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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.08.2005
Aktenzeichen: 5 UZ 1610/05
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 133 Abs. 3 Satz 2
Die Regelung des §133 Abs. 3 Satz 2 BauGB, wonach die auf Erschließungsbeiträge geleistete Vorausleistung mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen ist, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist, gilt auch, wenn das Grundstück des Vorausleistenden geteilt und ein Teil an einen Dritten übereignet wird. In einem solchen Fall ist die Vorausleistung mit den für die beiden Grundstücke entstehenden Beitragspflichten zu verrechnen, und zwar im Verhältnis der Verteilungswerte, die auf die beiden Grundstücke entfallen.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 UZ 1610/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Erschließungsbeiträgen

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider,

am 18. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 28. April 2005 - 6 E 360/02 - hinsichtlich des Heranziehungsbescheides der Beklagten vom 2. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2002 insoweit zugelassen, als der Erschließungsbeitrag den Betrag von 6.501,25 DM (= Euro 3.324,04) übersteigt.

Das Verfahren über den zugelassenen Teil wird als Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen 5 UE 2304/05 fortgeführt.

Im Übrigen wird der Zulassungsantrag abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahren trägt der Kläger zu einem Anteil von 11/12. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung der Kostenentscheidung im Berufungsverfahren.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf einen Betrag von 3.625,70 € (7.091,25 DM) festgesetzt, wobei auf den abgelehnten Teil des Zulassungsantrages ein Anteil von 3.324,04 € (6.501,25 DM) entfällt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 28. April 2005 hat hinsichtlich des Bescheides über die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag vom 2. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2002 insoweit erfolgt, als der Heranziehungsbescheid den Betrag von 3.324,04 € übersteigt. Insofern hat der Bevollmächtigte des Klägers zumindest den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) dargelegt.

Das Verwaltungsgericht ist in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass die Klage gegen den Heranziehungsbescheid insgesamt abzuweisen sei. Soweit der Kläger die Anrechnung von Vorausleistungen begehre, die auf die von ihm erworbene Teilfläche Flurstück geleistet worden seien, gehe dieses Begehren ins Leere. Soweit der Erwerber - wovon mangels anderer Fakten auszugehen sei - noch nicht im Grundbuch eingetragen sei, bleibe der (Noch-)Eigentümer beitragspflichtig und habe einen Anspruch darauf, dass bei der Endabrechnung die Vorausleistung berücksichtigt werde. Dem hält der Bevollmächtigte des Klägers entgegen, dass die Eigentumsumschreibung des Grundstücksteils Niedergladenbach Flur , Flurstück , Gebäude- und Freifläche, 0,59 a auf den Kläger am 13. November 1997 erfolgt sei. § 133 Abs. 3 Satz 2 Baugesetzbuch - BauGB - ordne an, dass die Vorausleistung mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen sei, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig sei. Die gezahlte Vorausleistung für ein Grundstück - und dementsprechend auch für einen Teil des Grundstücks - sei danach stets dem zum Zeitpunkt der Beitragserhebung im Grundbuch eingetragenen Eigentümer zugute zu halten.

Die mit diesem Vortrag dargelegten Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung teilt der Senat. In der ab dem 1. Juli 1987 geltenden Fassung (BGBl. I 1986, 2191) ordnet § 133 Abs. 3 Satz 2 BauGB an, dass die auf Erschließungsbeiträge geleistete Vorausleistung mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen ist, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist. Diese Regelung genügt den Anforderungen des Grundrechtsschutzes, insbesondere im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz - GG - (vgl. dazu bereits Senatsurteil vom 14. September 1995 - 5 UE 260/93 -, HSGZ 1996, 127). Im Fall des Eigentümerwechsels nach Anforderung einer Vorausleistung tritt der neue Eigentümer in die Rechtsposition des früheren Eigentümers ein. Dies gilt auch dann, wenn das Grundstück des Vorausleistenden geteilt und ein Teil an einen Dritten übereignet wird. In einem solchen Fall ist die Vorausleistung nach § 133 Abs. 3 Satz 2 BauGB mit den für die beiden Grundstücke entstehenden Beitragspflichten zu verrechnen, und zwar im Verhältnis der Verteilungswerte, die auf die beiden Grundstücke entfallen (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl. 2004, § 21 Rdnr. 45).

Hinsichtlich des Heranziehungsbescheides in Höhe von 3.324,04 € führen die Darlegungen des Bevollmächtigten des Klägers im Begründungsschriftsatz vom 29. Juni 2005 dagegen nicht zur Zulassung der Berufung.

Die Ausführungen des Bevollmächtigten des Klägers zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils wecken beim Senat keine derartigen Zweifel. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung des klageabweisenden Urteils ausgeführt, die Voraussetzungen zum Erlass eines Bescheides über die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen lägen vor und der Bescheid sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Insbesondere habe die Beklagte die zur Heranziehung maßgebliche Fläche des Grundstücks Flur , Flurstück in nicht zu beanstandender Weise gebildet. Sie habe die Gesamtfläche ohne Rechtsfehler in eine bebaute Teilfläche von 1170 qm und in eine bewaldete Teilfläche von 1567 qm untergliedert und die letztgenannte dem Außenbereich zugeordnet. Unter Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung des § 7 Abs. 1 b der Erschließungsbeitragssatzung - EBS - habe sie für die bebaute Fläche des Grundstücks, ausgehend von der Anlage "Pfälzer Weg" durch eine Parallelverschiebung der Tiefe des Grundstückes im rechten Winkel zu der der Anlage zugewandten Grundstücksseite, die Tiefe von 50 m neu bestimmt und daraus die ansatzfähige Fläche von 861 qm ermittelt. Die so bestimmte ansatzfähige Fläche sei noch kleiner als der ursprüngliche Flächenansatz von 926 qm. Dem hält der Bevollmächtigte des Klägers entgegen, das im abzurechnenden Beitragsgebiet liegende Flurstück sei fälschlicherweise nur mit einer Teilfläche in Ansatz gebracht worden. Die Bestimmung der der Heranziehung zugrundegelegten Teilfläche durch die Beklagte sei willkürlich. Das Grundstück biete von den tatsächlichen Gegebenheiten her keine Ansatzpunkt dafür, lediglich die von der Beklagten bestimmte Teilfläche der Abrechnung zugrundezulegen. In diesem Zusammenhang sei auch von Bedeutung, dass während des Verfahrens der Berichterstatter gewechselt habe und der entscheidende Richter die Örtlichkeiten nicht in Augenschein genommen, sondern lediglich die im Ortstermin gefertigten Lichtbilder zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe. Möglicherweise hätten diese Lichtbilder, die dem Kläger nicht bekannt seien, ein falsches Bild vermittelt. Bei Grundstücken, die an den Außenbereich grenzten bzw. die zu einem Teil bereits dem Außenbereich zugerechnet werden könnten, müsse die Regelung der Tiefenbegrenzung der Erschließungsbeitragssatzung in Ansatz gebracht werden. Da im Falle des Flurstücks die Tiefenbegrenzung sowohl in Längs- als auch in Querrichtung zu berücksichtigen sei, hätte es eine ordnungsgemäße Bestimmung der anzurechnenden Fläche geboten, vom Grenzpunkt zwischen Erschließungsstraße und Grundstück einen Kreis mit einem Radius von 50 m zu schlagen, um den Bereich abzudecken, der von der Tiefenbegrenzung umfasst sei.

Diese Ausführungen wecken beim Senat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht zunächst die Aufteilung der Gesamtfläche des Grundstücks Flur , Flurstück in eine bebaute Fläche (1170 qm) und in eine erschließungsbeitragsrechtlich nicht zu berücksichtigende Außenbereichsfläche (1567 qm) durch die Beklagte als rechtsfehlerfrei unbeanstandet gelassen. Dazu, dass diese an der Nutzungsgrenze orientierte Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereichsflächen tatsächlich fehlerhaft vorgenommen worden ist, enthält der Zulassungsbegründungsschriftsatz vom 29. Juni 2005 keine weitergehenden Ausführungen. Ausweislich der dem Senat vorliegenden Pläne wäre es auch gerechtfertigt gewesen, den Außenbereichsanteil der Flächen im Nordwesten und Westen des Flurstücks noch auszudehnen, denn der Bebauungszusammenhang - und damit der unbeplante Innenbereich - endet östlich der Bebauung der Seifenstraße, der Bebauung auf dem Flurstück , sowie der Bebauung am Pfälzer Weg. Nach der nicht zu beanstandenden Bestimmung des Außenbereichs hat die Beklagte in Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung des § 7 Abs. 1 b EBS die zur Heranziehung bestimmte Fläche in einem den Kläger nicht belastenden Umfang beschränkt. Zutreffend hat sie die Tiefenbegrenzung derart vorgenommen, dass sie von der der Erschließungsanlage zugewandten Grundstücksgrenze die Fläche von der Erschließungsanlage bis zu einer Tiefe von 50 m berücksichtigt hat. Ob mit dieser Fläche - letztlich zugunsten des Klägers - bereits auch Außenbereichsflächen erfasst sind, kann vorliegend dahinstehen. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers die Tiefenbegrenzungsregelung derart praktizieren will, dass vom Grenzpunkt zwischen Erschließungsanlage und Grundstück ein Kreis mit einem Radius von 50 m zu schlagen ist, mit dem der Bereich der Tiefenbegrenzung bestimmt wird, findet eine derartige Vorgehensweise in der Satzung der Beklagten keine Grundlage.

Letztlich fehlt es auch an dem Zulassungsgrund eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels, der geltend gemacht wird und vorliegt und auf dem die Entscheidung beruhen können müsste (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Insoweit rügt der Bevollmächtigte des Klägers eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das Gericht habe Lichtbilder zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht, die den Beteiligten nicht bekannt gegeben worden seien. Diese Darlegungen führen nicht zur Zulassung der Berufung. Zum einen stellt sich bereits die Frage, ob es sich dabei um einen eigenständigen entscheidungserheblichen Sachverhalt handelt, zu dem den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist (§ 108 Abs. 2 VwGO). Die Lichtbilder sind in Anwesenheit der Beteiligten während des Erörterungstermins am 28. Oktober 2004 von der damaligen Berichterstatterin gefertigt worden und stellen lediglich Gedächtnisstützen hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse dar. Dies kann letztlich jedoch dahinstehen, denn auf die Verletzung rechtlichen Gehörs kann sich nicht berufen, wer nicht alles Zumutbare unternommen hat, um sich Gehör zu verschaffen. Aus dem Protokoll des Erörterungstermins vom 28. Oktober 2004 ergibt sich, dass die Berichterstatterin während des Ortstermins einige Fotos gefertigt hat. Nachdem das Verwaltungsgericht mit Verfügung vom 18. Januar 2005 darauf hingewiesen hat, dass ein Berichterstatterwechsel stattgefunden hat, war offenkundig, dass nunmehr ein Richter zur Entscheidung berufen ist, der die Örtlichkeiten nicht in Augenschein genommen hatte. Spätestens nach dieser Mitteilung waren die Beteiligten verpflichtet, prozessuale Mittel zu ergreifen, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, soweit der Berufungszulassungsantrag ohne Erfolg geblieben ist, im Übrigen folgt sie der Entscheidung im Berufung. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 3, 47 Gerichtskostengesetz - GKG - in der ab dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen ist. Die Begründung ist beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelnd es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

Ende der Entscheidung

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