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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: 5 UZ 1996/05
Rechtsgebiete: GebO der Frankfurter Wertpapierbörse, InsO


Vorschriften:

GebO der Frankfurter Wertpapierbörse § 15
GebO der Frankfurter Wertpapierbörse § 4 Abs. 2
InsO § 53
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 80
Gebühren für die Notierung von Wertpapieren an einer Börse sind Masseverbindlichkeiten, wenn die Erfüllung des Gebührentatbestandes nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 UZ 1996/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Erhebung von Notierungsgebühren

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 7. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 2005 - 1 E 3211/04(V) - wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf einen Betrag von 7.500,-- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 2005 bleibt ohne Erfolg.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Aktiengesellschaft, deren Aktien bei der Beklagten notiert sind. Er wendet sich gegen die Erhebung von Notierungsgebühren durch die Beklagte. Das Verwaltungsgericht hat diese Klage abgewiesen.

Aus den Ausführungen des Bevollmächtigten des Klägers zu dem Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) ergeben sich derartige Zweifel nicht. Der Senat hat aufgrund der im Zulassungsverfahren allein zu überprüfenden Darlegungen keine Zweifel an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, bei den streitigen Notierungsgebühren für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2004 handele es sich um Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung - InsO -. Nach dieser Vorschrift sind Masseverbindlichkeiten, die gemäß § 53 InsO aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigen sind, Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Bei den von der Beklagten erhobenen Notierungsgebühren nach § 15 ihrer Gebührenordnung - GebO - handelt es sich um Verbindlichkeiten, die in anderer Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet worden sind. Dabei liegt die Begründung der Gebührenforderung durch die Verwaltung der Insolvenzmasse darin, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Aktien der in Insolvenz gefallenen Aktiengesellschaft weiter gehandelt und notiert wurden. Dem widerspricht nicht, dass die im Fremdbesitz befindlichen Wertpapiere einer börsennotierten Gesellschaft bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zum Vermögen dieser Gesellschaft und damit nicht zur Insolvenzmasse gehören (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 2005 - 6 C 4.04 -, Buchholz 451.66 WpHG Nr. 1 = NJW-RR 205, 1207). Die Gebührenpflicht für die Notierung der Wertpapiere trifft nicht die Besitzer der Aktien, sondern nach § 4 Abs. 2 GebO den "Antragsteller". Antragsteller ist derjenige, der mit dem Antrag auf Zulassung der Wertpapiere an der Börse auch deren regelmäßige Notierung in Gang gesetzt hat, also die Aktiengesellschaft. An deren Stelle tritt nach Eröffnung der Insolvenz hinsichtlich ihres Vermögens der Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO). Da der Antrag auf Eröffnung und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bewirken, dass die Börsenzulassung der Wertpapiere der Gesellschaft entfällt, diese vielmehr weiter gehandelt werden können, ist für nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehende Gebührenforderungen, die im Zusammenhang mit der Börsenzulassung stehen, der Insolvenzverwalter verantwortlich. Zu Recht weisen auch das Verwaltungsgericht und die Beklagte darauf hin, dass der Kläger als Insolvenzverwalter die Zulassung der Wertpapiere zur Börse hätte widerrufen lassen können, wobei natürlich die Anforderungen des Aktienrechts zu beachten gewesen wären (vgl. etwa: BGH, Urteil vom 25. November 2002 - II ZR 133/01 -, BGHZ 153, 47 = NJW 2003, 1032). Diese zusätzlichen Erfordernisse bewirken aber nicht den Wegfall der Gebührenpflicht. Dass auch durch einen Widerruf Gebühren entstehen, ist insofern ebenfalls ohne Einfluss. Zu Recht weist der Bevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass entscheidend für die Frage, ob es sich um eine Masseverbindlichkeit handelt, die Tatsache ist, wann die betreffende Gebührenforderung entstanden ist. Dies ist abhängig davon, wann der jeweilige Gebührentatbestand erfüllt ist. Nach § 15 Abs. 1 wird für die Notierung von Wertpapieren eine Gebühr als Jahresgebühr erhoben. Notierung ist - wie das Verwaltungsgericht bereits klargestellt hat - die Feststellung des Börsenpreises, d.h. des Preises für Wertpapiere, der während der Börsenzeit an einer Wertpapierbörse ermittelt wird. Dabei findet die Notierung kontinuierlich an jedem Handelstag der Börse statt. Somit knüpft der Gebührentatbestand nicht etwa an die Zulassung oder die Einführung des Wertpapiers an - für diese werden gesonderte Gebühren erhoben -, sondern an die jeweilige Ermittlung des Börsenpreises. Mit Erfüllung dieses Tatbestandes - Ermittlung des Börsenpreises - entsteht die Gebühr. Diese wird gemäß § 15 Abs. 1 GebO als Jahresgebühr erhoben. Die Gebührenpflicht beginnt jeweils mit dem Vierteljahr, in dem erstmals die Voraussetzung für die Entrichtung der betreffenden Notierungsgebühr vorliegt. Dies entspricht auch der Einordnung von öffentlich-rechtlichen Abgaben allgemein im Insolvenzverfahren. Ist der Abgabentatbestand - wie etwa bei Abfall-, Wasser- oder Abwassergebühren oder Steuern - erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, handelt es sich bei den daraus resultierenden Forderungen um Masseverbindlichkeiten, wenn sie der Verwaltung der Insolvenzmasse zugerechnet werden können (vgl. Uhlenbruck <Hrsg.> - Berscheid, InsO, 12. Aufl., § 55 Rdn 37, § 80 Rdn 114, 119).

Weitere, auf anderen Erwägungen beruhende ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils hat der Klägerbevollmächtigte nicht dargelegt.

Aus den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten ergibt sich auch nicht der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist es Sache des die Berufungszulassung erstrebenden Beteiligten, die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen ist. Wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, so muss, um dem gesetzlichen Darlegungserfordernis zu genügen, dargetan werden, welche konkrete und in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfrage oder welche bestimmte und für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle bedeutsame Frage tatsächlicher Art im Berufungsverfahren geklärt werden soll und inwieweit diese Frage einer (weitergehenden) Klärung im Berufungsverfahren bedarf. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der vorgenannten Bestimmung hat ein Verwaltungsstreitverfahren nur dann, wenn es eine tatsächliche oder rechtliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer Klärung bedarf.

Der Klägerbevollmächtigte benennt als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung die Frage, ob Börsennotierungsgebühren Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO darstellen.

Zur Begründung führt er aus, diese Frage sei höchstrichterlich bisher nicht entschieden. Die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung ergebe sich daraus, dass die Insolvenz von Unternehmen, deren Aktien an deutschen Börsen zum amtlichen oder geregelten Markt zugelassen seien, keine seltene Ausnahme mehr sei.

Damit ist eine entscheidungserhebliche Frage grundsätzlicher Bedeutung nicht dargelegt. Wie oben im Rahmen der Prüfung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ausgeführt, sind die für die vom Klägerbevollmächtigten benannte Frage entscheidenden Grundfragen geklärt oder ergeben sich bereits aus dem Gesetz. So ist zum einen geklärt, dass es für die Frage, ob eine Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden ist oder aber ob sie Masseverbindlichkeit nach § 53 InsO ist, darauf ankommt, ob die Forderung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war oder nicht. Des Weiteren ist bereits geklärt, dass öffentlich-rechtliche Gebührenforderungen erst mit der Verwirklichung des Gebührentatbestandes entstehen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes aus den §§ 52 Abs. 1 und 3, 47 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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