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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: 5 UZ 1197/04
Rechtsgebiete: RL 85/73/EWG, RL 96/43/EG, VetKontrKostG


Vorschriften:

RL 85/73/EWG des Rates
RL 96/43/EG des Rates
VetKontrKostG § 3
VetKontrKostG § 4
1.) Setzt ein Bundesland die gemeinschaftsrechtlich geregelten pauschalen Fleischuntersuchungsgebühren entsprechend den tatsächlichen Kosten einschließlich der Kosten für Trichinen- und bakteriologische Untersuchungen höher fest, entspricht dies den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts.

2.) Die durch das VetKontrKostenG vom 03.11.1998 und die ausführenden Verwaltungskostenordnungen angeordnete Rückwirkung bis zum Jahr 1991 begegnet keinen rechtlichen Bedenken.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

5. Senat

5 UZ 1197/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Fleischuntersuchungsgebühren

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 2. Juni 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 26. Februar 2004 - 3 E 85/04(1) - wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf einen Betrag von 447.420,46 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 26. Februar 2004 bleibt ohne Erfolg.

Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) wecken beim Senat keine derartigen Zweifel. Zum einen rügt der Klägerbevollmächtigte, die Richtlinie 85/73/EWG des Rates in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG des Rates vom 26. Juni 1996 über die Erhebung von Gebühren für die Untersuchung und Hygienekontrolle von frischem Fleisch sei nicht ordnungsgemäß und vollständig in Bundesrecht und auch nicht in hessisches Landesrecht umgesetzt worden. Insoweit verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 26. April 2001 (- 5 N 947/00 -, LRE 41, 387), in dem er diese Problematik bereits geprüft hat und zum Ergebnis gekommen ist, dass das Hessische Veterinärkontroll-Kostengesetz vom 3. November 1998 in Verbindung mit der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Sozialministeriums vom 14. September 1997 in der Fassung der 3. Verordnung zur Änderung der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Frauen, Arbeit und Sozialordnung vom 26. August 1999 diese europäischen Rechtsvorschriften ordnungsgemäß in Landesrecht umsetzt. In diesem Beschluss hat der Senat auch bereits zu der Auffassung des Klägerbevollmächtigten Stellung genommen, aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2001 (C-316/99) ergebe sich die Nichtumsetzung durch die Bundesrepublik Deutschland. Zum einen bezieht sich diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs allein auf die Nichtumsetzung des Teils der Richtlinie, der sich mit den Pauschalbeträgen für Untersuchungen von Geflügelfleisch befasst, nicht jedoch mit den Beträgen für Rindfleisch, Einhufer, Schweinefleisch und Schaf- und Ziegenfleisch. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die gerichtliche Feststellung der Nichteinhaltung der Umsetzungsfrist durch die Bundesrepublik nichts darüber besagt, inwieweit nunmehr die föderalen Untergliederungen des Mitgliedsstaats die europarechtlichen Anforderungen national umgesetzt haben. Keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung weckt auch die Auffassung des Klägerbevollmächtigten, die nicht gemeinschaftsrechtskonforme Umsetzung in einzelnen mitgliedsstaatlichen Untergliederungen - wie etwa in einem Bundesland - hätten zur Folge, dass insgesamt alle innerstaatlichen Umsetzungen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - auch in anderen Bundesländern - unwirksam seien. Der Europäische Gerichtshof hat ausdrücklich in seiner Rechtsprechung geklärt, dass jeder Mitgliedstaat berechtigt ist, die Zuständigkeiten auf innerstaatlicher Ebene zu verteilen und die nicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtsakte mittels Maßnahmen regionaler oder örtlicher Behörden durchzuführen, sofern diese Zuständigkeitsverteilung eine ordnungsgemäße Durchführung der betreffenden Gemeinschaftsrechtsakte ermöglicht (EuGH, Urteile vom 10. November 1992, C-156/91, Slg. 1992, I-5597 Rdnr. 23, und vom 9. September 1999, C-374/97, Slg. 1999, I-5153).

Keine ernstlichen Zweifel weckt auch die Ansicht des Klägerbevollmächtigten, die hessische Kostenregelung erhebe gemeinschaftsrechtswidrig zusätzlich Gebühren für bakteriologische oder Trichinenuntersuchungen. Das Verwaltungsgericht hat bereits eingehend erläutert, dass das Veterinärkontroll-Kostengesetz die Untersuchungsgebühren abweichend von den europarechtlich geregelten Pauschalbeträgen nach den tatsächlichen Kosten der gemeinschaftsrechtlichen Regelung entsprechend festsetzt (§ 3 Abs. 2 Veterinärkontroll-Kostengesetz). Diese aufgrund der tatsächlichen Kosten bemessenen Gebühren enthalten nach § 4 Abs. 1 Veterinärkontroll-Kostengesetz auch die Kosten der Untersuchungen für Trichinen und der bakteriologischen Fleischuntersuchungen. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten entspricht dies genau den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 30. Mai 2002 (C-284/00 und C-288/00; DVBl 2002, 1108 = LRE 43, 350). In dieser Entscheidung legt der Europäische Gerichtshof dar, dass die Kosten bakteriologischer und Trichinenuntersuchungen von der Gemeinschaftsgebühr erfasst werden, die die Mitgliedsstaaten nach der Richtlinie 85/73/EWG für Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch erheben. Der Gerichtshof betont allerdings auch, dass die Mitgliedsstaaten gemäß Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie einen höheren Betrag als die Gemeinschaftsgebühr erheben können, sofern dieser die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet. Kosten für die Zusatzuntersuchungen sollen demnach nicht zusätzlich erhoben werden, sondern in den - pauschal kalkulierten - Gebühren enthalten sein, seien es die in der Richtlinie vorgegebenen Gebühren oder die in einem Mitgliedsstaat nach den tatsächlichen Kosten erhöhten Gebühren. Diesen Anforderungen genügt die Umsetzung aufgrund § 4 Abs. 1 des Veterinärkontroll-Kostengesetzes.

Keine ernstlichen Zweifel weckt auch der Vortrag des Klägerbevollmächtigten die rückwirkende Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über die Fleischuntersuchungsgebühren durch das Veterinärkontroll-Kostengesetz sei rechtswidrig und unwirksam. Insofern verweist der Senat auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu diesem Punkt, das die Rechtslage zur Rückwirkungsproblematik umfassend dargestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat insofern auch zu Recht auf die diesbezügliche höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung verwiesen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juni 2002 - 3 BN 5.01 -, LRE 44, 75, vom 27. April 2000 - 1 C 8.99 -, GewArch 2000, 384, und - 1 C 12.99 -, GewArch 2000, 385 = Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 21; Beschluss des Senats vom 26. April 2001 - 5 N 947/00 -, LRE 41, 387; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. März 2004 - 9 A 3308/02 - NVwZ-RR 2004, 568). Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten handelt es sich auch nicht um eine Frage der rückwirkenden Inkraftsetzung von Gemeinschaftsrecht. So ist er der Auffassung, nachdem die für bestimmte Zeiträume maßgeblichen Gemeinschaftsrechtsakte durch neuere Regelungen für die Zukunft ersetzt worden waren, könne der nationale Gesetzgeber aufgrund dieser - nunmehr für die Zukunft nicht mehr geltenden - Regelungen keine nationale Umsetzung mit zeitlicher Rückwirkung mehr vornehmen. Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht. Da die jeweiligen europäischen Gemeinschaftsregelungen für einen bestimmten Zeitraum Gültigkeit haben und maßgeblich sind, gilt für diesen Zeitraum nicht nur ihre Regelung über die europarechtlichen Pauschaluntersuchungsgebühren, sondern auch die Möglichkeit einer nationalen Abweichungsregelung bei Erfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen. Wird eine Regelung, die diese Voraussetzungen erfüllt, mit rückwirkender Geltung versehen, liegt damit keine das Gemeinschaftsrecht betreffende Regelung vor, sondern eine nationale Umsetzung dieses Gemeinschaftsrechts. Die Zulässigkeit der rückwirkenden Inkraftsetzung einer derartigen nationalen Umsetzung richtet sich deshalb nach nationalem Recht (vgl. auch: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. März 2004, a.a.O.).

Aus den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten ergibt sich auch nicht der Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Dazu wäre es erforderlich darzulegen, dass und inwieweit die Rechtssache in ihrem Schwierigkeitsgraf signifikant vom Durchschnitt verwaltungsgerichtlicher Streitverfahren abweicht. Insofern verweist der Klägerbevollmächtigte auf seine rechtlichen Ausführungen im Rahmen des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. All die von ihm dort angesprochenen rechtlichen Fragen sind jedoch anhand der vorliegenden höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung eindeutig zu beantworten.

Gleichfalls fehlt es an der Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, muss, um dem gesetzlichen Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zu genügen, dargetan werden, welche konkrete und in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfrage oder welche bestimmte und für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle bedeutsame Frage tatsächlicher Art im Berufungsverfahren geklärt werden soll und inwieweit diese Frage einer (weitergehenden) Klärung im Berufungsverfahren bedarf. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der genannten verwaltungsgerichtlichen Bestimmung hat ein Verwaltungsstreitverfahren nämlich nur dann, wenn es eine tatsächliche oder rechtliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und die über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer Klärung bedarf.

Die vom Klägerbevollmächtigten genannte Frage, inwieweit über nationale Verfahrensvorschriften die vorrangige Anwendung und die Effektivität des Gemeinschaftsrechtes praktisch ausgeschaltet werden könnten, ist bereits nicht entscheidungserheblich. Eine solche "Ausschaltung" des Gemeinschaftsrechts legt er bereits nicht dar.

Auch die vom Klägerbevollmächtigten genannte Frage, ob vor ordnungsgemäßer und vollständiger Umsetzung eines Gemeinschaftsrechtsaktes in das gesamte nationale Recht des Mitgliedstaats dieser bzw. seine nachgeordneten Bundesländer schon im Vorgriff von Abweichungsbestimmungen zu Lasten ihrer Gebührenpflichtigen Gebrauch machen können oder ob sie erst die ordnungsgemäße und vollständige Umsetzung im gesamten Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaats abwarten müssen, legt keinen Klärungsbedarf dar. Diese Frage geht bereits von falschen Voraussetzungen aus. Soweit der Klägerbevollmächtigte erklärt, ein Gemeinschaftsrechtsakt sei nicht ordnungsgemäß und vollständig umgesetzt, legt er dies bereits nicht im Einzelnen dar. Soweit dem seine Auffassung zugrunde liegt, die nicht gemeinschaftsrechtskonforme Umsetzung in einzelnen mitgliedschaftlichen Untergliederungen - wie etwa in einem Bundesland - hätten zur Folge, dass insgesamt alle innerstaatlichen Umsetzungen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - auch in anderen Bundesländern - unwirksam seien, ist auch dies keine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung geklärt, dass jeder Mitgliedsstaat berechtigt ist, die Zuständigkeiten auf innerstaatlicher Ebene zu verteilen und die nicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtsakte mittels Maßnahmen regionaler oder örtlicher Behörden durchzuführen, sofern diese Zuständigkeitsverteilung eine ordnungsgemäße Durchführung der betreffenden Gemeinschaftsrechtsakte ermöglicht (EuGH, Urteile vom 10. November 1992, C-156/91, Slg. 1992, I-5597 Rdnr. 23, und vom 9. September 1999, C-374/97, Slg. 1999, I-5153).

Soweit der Klägerbevollmächtigte darüber hinaus die Frage formuliert, ob von Ausnahmebestimmungen derartiger Gemeinschaftsrechtsakte rückwirkend Gebrauch gemacht werden könne, fehlt es auch insoweit an einer ordnungsgemäßen Darlegung. Die von ihm im Einzelnen näher angesprochenen Rückwirkungsproblematiken sind - wie oben erläutert - bereits geklärt.

Auch soweit sich der Klägerbevollmächtigte auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) beruft, führt dies nicht zur Zulassung der Berufung. Für die Darlegung einer Divergenz ist es erforderlich, dass der Zulassungsantragsteller einen Rechtssatz benennt, den eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellt hat, sowie einen weiteren Rechtssatz, den das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil aufgestellt hat und der von dem zuerst genannten obergerichtlichen Rechtssatz abweicht. Derartige Rechtssätze des Verwaltungsgerichts, die von Rechtssätzen der von ihm benannten obergerichtlichen Urteile abweichen sollen, hat der Klägerbevollmächtigte bereits nicht benannt. Vielmehr führt er eine größere Anzahl von höchstrichterlichen Entscheidungen an, und erklärt, das angefochtene Urteil weiche von diesen ab oder verstoße gegen sie. Eine Divergenz kann auf diese Art und Weise nicht dargelegt werden, da dieser Zulassungsgrund der Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dient, nicht jedoch der Sicherstellung der Richtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall. Allein eine falsche Rechtsanwendung unter Verstoß gegen höchstrichterliche Rechtssätze rechtfertigte eine Zulassung wegen Divergenz deshalb nicht. Allerdings weist der Senat auch insofern darauf hin, dass das Verwaltungsgericht ausdrücklich im Einklang mit der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, die Entscheidung über die Höhe des Streitwertes auf den §§ 52 Abs. 1, 47 Gerichtskostengesetz - GKG - in der ab dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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