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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.02.2001
Aktenzeichen: 5 UZ 4129/00
Rechtsgebiete: FStrG, HStrG, Satzung d. Stadt Frankfurt/Main ü. Sondernutzung an öffentlichen Straßen u. ü. Sondernutzungsgebühren i. d. Fassung d. Bekanntmachung v. 14.03.1994


Vorschriften:

FStrG § 8
HStrG § 16
Satzung d. Stadt Frankfurt/Main ü. Sondernutzung an öffentlichen Straßen u. ü. Sondernutzungsgebühren i. d. Fassung d. Bekanntmachung v. 14.03.1994
Der Anschlag von Werbeplakaten an auf der öffentlichen Straßenfläche stehenden Pfeilern einer Bahnbrücke stellt eine Sondernutzung der Straße dar.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

5 UZ 4129/00

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Sondernutzungsgebühren

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vizepräsidenten des Hess. VGH Dr. Klein, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Dr. Göbel-Zimmermann

am 13. Februar 2001 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2000 - 15 E 917/99 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf einen Betrag von 10.550,-- DM festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2000 bleibt ohne Erfolg.

Die Ausführungen des Bevollmächtigten des Klägers zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) wecken beim Senat keine derartigen Zweifel. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dann, wenn der Erfolg des angestrebten Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Vom Klägerbevollmächtigten angesprochene zusätzliche Voraussetzungen für die Annahme ernstlicher Zweifel verlangt der erkennende Senat nicht.

Der Klägerbevollmächtigte trägt u. a. vor., ernstliche Zweifel an der Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, die Plakatierung der auf der Straßenfläche stehenden Stützpfeiler der Eisenbahnbrücke stelle eine gebührenpflichtige Sondernutzung dar, ergäben sich u. a. aus der eigentumsrechtlichen, dinglichen Zuordnung der Pfeiler und insbesondere ihrer unter der Straßenfläche liegenden Fundamente, die im Umfang über die eigentlichen Pfeiler hinausragten. Dieser Vortrag erweckt keine ernstlichen Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Nach der Legaldefinition sowohl in § 8 Abs. 1 Satz 1 Bundesfernstraßengesetz - FStrG - als auch in § 16 Abs. 1 Satz 1 Hessisches Straßengesetz - HStrG - ist Sondernutzung die Nutzung bzw. der Gebrauch der öffentlichen Straße über den Gemeingebrauch hinaus. Dementsprechend definiert auch § 2 der Satzung der Beklagten über Sondernutzung an öffentlichen Straßen und über Sondernutzungsgebühren - SNS - vom 20. September 1979 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. März 1994 die Sondernutzung als jede Straßenbenutzung über den Gemeingebrauch hinaus, sofern dieser dadurch beeinträchtigt wird oder werden kann. Gemeingebrauch ist das jedermann zustehende subjektive öffentliche Recht, eine öffentliche Straße im Rahmen der Widmung ohne besondere Zulassung zu Zwecken des Verkehrs zu nutzen (§ 7 FStrG, § 14 HStrG). Stationäre, kommerzielle Werbung im öffentlichen Straßenraum hält sich nicht mehr innerhalb des - durch die Widmung als öffentliche Straße bestimmten - Umfangs des Gemeingebrauchs (vgl. grundlegend: Beschluss des Senats vom 24.02.1998 - 5 N 3469/94 -, GemHH 1999, 63 = KStZ 2000, 36 = GewArch 1998, 437). Nicht von Bedeutung für die Beurteilung, ob eine bestimmte Nutzung des öffentlichen Straßenraums sich noch im Rahmen des Gemeingebrauchs hält oder eine - erlaubnispflichtige - Sondernutzung darstellt, ist die Frage des zivilrechtlichen Eigentums. Insofern liegen die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten zu den seiner Ansicht nach bestehenden eigentumsrechtlichen Verhältnissen an den Brückenpfeilern der Bahnbrücke sowie ihren Fundamenten neben der Sache. Vielmehr begründet die Widmung die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft über die Straße. Sie überlagert das Eigentumsrecht und schränkt es kraft der staatlichen Hoheitsgewalt in Anwendung der Straßen- und Wegegesetze ein. Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten eine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstellt, ist demnach allein nach den Bestimmungen des für die jeweilige Straße maßgeblichen Landes- oder Bundesstraßenrechts zu beantworten. Das bürgerliche Recht ist insoweit unergiebig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.11.1998 - 3 BN 2.98 -). Im vorliegenden Fall ist deshalb allein der Umfang der öffentlichen Widmung der Straßenfläche maßgebend. Insofern ist die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, die durch die Widmung begründete wegerechtliche Öffentlichkeit beziehe sich auch auf die Brückenpfeiler der Eisenbahnbrücke, nicht zu beanstanden. Auch sie dienen der Nutzung der Straße zu Zwecken des Verkehrs, nämlich zur Ermöglichung der Kreuzung zweier Verkehrswege. Insofern gilt für sie nichts anderes - wie das Verwaltungsgericht und die Beklagte zu Recht erklärt haben - als für Schilder, Ampelanlagen, Verkehrsinseln und Ähnliches, die sich im Rahmen der öffentlichen Widmung halten und dem Zweck dienen, den Verkehr zu ermöglichen. Demgegenüber halten sich die an den Brückenpfeilern angebrachten Werbeplakate von ihrer maßgeblichen Zweckrichtung her nicht im Rahmen des Zwecks der Widmung und damit nicht im Rahmen des Gemeingebrauchs. Vielmehr gehen sie mit der Zweckrichtung der Werbung über den Gemeingebrauch hinaus, stellen somit eine Sondernutzung der öffentlich-rechtlichen Straßenfläche dar. Soweit der Klägerbevollmächtigte insofern rügt, dass für die Stützpfeiler selbst keine Sondernutzungsgebühr erhoben werde, ist darauf zu verweisen, dass diese Pfeiler - wie oben ausgeführt - keine Sondernutzung darstellen, sondern im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Widmung den Zwecken des Verkehrs dienen.

Auch der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, der Kläger habe einen Mietvertrag mit der Deutschen Eisenbahn Reklame und sei deshalb nicht selber Sondernutzer, weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Mit dem Anbringen der Werbeplakate hat der Kläger selbst eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung der öffentlichen Straßenfläche vorgenommen. Die Tatsache, dass er privatrechtlich dazu durch den Eigentümer ermächtigt worden war, entbindet ihn nicht von der Verpflichtung eine Sondernutzungserlaubnis einzuholen. Obwohl er dies unterlassen hat, ist er als derjenige, der eine Sondernutzung ausgeübt hat, Gebührenschuldner nach § 12 Nr. 2 SNS.

Auch der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ergibt sich aus den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten nicht. Dafür ist es erforderlich darzulegen, dass die Rechtssache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht signifikant vom Schwierigkeitsgrad des Durchschnitts der verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren abweicht. Dies ergibt sich aus dem darauf gerichteten Vortrag nicht, vielmehr führt der Klägerbevollmächtigte in diesem Rahmen seine rechtlichen Erörterungen fort.

Auch die vom Bevollmächtigten des Klägers gerügte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine rechtliche oder - unter bestimmten Umständen - tatsächliche Frage aufwirft, die entscheidungserheblich ist und die über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung obergerichtlicher Klärung bedarf.

Der Klägerbevollmächtigte benennt als Rechtsfrage die Frage, ob das Plakatieren von Stützen eines durch im Erdreich mit Fundamenten unterfütterten Brückenbauwerkes eines Dritten neben dem Träger der Straßenbaulast eine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstellt. Mit dieser Frage ist keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung benannt. Der Umfang des durch die öffentliche Widmung bestimmten Gemeingebrauchs einer öffentlichen Straße sowie einer darüber hinausreichenden Sondernutzung ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch für die Plakatwerbung im öffentlichen Straßenraum umfassend geklärt. Dies ergibt sich bereits aus den Ausführungen des Senats im Rahmen des vom Bevollmächtigten des Klägers geltend gemachten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die von ihm benannte Frage nicht auf. Auch ist nicht dargelegt, dass es sich nicht nur um einen Einzelfall, sondern um ein häufig auftretendes Problem handelt, so dass Klärungsbedarf im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung bestehen könnte.

Ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, der geltend gemacht wird und vorliegt und auf dem die Entscheidung beruhen kann, lässt sich den Darlegungen des Klägerbevollmächtigten ebenfalls nicht entnehmen. Er rügt zum einen eine Verletzung des so genannten Überzeugungsgrundsatzes nach § 108 Abs. 1 VwGO. Danach entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Starre Beweisregeln gibt es nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 108 Rdnr. 4). In diesem Zusammenhang rügt der Bevollmächtigte des Klägers, das Verwaltungsgericht habe sich nicht rechtlich mit der eigentumsrechtlichen Behandlung der Säulen und deren Auswirkung auf die Entscheidung auseinander gesetzt. Es bleibe vollkommen ungeklärt, welche rechtliche Konsequenz eine Zuordnung der Fundamente in das Eigentum der Deutschen Bahn habe. Damit ist ein Verstoß gegen den oben genannten Überzeugungsgrundsatz nicht dargelegt. Vielmehr setzt sich der Klägerbevollmächtigte wiederum mit seinen - bereits oben vom Senat verworfenen - Argumenten mit der rechtlichen Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander. Dass das Verwaltungsgericht seine Überzeugung etwa nicht begründet habe, trägt auch der Klägerbevollmächtigte nicht vor.

Des Weiteren rügt er einen Aufklärungsmangel des Verwaltungsgerichts, der darin liege, dass es nicht dem Umstand nachgegangen sei, dass die Fundamente den Umfang der aufstehenden Stützen überragten.

Die Aufklärungspflicht verlangt, dass das Gericht den Sachverhalt soweit erforscht, dass es alle für die rechtliche Entscheidung maßgeblichen Tatsachen kennt. Die Mittel zur Sachverhaltserforschung stehen dabei in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Maßstab ist dabei allerdings die Rechtsauffassung des Gerichts. Bereits danach ist eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO durch das Verwaltungsgericht nicht zu erkennen, da es nach seiner Rechtsauffassung - und der Ansicht des Senats - auf diese vom Klägerbevollmächtigten benannte Frage nicht entscheidungserheblich ankam.

Des Weiteren kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Revisionsverfahren eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht dann nicht geltend gemacht werden, wenn der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat (BVerwG, Beschlüsse vom 27.08.1997 - 9 B 312.97 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 89, vom 18.11.1996 - 3 B 73.95 -, Buchholz 451.90 Nr. 162, vom 02.03.1978 - 6 B 24.78 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164 und vom 21.12.1977 - 7 B 109.77 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 160). Die gleichen Grundsätze wendet der Senat im Berufungszulassungsrecht an (vgl. Beschlüsse vom 17.11.1998 - 5 UZ 1768/98 -, AgrarR 2000, 60, - 5 UZ 2799/98 -, und vom 09.03.1999 - 5 UZ 280/99 - und - 5 UZ 281/99 -; so auch: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.04.1997 - 8 S 1040/97 -, VBlBW 1997, 299). Hier hat der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keinen entsprechenden Beweisantrag hinsichtlich des Umfangs der Fundamente gestellt. Eine jetzt erhobene Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht käme demnachŽzu spät.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert aus den §§ 13 Abs. 2, 14 Gerichtskostengesetz - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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