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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.01.2007
Aktenzeichen: 5 UZ 1641/06
Rechtsgebiete: GebO, HessKAG
Vorschriften:
GebO 2003 u. 2004 z. AbfS (Zweckverb Abfallw Krs Bergstraße) | |
HessKAG § 10 Abs. 1 | |
HessKAG § 10 Abs. 3 |
2.) § 10 Abs. 3 Satz 2 HessKAG erlaubt die Erhebung einer Grundgebühr neben einer als Mindestgebühr erhobenen Leistungsgebühr mit der Maßgabe, dass auf Grund entsprechender Gebührenkalkulation ein Teil der abzugeltenden Vorhaltekosten über die Grundgebühr, ein anderer Teil über die Leistungsgebühr abgedeckt wird.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Heranziehung zu Abfallgebühren
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch
Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH C.
am 16. Januar 2007
beschlossen:
Tenor:
Auf den Antrag des Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 3. Mai 2006 - 4 E 119/04 (3) - insoweit zugelassen, als das Verwaltungsgericht der Klage gegen die Heranziehung zu einer Leistungsgebühr Restmüll in Höhe von 30,10 € für das Jahr 2003 und zu einer Vorauszahlung in entsprechender Höhe für das Jahr 2004 stattgegeben hat.
Das Verfahren wird insoweit als Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen 5 UE 159/07 fortgeführt.
Der Zulassungsantrag im Übrigen wird abgelehnt. Insoweit hat der Beklagte die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für den Teil des Zulassungsverfahrens, auf den sich die Ablehnung des Zulassungsantrags bezieht, auf 60,20 € festgesetzt.
Gründe:
Der Zulassungsantrag, mit dem der Beklagte die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 3. Mai 2006 begehrt, soweit das Verwaltungsgericht in Bezug auf die Heranziehung zur "Vorhaltegebühr Bioabfallentsorgung" und zur "Leistungsgebühr Restmüll" den Gebührenbescheid vom 13. Januar 2004 aufgehoben hat, ist zulässig, kann aber in der Sache nur Erfolg haben, soweit es um die Leistungsgebühr Restmüll geht.
Bezogen auf die streitige Vorhaltegebühr Bioabfallentsorgung liegen die von dem Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor. Der Beklagte macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, die in § 4 Abs. 5 der Gebührenordnung zur Abfallsatzung des Beklagten in den Fassungen vom 12. November 2002 (AbfS-GebO 2003) und vom 8. Dezember 2003 (AbfS-GebO 2004) vorgesehene Gebühr in Höhe von 24,-- € pro Jahr für die Bioabfallentsorgung im Falle einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang sei rechtswidrig. Die gegen diese Annahme des Verwaltungsgerichts vorgebrachten Einwände des Beklagten sind indessen nicht berechtigt.
Klarzustellen ist zunächst, dass es sich im Unterschied zu der nach § 4 Abs. 5 Satz 1 AbfS-GebO 2003 und 2004 "für die Bearbeitung eines Antrages zur Befreiung vom Bioabfallgefäß gemäß § 6 Abs. 2 Abfallsatzung" erhobenen Gebühr in Höhe von 15,-- €, die eine Verwaltungsgebühr nach § 9 des Gesetzes über kommunale Abgaben in Hessen (KAG) darstellt, bei der Gebühr von 24,-- € pro Jahr, die bei antragsgemäßer Erteilung der Befreiung erhoben wird, um eine Benutzungsgebühr im Sinne des § 10 KAG handelt. Mit der Erhebung dieser Gebühr ist die Abgeltung der "Vorhalteleistung" bezweckt, die darin zu sehen sein soll, dass der Teilleistungsbereich der Bioabfallentsorgung auch zugunsten eines vom Anschluss an diesen Teilleistungsbereich und von dessen Benutzung befreiten Grundstückseigentümers "vorgehalten" wird. Folgerichtig verwendet der Beklagte für diese Gebühr in seinem Abfallgebührenbescheid vom 13. Januar 2004 nicht mehr die irreführende Bezeichnung "Befreiungsgebühr Biotonne" (so noch Abfallgebührenbescheid vom 12. März 2003), sondern die Bezeichnung "Vorhaltegebühr Bioabfallentsorgung".
An den Charakter der vorgenannten Gebühr als Benutzungsgebühr im Sinne des § 10 Abs. 1 KAG anknüpfend hat das Verwaltungsgericht zu Recht einen Hinderungsgrund für deren Erhebung bei einem vom Anschluss- und Benutzungszwang befreiten Grundstückseigentümer darin gesehen, dass dieser den von der Befreiung erfassten Teilleistungsbereich Bioabfallentsorgung nicht in Anspruch nimmt (nicht "benutzt"). Inanspruchnahme der Bioabfallentsorgung setzt den Anschluss an die im Holsystem betriebene Abfalleinsammlung voraus; dabei gilt als Anschluss die Aufstellung des Bioabfallgefäßes auf dem Grundstück (§ 6 Abs. 1 Satz 2 der Abfallsatzung vom 12. November 2002). Eine Befreiung vom Anschlusszwang lässt den Anschluss entfallen und damit die Voraussetzung dafür, dass "in Anspruch genommen wird". Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Vorliegen einer Inanspruchnahme im vorliegenden Fall nicht etwa damit begründbar, dass die Möglichkeit der "Selbstanlieferung" von Pflanzenabfällen oder auch - auf besondere Anforderung hin - die Möglichkeit einer zweimaligen Abholung von Grünschnitt jährlich bestehe. Für die Selbstanlieferung fällt nach dem Satzungsrecht des Beklagten eine besondere Gebühr an, mit der die Anlieferer belastet werden (dritter Abschnitt der Gebührenordnung mit besonderer Regelung für angelieferte Pflanzenabfälle in § 10 Abs. 2). Und die das Holsystem mittels Bioabfallbehälters offensichtlich ergänzende zweimalige gesonderte Abholung von Grünschnitt - für die der Senat im vorgelegten Satzungsrecht allerdings keine Regelung hat finden können - wird bei Erteilung einer auf die Bioabfallentsorgung bezogenen Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang gerade dadurch ausgeschlossen, dass der Grundstückseigentümer für den Erhalt der Befreiung nachweisen und schriftlich bestätigen muss, dass "ausnahmslos" alle auf dem Grundstück anfallenden kompostierbaren Abfälle ordnungsgemäß und schadlos auf dem Grundstück verwertet werden.
Soweit der Beklagte auf die Möglichkeit des vom Anschluss- und Benutzungszwang befreiten Eigenkompostierers abstellt, die Eigenkompostierung wieder aufzugeben und die Entsorgung durch den Abfallträger in Anspruch zu nehmen ("Wechsel zur Biotonne"), mag diese Möglichkeit als vorteilhaft bezeichnet werden können. Solange freilich die damit angebotene Leistung nicht tatsächlich in Anspruch genommen wird, fehlt es an der Erfüllung des Merkmals der Inanspruchnahme, wie sie die Erhebung von Benutzungsgebühren für kommunale Einrichtungen voraussetzt (§ 10 Abs. 1 KAG). Überlegungen zur "Beitragsähnlichkeit" einer zur Deckung verbrauchsunabhängiger Vorhaltekosten erhobenen Grundgebühr dürfen nicht den Blick dafür vernebeln, dass anders als bei der Erhebung eines wirklichen Beitrags - etwa eines Anschlussbeitrags auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 KAG - für die Erhebung einer Benutzungsgebühr nicht schon die (bloße) M ö g l i c h k e i t der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung ausreicht. Zu Recht führen Schulte/Wiesemann in ihrer Kommentierung zum Benutzungsgebührenrecht in Bezug auf die Gebührenerhebung bei Selbstkompostierern aus (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6, unter Rn. 221 f.):
"Bei Selbstkompostierern fehlt es an einer tatsächlichen Inanspruchnahme von Vorhalteleistungen für die Bioabfallentsorgung ... Das Argument, der zu Gebühren herangezogene Selbstkompostierer könne jederzeit die Eigenkompostierung wieder aufgeben und seinen Bioabfall durch die Gemeinde entsorgen lassen, ist nach dem landesrechtlichen Kommunalabgabenrecht unzulässig. Benutzungsgebühren sind nach § 4 Abs. 2 KAG NRW eine Gegenleistung für eine tatsächliche Inanspruchnahme. Zur Abgeltung des Vorteils für die Möglichkeit der Inanspruchnahme werden nach § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW Beiträge erhoben. Selbst dort, wo das Gesetz bei der Abwälzungsgebühr nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW auch diejenigen zu Gebührenpflichtigen erklärt, denen "Vorteile gewährt" werden, ist der durch eine tatsächliche Inanspruchnahme bedingte mittelbare Vorteil gemeint."
Der Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der von ihm vertretenen Auffassung auch nicht auf das von ihm genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2000 (11 C 7.00 - NVwZ 2002, 199) berufen. In der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geht es um die Konstellation der Erhebung einer Grundgebühr für die Inanspruchnahme der kommunalen Abfallwirtschaft i n s g e s a m t , wobei die Grundgebühr grundstücksbezogen "für jedes angeschlossene Grundstück" bemessen wird. Eine derartige Grundgebühr stellt sich - weil zur Abgeltung des Vorhalteaufwands sämtlicher Teilleistungsbereiche der Abfallentsorgung bestimmt - als "Einheitsgebühr" dar. Bei der Einheitsgebühr ist aber gerade anerkannt, dass sie in der für die Leistungsgesamtheit festgelegten Höhe auch dann anfallen kann, wenn eine einzelne Leistung - und das wäre bei einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für Selbstkompostierer eben die Bioabfallentsorgung - tatsächlich nicht in Anspruch genommen wird. Weil bei der Einheitsgebühr gleichsam auf die Inanspruchnahme eines ganzen "Leistungspakets" abgestellt wird, lässt die tatsächliche Nichtinanspruchnahme einer einzelnen (Teil-) Leistung die Entstehung der Gebühr dem Grunde und der Höhe nach unberührt, sofern sich die Auswirkungen auf die Belastungshöhe und die Zahl der davon betroffenen Personen in Grenzen halten (dazu im Einzelnen: Kommentierung zum Hessischen Benutzungsgebührenrecht bei Driehaus, Hrsg., Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 692 ff.). Von dieser Konstellation unterscheidet sich die Konstellation des vorliegenden Falles grundlegend, denn bei der hier streitigen "Vorhaltegebühr Bioabfallentsorgung" geht es nicht um ein auf eine Gesamtheit von Entsorgungsleistungen bezogene "Einheitsgebühr", sondern um eine gesonderte Gebühr für einen einzelnen Leistungsbereich. Dieser muss, soll die gerade hierfür festgelegte Gebühr anfallen, auch tatsächlich in Anspruch genommen werden. Ein Verzicht auf die Erfüllung dieses Merkmals ist insoweit nicht denkbar. Soweit ersichtlich, wird dergleichen in der Rechtsprechung und im Schrifttum auch nicht vertreten.
Soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Heranziehung zur Vorhaltegebühr Bioabfallentsorgung abgewiesen hat, kommt eine Zulassung der Berufung auch aus den anderen Zulassungsgründen, die der Beklagte geltend macht, nicht in Betracht. Für eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache fehlt es an der erforderlichen Formulierung einer Rechtsfrage, auf die es für die Entscheidung ankommt und die obergerichtlicher Klärung bedarf. Die geltend gemachte Divergenz mit Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt, wie sich aus den obigen Ausführungen zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel ergibt, nicht vor. Und ein Gehörsverstoß wegen Fehlens eines besonders gerichtlichen Hinweises auf die rechtlichen Bedenken gegen die Belastung eines vom Anschluss- und Benutzungszwang befreiten Selbstkompostierers mit der Vorhaltegebühr Bioabfallentsorgung scheidet schon deshalb aus, weil gerade diese Problematik in den schriftlichen Äußerungen der Beteiligten im erstinstanzlichen Verfahren ausführlich behandelt worden ist. Es stellt auch ohne dahingehenden vorherigen Hinweis des Gerichts keine "Überraschungsentscheidung" dar, wenn sich das Gericht den Argumenten eines der beiden Beteiligten anschließt und zu seinen Gunsten entscheidet.
Die Berufung ist aber zuzulassen, soweit sich der Beklagte dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht der Klage auch in Bezug auf die Heranziehung des Klägers zur Leistungsgebühr Restmüll stattgegeben hat. Die von dem Beklagten geltend gemachten Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in diesem Punkt sind berechtigt. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Erhebung der Leistungsgebühr Restmüll als "Mindestgebühr", die sich nach der vorgeschriebenen Zahl von zehn Leerungen berechnet (§ 3 Abs. 5 AbfS-GebO 2003 und 2004), scheitere daran, dass es mangels ordnungsgemäßer Kalkulation an einer gültigen Gebührenregelung im Satzungsrecht des Beklagten fehle. Das Verwaltungsgericht begründet dies mit der Überlegung, dass mit der Leistungsgebühr Restmüll auch verbrauchsunabhängige Kosten abgedeckt würden; dies jedoch verbiete sich, da zugleich eine Grundgebühr erhoben werde, so dass s ä m t l i c h e verbrauchsunabhängigen Betriebskosten über die Grundgebühr zu decken seien. Diese Argumentation ist angreifbar. Denkbar ist nämlich auch eine Aufteilung der verbrauchsunabhängigen Vorhaltekosten auf einerseits die Grundgebühr, andererseits die Leistungsgebühr. Da die Rechtfertigung für eine Mindestgebühr nach § 10 Abs. 3 Satz 2 KAG auch darin bestehen kann, eine stärkere - angemessene - Beteiligung der Nutzer mit geringer Leistungsmenge an den von der Leistungsmenge unabhängigen Vorhaltekosten sicherzustellen (dazu: Driehaus, Hrsg., a. a. O., Rn. 693 a), ist ein "sinnvolles" Nebeneinander von Grundgebühr und Mindestgebühr (dazu: Driehaus, Hrsg., a. a. O., Rn. 693 c) auch in der Weise vorstellbar, dass nur ein Teil der vorgenannten Kosten über die Grundgebühr, ein anderer Teil dagegen über die als Mindestgebühr erhobene Leistungsgebühr abgedeckt wird. Vermieden werden muss nur eine aus dem Einsatz beider Gebührenarten erzielte Mehrfachdeckung derselben Kosten. Im vorliegenden Fall macht der Beklagte geltend, dass der Deckung über die an die Leerungsfrequenz anknüpfende Leistungsgebühr nur solche Kosten vorbehalten sind, die nicht zusätzlich Eingang in die Kalkulation der Grundgebühr gefunden haben. Wenn dem so ist, wäre die Kalkulation auch der Leistungsgebühr Restmüll nicht zu beanstanden. Die Berufung ist insoweit antragsgemäß zuzulassen. Die Frage, wie es sich unter dem beschriebenen Aspekt mit der Rechtmäßigkeit der Kalkulation tatsächlich verhält, ist gegebenenfalls in dem durch die Zulassung eröffneten Berufungsverfahren nachzugehen.
Soweit der Zulassungsantrag abgelehnt worden ist, hat der Beklagte die auf diesen Teil des Zulassungsverfahrens entfallenden Kosten zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die insoweit getroffene Streitwertentscheidung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes. Die Entscheidung über die Kosten im Übrigen erfolgt im Rahmen der Kostenentscheidung im zugelassenen Berufungsverfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 2 VwGO).
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung, soweit sie zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses zu begründen ist. Die Begründung ist beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
Ende der Entscheidung
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