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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.07.2006
Aktenzeichen: 5 UZ 2743/05
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 130 Abs. 2 S. 1
BauGB § 130 Abs. 2 S. 2
BauGB § 133 Abs. 3 S. 1
Ist Gegenstand der Erhebung von Vorausleistungen auf den künftigen Erschließungsbeitrag nur eine Teilstrecke der insgesamt geplanten Straßenanlage und wird dementsprechend der Aufwand auch nur auf ein entsprechend eingeschränktes Abrechnungsgebiet verteilt, so bedarf es auch schon im Vorausleistungsverfahren einer die gesonderte Abrechnung der Teilstrecke als Abschnitt erlaubenden Abschnittsbildung durch das hierfür zuständige Gemeindeorgan.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 UZ 2743/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Heranziehung zu Vorausleistungen auf den künftigen Erschließungsbeitrag;

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 5. Juli 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 15. September 2005 - 6 E 957/04 - wird abgelehnt.

Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 13.515,-- € festgesetzt.

Gründe:

Der auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO) gestützte Zulassungsantrag, den die Beklagte innerhalb der Fristen des § 124a Abs. 4 VwGO gestellt und begründet hat, kann in der Sache keinen Erfolg haben.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag aus Anlass des "Straßenvorstufenausbaus" im Gewerbegebiet ".................." nicht erfüllt seien. Bei einem Ausbau der vorliegenden Art scheide eine Teilabrechnung im Wege der Kostenspaltung aus, und zum anderen fehle es an der hier erforderlichen Abschnittsbildung im Sinne des § 130 Abs. 2 Satz 2 des Baugesetzbuchs (BauGB). Darüber hinaus erweise sich der angefochtene Vorausleistungsbescheid auch deswegen als rechtswidrig, weil die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage nicht im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB innerhalb von vier Jahren zu erwarten sei.

Mit ihren auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel bezogenen Ausführungen hält dem die Beklagte entgegen, dass es für die Erhebung der streitigen Vorausleistung auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Kostenspaltung oder einer Abschnittsbildung nicht ankommen könne, da an eine Abrechnung auf dieser Grundlage gar nicht gedacht sei. Vorausleistungen könnten "bis zur Höhe der endgültigen Erschließungsbeiträge" erhoben werden, und allein davon mache sie - die Beklagte - nach erfolgter Durchführung bereits eines Teiles der Bauarbeiten zur Straßenherstellung Gebrauch. Bei richtigem Verständnis der Erklärungen ihres Bürgermeisters in der mündlichen Verhandlung am 15. September 2005 und ausweislich ihres Schreibens vom 11. Februar 2004 im vorangegangenen Eilverfahren VG Kassel 6 G 3571/03 sei im Übrigen auch durchaus mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage innerhalb von vier Jahren zu rechnen. Nach dem aus dem jetzigen Investitionsprogramm sich ergebenden Zeitrahmen werde der Zustand der endgültigen Herstellung spätestens im Jahre 2008 erreicht sein.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung werden durch das Vorbringen der Beklagten zumindest im Ergebnis nicht begründet. Ob es schon für die Erhebung von Vorausleistungen einer "Kostenspaltung" oder "Abschnittsbildung" bedarf, hängt von dem Gegenstand der Abrechnung ab. Wird die Abrechnung auf eine einzelne Teileinrichtung wie z. B. die Fahrbahn bezogen, so bedarf es für die Erhebung einer Vorausleistung auf den diesbezüglichen künftigen (Teil-) Beitrag einer Kostenspaltung; Entsprechendes gilt in Bezug auf die Abschnittsbildung dann, wenn sich die zu erhebende Vorausleistung auf die Herstellung eines bestimmten räumlichen Abschnitts der Gesamtanlage, der sich als solcher gesondert abrechnen lässt (§ 130 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BauGB), beziehen soll (zum Erfordernis auch einer Entscheidung über den "Ermittlungsraum" in diesem Falle: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 9. Aufl. 2005, § 133 Rn. 37). Wird dagegen die Abrechnung auf jeweils "die ganze" Verkehrsanlage - d. h. mit sämtlichen Teileinrichtungen und in voller räumlicher Ausdehnung - erstreckt, so erübrigen sich im Stadium der Vorausleistungserhebung unabhängig von dem tatsächlich erreichten Baufortschritt sowohl Kostenspaltung als auch Abschnittsbildung.

Für die hier streitige Abrechnung gilt unter diesem Aspekt Folgendes:

Für eine Kostenspaltung besteht keine Notwendigkeit, da Bezugspunkt der gewollten Vorfinanzierung durch Vorausleistungen ganz offensichtlich die Anlage mit sämtlichen Teileinrichtungen ist, so wie sie das Bauprogramm vorsieht. Anders verhält es sich dagegen, was die Erforderlichkeit einer Abschnittsbildung angeht. Wie die farbliche Kennzeichnung der "Ausbaustrecke" in dem von der Beklagten vorgelegten Lageplan (3. Hefter der Verwaltungsvorgänge) zeigt, ist Gegenstand der derzeitigen Arbeiten zur Straßenherstellung folgende Teilstrecke der im Bebauungsplan "...................." Flur 13 und 14 ausgewiesenen Gesamtstraßenanlage:

- Strecke der derzeitigen Wegeparzelle .../...

- Strecke der derzeitigen Wegeparzelle 100 zwischen Flurstück ...../... und Flurstück .......

- ein von der Wegeparzelle 100 nach Nordosten abzweigendes und entlang der nordwestlichen Grenze des Grundstücks des Klägers verlaufendes Straßenstück auf dem Gelände der derzeitigen Grundstücksparzellen ......./.... und ....../.....

- parallel dazu ein weiteres abzweigendes Straßenstück, welches entlang der nordwestlichen Grenze der Grundstücksparzelle ....../.... nach Nordosten verläuft.

Nach der Ausweisung der Straßenanlage im Bebauungsplan sollen die beiden abzweigenden Straßenstücke künftig bogenförmig zusammengeführt werden, so dass sich eine "Ringstraße" zur inneren Erschließung des Gewerbegebiets ergibt, in der der von Nordwesten kommende Straßenzug gleichsam "ausläuft". Dass die Beklagte vorerst nur die aus den oben beschriebenen Teilen zusammengesetzte Teilstrecke der künftigen Gesamtanlage abrechnen will und auf diese Strecke auch nur die Erhebung der hier streitigen Vorausleistungen bezieht, ergibt sich aus ihrem Verteilungsplan für die "Erschließungsbeitrags-Vorausleistungen ........................". Dieser Verteilung liegt nämlich ein auf das Gebiet der fraglichen Straßenstrecke beschränktes Abrechnungsgebiet zugrunde. Aus der Verteilung ausgeklammert bleiben mit den derzeitigen - großflächigen - Grundstücksparzellen 80, 81, 87, 88 und 89 sämtliche Flächen, deren Erschließung erst durch die bogenförmige Zusammenführung der jetzt schon im Bau befindlichen Anschlussstücke der geplanten Ringstraße vermittelt werden soll. Die damit verbundene Beschränkung des Abrechnungsgebiets läuft auf eine gesonderte Abrechnung der Strecke des bislang durchgeführten Vorstufenausbaus - entsprechend der farblichen Kennzeichnung im Lageplan - hinaus. Die gesonderte Abrechnung einer Teilstrecke der letztlich geplanten Gesamtanlage erfordert aber eine Abschnittsbildung. Dies gilt - wie oben ausgeführt - auch schon im Stadium der Erhebung von Vorausleistungen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es im vorliegenden Fall an einer wirksamen Abschnittsbildung. Die bislang im "Vorstufenausbau" hergestellte Teilstrecke, die aus einem Hauptstraßenzug und abzweigenden Anschlussstraßenstücken besteht, lässt eine an geeigneten Abschnittsbildungspunkten orientierte Abgrenzung als Voraussetzung einer gesonderten Abrechnung nicht erkennen. Es kommt hinzu, dass bislang auch nicht der erforderliche Abschnittsbildungsbeschluss des zuständigen Gemeindeorgans vorliegt. Die Entscheidung, aufgrund der Ermächtigung in § 130 Abs. 2 Satz 1 BauGB einen Abschnitt vorab gesondert abrechnen zu wollen, erfordert als Entscheidung über den "Ermittlungsraum" einen innerdienstlichen Ermessensakt (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl. 2004, § 14 Rn. 11). Nach Landesrecht richtet sich, welches Gemeindeorgan diese Entscheidung in Form einer Beschlussfassung zu treffen hat. Für Hessen ist auf der Grundlage der Zuständigkeitsregelung in den §§ 9 und 66 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) davon auszugehen, dass sich in Gemeinden von der Größe der Beklagten der Beschluss über die Bildung eines gesondert abzurechnenden Abschnitts mit beschränktem Abrechnungsgebiet nicht mehr als "laufende Verwaltung" der Gemeinde darstellt, so dass grundsätzlich die Gemeindevertretung als das für solche Beschlüsse zuständige Organ anzusehen ist (vgl. zum zuständigen Gemeindeorgan bei Teilabrechnungsbeschlüssen in Hessen auch die auf das Anschlussbeitragsrecht bezogenen Ausführungen im Kommentar Driehaus, Hrsg., Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 909 ff.).

Auf den weiteren Einwand der Beklagten, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage durchaus innerhalb von vier Jahren zu erwarten, kommt es nach dem Vorstehenden, wonach der Heranziehung durchgreifend bereits das Fehlen der erforderlichen Abschnittsbildung entgegensteht, nicht an. Dieses Vorbringen könnte nur dann erheblich sein, wenn man davon ausginge, dass Gegenstand der streitigen Vorausleistungserhebung tatsächlich die Gesamtanlage wäre, wie sie im Bebauungsplan ausgewiesen ist. Auch in diesem Fall würde freilich der Senat zu dem Ergebnis gelangen, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung letztlich nicht bestehen. Es mag sein, dass für die im "Vorstufenausbau" bereits angelegte - oben beschriebene - Teilstrecke mit einer endgültigen Herstellung innerhalb von vier Jahren zu rechnen ist. Eine vergleichbar verlässliche zeitliche Prognose lässt sich jedoch nicht für die Streckenfortführung im Anschluss an die beiden Straßenstücke, die die im Bebauungsplan vorgesehene Ringstraße ergeben sollen, treffen. Hier fehlt es bislang an jeglichem "Vorstufenausbau". Es ist unsicher, welchen Zuschnitt die angrenzenden Gewerbegrundstücke erhalten und wie demzufolge die erschlossenen Parzellen aussehen werden. Ganz offensichtlich bestehen Schwierigkeiten, Gewerbebetriebe für eine Ansiedlung in diesem Bereich zu gewinnen. Nach dem Vortrag des Bürgermeisters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist die Planung deshalb auch noch "offen" und eine Abänderung des derzeitigen Bebauungsplans nicht auszuschließen. Das wiederum kann sich auch auf den künftigen Verlauf der Ringstraße auswirken. Eine bestimmte Straßenparzelle, auf der man ohne das Risiko späterer Änderungen des Straßenverlaufs schon einmal mit der Anlegung einer Baustraße beginnen könnte, ist bislang nicht gebildet worden. Insgesamt ergibt sich so eine Reihe von Unsicherheitsmomenten, wegen derer in der Tat Zweifel an der Berechtigung der Aussage bestehen, dass die Gesamtanlage einschließlich Ringstraße innerhalb von vier Jahren fertig gestellt sein wird.

Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, wie sie die Beklagte geltend macht, scheidet ebenfalls aus. Die Frage, welche Anforderungen an die Erhebung von Vorausleistungen zu stellen sind, was das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Kostenspaltung oder eine Abschnittsbildung angeht, ist in dem oben dargelegten Sinne zu beantworten und bedarf keiner obergerichtlichen Klärung in einem Berufungsverfahren.

Der Zulassungsantrag der Beklagten ist nach allem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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