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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.08.2005
Aktenzeichen: 5 UZ 3645/04
Rechtsgebiete: BundesbodenschutzG, HessVwKostG


Vorschriften:

BundesbodenschutzG § 24
BundesbodenschutzG § 9
HessVwKostG § 2 Abs. 1
Für die als "Maßnahme" der zuständigen Behörde in einem bodenschutzrechtlichen Verfahren nach § 9 Abs. 1 des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) in Erscheinung tretende Prüfung eines vorgelegten Gutachtens können auf Grund der bundesrechtlichen Kostentragungsregelung in § 24 Abs. 1 BBodSchG Verwaltungskosten nach dem Verwaltungskostengesetz des Landes nicht erhoben werden.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 UZ 3645/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Heranziehung zu Verwaltungskosten

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Schneider, Richter am Hess. VGH Dr. Jürgens

am 10. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 23. September 2004 - 3 E 2221/02(4) - wird abgelehnt.

Der Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 220,-- € festgesetzt.

Gründe:

Der auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) gestützte Zulassungsantrag ist zulässig; insbesondere ist er fristgerecht gestellt und begründet worden. In der Sache kann er jedoch keinen Erfolg haben, denn die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen die Heranziehung zu Verwaltungskosten in Höhe von 220,-- € für die Prüfung des dem Regierungspräsidium Darmstadt von der Klägerin vorgelegten Berichts zur orientierenden Untersuchung des DB-Standorts Darmstadt-Eberstadt mit der Begründung stattgegeben, dass diese Heranziehung im Hessischen Verwaltungskostengesetz (HVwKostG) in der Fassung vom 3. Januar 1995, GVBl. I S. 2, und in der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten in Verbindung mit Nr. 16518 des dazu ergangenen Verwaltungskostenverzeichnisses keine Rechtsgrundlage finde, da das Regierungspräsidium aufgrund seiner Zuständigkeit aus § 9 Abs. 1 des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) vom 17. März 1998, BGBl. I S. 502, gehandelt habe und die aus § 24 Abs. 1 BBodSchG für solches Handeln abzuleitende Kostenfreiheit des betroffenen Grundstückseigentümers der Erhebung von Kosten für eine kostenauslösende Amtshandlung nach Maßgabe des Landesrechts entgegenstehe. Mit seinen Ausführungen zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel wendet sich das beklagte Land sowohl gegen die Annahme behördlichen Handelns nach § 9 Abs. 1 BBodSchG als auch gegen die daraus gezogene Folgerung der Kostenfreiheit für die Klägerin. In beiden Punkten ergeben sich indessen für den Senat keine ernstlichen Zweifel, die eine Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil rechtfertigen können.

Nicht zu folgen vermag der Senat zunächst der in der Antragsbegründung zum Ausdruck gebrachten Auffassung, bei der Stellungnahme des Regierungspräsidiums zu dem ihm vorgelegten Gutachten handele es sich um eine Amtshandlung a u ß e r h a l b des Verfahrens nach § 9 Abs. 1 BBodSchG. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG soll die zuständige Behörde bei Vorliegen von Anhaltspunkten für eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast "zur Ermittlung des Sachverhalts die geeigneten Maßnahmen ergreifen". Der Beklagte meint, dass von einer behördlichen Tätigkeit in diesem Sinne im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ausgegangen werden könne, weil das Gutachten von der Klägerin selbst im Rahmen ihres Projekts "ökologische Altlasten" erarbeitet und vorgelegt worden sei. Ihr Interesse hierbei habe nicht dem an der Gefahrenabwehr orientierten Vollzug des Bundesbodenschutzgesetzes, sondern der Bewertung ihrer möglicherweise belasteten Grundstücke für die Erstellung der Bilanz der Deutschen Bahn AG gegolten. Das Regierungspräsidium Darmstadt habe daher seinerseits mit der Prüfung des erstellten und vorgelegten Gutachtens lediglich eine Dienstleistung im Interesse der Klägerin erbracht. Dieser Argumentation ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im erstinstanzlichen Urteil entgegenzuhalten, dass das von den Beteiligten praktizierte Verfahren dem vom Hessischen Umweltministerium im Einvernehmen mit der Klägerin entwickelten bodenschutzrechtlichen Verwaltungsverfahren zur optimierten Bearbeitung von Altlastenfällen entspricht. Die Tätigkeit der Behörden soll sich danach auf die Bewertung und Überprüfung von Gutachten konzentrieren, die die Grundstückseigentümer bzw. die Sanierungswilligen auf der Grundlage von in eigener Sachkenntnis und Verantwortung ausgeführten Vorarbeiten und Untersuchungen erstellen lassen und vorlegen. Der in § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG verwendete Begriff der Maßnahmen der zuständigen Behörde zur Ermittlung des Sachverhalts schließt ein derartiges Vorgehen nicht aus. Das Gesetz stellt auf "geeignete" Maßnahmen ab und lässt damit auch eine als Mitwirkungs- oder Vorbereitungshandlung sich äußernde "Einbindung" des betroffenen Grundstückseigentümers in die behördliche Aufgabenerfüllung mit dem Ziel der Effizienzsteigerung ("Verfahrensoptimierung") zu. Die Bewertung der vom Regierungspräsidium Darmstadt bei der Überprüfung des vorgelegten Gutachtens entfalteten Tätigkeit als Aufgabenerfüllung nach § 9 Abs. 1 BBodSchG scheitert nicht etwa, wie der Beklagte meint, daran, dass der Behörde bei diesem Vorgehen keine "Anhaltspunkte" für eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorgelegen hätten. Die erforderlichen Anhaltspunkte ergaben sich bereits daraus, dass nach den im Gutachten dargestellten historischen Erkundungen der Klägerin auf den betroffenen Flächen kritische umweltrelevante Nutzungen stattgefunden hatten, die wiederum einen Untersuchungsbedarf auf der Stufe des § 9 Abs. 1 BBodSchG - Prüfung des Vorliegens konkreter Anhaltspunkte für den hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast im Sinne des § 9 Abs. 2 BBodSchG - auslösten. Dass die Prüfung vorgelegter Gutachten durch die staatlichen Umweltämter einen "Altlastenanfangsverdacht", damit "Anhaltspunkte" im Sinne des § 9 Abs. 1 BBodSchG erfordert, wird in dem den staatlichen Umweltämtern zugeleiteten Hinweisblatt für die optimierte Bearbeitung von Altlastenfällen erkennbar vorausgesetzt. Darin heißt es nämlich, dass Flächen, die nach der vorgenannten Bewertung keinen Altlastenanfangsverdacht ergeben, den staatlichen Umweltämtern gar nicht erst zur Prüfung vorgelegt werden sollen. Nur dann, wenn ein Altlastenanfangsverdacht zu bejahen ist, sind den staatlichen Umweltämtern die Ergebnisse der erprobungslosen Erkundung, das dazugehörige Gutachten und die Bewertung der Verunreinigungen zusammen mit dem Gutachten der orientierenden Untersuchung zu übergeben (Ziff. 4 des Ablaufs der verfahrensoptimierten Altlastenbearbeitung im Hinweisblatt). Damit ist gewährleistet, dass die Prüfung der Gutachten durch die staatlichen Umweltämter auch tatsächlich als "Maßnahme" im Vollzug des § 9 Abs. 1 BBodSchG erfolgt. Das gleichzeitig bestehende Eigeninteresse der Klägerin an der Überprüfung des von ihr vorgelegten Gutachtens, wie es sich allein darin ausdrückt, dass sie bereit war, das Gutachten auf eigene Kosten erstellen zu lassen, ist unter diesen Umständen der Annahme einer nach § 9 Abs. 1 BBodSchG entfalteten behördlichen Tätigkeit nicht hinderlich. Das Verwaltungsgericht führt insoweit zutreffend aus, dass sich die Behörde in nicht zu beanstandender Weise "im Interesse eines vorbeugenden Wasser- und Bodenschutzes die grundsätzliche Bereitschaft der Klägerin, unbeschadet konkret bestehender Rechtspflichten in den konkreten Einzelfällen das Gefahrenpotential präventiv abzuklären, zu Nutze gemacht hat.

Davon ausgehend, dass sich die Überprüfung des vorgelegten Gutachtens durch das Regierungspräsidium Darmstadt als behördliche Tätigkeit im Rahmen des § 9 Abs. 1 BBodSchG darstellt, stößt auch die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, bei bundesrechtskonformer Auslegung des § 24 BBodSchG verbiete sich hierfür die Erhebung von Kosten nach dem Hessischen Verwaltungskostengesetz, auf keine durchgreifenden Bedenken. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG sind die Kosten u.a. der nach § 9 Abs. 2 BBodSchG angeordneten Maßnahmen von den "zur Durchführung Verpflichteten zu tragen". Bei den angeordneten Maßnahmen handelt es sich "um die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung", die von den in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen durchzuführen sind, wenn sich aufgrund der an einen Anfangsverdacht anknüpfenden behördlichen Ermittlung nach § 9 Abs. 1 BBodSchG "aufgrund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast" ergeben hat. Bestätigen in diesem Fall die angeordneten Untersuchungen den Verdacht nicht oder liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 vor, sind den zur Untersuchungen Herangezogenen die Kosten zu erstatten, wenn sie die den Verdacht begründende Umstände nicht zu vertreten haben (§ 24 Abs. 1 Satz 2 BBodSchG). Aus der in § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG geregelten Kostentragungspflicht für nach § 9 Abs. 2 BBodSchG angeordnete Maßnahmen folgt im Umkehrschluss, dass die Kosten für ergriffene Maßnahmen im Stadium des § 9 Abs. 1 BBodSchG nicht auf den betroffenen Grundstückseigentümer abgewälzt werden können, somit von der Allgemeinheit aufzubringen sind. In diesem Punkt sind sich die Beteiligten auch grundsätzlich einig. Der Beklagte meint freilich, dass von der Kostenfreiheit der nach § 9 Abs. 1 BBodSchG ergriffenen Maßnahmen die Verwaltungskosten unberührt blieben, die aus Anlass einer von der Behörde im Rahmen ihrer Tätigkeit nach § 9 Abs. 1 BBodSchG getroffenen Amtshandlung anfielen und nach Maßgabe des Verwaltungskostengesetzes des Landes zu erheben seien. Das Verwaltungsgericht verkenne, soweit es aus § 24 Abs. 1 BBodSchG eine "Sperrwirkung" für die Erhebung von Kosten nach Landesrecht im Bereich des § 9 Abs. 1 BBodSchG ableite, den Unterschied zwischen den in § 24 Abs. 1 geregelten Kosten für die Durchführung von Maßnahmen ("Maßnahmedurchführungskosten") und den Verwaltungskosten aus Anlass der Vornahme behördlicher Amtshandlungen. Es handele sich insoweit um unterschiedliche Gegenstände, so dass die Kostenfreiheit für Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 BBodSchG nichts über die Kostentragung bei nach Landesrecht kostenpflichtigen Amtshandlungen aussage. Diese Argumentation des Beklagten trägt der Koinzidenz von Maßnahme- und Verwaltungskosten nicht Rechnung, zu der es im vorliegenden Fall aufgrund des hier praktizierten "optimierten" bodenschutzrechtlichen Verfahrens eben dadurch kommt, dass die "Maßnahme" im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach § 9 Abs. 1 BBodSchG in der Überprüfung und Bewertung eines von der Klägerin vorgelegten Gutachtens, damit der äußeren Form nach in einer "Amtshandlung" im Sinne des Hessischen Verwaltungskostengesetzes besteht. Aufgrund dieses Zusammenfallens sind die für die Prüfung des Gutachtens anzusetzenden Kosten nichts anderes als - zugleich - Kosten der in diesem Fall ergriffenen behördlichen Maßnahme. Die auf die ergriffenen Maßnahmen bezogene bundesrechtliche Kostenfreiheit im Stadium der behördlichen Ermittlung nach § 9 Abs. 1 BBodSchG lässt damit die Möglichkeit der Erhebung von Verwaltungskosten nach Landesrecht entfallen. Die bodenschutzrechtliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundesgesetzgebers für die Kostentragung erweist sich im Bereich der genannten Überschneidung mit dem Landesrecht als vorrangig, so dass in der Tat, wie die Klägerin in ihrer Antragserwiderung zu Recht geltend macht, § 24 Abs. 1 BBodSchG im vorliegenden Fall eine Kostenerhebung nach Landesrecht "sperrt".

Für eine Zulassung der Berufung ist auch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, wie sie der Beklagte geltend macht, kein Raum. Es fehlt bereits an der für die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung unerlässlichen Bezeichnung einer Rechtsfrage, auf die es für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung obergerichtlicher Klärung bedarf. Der Hinweis des Beklagten auf die "weitreichenden Folgen", zu denen es käme, wenn jede Form der behördlichen Stellungnahme zu vorgelegten Gutachten als behördliche Amtsermittlung qualifiziert werde und dem an der Stellungnahme Interessierten kostenlos zur Verfügung gestellt werden müsse, reicht insoweit nicht aus.

Der Zulassungsantrag ist nach allem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 47, 53 Abs. 3 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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