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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.01.2007
Aktenzeichen: 5 UZ 2966/06
Rechtsgebiete: KAG, WasserG


Vorschriften:

KAG § 11
WasserG i. d. F. v. 06.05.2005 § 43 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5
1.) Eine zum Wegfall der Vorteilhaftigkeit der Möglichkeit des Anschlusses an die gemeindliche Vollkanalisation führende anderweitige gleichwertige Entwässerungsmöglichkeit liegt nicht vor, wenn die anderweitige Entwässerung darin besteht, dass das in einer Grundstückskläreinrichtung vorgereinigte Abwasser mit wasserrechtlicher Erlaubnis in ein Gewässer eingeleitet wird.

2.) In einem solchen Fall ergibt sich ein Hinderungsgrund für die Erhebung des Anschlussbeitrags auch nicht daraus, dass die Geltungsdauer der wasserrechtlichen Einleitungserlaubnis noch nicht abgelaufen ist und das Grundstück somit noch nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 UZ 2966/06

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Heranziehung zu einem Kläranlagenbeitrag;

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 30. Januar 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf den Antrag der Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 2006 - 6 E 998/05 (1) - zugelassen.

Das Verfahren wird als Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen: 5 UE 300/07 fortgeführt.

Gründe:

Der Zulassungsantrag der Beklagten ist zulässig und hat, gestützt auf den von ihr geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auch in der Sache Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin ungeachtet der Möglichkeit des Anschlusses ihres Grundbesitzes an die gemeindliche Vollkanalisation nach Verlegung der Kanalsammelleitung im ................. deshalb nicht zum Kläranlagenbeitrag habe herangezogen werden können, weil es wegen der bis 31. März 2009 geltenden Erlaubnis der Unteren Wasserbehörde, das in einer Grundstückskläreinrichtung vollbiologisch vorgereinigte Abwasser in einen Vorfluter einzuleiten, an der Vorteilhaftigkeit der Anschlussmöglichkeit fehle. An der Berechtigung dieser Annahme und damit an der Richtigkeit der auf ihr beruhenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen aus folgenden Gründen ernstliche Zweifel:

Soweit nach der - vom Verwaltungsgericht angeführten - Rechtsprechung des OVG Münster eine "anderweitige Entwässerungsmöglichkeit" den mit dem Anschluss an die gemeindliche Entwässerungsanlage verbundenen Vorteil entfallen lassen kann (OVG Münster, U. v. 10.08.1999 - 15 A 2056/95 - NVwZ-RR 2000, 458), ist dies mit der ausdrücklichen Einschränkung versehen, dass es sich um eine g l e i c h w e r t i g e anderweitige Entwässerung handeln muss. In dem vom Oberverwaltungsgericht Münster entschiedenen Fall konnte die Gleichwertigkeit bejaht werden, weil die Entwässerungsalternative in der Inanspruchnahme einer die gleiche Entwässerungsleistung erbringenden Entwässerungsanlage eines Wasserverbandes bestand. Anders liegen die Dinge, wenn die Entwässerung - wie hier - über eine private Grundstückskläreinrichtung in Verbindung mit der wasserrechtlich erlaubten Einleitung des vorgereinigten Abwassers in ein Gewässer erfolgt. In diesem Fall trifft den Grundstückseigentümer die "Last" der Vorreinigung in einer von ihm zu unterhaltenden Kläreinrichtung auf dem Grundstück; darüber hinaus ist er mit der Entsorgung der Rückstände aus der Vorklärung belastet. Dass dies der Abwasserentsorgung über eine gemeindliche Vollkanalisation mit leitungsmäßiger Abnahme sämtlicher Abwässer ohne Vorklärung auf dem Grundstück nicht "gleichwertig" ist, liegt auf der Hand. Nicht anders als beim Übergang einer bestehenden Teilkanalisation auf Vollkanalisation ist auch hier das Angebot des erstmaligen Anschlusses an die Vollkanalisation mit einem besonderen Vorteil verbunden, der die Erhebung eines Anschlussbeitrags rechtfertigt.

Der Vorteilhaftigkeit der für den Grundbesitz der Klägerin gebotenen Möglichkeit des Anschlusses an die gemeindliche Vollkanalisation steht auch nicht, wie das Verwaltungsgericht meint, das Fehlen des Anschluss- und Benutzungszwangs während der Geltungsdauer der wasserrechtlichen Einleitungserlaubnis entgegen. Wie sich aus § 4 Abs. 1 der Entwässerungssatzung der Beklagten ergibt, setzt der Anschluss- und Benutzungszwang den Anfall von beseitigungs- und überlassungspflichtigem Abwasser auf dem Grundstück voraus. Entfällt gem. § 43 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 des Hessischen Wassergesetzes (HWG) in der Fassung vom 6. Mai 2005, GVBl. I S. 305, die Pflicht zur Abwasserbeseitigung nach Abs. 1 und zur Überlassung des Abwassers nach Abs. 3 dieser Bestimmung, weil die Einleitung des Abwassers in ein Gewässer wasserrechtlich erlaubt ist, so lässt dies für die Dauer der Erlaubnis den Zwang zum Anschluss an die gemeindliche Entwässerungsanlage und zu deren Benutzung entfallen. Das freilich schließt nicht aus, dass schon vorher mit der Verlegung einer öffentlichen Sammelleitung vor dem Grundstück und der dadurch begründeten Anschlussmöglichkeit die Beitragspflicht entstehen kann. Zu Recht macht die Beklagte unter Hinweis auf § 16 ihrer Entwässerungssatzung geltend, dass für die Vorteilhaftigkeit der Anschlussmöglichkeit das Bestehen eines auf die verlegte Sammelleitung bezogenen Anschluss r e c h t s genügt. Das Wirksamwerden auch schon des Anschluss z w a n g s ist hierfür nicht Voraussetzung. An dem den Beitrag rechtfertigenden Vorteil, der durch die Zurverfügungstellung einer betriebsfertigen öffentlichen Entwässerungseinrichtung geboten wird, vermag, wie das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschieden hat (U. v. 26.07.1979 - III OVG A 143/77 -), selbst eine ausdrückliche Befreiung vom Anschlusszwang nichts zu ändern. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Gemeinde den Anschluss und/oder die Benutzung der öffentlichen Einrichtung untersagt (OVG Lüneburg, U. v. 16.02.1990 - 9 L 97/89 -). Mit dem abzugeltenden Vorteil der Inanspruchnahme legt das Beitragsrecht für den Beitrag einen Anknüpfungspunkt zugrunde, der eine frühzeitige Finanzierung schon im Zeitpunkt der Vorhaltung der betriebsfertigen Einrichtung sicherstellt. Auch für ein noch unbebautes, leitungsmäßig aber bereits erschlossenes Baugrundstück kann deshalb der Anschlussbeitrag erhoben werden, ohne dass es darauf ankommt, dass mangels Bebauung ein Anschlusszwang noch nicht besteht.

Der Senat setzt sich mit der vorstehenden Auffassung nicht etwa in Widerspruch zu seinem Beschluss vom 27. Juli 1984 (V TH 94/82 - HSGZ 1984, 372). Soweit der Senat in dieser Entscheidung die Beitragspflicht für den Fall einer der Erteilung einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang gleichzustellenden Eigentümerposition die Beitragspflicht verneint hat, hing das mit der besonderen Ausgestaltung des damals anzuwendenden Satzungsrechts zusammen. Die Satzung wurde nämlich auf Grund einer darin enthaltenen Verweisungsregelung so verstanden, dass sie für die Entstehung der Beitragspflicht auf einen bereits wirksamen Anschluss- und Benutzungszwang abstelle. Ob dieses Satzungsverständnis wirklich zwingend war, braucht aus Anlass des vorliegenden Falles nicht neu aufgerollt und entschieden zu werden, denn jedenfalls hat der Senat damit nicht sagen wollen, dass es für die Beitragspflicht schon nach der gesetzlichen Regelung auf einen bereits bestehenden Anschluss- und Benutzungszwang ankomme.

Aus der vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung des OVG Münster vom 15. Februar 2000 (15 A 772/97 - NVwZ-RR 2000, 719) ergibt sich ebenfalls nichts Abweichendes. Das OVG Münster hat in dieser Entscheidung den maßgeblichen Hinderungsgrund für die Entstehung der Beitragspflicht darin gesehen, dass der Grundstückseigentümer von der Gemeinde verpflichtet worden war, selbst für die Beseitigung des Niederschlagswassers durch Versickerung auf seinem Grundstück zu sorgen. Der Grundstückseigentümer durfte das fragliche Abwasser also gar nicht der gemeindlichen Entwässerungseinrichtung zuführen. Um eine Fallgestaltung dieser Art geht es im vorliegenden Fall nicht.

Da die Berufung jedenfalls wegen der dargelegten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zuzulassen ist, erübrigt sich eine Befassung mit dem auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Satz 3 VwGO) bezogenen sonstigen Vorbringen der Beklagten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 2 VwGO).

Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen ist. Die Begründung ist beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

Ende der Entscheidung

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