001 zurückzuführen sein, da eine "Detention Order" des Verteidigungsministeriums in der Praxis schwer zu erhalten ist. Diese Tendenz setzte sich im Verlauf des Jahres 2002 fort (AA, 06.09.2002).

Nur in den zahlenmäßig weit weniger häufigen Fällen, in denen die Sicherheitsorgane konkrete Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung gehabt haben, haben die Betroffenen damit rechnen müssen, mittels einer "Detention Order" einer hohen Polizeidienststelle, in seltenen Fällen auch einer "Detention Order" des Verteidigungsministeriums festgehalten zu werden. Unter dem jetzt allein geltenden PTA besteht nur noch letztere Möglichkeit. Die Betroffenen werden dabei in aller Regel rasch einer der oben genannten Spezialeinheiten zur Terrorismusbekämpfung überstellt und dort zu Verhörzwecken in Polizeihaft gehalten. Fälle, in denen die Polizei einen hinreichenden Tatverdacht festgestellt haben, sind zur Anklageerhebung an die Generalstaatsanwaltschaft abgegeben worden (AA, 06.09.2002).

Die Verdächtigen werden in Haftanstalten eingewiesen, wo sie auf ihr Verfahren warten. Bestätigt sich dieser Verdacht nicht, wird der Betroffene frei gelassen. Das Auswärtige Amt weist darauf hin, dass im März 2002 laut IKRK insgesamt etwa 1000 nach den Sondergesetzen zur Terrorismusbekämpfung inhaftierte Personen registriert waren. Damit sei ein Rückgang von fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen (AA, 06.09.2002).

Den Klägern droht auch keine politische Verfolgung wegen der im Rahmen ihrer Einreise zu erwartenden Einreisekontrollen von Seiten der srilankischen Sicherheitsbehörden. Bei der Einreise am Flughafen Colombo werden alle Rückkehrer von der Einwanderungsbehörde nach Dauer und Zweck des Aufenthalts befragt und einer Identitätsprüfung ("identity check") unterzogen. Soweit ein Rückkehrer über einen gültigen Reisepass oder andere Identitätspapiere verfügt, nimmt die Überprüfung nur eine kurze Zeitspanne in Anspruch. Dies gilt im Grundsatz auch für abgeschobene Asylbewerber, wobei es bei begleiteten Rückkehrern, die den srilankischen Einreisebehörden überstellt wurden, in der Vergangenheit auch zu weiteren Befragungen gekommen ist. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Betreffende keinen Reisepass vorlegen kann, weil er etwa allein über ein so genanntes "Emergency Certifikate", das in der Regel allein nach den Angaben des Betroffenen ausgestellt wird, verfügt. In diesen Fällen werden die Rückkehrer sowohl von der srilankischen Einreisebehörde ("Immigration") als auch von der Kriminalpolizei ("Criminal Investigation Department" - CID -) am Flughafen zu Identität, persönlichem Hintergrund und Reiseziel befragt. Diese Praxis wurde Ende 2001 zunächst geändert, dann aber wieder eingeführt. Bei der Einreise mit einem "Emergency Certifikate" wurden Überprüfungen und Befragungen kurzzeitig nicht mehr durchgeführt. Auch die in der Vergangenheit übliche Vorführung vor den örtlich zuständigen Magistrate (Untersuchungsrichter) in Negombo erfolgt nicht mehr. Bei der Einreise wird lediglich von Seiten der Immigrationsbehörde ein Formular ausgefüllt, das dem Rückkehrer ausgehändigt wird. Seit Oktober 2000 werden die von den srilankischen Auslandsvertretungen ausgestellten Rückreisedokumente nicht mehr von der Immigration am Flughafen einbehalten, sondern den Rückkehrern belassen (AA, 06.09.2002).

Der Senat hat bereits in seinem Grundsatzurteil vom 3. Mai 2000 festgestellt, dass lediglich für Personen, bei denen sich bei der Einreise der Verdacht auf LTTE-Unterstützung oder -Mitgliedschaft verdichtet bzw. die auf den zum Datenabgleich geführten Fahndungslisten erfasst sind, die Gefahr einer längerfristigen Inhaftierung bestehen kann. Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes ist es verschiedentlich vorgekommen, dass aus dem Ausland zurückgekehrte Personen, die sich durch eine aktive Tätigkeit exponiert hatten, durch die Polizei- und Sicherheitsbehörden nach Vorführung vor den Untersuchungsrichter in Negombo für einige Tage festgehalten und befragt wurden (AA, 06.09.2002). Auch gebe es nach Aussagen aus srilankischen Anwaltskreisen nur sehr wenige Fälle, in denen es bei im Ausland begangenen Aktivitäten zur Unterstützung der LTTE überhaupt zur Anklage gekommen ist (AA, 06.09.2002). Da keine Anhaltspunkte für einen konkreten Verdacht der LTTE-Unterstützung oder -Mitgliedschaft bei der Klägerin zu 1. und erst recht nicht bei dem Kläger zu 2. erkennbar sind, kann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ihnen bei der Rückkehr eine politische Verfolgung durch den srilankischen Staat droht. Eine Beteiligung an den Aktivitäten der LTTE hat die Klägerin zu 1. niemals behauptet. Es bestand auch offensichtlich vor ihrer Ausreise aus Sri Lanka kein entsprechender Verdacht gegen sie, wie die Freilassung durch die Sicherheitsbehörden nach der kurzfristigen Inhaftierung zeigt. Auch geht der Senat aufgrund der neuesten Entwicklung, insbesondere der Aufhebung des Verbots der LTTE, nicht davon aus, dass die srilankischen Sicherheitsbehörden allein wegen des Verdachts einer Unterstützung der LTTE Maßnahmen gegen Rückkehrer ergreifen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Klägerin zu 1. die Ausreise aus Colombo seinerzeit ohne Probleme möglich war, was ebenfalls dafür spricht, dass sie weder zur Fahndung ausgeschrieben war noch dass von den Sicherheitsbehörden oder von mit diesen zusammenarbeitenden Organisationen nach ihr gesucht wurde.

Tamilen werden als ethnische Gruppe auch im Großraum Colombo gegenwärtig und in naher Zukunft auch nicht mittelbar politisch verfolgt. Es bestehen auf der Grundlage der von dem Senat herangezogenen neuesten Erkenntnisquellen keine Anhaltspunkte, dass Ausschreitungen gegen Tamilen drohen oder sogar - wie verschiedentlich in früheren Jahren - eine "Pogromstimmung" der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit gegenüber der tamilischen Bevölkerungsminderheit besteht. Die Regierung hat bei Situationen, in denen in den letzten Jahren Ausschreitungen gegen Tamilen drohten, Übergriffe aktiv durch verstärkte Militär- und Polizeipräsenz sowie auch Ausgangssperren verhindert (AA, 06.09.2002).

5. Den Klägern droht bei ihrer Rückkehr auch aus individuellen Gründen keine politische Verfolgung. Der Vortrag der Klägerin zu 1. über ihr früheres Schicksal in ihrem Heimatland bietet dafür keine Anhaltspunkte. Ein irgend gearteter LTTE-Verdacht ihnen gegenüber besteht bei den srilankischen Sicherheitsbehörden nicht.

Nach alledem haben die Kläger in keinem Landesteil Sri Lankas heute und in absehbarer Zeit politische Verfolgung - sei es gruppengerichtet wegen ihrer tamilischen Volkszugehörigkeit, sei es aus individuellen Gründen - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Unter Berücksichtigung der Erfolge bei den Friedensgesprächen zwischen der LTTE und der Regierung kann eine beachtliche Gefährdung der Kläger erst recht nicht angenommen werden.

III.

Für die Kläger sind auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht festzustellen, da diese in dem hier maßgeblichen Umfang mit denen des Art. 16 a GG übereinstimmen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, Urteil vom 18.01.1995 - 9 C 48.92 -, EZAR 230 Nr. 3 = NVwZ 1994, 497).

B

Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG sind nicht gegeben. Es ist nicht erkennbar, dass für die Klägerin zu 1. in Sri Lanka die Gefahr der Folter bzw. der Todesstrafe besteht (§ 53 Abs. 1 und 2 AuslG). Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG in Verbindung mit Art. 3 EMRK gegeben. Diese Bestimmung setzt das Vorliegen einer individuellen, konkreten Gefahr, unmenschlich oder erniedrigend behandelt zu werden, voraus. Gründe für die Annahme, dass die Kläger in Sri Lanka in einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Weise behandelt werden, sind nicht ersichtlich. Auch ein Extremfall, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, DVBl. 1996, 203) einen Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründet, liegt nicht vor. Durch die Abschiebung nach Sri Lanka werden die Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in eine Gefahrenlage versetzt, die ihnen gleichsam "sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde" (BVerwG, a.a.O.). Dies gilt auch in Anbetracht der von der Klägerin zu 1. vorgetragenen psychischen Erkrankung. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin zu 1. aufgrund der von ihr behaupteten Depression bei einer Rückkehr nach Sri Lanka einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Selbst wenn man unterstellen würde, dass bei der Klägerin eine psychische Erkrankung vorliegen würde, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese in Sri Lanka nicht erfolgreich behandelt werden könnte. Die Klägerin hat selbst angegeben, dass es ihr aufgrund der neurologischen Behandlung und der Einnahme des verschriebenen Medikaments wieder besser ginge. Im Übrigen könnte sie auch die Pflege und den Beistand ihrer auf der Jaffna-Halbinsel lebenden Familie in Anspruch nehmen. Gründe für eine extreme existenzielle Gefährdungssituation liegen im Falle der Kläger ebenfalls nicht vor. Dies gilt um so mehr, wenn man berücksichtigt, dass die Jaffna-Halbinsel das Ziel zehntausender freiwilliger tamilischer Rückkehrer ist, nachdem der Wiederaufbau der Infrastruktur und der Zivilverwaltung Fortschritte gemacht hat. Diese positive Entwicklung hat durch den aufgrund der Friedensverhandlungen eingeleiteten Entspannungsprozess weiteren Auftrieb erhalten. Auch der in der Bundesrepublik lebende Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater des Klägers zu 2. könnte diese bei ihrer Rückkehr nach Sri Lanka finanziell unterstützen. Ob sich im Hinblick auf den Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 GG ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis ergibt, ist hier nicht entscheidungsrelevant, da dieses von der Ausländerbehörde im Falle einer Abschiebung zu prüfen wäre.

Da die Berufung des Bundesbeauftragten Erfolg hat und der Antrag der Kläger auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG ohne Erfolg bleibt, haben die Kläger die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Gerichtskosten werden jedoch gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO, § 167 VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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