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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.02.2003
Aktenzeichen: 5 UZ 35/03
Rechtsgebiete: Hess KAG, Straßenbeitragssatzung der Stadt Bebra


Vorschriften:

Hess KAG § 2
Hess KAG § 11
Straßenbeitragssatzung der Stadt Bebra vom 27.06.1996
1) Nach dem Hess. KAG muss zum Zeitpunkt der Entstehung eines Beitragsanspruches eine wirksame satzungsrechtliche Grundlage bestehen. Der Zeitpunkt der Fertigstellung und damit der Entstehung des Beitragsanspruchs bemisst sich bei Um- und Ausbaumaßnahmen nach dem Bauprogramm (ständige Rechtssprechung des Senats).

2) Sieht eine Straßenbeitragssatzung eine Eckgrundstücksermäßigung bei einer Mehrfacherschließung durch "gleichartige Verkehrsanlagen" vor, ist darunter eine Unterscheidung nach der Art der Erschließungsanlage, wie Straße oder Weg o. ä. zu verstehen, nicht eine Differenzierung nach der Bedeutung des Verkehrs, dem die Anlage überwiegend dient.


5 UZ 35/03 VG Kassel 6 E 181/01

Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Straßenbeitrags

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

am 13. Februar 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 19. November 2002 - 6 E 181/01 - in Höhe eines Anteils von 470,-- DM (= 240,31 €) zugelassen.

Insoweit wird das Verfahren unter dem Aktenzeichen 5 UE 582/03 fortgeführt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Soweit der Zulassungsantrag abgelehnt worden ist, trägt der Kläger die Kosten des Zulassungsverfahrens. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung der Kostenentscheidung im Berufungsverfahren.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf einen Betrag von 603,32 € festgesetzt, wobei auf den abgelehnten Teil des Antrags ein Anteil von 363,01 € entfällt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 19. November 2002 ist zulässig, aber nur in Höhe des im Tenor ausgewiesenen Anteils begründet. Nur in dieser Höhe wecken die Ausführungen des Bevollmächtigten des Klägers zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) auch beim Senat ernstliche Zweifel.

Der Bevollmächtigte des Klägers trägt vor, aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, der Beklagten und den Verwaltungsvorgängen der Beklagten ergebe sich, dass der erste Bauabschnitt des Bauprogramms der Beklagten für den Um- und Ausbau der Gesamtanlage bereits vor Erlass der ersten Straßenbeitragssatzung der Beklagten vom 27. Juni 1996 fertig gestellt worden sei. Die Anlieger dieses ersten Abschnitts seien nicht zur Zahlung eines Beitrags herangezogen worden und hätten auch nicht herangezogen werden können. Dieser Bauabschnitt liege aber zwischen dem zweiten und dritten Bauabschnitt und unterbreche somit den gesamten Straßenzug. Nunmehr habe die Beklagte versucht, in ihre Berechnung den umlagefähigen Aufwand des zweiten und dritten Bauabschnitts in Höhe von 620.000,-- DM zuzüglich 925.000,-- DM zusammenzufassen und abzurechnen. Dies lasse jedoch das hessische Landesrecht nicht zu, wie sich aus der Rechtsprechung des Senats ergebe.

Diese Ausführungen wecken keine ernstlichen Zweifel beim Senat an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Nach der Rechtsprechung des Senats zu den §§ 2 und 11 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes - KAG - ist es im kommunalen Beitragsrecht - anders als nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht - erforderlich, dass eine die Beitragspflicht begründende Satzung im Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht durch Fertigstellung der Einrichtung wirksam ist (vgl. Urteil vom 31. Mai 1979 - V OE 18/78 -, HSGZ 1980, 61; allgemein: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl., § 30 Rdnrn. 3 ff. mit Nachweisen aus den verschiedenen Landesrechtsprechungen). Ob eine Um- oder Ausbaumaßnahme bereits fertiggestellt worden ist, bemisst sich nach dem dieser Maßnahme zugrunde liegenden Ausbauprogramm der Kommune (vgl. Urteil vom 12. September 1990 - 5 UE 479/86 -, HSGZ 1991, 263). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts sowie den Unterlagen der Beklagten war das Ausbauprogramm der Beklagten aber von Anfang an auf den Ausbau der gesamten Anlage ausgerichtet. Allerdings sollte der Ausbau aus finanziellen Gründen in verschiedenen Abschnitten nacheinander vorgenommen werden. Damit ist eine Fertigstellung der Um- und Ausbaumaßnahme erst mit dem Gesamtabschluss des Ausbauprogramms gegeben. Insofern kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte zuerst als ersten Bauabschnitt den Mittelteil der Gesamtanlage ausgebaut hat und erst danach die äußeren Abschnitte. Maßgeblich ist für das Erfordernis des Vorliegens einer Beitragssatzung allein der Zeitpunkt des Entstehens des Beitragsanspruchs, d.h. der Zeitpunkt des Abschlusses der nach dem Bauprogramm vorgesehenen Ausbaumaßnahme. Diese ist jedoch hier bisher noch nicht abgeschlossen.

Insofern ist auch - entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten - nicht von Bedeutung, dass die Beklagte mit dem dritten Bauabschnitt des Bauprogramms zum Zeitpunkt der Erhebung der hier streitigen Vorausleistung auf den zukünftigen Straßenbeitrag noch nicht begonnen hat. Nach § 13a der Straßenbeitragssatzung (StrBS) der Beklagten kann diese - im Einklang mit § 11 Abs. 9 KAG - ab Beginn des Jahres, in dem mit der Baumaßnahme begonnen wird, Vorausleistungen bis zur Höhe des voraussichtlichen Beitrages verlangen. Da mit der Gesamtbaumaßnahme längst begonnen worden ist, kann die Stadt auch Vorausleistungen für die Vornahme dieser Gesamtbaumaßnahme erheben.

Auch die Darlegungen des Klägerbevollmächtigten zur Einstufung der Gesamtverkehrsanlage als überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr dienend wecken beim Senat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. So hat er keine substantiierten Anhaltspunkte dafür genannt, dass überwiegend überörtlicher Durchgangsverkehr die Straße benutzt. In den Unterlagen der Beklagten zum Ausbau der einzelnen Bauabschnitte und zur Gesamtbaumaßnahme ist die Verkehrsanlage von Anfang an als örtliche Durchgangsstraße charakterisiert worden. Zwar mag es sein, dass diese Straße auch von Teilen des überörtlichen Verkehrs zur Abkürzung genutzt wird - wie es der Klägerbevollmächtigte vorträgt -, dass die Anlage dadurch allerdings überwiegend überörtlichem Durchgangsverkehr dient, ist nicht ersichtlich.

Ernstliche Zweifel weckt der Vortrag des Klägerbevollmächtigten am Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Urteils allerdings insofern, als das Verwaltungsgericht die Entscheidung der Beklagten bestätigt hat, dem Kläger keine Eckgrundstücksvergünstigung nach § 12 StrBS zu gewähren. Nach dieser Vorschrift werden bei durch mehrere gleichartige Verkehrsanlagen erschlossenen Grundstücken die ermittelten Berechnungsflächen bei der Verteilung des Aufwands für jede Verkehrsanlage voll und bei der Festsetzung des Beitrags für das einzelne Grundstück nur mit 60 % zu Grunde gelegt. Die Beklagte hat - vom Verwaltungsgericht unbeanstandet - den unbestimmten Rechtsbegriff "gleichartige Verkehrsanlagen" so ausgelegt, dass es sich dabei jeweils um Verkehrsanlagen handeln muss, die von ihrer Verkehrsbedeutung im Sinne des § 3 StrBS überwiegend dem gleichen Verkehr, d.h. dem Anliegerverkehr, innerörtlichem oder überörtlichem Durchgangsverkehr, dienen. An dieser Auslegung des Begriffs "gleichartig" in diesem Zusammenhang hegt der Senat jedoch ernstliche Zweifel. Die Entscheidung, ob eine Kommune in ihrer Straßenbeitragssatzung eine sogenannte Eckgrundstücksvergünstigung vorsieht, steht in ihrem Ermessen. Hier hat die Beklagte von diesem Ermessen Gebrauch gemacht und eine derartige Ermäßigung in § 12 StrBS vorgesehen. "Gleichartig" in Bezug auf erschließende Verkehrsanlagen kann dabei jedoch sinnvoller Weise nach Ansicht des Senats nur eine Differenzierung danach bedeuten, ob es sich bei den jeweiligen Erschließungsanlagen um Straßen oder Wege - wie etwa Wohnwege oder ähnliches - handelt, d.h. jeweils um Anlagen, die den gleichen Erschließungsvorteil vermitteln. Nur wenn es sich in diesem Sinne um beitragsfähige Erschließungsanlagen der gleichen Art handelt, liegt eine Mehrfacherschließung in dem Sinne vor, die eine Billigkeitsermäßigung nach der Satzungsregelung rechtfertigt (vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht: Driehaus, a.a.O., § 18 Rdnr. 72). Für eine Differenzierung danach, ob die unterschiedlichen Erschließungsanlagen, die das Grundstück mehrfach erschließen, die gleiche Verkehrsbedeutung haben, fehlt es jedoch in dem Fall, in dem eine Kommune eine Eckgrundstücksvergünstigung in ihrer Satzung vorsieht, an einer Rechtfertigung. Vielmehr geht die Eckgrundstücksvergünstigung auf den Gedanken zurück, dass der Erschließungsvorteil der Mehrfacherschließung sich nicht um die Zahl der das jeweilige Grundstück erschließenden verschiedenen Erschließungsanlagen vervielfältigt, sondern dass der durch die Mehrfacherschließung erworbene Vorteil geringer ausfällt. Dieser Grund dafür, eine derartige Satzungsregelung zu schaffen, ist jedoch von der reinen Verkehrsbedeutung der unterschiedlichen Erschließungsanlagen unabhängig.

Da demzufolge ernstliche Zweifel des Senats nur im Hinblick auf die dem Kläger nicht zugute gekommenen Eckgrundstücksermäßigung bestehen, lässt der Senat nur in dieser Höhe die Berufung zu. Dabei führt auch die Erwägung, dass die Beklagte bei Ausschöpfung auch des Aufwandes für den ersten Bauabschnitt eine höhere Vorausleistung hätte erheben können, nicht dazu, die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Vorausleistungsbescheides zu überwinden. Die Beklagte hat vielmehr von ihrem Ermessen bei Erhebung einer Vorausleistung insofern Gebrauch gemacht, als sie nur den Aufwand für den zweiten und dritten Bauabschnitt insoweit einbeziehen und von dem so errechneten Beitrag nur 90 % vom Beitragspflichtigen als Vorausleistung erheben wollte. Daran ist sie festzuhalten. Legt man somit beim Kläger nur 60 % seiner Berechnungsfläche von 497,7 qm zu Grunde, so ergibt sich bei einem umzulegenden Aufwand pro Quadratmeter von 2,62 DM für ihn ein Beitrag von 782,38 DM. Die davon im Wege der Vorausleistung von der Beklagten geltend gemachten 90 % hat sie bei allen Beitragspflichtigen auf die nächste glatte Zehnersumme aufgerundet. Dies ergibt im Fall des Klägers einen Betrag von 710,-- DM. Bei einem mit dem streitigen Vorausleistungsbescheid geltend gemachten Vorausleistungsbeitrag von 1.180,-- DM ist also die Berufung in Höhe eines Anteils von 470,-- DM (entspricht 240,31 €) zuzulassen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich hinsichtlich des abgelehnten Anteils des Zulassungsantrags aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kosten des übrigen Teiles des Zulassungsverfahrens folgen der Kostenentscheidung im Berufungsverfahren.

Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf den §§ 13 Abs. 2, 14 Gerichtskostengesetz - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen ist. Die Begründung ist beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.



Ende der Entscheidung

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