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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.06.2006
Aktenzeichen: 5 UZ 1152/05
Rechtsgebiete: BauGB, GG


Vorschriften:

BauGB § 132 Nr. 4
GG Art. 16 a
Setzt der Satzungsgeber nach dem Erlass einer Abweichungssatzung über den Verzicht auf einzelne Merkmale der endgültigen Herstellung der allgemeinen Erschließungsbeitragssatzung (Maßnahmesatzung) eine neue allgemeine Erschließungsbeitragssatzung in Kraft, lässt dies die Wirksamkeit der konkreten Maßnahmesatzung regelmäßig unberührt. Etwas anderes gilt nur, wenn der Satzungsgeber seinen Revisionswillen auch im Hinblick auf die Maßnahmesatzung konkret zum Ausdruck bringt.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 UZ 1152/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Erschließungsbeiträgen

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 13. Juni 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 1. März 2005 - 6 E 2514/02(V) - zugelassen.

Das Verfahren wird als Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen 5 UE 1466/06 fortgeführt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 1. März 2005 ist zulässig und begründet.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - genügenden Weise jedenfalls den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) dargelegt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vom 23. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2002 abgewiesen. Es ist entscheidungserheblich davon ausgegangen, dass es sich bei dem Straßenzug "................../................." um eine einheitliche Erschließungsanlage handele und die Merkmale der endgültigen Herstellung vollständig erst durch die Abweichungssatzung vom 16. Dezember 2001 geschaffen worden seien. Dem entsprechend habe - selbst wenn man die Straße "................" als selbstständige Erschließungsanlage betrachte - Verjährung nicht eintreten können.

An diesen entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts wecken die Einwände des Klägerbevollmächtigten auch beim Senat ernstliche Zweifel.

Unabhängig von dem nach der natürlichen Betrachtungsweise durch die tatsächlichen Verhältnisse vermittelten Gesamteindruck ist eine zum Ausbau bestimmte Straßenstrecke dann als selbstständige Erschließungsanlage einzustufen, wenn sie eine Erschließungsanlage nach deren endgültiger Herstellung und dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht verlängert (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1984 - VIII C 41.83 -, GVBl. 1985, 294; OVG Münster, Urteil vom 28. August 2001 - 15 A 621/99 -, HSGZ 2002, 261; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeträge, 7. Auflage 2004, § 12 Rn. 15). Mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht steht die räumliche Ausdehnung einer Ausbaustraße fest; die entstandene Beitragspflicht führt zur Unabänderlichkeit der bestehenden erschließungsrechtlichen Verhältnisse (BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1996 - 8 C 30.94 -, NVwZ 1998, 67).

Unter Beachtung dieser Grundsätze handelt es sich bei den Straßen "..............." und "...................." um zwei selbstständige - jeweils einzeln abzurechnende - Erschließungsanlagen, denn zu dem Zeitpunkt, als die konkreten Ausbaupläne für die Straße "............." gefasst wurden, war die sachliche Beitragspflicht für die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage "....................." bereits entstanden.

Nach den dem Senat vorliegenden Verwaltungsvorgängen umfasste das Bauprogramm für die Straße "..................." den Bereich zwischen den Straßen "............" und "..............". Die Straße wurde in den Jahren 1976 bis 1977 erstellt, ohne dass sie - insoweit in Abweichung von § 9 Abs. 1 der Satzung über das Erheben von Erschließungsbeiträgen der Beklagten vom 14. Oktober 1977 (EBS 1977) - über beidseitige Gehwege verfügte. Hinsichtlich dieses Merkmals der endgültigen Herstellung hat die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten am 24. August 1982 eine Abweichungssatzung von der EBS 1977 erlassen, nach deren § 1 Abs. 1 in Abweichung von § 9 Abs. 1 EBS 1977 für die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage "................... (von Hütte bis ..................)" das Herstellungsmerkmal "beidseitige Gehwege" entfällt.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist diese konkrete Regelung für die Erschließungsanlage "Im Bienenfang" auch nicht mit der Aufhebung der EBS 1977 durch die Erschließungsbeitragssatzung vom 11. Juni 1987 außer Kraft getreten. Der Sache nach handelt es sich bei der Regelung vom 24. August 1982 um eine Maßnahmesatzung, die für eine konkrete Erschließungsanlage (".....................") hinsichtlich eines bestimmten Merkmals der endgültigen Herstellung im Sinne des § 132 Nr. 4 BauGB bzw. BBauG einen von der allgemeinen Regelung der Erschließungsbeitragssatzung abweichenden Willen des Satzungsgebers kundtut. Die Ersetzung der (allgemeinen) Erschließungsbeitragssatzung durch eine - hinsichtlich der Herstellungsmerkmale im Übrigen inhaltsgleiche - neue Regelung lässt diesen abweichenden Willen des Satzungsgebers regelmäßig unberührt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Satzungsgeber seinen Revisionswillen auch im Hinblick auf die Maßnahmesatzung konkret zum Ausdruck bringt (zur Änderung des Satzungsrechts und den zeitlichen Grenzen vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 1975 - IV C 11.73 -, DÖV 1976, 95 f. = BVerwGE 49, 131). Dies ist im vorliegenden Fall indes nicht ersichtlich. Die Satzung vom 11. Juni 1987 setzt nur die Satzung vom 11. Oktober 1977 und deren Änderungssatzungen außer Kraft.

Nach der Zustimmung des Regierungspräsidiums Darmstadt zur Herstellung der Erschließungsanlage "Im Bienenfang" nach § 125 Abs. 2 BauGB vom 10. Januar 1986 auf der Grundlage des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden und der grundbuchrechtlichen Eintragung der restlichen Straßenflächen als Eigentum der Beklagten im Oktober 1996 waren im letztgenannten Zeitpunkt alle Herstellungsmerkmale des § 13 der Erschließungsbeitragssatzung vom 28. November 1991 (EBS 1991) erfüllt. Die sachliche Beitragspflicht war damit entstanden. Der Ausbau der Straße ".....................l" erfolgte - nach Bereitstellung der entsprechenden Mittel im Haushalt - erst in den Jahren 2000/2001.

Mit dem Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht im Oktober 1996 trat gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4b des Hessischen Gesetzes über Kommunale Abgaben - HessKAG - in Verbindung mit §§ 169 Abs. 2, 170 Abs. 1 Abgabenordnung - AO - nach Ablauf von vier Jahren seit Ende des Kalenderjahres, in dem die Beitragsforderung entstanden war, auch die Festsetzungsverjährung ein.

Da nach allem der Antrag des Klägers wegen des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zur Zulassung der Berufung führt, bedarf es keiner Ausführungen zu den im Begründungsschriftsatz vom 13. Mai 2005 geltend gemachten weiteren Zulassungsgründen.

Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren folgt der Entscheidung im Berufungsverfahren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen ist. Die Begründung ist beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

Ende der Entscheidung

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