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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 26.11.2008
Aktenzeichen: 6 A 694/08
Rechtsgebiete: GG, PflSchG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
PflSchG § 22 Abs. 1
PflSchG § 22 Abs. 2
Gegen das Verbot in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG, Pflanzenschutzmittel nicht durch Automaten oder durch andere Formen der Selbstbedienung in den Verkehr zu bringen, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere greift das Selbstbedienungsverbot nicht in unzulässiger Weise in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufungsausübungsfreiheit der Händler von Pflanzenschutzmitteln ein.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 A 694/08

Verkündet am: 26. November 2008

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Umweltschutz

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Igstadt, Richterin am Hess. VGH Fischer, Richter am Hess. VGH Jeuthe, ehrenamtlichen Richter Fleckenstein, ehrenamtliche Richterin Greif

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2008 für Recht erkannt: Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 11. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Inhaberin verschiedener Gartenmärkte, darunter ein Gartencenter in Bad A-Stadt. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, hinsichtlich bestimmter, von ihr als ungefährlich betrachteter Pflanzenschutzmittel das Verbot zum Verkauf von Pflanzenschutzmitteln durch Automaten oder durch andere Formen der Selbstbedienung in § 22 Abs. 1 Satz 1 des Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG) zu beachten.

Mit Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 10. März 2006 bat die Klägerin das Regierungspräsidium Gießen um Ausstellung einer Bescheinigung, wonach sie berechtigt sei, 17 in dem Schreiben im Einzelnen nach Produktbezeichnung, Wirkstoffen und Vertriebsgesellschaft aufgeführte Pflanzenschutzmittel im Wege der Selbstbedienung zu verkaufen. Zur Erläuterung führte die Klägerin aus, das pauschale Selbstbedienungsverbot in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG sei unverhältnismäßig und verletze sie in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Das mit zwingenden Beratungspflichten verbundene Selbstbedienungsverbot führe deshalb zu einer unzulässigen Beeinträchtigung ihrer Grundrechte, weil es ohne nachvollziehbaren Grund auch solche Pflanzenschutzmittel einbeziehe, von denen keinerlei Gefahren für die Umwelt und den Anwender ausgingen oder bei denen schädigende Auswirkungen dieser Art hochgradig unwahrscheinlich seien.

Mit an die früheren Bevollmächtigten der Klägerin gerichtetem Schreiben vom 28. März 2006 lehnte das Regierungspräsidium Gießen die Ausstellung der erbetenen Bescheinigung unter Hinweis auf die Rechtsverbindlichkeit des Verbots in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG ab.

Am 20. Juni 2006 erhob die Klägerin bei dem Verwaltungsgericht Gießen Klage mit dem Ziel der Feststellung, dass sie - die Klägerin - berechtigt ist, bestimmte Pflanzenschutzmittel in Gartenmärkten ihres Unternehmens in Bad A-Stadt und anderen hessischen Märkten in Selbstbedienung in Verkehr bringen zu dürfen.

Zur Begründung trug sie vor, die Klage sei als allgemeine Feststellungsklage darauf gerichtet, die Rechtsgültigkeit der Verbotsnorm in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG in Bezug auf die hierdurch betroffenen Freiheitsrechte nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG überprüfen zu lassen. Die Feststellungsklage sei statthaft und zulässig, insbesondere auf ein hinreichend konkretes und feststellungsbedürftiges Rechtsverhältnis gerichtet. Es gehe um die Feststellung ihrer konkreten Rechte und Pflichten aus dem Pflanzenschutzgesetz, die von der Anwendbarkeit des Selbstbedienungsverbots in § 22 PflSchG auf die fraglichen Pflanzenschutzmittelverkäufe durch sie - die Klägerin - abhingen. Das von ihr behauptete Recht, ungefährliche Pflanzenschutzmittel in organisatorischer Freiheit durch Selbstbedienung verkaufen zu dürfen, sei durch die zuständige Behörde ausdrücklich bestritten worden. Das pflanzenschutzrechtliche Selbstbedienungsverbot nach § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG und die hiermit verknüpfte Beratungspflicht nach § 22 Abs. 2 PflSchG seien mit der grundrechtlich verbürgten Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Aufgrund der genannten Grundrechte sei sie - die Klägerin - berechtigt, zumindest die mit der Klage bezeichneten Pflanzenschutzmittel ohne Gefährdungspotential auch im Wege der Selbstbedienung zu vertreiben. Eine gemeinschaftsrechtliche Vorgabe bezüglich des pflanzenschutzrechtlichen Selbstbedienungsverbots gebe es nicht, so dass die deutschen Grundrechte als Bindungsnormen uneingeschränkt anwendbar seien. Das Verbot in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG greife unmittelbar in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit und damit in die Berufsausübungsfreiheit der Händler von Pflanzenschutzmitteln ein. Diese umfasse auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, d.h. die Möglichkeit, frei von rechtlichen Verboten auch über die Modalitäten der Berufsausübung bestimmen zu dürfen. Daneben liege ein neben der Verletzung des Freiheitsrechts nach Art. 12 Abs. 1 GG eigenständig zu betrachtender Verstoß gegen das grundrechtliche Gleichbehandlungsgebot vor.

Das unbeschränkte, auch ungefährliche Pflanzenschutzmittel einbeziehende Verbot des Selbstbedienungsverkaufs habe für die betroffenen Händler gravierende wirtschaftliche Folgen. Bei einer ansonsten auf Selbstbedienung ausgerichteten Vertriebsstruktur müsse ausschließlich für den Verkauf von Pflanzenschutzmitteln geschultes Personal vorgehalten werden. Dies schlage wegen des hiermit verbundenen Personalaufwands und der erforderlichen besonderen organisatorischen und sächlichen Aufwendungen finanziell erheblich zu Buche. Überdies führten die Vertriebseinschränkungen zu erheblichen Umsatzeinbußen. Diese ergäben sich daraus, dass viele Kunden wegen des auf sie ausgeübten Zwangs, den Kauf nur unter Einschaltung eines Mitarbeiters des vertreibenden Unternehmens tätigen zu können, und wegen der hiermit etwa bei der Suche nach dem Personal verbundenen Erschwerungen von dem Erwerb des Produktes ganz absähen. Es gehe nicht um eine nur belästigende Gängelung von Verkaufsmodalitäten, sondern um einen massiven Markteingriff zum Nachteil der gesamten Anbieterseite. Vernünftige Gemeinwohlbelange, die eine solch weitreichende Einschränkung der Vertriebsmöglichkeiten von Pflanzenschutzmitteln rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.

Überdies erweise sich das pauschale Verbot in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG zur Erreichung der vom Gesetzgeber gesteckten Ziele als nicht geeignet und auch nicht als erforderlich. Schließlich stelle sich der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit auch als unangemessen und unverhältnismäßig dar. Als Rechtfertigung könne zunächst nicht angeführt werden, dass durch die umfassende Vertriebseinschränkung eine Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln erreicht und damit ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet werde. Die erfolgte Zulassung eines Pflanzenschutzmittels könne nicht nachträglich durch eine weitreichende Beschränkung des Vertriebs unterlaufen werden. Das Bedürfnis, zulassungsüberschreitende und damit gefährliche Anwendungen des Pflanzenschutzmittels zu verhindern, legitimiere nur Einschränkungen des Verkaufs von tatsächlich gefährlichen Produkten, nicht aber auch von solchen, von denen eine schädigende Wirkung entweder überhaupt nicht oder nur bei Missbrauch oder grober Fehlanwendung ausgehe. Insoweit fehle es den vom Gesetzgeber gewählten Mitteln ebenso an dem erforderlichen Sachbezug zu dem geschützten Gemeinwohlbelang wie in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall des Verbots des Selbstbedienungsverkaufs frei verkäuflicher Arzneimittel in Apotheken. Die von dem Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil als möglicher Grund für die Rechtfertigung des Selbstbedienungsverbots angeführte Sonderstellung der Apotheken als Einrichtungen des Gesundheitswesens und ihre besondere Beraterfunktion seien auf die Vertreiber von Pflanzenschutzmitteln nicht übertragbar.

Das Verbot in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG sei für das angestrebte Ziel der Verhinderung oder der Verminderung von Gefahren durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ungeeignet. Das Selbstbedienungsverbot und die sich daran knüpfende Beratungspflicht trage zur Erfüllung des Gefahrenabwehrzwecks kaum etwas bei. In gleicher Weise wie bei der Selbstbedienung sei die Vermeidung solcher Gefährdungen durch bestimmungswidrigen Einsatz letztlich von der Bereitschaft des Kunden zur Einhaltung der Gebrauchsanweisung abhängig. Es erscheine lebensfremd, wenn man der Beratung einen nennenswerten Einfluss auf die Kaufentscheidung eines zum Erwerb und zum konkreten Einsatz des Mittels entschlossenen Kunden beilege. Das Verbot des Selbstbedienungsverkaufs und die obligatorische Beratung seien deshalb allenfalls dazu geeignet, offensichtlich Unbefugte wie Kinder oder Geschäftsunfähige am Kauf des Pflanzenschutzmittels zu hindern. Diesem Aspekt komme aber keine wesentliche rechtfertigende Bedeutung zu, da solche Kaufversuche spätestens an der Kasse auffielen und verhindert würden. Darüber hinaus könnten ggf. auch Personen erreicht werden, die wegen fehlender Erfahrung oder intellektuellem Unvermögen außerstande seien, die Gebrauchsanleitung ohne persönliche Erläuterung zu verstehen oder einzuhalten. Dieser Fördereffekt komme indessen nur bei Pflanzenschutzmitteln zum Tragen, bei denen eine Fehlanwendung mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu Gefährdungen des Naturhaushalts oder der Gesundheit des Anwenders führen könne, nicht aber bei Pflanzenschutzmitteln, die auch bei grob bestimmungswidriger Verwendung unbedenklich seien. Die Befugnis des Gesetzgebers zur Generalisierung und Typisierung erlaube es nicht, auch solche Gefährdungen zu erfassen, die letztlich nur bei absurder, vom Bestimmungszweck vollständig abweichender Anwendung entstehen könnten. Solche Fälle ließen sich weder in der Gebrauchsanweisung formulieren, noch könne ihnen durch das Instrumentarium des Selbstbedienungsverbots und der Zwangsberatung begegnet werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle sich die Beratung des Käufers in erster Linie auch nur auf die mit der Zulassung festgesetzten Auflagen und Beschränkungen beziehen, bezüglich deren die Wahrscheinlichkeit einer Fehlanwendung besonders nahe liege.

Die Einbeziehung unbedenklicher Pflanzenschutzmittel in das gesetzliche Verbot in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG rechtfertige sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer typisierenden Berücksichtigung einer nur geringen Teilmenge atypischer Sachverhalte. Um solche zahlenmäßig begrenzten Sonderfälle handele es sich bei den dem Selbstbedienungsverbot unterworfenen ungefährlichen Pflanzenschutzmitteln nicht. Eine Typisierung sei ferner nicht wegen besonderer Schwierigkeiten bei der Differenzierung unterschiedlicher Sachverhalte erforderlich. Wie das Chemikalienrecht mit dem Selbstbedienungsverbot nach § 4 der Chemikalien-Verbotsverordnung zeige, sei eine Anknüpfung an den Gefährdungsgrad eines Mittels durchaus möglich. Für die Differenzierung komme vor allem das Kriterium der mit der Zulassung festgesetzten Beschränkungen und Auflagen als Einstufungsmerkmal für etwaige Vertriebseinschränkungen in Betracht, über die sinnvollerweise mit der Zulassung entschieden werden sollte. Mit Rücksicht hierauf könne § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein verfassungskonformer Inhalt nur insoweit beigelegt werden, als er sich ausschließlich auf Pflanzenschutzmittel mit in der Zulassung festgesetzten Anwendungsausschlüssen beziehe.

Da es somit an der Eignung der vom Gesetzgeber in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG gewählten Mittel fehle, mangele es auch an der Erforderlichkeit des Verbots des Selbstbedienungsverkaufs von Pflanzenschutzmitteln. Der mit dem Verbot und der Beratungspflicht allenfalls erreichbare geringe Nutzen lasse sich auch durch für die betroffenen Händler weniger einschneidende Maßnahmen erreichen. Insoweit sei bedeutsam, dass die Produktkennzeichnung bei Pflanzenschutzmitteln im Zuge der Richtlinie 91/414/EWG erheblich ausgeweitet worden sei und über alle für die Anwendung des Mittels notwendigen Angaben zuverlässig Auskunft gebe. Damit sei der zur Risikovermeidung allein denkbare Zweck der Beratungspflicht nach § 22 Abs. 2 PflSchG schon durch die Kennzeichnung abgedeckt. Eine Wiederholung und Verdoppelung dieser Unterrichtung des Kunden könne, wenn überhaupt, nur bei gefährlichen Produkten erforderlich sein, nicht aber wiederum bei solchen, die auch bei grob fehlerhafter Anwendung kein Gefährdungspotential aufwiesen.

In Anbetracht des angesichts des ausgedehnten Kennzeichnungsregimes allenfalls geringen Zusatznutzens sei das gesetzliche Verbot in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG bei Abwägung mit den geschützten Grundrechten der Betroffenen schließlich jedenfalls insoweit unverhältnismäßig, als es auch bei grob bestimmungswidriger Verwendung unbedenkliche Pflanzenschutzmittel erfasse. Diese Bewertung werde durch die Tatsache gestützt, dass das pflanzenschutzrechtliche Selbstbedienungsverbot im Vergleich zu entsprechenden Regelungen im Gefahrstoff- und Arzneimittelrecht schärfer und vor allem pauschaler gefasst sei, obwohl das Risikopotential der meisten zugelassenen Pflanzenschutzmittel nicht höher einzuschätzen sei als dasjenige von Chemikalien oder Arzneimitteln. In Bezug auf diese vergleichbaren Gefährdungen habe der Gesetzgeber seiner Verpflichtung nicht entsprochen, Erfahrungen und Risikobewertungen aus anderen Rechtsmaterien zu berücksichtigen und eine insgesamt stimmige und konsistente Rechtsordnung zu schaffen. Hieraus ergebe sich zugleich ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG, denn der Gesetzgeber habe den Vertrieb von Pflanzenschutzmitteln ohne zureichenden Grund strengeren Regeln unterworfen als Chemikalien mit gleichem Risikopotential. Darüber hinaus sei gegen den Gleichheitsgrundsatz auch durch die nicht zu rechtfertigende Gleichbehandlung von gefährlichen Pflanzenschutzmitteln mit solchen ohne Gefährdungspotential verstoßen worden.

Die Klägerin beantragte,

festzustellen, dass sie berechtigt ist, die Pflanzenschutzmittel "Schädlingsfrei Neem, "Lac Balsam", "Bio Moosfrei Essanol", "Para Sommer S Schildlaus-Frei" und "Tervanol Wundbalsam" in dem Gartenmarkt ihres Unternehmens in Bad A-Stadt sowie in seinen anderen hessischen Märkten in Selbstbedienung in Verkehr zu bringen.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Er trug vor, die Klage sei mangels eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses unzulässig, jedenfalls aber in der Sache unbegründet. Angesichts der bestehenden gesetzlichen Regelung in § 22 Abs. 1 PflSchG könne die Klägerin mit ihrem Klagebegehren keinen Erfolg haben. Das Selbstbedienungsverbot gelte ausnahmslos für alle Pflanzenschutzmittel, eine Ausnahme- oder Befreiungsmöglichkeit bestehe nicht. Zweifel an der Vereinbarkeit des § 20 Abs. 1 PflSchG mit verfassungsrechtlichen Vorgaben seien nicht angebracht. Die Regelung entspreche dem Grundsatz, dass es nicht vertretbar erscheine, Pflanzenschutzmittel durch Selbstbedienung in Verkehr zu bringen, da eine bestimmungsgemäße und sachgerechte Anwendung nur zu erwarten sei, wenn der Anwender ausreichend über das Mittel und die bei der Anwendung möglicherweise auftretenden Gefahren informiert werde. Diese Erwägungen seien sinnvoll und verhältnismäßig. Der Gesetzgeber habe in zulässiger Weise darauf verzichtet, bei der Entscheidung, welche Mittel im Selbstbedienungsverkauf abgegeben werden dürften, nach gefährlichen und ungefährlichen Mitteln zu unterscheiden. Das Gesetz enthalte damit ein in sich schlüssiges System der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Eine Änderung lediglich des Selbstbedienungsverbots würde dieses System ins Wanken bringen. Der Klägerin könne folglich nicht zugestanden werden, einzelne Mittel, die sie selbst nach ihrer eigenen subjektiven Einschätzung für ungefährlich halte, von dem Selbstbedienungsverbot auszunehmen.

Das Verwaltungsgericht Gießen wies die Klage mit Urteil vom 11. Dezember 2006 ab. Zur Begründung führte die Vorinstanz aus, die erhobene Klage sei als Feststellungsklage statthaft und zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Klägerin sei nicht berechtigt, die in ihrem Antrag genannten Pflanzenschutzmittel im so genannten freien Verkauf an Endverbraucher abzugeben. Der Abgabe im Wege der Selbstbedienung stehe das Verbot nach § 22 Abs. 1 PflSchG entgegen. Überdies sei das Selbstbedienungsverbot in § 4 der Chemie-Verbotsverordnung zu beachten. Diese Regelungen seien nicht verfassungswidrig. Sie beschränkten als Berufsausübungsregelungen das Recht der Klägerin im Rahmen der verfassungsmäßigen Schranken des Art. 12 Abs. 1 GG. Das Verbot beruhe auf einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigung. Die Regelung sei durch das Bedürfnis nach möglichst ungefährlicher und für die Umwelt und zum Schutz von Menschen und Tieren sinnvoller Anwendung von Pflanzenschutzmitteln gerechtfertigt. Der Abgleich des vom Kunden vorgetragenen Anwendungszwecks mit dem Anwendungsbereich der vorhandenen Präparate könne geeignet sein, die entsprechenden Ziele zu erreichen. Die Abgabe beruhe zwar, anders als etwa bei Apotheken, nicht auf einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Verkäufer und Kunden, gleichwohl werde dieser dem Gartencenter oder einem ähnlichen Unternehmen eine Kompetenz zur Fachberatung attestieren. Durch das Selbstbedienungsverbot werde die Freiheit zur Berufsausübung nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Umsatzeinbußen könne das Gericht nicht erkennen. Die Präparate würden in aller Regel gezielt in konkreter Kaufabsicht nachgefragt, wobei der durchschnittliche Kunde Verständnis dafür zeigen werde, dass die Produkte nicht frei im Regal stünden, sondern erst beim Verkaufspersonal nachgefragt werden müssten. Eine abschreckende Wirkung durch den Ausschluss des freihändigen Verkaufs sei nicht ersichtlich. Zwar sei es denkbar, dass bestimmte Kundenkreise eher zum Auswählen einer frei verfügbaren Produktpalette ohne erzwungene Beratung durch Verkaufspersonal neigten. Es werde indessen auch Kunden geben, die an einer Fachberatung interessiert seien oder diese ausdrücklich wünschten. Auch der geltend gemachte zusätzliche Kostenaufwand durch die notwenige Bereitstellung von Fachpersonal sei nicht geeignet, eine Unverhältnismäßigkeit der Verbotsregelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG zu belegen. Ein Händler, der weiterhin vom Selbstbedienungsverkauf ausgeschlossene Pflanzenschutzmittel verkaufen wolle, müsse ohnehin geeignetes Fachpersonal vorhalten. Zudem seien mögliche Vorteile des Bedienangebotes für den Händler in Rechnung zu stellen. Während bei freier Verkäuflichkeit der von der Klägerin bezeichneten Pflanzenschutzmittel diese womöglich in Drogerien oder anderen Einzelhandelsgeschäften erworben würden, könne die Klägerin gerade durch die sachgerechte und kompetente Beratung Kunden ansprechen und Umsätze erzielen. Durch die Vertriebseinschränkung werde auch der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Eine Ungleichbehandlung mit anderen Normadressaten, die Grundlage für einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sein könne, lege die Klägerin nicht dar. Sie berufe sich stattdessen lediglich auf eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Pflanzenschutzmitteln und Produkten nach dem Chemikaliengesetz. Damit würden bereits keine unterschiedlichen Normadressaten bezeichnet, denn der Klägerin stehe es frei, nicht nur Pflanzenschutzmittel, sondern auch Chemieprodukte zu vertreiben. Auch eine mit dem Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Gleichsetzung von gefährlichen und unbedenklichen Pflanzenschutzmitteln lege die Klägerin nicht dar. Sie habe keine Kriterien aufgezeigt, nach denen eine Einstufung in gefährliche und ungefährliche Produkte vorgenommen werden könnte. Der Beklagte habe hierzu nachvollziehbar ausgeführt, dass die Beschaffenheit und die Zusammensetzung der Pflanzenschutzmittel eine grobe Einteilung in gefährliche und ungefährliche Mittel ausschließe. Zu berücksichtigen sei überdies, dass bei der Zulassung bereits geprüft werde, ob von dem Mittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier und auf den Naturhaushalt zu erwarten seien. Wenn überhaupt könne folglich nur eine pauschaliert betrachtet geringe Gefahr von zugelassenen Pflanzenschutzmitteln ausgehen. In Folge dessen sei die Gleichsetzung sämtlicher Pflanzenschutzmittel in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG nicht zu beanstanden. Es liege auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mit Biozid-Produkten vor.

Auf den Antrag der Klägerin wurde durch Beschluss des Senats vom 17. März 2008 die Berufung gegen das vorgenannte Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen insoweit zugelassen, als hiermit die Klage auf Feststellung, dass die Klägerin berechtigt ist, die Pflanzenschutzmittel "Lac Balsam" und "Tervanol Wundbalsam" in dem Gartenmarkt ihres Unternehmens in Bad A-Stadt und in anderen hessischen Märkten in Selbstbedienung in Verkehr zu bringen, abgewiesen wurde. Im Übrigen - bezüglich der Pflanzenschutzmittel "Schädlingsfrei Neem, "Bio Moosfrei Essanol" und "Para Sommer S Schildlaus-Frei" - wurde der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt.

Zur Begründung der zugelassenen Berufung trägt die Klägerin in Ergänzung ihres Vortrags erster Instanz vor, der zentrale Mangel des gesetzlichen Verbotstatbestandes in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG liege darin begründet, dass auch solche Pflanzenschutzmittel vom Selbstbedienungshandel ausgeschlossen würden, bei denen mangels Erfassung nach dem Gefahrenstoffrecht unstrittig eine Gefahr für die Umwelt nicht ausgehen könne. Dass von diesen Stoffen, wie bei fast jedem anderen Stoff auch, bei extremer Anwendung Umweltgefahren ausgehen könnten, rechtfertige das umfassende Verbot des Selbstbedienungsverkaufs nicht. Die Rechtsordnung reagiere auch in vergleichbaren Fällen nicht mit Zulassungsanforderungen und Vertriebseinschränkungen. Es sei nicht verständlich, weshalb bei dem Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln nicht nach deren Gefährlichkeit differenziert werde, obwohl über die Distributionsform ohne Schwierigkeiten bei der Zulassung entschieden werden könne. Der Gesetzgeber habe zwischenzeitlich nur bei Pflanzenstärkungsmitteln auf die nicht haltbare Beschränkung der Vertriebsform reagiert und das bisher auch für diese Mittel geltende Selbstbedienungsverbot aufgehoben.

Durch § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG werde massiv in die unternehmerische Freiheit zur Auswahl der gewünschten Vertriebsform eingegriffen. Wie schon in erster Instanz umfassend dargelegt, fehle es für diesen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Händler von Pflanzenschutzmitteln an der erforderlichen Rechtfertigung. Überdies sei die Einbeziehung auch bei nicht bestimmungsgemäßer Verwendung unschädlicher Pflanzenschutzmittel in das Selbstbedienungsverbot zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Ziele ungeeignet und hierfür auch nicht erforderlich. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verfehle - so die Klägerin - die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gesetzlichen Regelung. Das Verwaltungsgericht gehe von dem Ziel einer für die Umwelt und die zu schützenden Menschen und Pflanzen möglichst ungefährlichen und sinnvollen Anwendung der Pflanzenschutzmittel als rechtfertigender Zweckbestimmung aus, ohne sich die Frage vorzulegen, ob diese Zielbeschreibung auch bei Pflanzenschutzmitteln ohne negative Umwelteffekte greife. Das Bedürfnis, dass der Verbraucher das für die Anwendung sinnvollste Mittel erhalte, rechtfertige allein die gesetzlich vorgeschriebene Zwangsberatung nicht. Weiterreichende Gesichtspunkte, die derartige Maßnahmen rechtfertigen könnten, etwa Abgabebeschränkungen bei Arzneimitteln aus Gründen des Gesundheitsschutzes, gebe es hier nicht.

Die von dem Gericht erster Instanz vorgenommene Prüfung der Angemessenheit des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit - die Geeignetheit und Erforderlichkeit werde nicht geprüft - sei nicht überzeugend. Das Verwaltungsgericht wende sich ohne Bezug zur Freiheitseinschränkung sofort den monetären Folgen des Selbstbedienungsverbots zu, um das Gewicht des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit zu bestimmen. Dies sei ein verkürzter Ansatz, denn erforderlich sei eine Rechtfertigung der Intervention in die unternehmerische Freiheit. Hierzu äußere sich das Verwaltungsgericht nicht. Im Übrigen bewege sich das Gericht in reinen Spekulationen. Schon im Ausgangspunkt übersehe das Verwaltungsgericht, dass beim Selbstbedienungsverkauf vom Käufer Produkte nicht nachgefragt, sondern aus dem frei verkäuflichen Sortiment ausgesucht würden. Wenn diese Möglichkeit zum spontanen Kauf, der im Übrigen auch ein Vorratskauf sein könne, nicht bestehe, falle schlicht ein umsatzbringendes Segment weg. Darüber hinaus würde es in ihrem - der Klägerin - Gartencenter auch nicht zwingend, sondern nur möglicherweise ein Angebot zum Beratungsverkauf geben. Werde dieses nicht angeboten, werde sich der Kunde häufig mit dem frei verkäuflichen Angebot begnügen.

Eigenartig sei auch die Feststellung im Urteil, eine unangemessene wirtschaftliche Beeinträchtigung könne nicht mit den Zusatzkosten für das vorzuhaltende Fachpersonal begründet werden. Hierbei werde übersehen, dass es bei der Herausnahme ungefährlicher Pflanzenschutzmittel aus dem Selbstbedienungsverbot für die Händler nicht, wie jetzt, nur die Alternative des Verzichts auf den Verkauf von Pflanzenschutzmitteln und den Einsatz von beratendem Fachpersonal im Selbstbedienungsmarkt gebe, sondern zusätzlich die Möglichkeit eröffnet werde, künftig nur frei verkäufliche Pflanzenschutzmittel anzubieten. Neben der Sache liege das weitere Argument des Verwaltungsgerichts, dass die derzeitige Beschränkung für die Klägerin auch wirtschaftliche Vorteile biete, weil bei der partiellen Freigabe zur Selbstbedienung ein Teil der Pflanzenschutzmittel auch in Drogerien oder sonstigen Einzelhandelsgeschäften gekauft werden könnte. Es sei selbstverständlich, dass mit der Erweiterung der eigenen Freiheitssphäre Vorteile auch für andere Unternehmer verbunden sein könnten.

Die Ausführungen in der Urteilsbegründung zum dargelegten Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot seien rechtsdogmatisch verfehlt. Es gehe nicht um den Vergleich unterschiedlicher Gruppen von Normadressaten, sondern um die mögliche, aber unterbliebene Differenzierung anhand des Gefährdungspotentials der Pflanzenschutzmittel. Dass das Gesetz derzeit nur zwischen Pflanzenschutzmitteln einerseits und Dünge- und Pflanzenstärkungsmitteln andererseits unterscheide, sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ebenso unerheblich wie die selbstverständliche Tatsache, dass von Pflanzenschutzmitteln bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine Gefährdungen ausgehen dürften. Es gehe vielmehr darum, dass eine Binnendifferenzierung innerhalb der Gruppe der Pflanzenschutzmittel nach bei bestimmungswidriger Verwendung gefährlicher und auch bei grob fehlerhaftem Gebrauch unbedenklicher Mittel erforderlich sei. Das Urteil übersehe diese sich aufdrängende Differenzierung innerhalb der Pflanzenschutzmittel und sei deshalb fehlerhaft.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 11. Dezember 2006 abzuändern und festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, die Pflanzenschutzmittel "Lac Balsam" und "Tervanol Wundbalsam" in dem Gartenmarkt ihres Unternehmens in Bad A-Stadt und in anderen hessischen Märkten in Selbstbedienung in Verkehr zu bringen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist im Wesentlichen auf die nach seiner Ansicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Dem Senat liegt der Verwaltungsvorgang (ein Hefter) vor. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige, insbesondere innerhalb der gesetzlichen Frist gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO begründete Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Die Feststellungsklage ist in dem Umfang, in dem sie auf Grund der beschränkten Zulassung des Rechtsmittels durch den Beschluss des Senats vom 17. März 2008 noch rechtshängig ist, zulässig, aber unbegründet.

Dass die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage nach § 43 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig ist, hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zutreffend festgestellt. Insbesondere ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin das nach § 43 Abs. 1 VwGO notwendige Feststellungsinteresse zur Seite steht und dass die Feststellungsklage nicht gemäß § 43 Abs. 2 VwGO hinter einer Anfechtungsklage oder einer Verpflichtungsklage als vorrangigen Klageformen zurücktreten muss. Das Schreiben des Regierungspräsidiums Gießen an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 28. März 2006, dass die von ihr erbetene Bescheinigung, verschiedene Pflanzenschutzmittel im Wege des Selbstbedienungsverkaufs verkaufen zu dürfen, nicht erteilt werden könne, enthält keine eigenständige feststellende Regelung, die Gegenstand einer Gestaltungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO sein könnte. Vielmehr wird in dem erwähnten Schreiben letztlich nur auf das gesetzliche Verbot in § 22 Abs. 1 Satz 1 des Pflanzenschutzgesetzes - PflSchG - (in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1998, BGBl. I S. 971, berichtigt auf S. 1527, 3512, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes und des BVL-Gesetzes vom 5. März 2008, BGBl. I S. 284) verwiesen, dass Pflanzenschutzmittel nicht durch Automaten oder andere Formen der Selbstbedienung in den Verkehr gebracht werden dürfen.

Wie von dem Verwaltungsgericht darüber hinaus zu Recht angenommen, ist es der Klägerin auch nicht zuzumuten, behördliche Maßnahmen aufgrund der Zuwiderhandlung gegen das gesetzliche Selbstbedienungsverbot abzuwarten, um sodann gegen die Vollzugshandlungen vorzugehen (vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 9. März 2006 - 6 UE 3281/02 -, NVwZ 2006, 1195 [1196]). Die Feststellungsklage nach § 43 VwGO soll es in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Wirksamkeit von einer unmittelbaren Vollziehung selbst nicht zugänglichen Rechtsvorschriften ("self-executing-Normen") angezweifelt wird, gerade ermöglichen, die Rechtsgültigkeit dieser Rechtsvorschriften ohne Umweg über die Anfechtung (mittelbarer) behördlicher Vollziehungsmaßnahmen oder der Verhängung von Bußgeldern zur Klärung der eigenen Rechtsstellung inzidenter überprüfen zu lassen (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, Rdnr. 8b zu § 43 VwGO).

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht schließlich angenommen, dass die Klage zu Recht gegen das Land Hessen gerichtet wurde. Nach § 34 Abs. 1 PflSchG obliegt die Durchführung des Gesetzes einschließlich der Einhaltung und Überwachung der Vorschriften des Pflanzenschutzgesetzes sowie der nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen und erteilten Auflagen den nach Landesrecht zuständigen Behörden. Gemäß § 34a Satz 1 PflSchG kann die zuständige Landesbehörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen notwendig sind. Die zuständige Landesbehörde (in Hessen das Regierungspräsidium Gießen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten zur Ausführung von Bundesrecht und Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften in den Bereichen Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 2. Juni 1999, GVBl. I S. 319) ist demnach auch dafür zuständig, im Einzelfall einen Vertrieb von Pflanzenschutzmitteln entgegen dem gesetzlichen Selbstbedienungsverbot in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG zu unterbinden. Auf Grund dieser Zuständigkeit ist das beklagte Land durch das in Streit gestellte Rechtsverhältnis hinsichtlich der Reichweite des Selbstbedienungsverbots auch für "ungefährliche" Pflanzenschutzmittel unmittelbar betroffen und damit richtiger Beklagter (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, Rdnr. 2 zu § 78 VwGO).

B.

1.

In der Sache kann die von der Klägerin mit der Berufung (noch) erstrebte Feststellung, dass sie berechtigt ist, die Pflanzenschutzmittel "Lac Balsam" und "Tervanol Wundbalsam" in dem Gartenmarkt ihres Unternehmens in Bad A-Stadt und in anderen hessischen Märkten in Selbstbedienung in Verkehr bringen zu dürfen, nicht getroffen werden. Dieser Feststellung steht das in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG normierte Verbot entgegen, dass Pflanzenschutzmittel nicht durch Automaten oder durch andere Formen der Selbstbedienung in den Verkehr gebracht werden dürfen. Dieses Selbstbedienungsverbot gilt auch für die beiden oben genannten Produkte, denn sie sind durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit nach § 15 PflSchG jeweils als Pflanzenschutzmittel zugelassen worden (Zulassungsnummern laut Pflanzenschutzmittelverzeichnis 2008 des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: 0150-00/FRAU und 0666-00/STS).

Da das gesetzliche Selbstbedienungsverbot in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG ausnahmslos für alle Pflanzenschutzmittel ohne die gesetzlich eröffnete Möglichkeit eines Dispenses gilt, könnte der Klägerin das mit der Feststellungsklage behauptete Recht, bei dem Vertrieb "ungefährlicher" Pflanzenschutzmittel dem Verbot nach § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG nicht zu unterliegen, nur dann zustehen, wenn eine Überprüfung dieser Norm zu dem Ergebnis führen würde, dass sie wegen eines unzulässigen Eingriffs in Grundrechte der Klägerin oder aus sonstigen Gründen des Verfassungsrechts oder wegen einer (im vorliegenden Fall nicht in Rede stehenden) Unvereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht als Ganzes oder jedenfalls bezüglich der Einbeziehung auch "ungefährlicher" Pflanzenschutzmittel in das Selbstbedienungsverbot (teilweise) unwirksam ist, wobei das Verdikt der Verfassungswidrigkeit der bundesgesetzlichen Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG nur durch das Bundesverfassungsgericht nach Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesprochen werden könnte. Sollte sich ergeben, dass die Regelung lediglich in Bezug auf das Verbot, "ungefährliche" Pflanzenschutzmittel durch Automaten oder einen sonstigen Selbstbedienungsverkauf in den Verkehr zu bringen, durchgreifenden verfassungsrechtlichen Zweifeln begegnet, wäre zu überprüfen, ob der Geltungsbereich des § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG bei verfassungskonformer Auslegung auf das Verbot des Selbstbedienungsverkaufs von "gefährlichen" Pflanzenschutzmitteln begrenzt werden kann, so dass die Klägerin bei verfassungsrechtlich gebotener Einschränkung der Geltung der Rechtsnorm dem gesetzlichen Verbot nach § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG teilweise nicht nachzukommen bräuchte. Sollte sich dagegen bei angenommener teilweiser Verfassungswidrigkeit der Regelung herausstellen, dass eine verfassungskonforme Auslegung wegen des nach Wortlaut und Sinn eindeutig entgegengesetzten Anwendungsbereichs der Norm nicht möglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1958 - 1 BvL 149/52 -, BVerfGE 8, 28 [34, 35]), müsste das Verfahren wiederum ausgesetzt und nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeholt werden.

Eine Überprüfung, ob § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG - mit dem von der Klägerin angestrebten Ergebnis eines Ausschlusses "ungefährlicher" Pflanzenschutzmittel vom Selbstbedienungsverbot - einer verfassungskonformen Auslegung unterzogen werden kann oder aber (wegen vollständiger oder nicht behebbarer Zweifel an der Verfassungskonformität) dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden muss, erübrigt sich indessen, denn die Regelung erweist sich insgesamt als verfassungsgemäß. § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG greift mit dem hierin normierten vollständigen Ausschluss des Vertriebs von Pflanzenschutzmitteln im Wege des Selbstbedienungsverkaufs entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht in unzulässiger Weise in ihre durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Grundrechte ein und steht auch ansonsten in vollem Umfange mit dem Grundgesetz in Einklang.

2.

§ 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG beinhaltet zunächst keinen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht der Klägerin auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG.

Da das Verbot des Selbstbedienungsverkaufs in der vorgenannten pflanzenschutzrechtlichen Bestimmung keine Zulassungsschranke für die Wahl oder die Ergreifung eines Berufs, sondern lediglich eine Regelung über die Modalitäten bei der Ausübung des Berufs enthält, ist die Grundrechtssphäre des Art. 12 Abs. 1 GG (nur) in der Ausprägung der Berufsausübungsfreiheit im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG betroffen. In diese greift die Verbotsregelung des § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG ein, denn die Freiheit der Berufsausübung gewährleistet in umfassender Weise auch die unternehmerische Organisationsfreiheit, d.h. die freie Entscheidung darüber, welche Waren in welcher Weise in den Verkehr gebracht werden sollen. Gesetzliche Regelungen zur Reglementierung der Vertriebsformen stellen folglich einen Eingriff in die selbst verantwortete Berufsausübungsfreiheit dar und müssen sich am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen (BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 1 BvR 1972/00 u.a. -, BVerfGE 107, 186 [196]; Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, NJW 2008, 2409 [2410] - Rauchverbot in Gaststätten und Diskotheken -).

Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung erfordern gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG eine gesetzliche Grundlage, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen der grundrechtlich verbürgten Berufsfreiheit genügen muss. Handelt es sich - wie hier - um eine reine Regelung der Berufsausübung ohne Rückwirkungen auf die Freiheit der Berufswahl, sind Beschränkung des Grundrechts zulässig, wenn vernünftige und sachgerechte Erwägungen des Gemeinwohls dies als gerechtfertigt erscheinen lassen. Das Grundgesetz eröffnet dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung solcher Berufsausübungsregelungen einen erheblichen Spielraum. Dieser ist ähnlich weit gefasst wie etwa bei der Bestimmung wirtschaftspolitischer Ziele. Der Gesetzgeber darf dabei insbesondere auch Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit in den Vordergrund stellen; dies insbesondere dann, wenn es sich - wie hier - um eine Bestimmung handelt, die keinen unmittelbar berufsregelnden Charakter hat, sondern anderen Zwecken dient und die Berufsausübungsfreiheit nur mittelbar beeinträchtigt. Die Zulässigkeit der die freie Berufsausübung einschränkenden Regelungen steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die vom Gesetzgeber gewählten Mittel geeignet und erforderlich sind, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit dürfen nicht weiter gehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern. Eine sowohl den Freiheitsanspruch des Berufstätigen als auch die Schutzbedürftigkeit der Gemeinschaft berücksichtigende Lösung kann nur in Abwägung der Bedeutung der einander gegenüberstehenden und möglicherweise einander widerstreitenden Interessen gefunden werden. Diese Abwägung setzt voraus, dass der Bezug der gesetzlich angeordneten Maßnahmen zum Gemeinschaftsgut hinreichend spezifisch ist. Auch zur Begründung von Eignung und Erforderlichkeit ist ein nachvollziehbarer Wirkungszusammenhang notwendig. Je enger der Bezug der Vorschrift zu einem Schutzgut ist, desto eher lassen sich Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit verfassungsrechtlich rechtfertigen. Darüber hinaus muss bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere und der Dringlichkeit des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit für die Betroffenen noch gewahrt sein (vgl. zum Vorstehenden BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 -, BVerfGE 7, 379 [405, 406]; Beschlüsse vom 15. Dezember 1987 - 1 BvR 563/86 u.a. -, BVerfGE 77, 308 [332], vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 1904/95 u.a. -, BVerfGE 101, 331 [347], vom 7. November 2001 - 1 BvR 1236/99 -, BVerfGE 104, 357 [364, 365], und vom 11. Februar 2003 - 1 BvR 1972/00 u.a. -, a.a.O., Seite 197; Urteil vom 30. Juli 2008, a.a.O, S. 2411).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind gegen das Verbot des Selbstbedienungsverkaufs von Pflanzenschutzmitteln in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin keine rechtlichen Bedenken zu erheben.

a)

Die Vertriebsbeschränkung für Pflanzenschutzmittel (grundsätzlich) rechtfertigende Belange des Gemeinwohls liegen darin begründet, dass eine Ausbringung der in diesen Mitteln enthaltenen, im Regelfall hochkonzentrierten Stoffe in die Umwelt zu Gefährdungen von Menschen und dem Naturhaushalt führen und dass eine Anwendung dieser Mittel durch den Verbraucher für ihn selbst mit Gesundheitsgefahren verbunden sein kann. An diese Gefahren, deren Vermeidung das gesamte Pflanzenschutzrecht dient (vgl. § 1 Nr. 4 PflSchG), wird in der Gesetzesbegründung zu dem auf Empfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in das Gesetz aufgenommenen Verbot des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln im Wege des Selbstbedienungsverkaufs unmittelbar angeknüpft. Zur Begründung des (damaligen) § 19a PflSchG wird in der Beschlussempfehlung und in dem Bericht des vorerwähnten Ausschusses (BT-Drucks. 10/4618, S. 48, 49 - nachfolgend: Ausschussbericht -) Folgendes ausgeführt:

"Eine bestimmungsgemäße und sachgerechte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist nur zu erwarten, wenn der Anwender ausreichend über das Mittel und die bei der Anwendung möglicherweise auftretenden Gefahren informiert wird. Pflanzenschutzmittel sollten daher im Einzelverkauf nicht durch Selbstbedienung in den Verkehr gebracht werden dürfen ..."

Mit dem Bezug auf die Notwendigkeit einer sowohl die durch die Zulassung festgelegten Auflagen und Anwendungsbestimmungen (vgl. § 15 Abs. 2 und 4 PflSchG) beachtenden bestimmungsgemäßen als auch sachgerechten Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zielt der Gesetzgeber bei der Festlegung der gesetzgeberischen Zwecke auf die Einhaltung der guten fachlichen Praxis bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ab, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 PflSchG allgemeine Richtschnur für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ist. Zu dieser gehört nicht nur die Abwendung von Gefahren, die durch die Anwendung, das Lagern und den sonstigen Umgang mit Pflanzenschutzmitteln oder durch andere Maßnahmen des Pflanzenschutzes, insbesondere für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Naturhaushalt, entstehen können (§ 2a Abs. 1 Satz 1Nr. 2 PflSchG, § 6 Abs. 1 Satz 3 PflSchG 1986), sondern auch die Beachtung des sog. integrierten Pflanzenschutzes (§ 2a Abs. 1 Satz 2 PflSchG, § 6 Abs. 1 Satz 2 PflSchG 1986). Mit diesem soll im Interesse größtmöglicher Schonung des Naturhaushalts durch den Einsatz kombinierter Verfahren unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer und anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß zurückgedrängt werden (§ 2 Nr. 2 PflSchG, § 2 Abs. 1 Nr. 2 PflSchG).

Die von dem Gesetzgeber mit der Vertriebsbeschränkung verfolgten Zwecke sind auf gewichtige Belange des Gemeinwohls ausgerichtet und sind damit grundsätzlich geeignet, die mit dem Verbot des Selbstbedienungsverkaufs von Pflanzenschutzmitteln einhergehende Beschränkung der Berufausübung zu legitimieren.

Was den Schutz vor Gesundheitsgefahren anbelangt, hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont, dass der Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren zu den überragend wichtigen Gemeinschaftsgütern zählt, die selbst objektive Berufszulassungsvoraussetzungen und damit erst recht auch Beschränkungen der Berufsausübung rechtfertigen können (vgl. zuletzt Urteil vom 30. Juli 2008, a.a.O, S. 2412). Gleiches gilt - schon mit Rücksicht auf die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG - für den Schutz der Umwelt. An der Legitimation durch diese gewichtigen Belange des Allgemeinwohls ändert der von der Klägerin in der Klagebegründung angesprochene Umstand nichts, dass die gesetzliche Verbotsregelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG nicht prohibitiv darauf gerichtet ist, umwelt- oder gesundheitsgefährdende Produkte (überhaupt) nicht in den Verkehr kommen zu lassen, sondern Gefahren für den Naturhaushalt und die Gesundheit des Anwenders durch Vermeidung einer unsachgemäßen Anwendung zum Vertrieb zugelassener Mittel zu verhindern. Auch berufseinschränkende Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, möglichen Gefahrenlagen zu begegnen, die nur bei missbräuchlicher oder "zulassungsüberschreitender" Anwendung entstehen, sind ungeachtet ihrer möglicherweise begrenzten Wirkung durch Gemeinwohlbelange gedeckt, wenn diese Maßnahmen (noch) hinreichend spezifisch auf die zu schützenden Allgemeinbelange bezogen sind. Dieser ausreichend deutliche Bezug zu der Absicht des Gesetzgebers, Gesundheits- und Umweltgefahren durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln nach Möglichkeit zu verhindern, ist bei dem Verbot des Selbstbedienungsverkaufs nach § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG gegeben. Ebenso deutlich erkennbar ist der Zusammenhang mit der Absicht des Gesetzgebers, bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln die Ziele des integrierten Pflanzenschutzes zu verwirklichen. Auch wenn diese Zielsetzung möglicherweise weniger gewichtig oder dringlich erscheint als die Abwehr von Gefahren für die Umwelt und die Gesundheit, ist sie als die Verfolgung eines bedeutsamen Interesses der Allgemeinheit gleichwohl geeignet, Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit zu rechtfertigen.

Einer weiteren Spezifizierung des Gemeinwohlsbezugs der vorgenannten Regelung bedarf es, anders als die Klägerin annimmt, nicht. Insbesondere steht die Legitimation des Verbots, Pflanzenschutzmittel im Wege der Selbstbedienung in Verkehr zu bringen, durch die gesetzgeberischen Ziele nicht etwa unter dem Vorbehalt eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Kunden und Verkäufer. Bei ihrer gegenteiligen, auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. April 1987 - 1 BvL 25/84 -, BVerfGE 75, 166, zum Selbstbedienungsverkauf von Arzneimitteln in Apotheken gestützten Ansicht lässt die Klägerin außer Betracht, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Rechtfertigung eines Selbstbedienungsverbots aus Gründen des Gesundheitsschutzes keine besondere Qualifikation oder Sachkunde des Verkäufers oder eine besondere Qualität der Verkaufsberatung gefordert hat. Es hat vielmehr lediglich festgestellt, dass für den speziellen Fall des Selbstbedienungsverbots von Arzneimitteln schon die Sonderstellung der Apotheken als Einrichtungen des Gesundheitswesens und die Beraterfunktion des Apothekers als gesundheitspolitische Erwägungen ausreichend sein können, um ein sich ggf. auf sämtliche Arzneimittel erstreckendes allgemeines Selbstbedienungsverbot im Interesse einer geordneten Arzneimittelversorgung zu rechtfertigen (a.a.O., Seite 178, letzter Absatz). Diese Erwägungen lassen sich nicht in dem Sinne verallgemeinern, dass ein Selbstbedienungsverbot im Interesse der Volksgesundheit immer durch ein besonderes "Berufsbild" des Verkäufers legitimiert sein müsste.

Ob der gegebene Sachbezug ausreicht, auch - von der Klägerin als solche bezeichnete - ungefährliche Pflanzenschutzmittel einem geschlossenen Vertrieb zu unterwerfen, betrifft nicht die Frage der Legitimation durch Gemeinwohlbelange als solche, sondern die der Eignung und Erforderlichkeit der Maßnahme, für die nach den oben dargestellten Rechtsgrundsätzen des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls ein nachvollziehbarer Wirkungszusammenhang gegeben sein muss.

b)

Der Ausschluss des Selbstbedienungsverkaufs bei Pflanzenschutzmitteln in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG ist weiterhin geeignet, die hiermit verfolgten gesetzgeberischen Ziele zu erreichen.

Dieses Verbot ist unmittelbar mit der Verpflichtung des Gewerbetreibenden oder der für ihn tätigen sachkundigen Personen nach § 22 Abs. 2 PflSchG verknüpft, den Erwerber über die Anwendung des Pflanzenschutzmittels, insbesondere über Verbote und Beschränkungen, zu unterrichten. Diese Beratungspflicht gilt nach der Gesetzesnovelle vom 5. März 2008 nunmehr unbeschränkt, d.h. nicht nur, wie bisher für den Einzel- und Versandhandel, sondern auch für den Großhandel in den sog. Cash-and-carry-Märkten. Durch diese mit dem geschlossenen Verkauf zwingend verbundene Beratungspflicht des Händlers wird zumindest ein Beitrag dazu geleistet, dass der Anwender Kenntnis von Anwendungsverboten und -beschränkungen des Pflanzenschutzmittels nimmt bzw. sich nicht leichtfertig über diese Auflagen und Anwendungsbestimmungen hinwegsetzt. Das gesetzliche Instrumentarium des § 22 PflSchG ist also nicht nur dazu geeignet, wie die Klägerin meint, offensichtlich unberechtigte Personen (Kinder, Geschäftsunfähige) vom Kauf von Pflanzenschutzmitteln auszuschließen oder Kunden, die eine Beratung wünschen oder auf diese wegen fehlender Kenntnisse über die Anwendungsmöglichkeiten des Mittels angewiesen sind, die erforderliche Hilfestellung bei der Anwendung des Pflanzenschutzmittels zu geben. Die Beratung hat vielmehr eine generelle Hinweis- und Warnfunktion, die gewährleisten soll, dass auch der grundsätzlich mit der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln vertraute und mit der Absicht zum Kauf und zur Anwendung des Mittels entschlossene Kunde (nochmals) auf das Erfordernis des bestimmungs- und sachgemäßen Umgangs mit dem Mittel zur Abwehr von Gesundheitsgefahren bei der Ausbringung aufmerksam gemacht wird.

Die Beratung erstreckt sich darüber hinaus auch ("insbesondere") auf die sachgemäße Verwendung des Mittels zur Schonung der Umwelt. Die Beratungspflicht nach § 22 Abs. 2 PflSchG ist gerade mit Rücksicht auf die von dem Gesetzgeber angestrebte Berücksichtigung der Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes von besonderer Bedeutung. Nur die Beratung ermöglicht es, die Anwendung des Mittels auf die jeweilige konkrete örtliche Lage und die spezifischen Bedürfnisse des Kunden abzustimmen, wodurch ggf. auch Alternativen zur singulären Verwendung chemischer Wirkstoffe zu Gunsten biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer oder anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen, ggf. in Kombination mit dem Einsatz chemischer Wirkstoffe, aufgezeigt werden können. Hierbei soll auch erörtert werden, ob angesichts des (drohenden) Schadensbefalls und der voraussichtlich hierdurch verursachten Schäden (Schadensschwelle) der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln überhaupt notwendig ist (vgl. Ausschussbericht, BT-Drucks. 10/4618, S. 45; Rehbinder, NUR 1987, 68 [70]). Überdies soll durch die Beratung einer routinemäßigen vorbeugenden Einbringung von Pflanzenschutzmitteln vorgebeugt werden (vgl. Lorz, Pflanzenschutzrecht, 1989, Anm. 3 zu § 6 PflSchG). Dass es gleichwohl trotz entsprechender Information durch den Händler oder seine Mitarbeiter bei "beratungsresistenten" Personen, die ein Gespräch mit dem Verkäufer verweigern oder die hierbei gegebenen Hinweise und Ratschläge schlicht ignorieren, zu Fehlanwendungen kommen kann, nimmt den in § 22 PflSchG geregelten gesetzlichen Maßnahmen nicht ihre Eignung. Die Eignung eines Mittels zur Erreichung gesetzgeberischer Ziele setzt nicht voraus, dass der erstrebte Erfolg in jedem Falle tatsächlich erreicht wird oder auch nur erreichbar ist. Vielmehr genügt es, wenn mit Hilfe des Mittels - wie hier - der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (BVerfG, Beschluss vom 10. April 1997 - 2 BvL 45/92 -, BVerfGE 96, 10 [23]).

Das umfassende gesetzliche Verbot in § 20 Abs. 1 Satz 1 PflSchG erweist sich entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch nicht teilweise, nämlich in Bezug auf "ungefährliche" Pflanzenschutzmittel als ungeeignet.

Selbst wenn man unterstellt, dass es - wie die Klägerin vorträgt - Pflanzenschutzmittel ohne Gefahrenpotential gibt, weil sie entweder aufgrund der Art und Zusammensetzung ihrer Inhalts- und Wirkstoffe auch bei beliebiger Überdosierung keine schädlichen Wirkungen für den Naturhaushalt und die Gesundheit des Anwenders hervorrufen oder bei denen auf Grund ihres spezifischen Anwendungsbereichs eine bestimmungswidrige Verwendung faktisch auszuschließen ist, wäre die Eignung des gesetzlichen Verbots in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG zur Erreichung der vom Gesetzgeber angestrebten Ziele gleichwohl gegeben. Zwar ließe sich in diesem Fall die Eignung des gesetzlichen Instrumentariums in § 22 PflSchG in Bezug auf die Vermeidung von Umwelt- und Gesundheitsgefahren womöglich in Frage stellen, weil Vertriebsbeschränkung und Beratung für den bezweckten Schutz vor Gefahren für den Naturhaushalt und für die Gesundheit des Verbrauchers allenfalls von sehr begrenztem Nutzen wären. Diesen Zweifeln näher nachzugehen, erübrigt sich allerdings, denn der mit § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG verfolgte Zweck erschöpft sich, wie dargelegt, nicht in der Abwehr von Umwelt- und Gesundheitsschäden, sondern zielt weitergehend im Interesse einer umfassenden Gefahrenvorsorge und Umweltschonung auf die Vermeidung von Eingriffen in den Naturhaushalt mit chemischen Mitteln nach den Grundsätzen des integrierten Pflanzenschutzes ab. Jedenfalls dieses (weitere) Ziel kann mit der Unterbindung des Selbstbedienungsverkaufs von Pflanzenschutzmitteln und der hiermit einhergehenden Verpflichtung des Gewerbetreibenden zur Beratung des Anwenders gefördert werden. Pflanzenschutzmittel sind nach der Vorstellung des Gesetzgebers nämlich dadurch gekennzeichnet, dass der Schutz der Pflanzen, Pflanzenteile und Pflanzenerzeugnisse vor schädlichen Einflüssen von Schadorganismen oder Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen, die keine Schadorganismen sind bzw. die durch das Mittel bewirkte Wachstumsregelung oder Keimhemmung (vgl. § 2 Nr. 9 PflSchG) im Regelfall mit Hilfe chemischer Wirkstoffe herbeigeführt wird (vgl. § 2 Nr. 9a PflSchG). Hierdurch unterscheiden sie sich von den Pflanzenstärkungsmitteln im Sinne von § 2 Nr. 10 PflSchG, die gerade deshalb nicht in den Kreis der Pflanzenschutzmittel einbezogen wurden, um biologischen Mitteln im Rahmen alternativer Verfahren des Landbaus Rechnung zu tragen (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Pflanzenschutzgesetzes, BT-Drucks. 10/1262 vom 10. April 1984, S. 21, 22). Der für die Eignung des Mittels erforderliche hinreichende Sachbezug zu dem Schutzgut liegt aus den vorgenannten Gründen bezüglich sämtlicher von der Klägerin als ungefährlich bezeichneter Pflanzenschutzmittel vor.

c)

Das Verbot zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln durch Selbstbedienung ist ferner auch erforderlich, um die mit der gesetzlichen Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG verfolgten Zwecke zu verwirklichen. Andere in gleicher Weise geeignete Instrumentarien, die für die Klägerin und andere Pflanzenschutzmittel vertreibende Personen mit geringeren Belastungen verbunden wären, stehen erkennbar nicht zur Verfügung. Dass das mit Beratungspflicht des Verkäufers verbundene Selbstbedienungsverbot bei den auch von der Klägerin als bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch (potentiell) gefährlichen Pflanzenschutzmittel zur Erzielung des beabsichtigten "Verstärkungs- und Warneffekts" bezüglich möglicher Gefahren bei bestimmungswidriger Verwendung des Mittels von dem Gesetzgeber unter Beachtung des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums als erforderlich betrachtet werden durfte, gesteht auch die Klägerin zu. Eine persönliche Information über Anwendungsbeschränkungen und Anwendungshinweise lässt sich durch die von ihr in diesem Zusammenhang angeführte schriftliche Gebrauchsanleitung (§ 20 Abs. 2 Nr. 6 PflSchG) nicht bewerkstelligen.

Der Ausschluss der Pflanzenschutzmittel vom freihändigen Verkauf und die Beratung des Käufers dieser Produkte sind darüber hinaus insbesondere auch dazu notwendig, die zwangsläufig individuell zu gestaltenden Information des Anwenders über die sachgerechte Anwendung des Mittels im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes sicherzustellen. Dies gilt aus den bereits oben dargestellten Gründen für sämtliche, d.h. auch für die von der Klägerin als ungefährlich bezeichneten Pflanzenschutzmittel, die nach ihrer Darstellung auch im Falle krasser Überdosierung in Bezug auf Umwelt- und Gesundheitsgefahren unbedenklich sind. Eine allgemein gehaltene schriftliche Belehrung über die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes und der guten fachlichen Praxis bei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln wäre nicht in gleicher Weise geeignet, einen möglichst sparsamen und zielgerechten Einsatz chemischer Wirkstoffe im Pflanzenschutz zu erreichen.

d)

§ 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG ist schließlich auch mit Blick auf die der Klägerin und anderen Gewerbetreibenden in vergleichbarer Lage zugemuteten Einschränkungen und Belastungen mit Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Die durch das gesetzliche Verbot zum Selbstbedienungsverkauf von Pflanzenschutzmitteln beeinträchtigte Freiheit zur eigenverantwortlichen Ausgestaltung der Verkaufsart hat bei Abwägung mit den für dieses Verbot streitenden öffentlichen Belangen hinter diesen zurückzutreten. Eine unverhältnismäßige und damit unzumutbare Belastung für die Verkäufer von Pflanzenschutzmitteln ist mit der Beschränkung des Vertriebs dieser Mittel im geschlossenen Verkauf nicht verbunden.

Die Unverhältnismäßigkeit der von dem Gesetzgeber mit § 22 PflSchG ergriffenen Mittel folgt nicht aus der von der Klägerin beanstandeten Einbeziehung auch "ungefährlicher" Pflanzenschutzmittel in das Selbstbedienungsverbot und auch nicht aus sonstigen Gründen, aus denen sich eine Unzumutbarkeit der Folgen dieses Verbots für die hiervon Betroffenen ergeben könnte.

Als "ungefährlich" betrachtet die Klägerin Pflanzenschutzmittel, die

a) entweder aufgrund der Art und Zusammensetzung ihrer Inhalts- und Wirkstoffe auch bei beliebiger Überdosierung keine schädlichen Wirkungen für den Naturhaushalt und die Gesundheit des Anwenders hervorrufen können, oder

b) bei denen zwar ein nicht bestimmungsgemäßer Einsatz zur Beeinträchtigung von Schutzgütern führen kann, bei denen aber ein Miss- oder Fehlgebrauch faktisch in hohem Maße unwahrscheinlich ist, weil es keinen vernünftigen Grund gibt, das Mittel außerhalb des in der Zulassung festgelegten Anwendungsbereichs zu verwenden.

Bezüglich der von der Klägerin gebildeten ersten Fallgruppe " gänzlich ungefährlicher" Pflanzenschutzmittel (a) ist die von ihr vorgenommene Kategorisierung für die rechtliche Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Verbots des freihändigen Verkaufs von Pflanzenschutzmitteln bereits aus tatsächlichen Gründen untauglich.

Völlig unbedenkliche Pflanzenschutzmittel im Sinne der oben unter a) bezeichneten Fallgruppe gibt es nämlich erkennbar nicht. Die Klägerin hat die Existenz derart ungefährlicher Pflanzenschutzmitteln zwar behauptet und auch eine ganze Reihe von Produkten benannt, die - wie auch die im Klageantrag benannten beiden Produkte - aus ihrer Sicht auch bei grob bestimmungswidrigem und übermäßigem Gebrauch keine Gefahren für den Naturhaushalt und gesundheitliche Gefahren für den Anwender hervorrufen. Sie hat sich allerdings nicht eindeutig zu den Kriterien geäußert, nach denen diese Unbedenklichkeit konkret festgestellt werden soll. Offenbar geht die Klägerin von der Ungefährlichkeit sämtlicher Pflanzenschutzmittel aus, für die keine Kennzeichnung nach dem Gefahrenstoffrecht besteht. Diese Auffassung greift indessen zu kurz.

Als Grundlage für die Einschätzung der Gefährlichkeit dieser Mittel ist nicht nur darauf abzustellen, ob und ggf. welche Gefährlichkeitsmerkmale nach § 4 der Gefahrenstoffverordnung vom 23. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3758, 3759), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 12. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2382) - GefStoffV - verwirklicht sind. Darüber hinaus ist für die Einschätzung der Gefährlichkeit von Pflanzenschutzmitteln von wesentlicher Bedeutung, ob und ggf. welche Beschränkungen und Auflagen gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 4 PflSchG im Rahmen der Zulassung festgesetzt wurden.

Aus dem Kreis von vornherein unbedenklicher Pflanzenschutzmittel fallen danach zunächst schon sämtliche Mittel heraus, die nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 PflSchG für die Anwendung im Haus- und Kleingartenbereich zugelassen wurden.

Die Beschränkung des Einsatzes dieser Pflanzenschutzmittel auf die Verwendung in der Land- und Forstwirtschaft, in Gärtnereibetrieben und sonstigen Anwendungen außerhalb des haus- und kleingärtnerischen Bereichs belegt als solche, dass das Mittel potentiell schädliche Auswirkungen auf die Natur oder den Nutzer hat und dass die Anwendung des Mittels deshalb nur in die Hand sachkundiger Personen gelegt werden soll (vgl. § 6a Abs. 1 Satz 2, 10 PflSchG). Bezüglicher dieser Pflanzenschutzmittel besteht ohne weiteres das die uneingeschränkte Berufsfreiheit der Händler überwiegende öffentliche Interesse daran, dass diese Mittel nicht durch freihändigen Verkauf in die Hände von Anwendern gelangen, die das Mittel bestimmungswidrig in Haus- oder Kleingärten einsetzen wollen. Folglich könnten auch bei grober Fehlanwendung unschädliche Pflanzenschutzmittel allenfalls solche auch für die Verwendung für den Haus- und Kleingartenbereich zugelassene Produkte nach Teil 7 - Haus- und Kleingartenbereich - des amtlichen Pflanzenschutzmittelverzeichnisses des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Ausgabe 2008 (veröffentlicht unter URL http://www.bvl.bund.de), sein.

Von den dort gelisteten insgesamt 475 Pflanzenschutzmitteln können weiterhin diejenigen Produkte nicht als von vornherein ungefährlich gelten, für die Hinweise auf besondere Gefahren nach der Gefahrstoffverordnung (sog. R-Sätze), weitere Kennzeichnungen nach der Gefahrstoffverordnung zur Vermeidung von allergischen Reaktionen (RA-Kennzeichen) und/oder pflanzenschutzrechtliche Auflagen bezüglich besonderer Gefahren für Gewässer (NW-Auflagen 261 bis 265), für Bienen (NB6611) und für Nutzorganismen (NN 230 bis NN 400) und/oder sonstige Auflagen zur Abwehr von Gefahren für den Anwender oder den Naturhaushalt (z.B. NT669 und NT671 bezüglich giftiger Mittel für Vögel und Wild) gelten.

Auch die verbleibenden für den Haus- und Kleingartenbereich zugelassenen Pflanzenschutzmittel sind nicht in dem Sinne vollständig unbedenklich, dass von ihnen auch im angenommenen Fall des Missbrauchs oder einer vergleichbar groben Fehlanwendung keinerlei Gefahren zumindest für den Anwender ausgehen könnten. Diese Mittel sind, soweit sonstige Auflagen und Beschränkungen fehlen, zumindest unter der (allgemeinen) Auflage "Jeden unnötigen Kontakt mit dem Mittel vermeiden. Missbrauch kann zu Gesundheitsschäden führen (SB001)" zugelassen worden. Danach besitzt letztlich keines der zugelassenen Pflanzenschutzmittel die Eigenschaft, auch bei grober Fehlanwendung oder Missbrauch keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit des Nutzers zu haben.

Für die Frage der Angemessenheit der Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG können folglich allenfalls die Pflanzenschutzmittel nach der von der Klägerin gebildeten zweiten Fallgruppe "ungefährlicher" Pflanzenschutzmittel (b) bedeutsam sein, bei denen zwar ein nicht bestimmungsgemäßer Einsatz zur Beeinträchtigung von Schutzgütern führen kann, bei denen aber "ein Miss- oder Fehlgebrauch faktisch in hohem Maße unwahrscheinlich ist, weil es keinen vernünftigen Grund gibt, das Mittel außerhalb des in der Zulassung festgelegten Anwendungsbereichs zu verwenden".

Auch bezüglich dieser Gruppe von Pflanzenschutzmitteln hat die Klägerin nicht dargelegt, nach welchen Gesichtspunkten die nach ihrer Ansicht zwar potentiell gegebene, tatsächlich aber äußerst unwahrscheinliche Gefährlichkeit dieser Mittel festgestellt werden soll. Wiederum bezogen auf die Vergabe von Gefährlichkeitsmerkmalen nach der Gefahrstoffverordnung und Auflagen oder Beschränkungen nach dem Pflanzenschutzgesetz kann es sich allenfalls um für den Haus- und Kleingartenbereich zugelassene Produkte ohne Kennzeichnung nach der Gefahrstoffverordnung und/oder Beschränkungen oder Auflagen nach dem Pflanzenschutzrecht wegen besonderer Umwelt- oder Gesundheitsgefahren handeln, für die nur pauschal gehaltene pflanzenschutzrechtliche Auflagen, Anwendungsbestimmungen und Sicherheitsratschläge (über die Auflage SB001 hinaus z.B. Tragen von Sicherheitskleidung, Fernhalten von Nahrungs- und Futtermitteln und Getränken, Fernhalten von Kindern) und/oder die ebenfalls allgemeine Kennzeichnung SP001 nach der Gefahrstoffverordnung ("Zur Vermeidung von Risiken für Mensch und Umwelt ist die Gebrauchsanleitung einzuhalten") gelten.

Bezüglich dieser Pflanzenschutzmittel könnte fraglich sein, ob der in dem Selbstbedienungsverbot in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG liegende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit noch den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit entspricht, wenn von dem Verbot - wie von der Klägerin behauptet - tatsächlich in erheblichem Umfang auch der Verkauf von Pflanzenschutzmitteln ohne besonderes Gefährdungspotential betroffen wäre, bei denen sich die zum Ausschluss von Schädigungen für die Umwelt und für die Gesundheit des Anwenders notwenigen Informationen letztlich vollständig bereits aus der schriftlichen Gebrauchsinformation ergeben und bei denen das Bedürfnis nach Einbeziehung dieser Produkte in ein generelles Selbstbedienungsverbot folglich nicht ohne weiteres erkennbar ist.

Dieser Gesichtspunkt könnte für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Verbotsregelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG deshalb bedeutsam sein, weil diese Vorschrift ohne Differenzierung nach dem Gefährdungsgrad der Pflanzenschutzmittel an die wiederum pauschale Begriffsbestimmung des Pflanzenschutzmittels (oder ihm gleichgestellter Mittel) in § 2 Nr. 9 PflSchG anknüpft, die ein Mittel ungeachtet seines Gefährdungspotentials ausschließlich wegen seines Bestimmungszwecks als Pflanzenschutzmittel einordnet. Der Gesetzgeber hat bei der pauschalierenden Regelung in § 2 Nr. 9 PflSchG ersichtlich unterstellt, dass Produkte, die zu den in der Vorschrift bezeichneten Zwecken verwendet werden sollen, regelmäßig Gefahrenpotentiale für den Naturhaushalt und/oder die Gesundheit des Anwenders in sich bergen, und hat damit in Kauf genommen, dass von der Regelung auch Mittel erfasst werden, bei denen solche Gefährdungen allenfalls bei grober Fehlanwendung zu erwarten sind. Die konkrete Gefährlichkeit des Mittels und seiner Wirkstoffe ist nur insoweit von Bedeutung, als es nach § 15 PflSchG nicht zugelassen werden kann, wenn schädliche Auswirkungen auf Pflanzen, Tiere und Menschen auch durch eine bestimmte (bestimmungsgemäße) Art der Verwendung nicht ausgeschlossen werden können. Begrifflich getrennt von den Pflanzenschutzmitteln werden (nur) solche Produkte, die lediglich zur Versorgung von Pflanzen und Pflanzenteilen mit Nährstoffen (Wasser, Düngemittel, § 2 Nr. 9, 2. Halbsatz PflSchG) oder zur Pflanzenstärkung dienen (Pflanzenstärkungsmittel, § 2 Nr. 10 PflSchG), weil bei diesen Mitteln ungeachtet ihrer konkreten Zusammensetzung und Anwendung generell davon ausgegangen wird, dass sie im Regelfall keine schädigende Wirkung auf die Gesundheit von Menschen und Tieren und auf den Naturhaushalt haben (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 10/1262, S. 21, 22; Ausschussbericht, BT-Drucks. 10/4618, S. 49).

Bedeutung für die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit durch die Vertriebsbeschränkung in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG könnten diese Aspekte deshalb gewinnen, weil es zumindest partiell, nämlich bezüglich von Pflanzenschutzmitteln, die allenfalls bei missbräuchlicher oder grob fehlerhafter oder bestimmungswidriger Verwendung unschädlich sind, an der Gewichtigkeit und Dringlichkeit der Gründe fehlen könnte, die bei Abwägung mit der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheitssphäre der betroffenen Händler den Grundrechtseingriff rechtfertigen können. Zwar verbleibt auch bei diesen Mitteln - wie dargelegt - das Bedürfnis nach Gefahrenvorsorge und der Sicherstellung eines schonenden Einsatzes im Interesse einer generellen Verminderung von chemischen Methoden beim Pflanzenschutz. Da es hierbei nicht um die Abwehr von konkreten Umwelt- und Gesundheitsgefahren geht, genießt dieses gesetzgeberische Ziel gegenüber den beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Händler von Pflanzenschutzmitteln aber keinen notwendigen Vorrang. Wenn sich die Folgen des gesetzlichen Verbots in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG bezüglich der im oben genannten Sinne weitgehend unbedenklichen Pflanzenschutzmittel für die betroffenen Personen und Unternehmen als schwerwiegend darstellen sollten, könnte sich für sie die Einbeziehung dieser Produkte in das Verbot des Selbstbedienungsverkaufs als unangemessen und als unzumutbar schwere Belastung darstellen. Zwar obliegt es dem Gesetzgeber im Rahmen der ihm bei der Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich zukommenden weiten Gestaltungsfreiheit, in Bezug auf den jeweiligen Lebensbereich darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und - unter der Voraussetzung der grundsätzlichen Eignung der in Betracht kommenden Mittel - auf welche Weise Situationen entgegengewirkt werden soll, die nach seiner Einschätzung zu Schäden führen können und dabei eine möglichst weitreichende und effektive Gefahrenprophylaxe anzustreben (BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008, a.a.O., S. 2414). Gleichwohl kann der Gesetzgeber gehalten sein, zur Vermeidung unangemessener Folgen für die Betroffenen auf von ihm für zweckmäßig erachtete Maßnahmen entweder ganz zu verzichten oder im Interesse der Grundrechtssphäre von Betroffenen differenzierende Regelungen zu treffen. Im vorliegenden Fall könnte daran gedacht werden, dass der Gesetzgeber entweder ungefährliche Mittel durch Bildung weiterer Ausnahmetatbestände aus dem Begriffsbereich des Pflanzenschutzmittels herausnimmt oder jedenfalls bei der Abgabebeschränkung in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG zwischen gefährlichen und ungefährlichen Pflanzenschutzmitteln differenziert. In Betracht könnte auch die von der Klägerin vorgeschlagene Regelung kommen, dass mit der Zulassung über ein Selbstbedienungsverbot oder eine andere Vertriebsbeschränkung entschieden wird. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Schaffung derartiger Bestimmungen besteht indessen aus verschiedenen Gründen nicht.

Anlass, den Belangen der vom Verbot des Selbstbedienungsverkaufs betroffenen Händler durch Schaffung von differenzierenden Vorschriften bezüglich der Gefährlichkeit von Pflanzenschutzmitteln Rechnung zu tragen, besteht zunächst im Hinblick darauf nicht, dass es nur eine vergleichsweise geringe Zahl von Produkten gibt, die im oben genannten Sinn als weitgehend ungefährlich oder unbedenklich gelten können, und dass es darüber hinaus an tauglichen Kriterien für eine Differenzierung der Pflanzenschutzmittel nach ihrem jeweiligen Gefährdungsgrad fehlt.

Wenn es sich - wie bei der Einschätzung des Gefährdungsumfangs von Pflanzenschutzmitteln - um komplexe Sachverhalte handelt, darf sich der Gesetzgeber grundsätzlich mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen (wie hier nach dem Bestimmungszweck des Mittels) begnügen, hat allerdings, wenn sich entsprechende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die allgemein gefassten Bestimmungen als nicht (mehr) erforderlich oder angemessen darstellen, entsprechende Korrekturen vorzunehmen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 19. September 1996 - 1 BvR 1767/92 -, NJW 1997, 247 [248]) - eine entsprechende Korrektur ist bezüglich des Verbots des Selbstbedienungsverkaufs von Produkten nach dem Pflanzenschutzgesetz bereits vorgenommen worden, indem das früher für Pflanzenstärkungsmittel nach § 31 Abs. 2 PflSchG entsprechend geltende Verbot nach § 22 Abs. 1 PflSchG im Zuge der Gesetzesnovelle vom 5. März 2008 aufgehoben wurde (Art. 1 Nr. 26 des Änderungsgesetzes) -. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer gesetzlichen Typisierung und Generalisierung kann auch der Umstand bedeutsam sein, in welchem Umfang Sachverhalte berücksichtigt wurden, bei denen sich die Notwendigkeit der Einbeziehung als zweifelhaft erweisen könnte.

Dieser Aspekt hat - zumindest derzeit - für die Frage der Verhältnismäßigkeit des Verbotstatbestandes in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG keine maßgebliche Bedeutung. Von den 475 für den Haus- und Kleingartenbereich zugelassenen Pflanzenschutzmitteln weisen nur 51 und damit nur rund 1/10 keine auf besondere Gefährdungen hindeutenden gefahrenstoffrechtlichen und/oder pflanzenschutzrechtlichen Kennzeichen auf. Bezogen auf die Gesamtzahl aller gegenwärtig zugelassenen Pflanzenschutzmittel (ausweislich der Gesamtliste des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 4. August 2008: 1046) bewegt sich der prozentuale Anteil der (weitgehend) unbedenklichen Mittel bei etwa 5 %. Diese vergleichsweise geringe Zahl von Mitteln ohne besondere Gefährlichkeit lässt die Notwendigkeit einer differenzierenden Regelung nicht deutlich werden.

Es kommt hinzu, dass es ersichtlich an tauglichen Kriterien fehlt, an die bei einer solchen Differenzierung angeknüpft werden könnte.

Eine Differenzierung nach dem konkreten Einsatzgebiet des Pflanzenschutzmittels wäre nicht sachgerecht. Allerdings stammen die meisten der Mittel ohne besondere Gefahrkennzeichnung aus bestimmten Arten von Pflanzenschutzmitteln, nämlich aus der Gruppe der "Mittel zum Wundverschluss, Mittel zur Veredelung an Obst- und Ziergehölzen und Fangleime" - Abschnitt 6.1 von Teil 7 des Pflanzenschutzmittelverzeichnisses -, aus der Gruppe der "Mittel gegen Nacktschnecken (Molluskizide) - Abschnitt 6.5 -, aus der Gruppe der "Mittel gegen Nagetiere (Rodentizide)" - Abschnitt 6.6 -, aus der Gruppe der "Wildschadenverhütungsmittel" - Abschnitt 6.7 - und der "Mittel zur Bewurzelung von Stecklingen" - Abschnitt 6.8 -. Eine Herausnahme dieser Gruppen aus dem Bereich der Pflanzenschutzmittel in § 2 Nr. 9 PflSchG oder aus der Verbotsregelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG wird indessen nicht in Betracht kommen, weil auch in diesen Gruppen einzelne oder mehrere der Produkte Gefahrenmerkmale nach der Gefahrenstoffverordnung tragen oder Beschränkungen und/oder Auflagen wegen besonderer Gefahren nach dem Pflanzenschutzgesetz unterliegen. Denkbar wäre allenfalls eine Differenzierung nach Wirkstoffen, da erkennbar ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der (fehlenden) Vergabe von Gefahrenkennzeichen und einzelnen offensichtlich (weitgehend) unbedenklichen Wirkstoffen (z.B. Baumwachse, Essigsäure, Rapsöl) besteht. Zum einen ist dieser Zusammenhang aber nicht durchgängig vorhanden (z.B. ist das im Produkt mit der Zulassungsnummer 0634-00/STS eingesetzte Baumwachs gefahrenstoffrechtlich als schädlich für Wasserorganismen, R 52/53, gekennzeichnet). Zum anderen würde eine auf einzelne Wirkstoffe abstellende differenzierte Behandlung bei Wirkstoffkombinationen nicht greifen. Vor allem bei nachträglicher Änderung der Wirkstoffzusammensetzung nach erfolgter Zulassung würden derartige Regelungen Probleme hervorrufen. Diese Veränderung würde nämlich nicht dazu führen, dass ein wegen seiner Wirkstoffe nicht als Pflanzenschutzmittel erfasstes oder aus dem Selbstbedienungsverbot nach § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG herausgenommenes Pflanzenschutzmittel dieser gesetzlichen Beschränkung nunmehr unmittelbar unterfiele. Vielmehr würden sich aus der Veränderung der Wirkstoffzusammensetzung lediglich Anhaltspunkte für die Zulassungsbedürftigkeit des Mittels nach § 11 PflSchG bzw. neue Erkenntnisse für eine nachfolgende Änderung der Zulassung im Sinne von § 15a Abs. 2 PflSchG oder Hinweise für den Erlass einer Vertriebsbeschränkung ergeben. Ein solches Regelungssystem, mit dem auf potentielle Gefahren durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erst im Nachhinein reagiert werden könnte, wäre mit dem durch das Pflanzenschutzgesetz in zulässiger Weise verfolgten präventiven Konzept der Gefahrenabwehr schwerlich vereinbar.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann die Unverhältnismäßigkeit des Verbots in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die betroffenen Händler in ihrer Berufsausübungsfreiheit durch die Einbeziehung (weitgehend) ungefährlicher Pflanzenschutzmittel schwer beeinträchtigt werden. Solche durch die gesetzliche Vertriebsbeschränkung herbeigeführten schweren Nachteile sind nicht ersichtlich.

Die Klägerin leitet diese Nachteile zunächst aus "Umsatzeinbußen" durch den Ausschluss unbedenklicher Pflanzenschutzmittel her. Bei diesen Einbußen, die die Klägerin mit ca. 30 % des Gesamtumsatzes auf "Spontan- und Impulsverkäufe" veranschlagt, handelt es sich nicht um solche, die auf Grund einer neu erlassenen Vertriebsbeschränkung gegenüber dem zuvor bestehenden freien Verkauf der Produkte eingetreten sind, sondern um die Differenz zwischen dem jetzigen Umsatz und demjenigen, der bei einer partiellen Freigabe des Selbstbedienungsverkaufs von Pflanzenschutzmitteln erwartet wird. Zwar wird auch ein solches durch Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit nicht oder nicht in gleichem Umfang zu erzielendes Einkommen durch die Grundrechtsgewährleistung des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 1971 - 1 BvR 52/66 u.a. -, BVerfGE 30, 292 [334, 335]). Diesen Gewinnerwartungen kommt indessen gegenüber Einkommenseinbußen, die durch Schmälerung des bisherigen Umsatzes auf Grund einer gesetzlichen Neuregelung eintreten, ein geringeres Gewicht zu. Überdies werden evtl. durch das generelle Verbot nach § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG eintretende wirtschaftliche Beeinträchtigungen dadurch relativiert, dass der Vertriebseinschränkung alle Gewerbetreibenden unterliegen, die Pflanzenschutzmittel in den Verkehr bringen wollen, so dass das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG nicht auch zugleich unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsgleichheit betroffen ist (insoweit im Unterschied zu dem Sachverhalt im oben erwähnten "Apothekenfall" des Bundesverfassungsgerichts, bei dem unterschiedliche Regelungen bezüglich des Verkaufs von Arzneimitteln in Apotheken einerseits und in sonstigen Einzelhandelsgeschäften andererseits in Frage stand).

Abgesehen von diesen rechtlichen Gesichtspunkten ist fraglich, ob durch das Verbot des Selbstbedienungsverkaufs von weitgehend unbedenklichen Pflanzenschutzmitteln in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG gegenüber einem freien Verkauf überhaupt Umsatzeinbußen in der von der Klägerin genannten Größenordnung eintreten. Dass sich tatsächlich - wie von der Klägerin behauptet - Kunden in nennenswertem Umfang allein dadurch vom Kauf bestimmter Produkte abhalten lassen, weil diese nicht unmittelbar an einem Automaten oder im Selbstbedienungsregal zugänglich sind, ist unwahrscheinlich. Bei Pflanzenschutzmitteln handelt es nicht um Produkte, die normalerweise beiläufig oder ad hoc ohne besonderen Anlass und Bedürfnis gekauft werden. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass diese Mittel im Regelfall in größerem Umfang zur Vorratshaltung erworben werden. Vielmehr werden sie in aller Regel einzeln und gezielt gekauft, weil sie aktuell wegen Schädlingsbefalls oder aus anderen Gründen zum Pflanzenschutz benötigt werden. Da das Verbot des Selbstbedienungsverkaufs allgemein gilt und folglich keine Alternativen des freien Erwerbs in anderen Einzelhandelsgeschäften oder im Großhandel bestehen, wird der Kauf somit regelmäßig bei nächster Gelegenheit ungeachtet der hiermit durch die fehlende Möglichkeit zur Selbstbedienung verbundenen Erschwerungen getätigt werden. Der von der Klägerin zur Ermittlung des entgangenen Gewinns angestellte Vergleich mit Waren des "Spontan- und Impulsverkaufs" ist somit schon vom Grundsatz her fragwürdig. Selbst wenn aber den Händlern ein gewisser Teil möglicher Einnahmen dadurch entgehen würde, dass bestimmte Kaufvorgänge nicht getätigt werden, weil Kunden nicht die Möglichkeit haben, gewisse Pflanzenschutzmittel aus dem Automaten oder aus dem Regal zu erwerben, wären diese wirtschaftlichen Nachteile nicht so gewichtig, dass hieraus etwas für die Unverhältnismäßigkeit des generellen Verbots in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG entnommen werden könnte.

Nicht stichhaltig ist auch das weitere für die Unangemessenheit des Selbstbedienungsverbots vorgebrachte Argument der Klägerin, sie müsse wegen der auch unbedenkliche Mittel umfassenden Regelung ständig fachkundiges Personal vorhalten, was bei einem auf gefährliche Pflanzenschutzmittel reduzierten Verbot nicht der Fall wäre. Dass die Klägerin bei einem auf "gefährliche" Mittel begrenzten Verbot des Selbstbedienungsverkaufs tatsächlich in der von ihr behaupteten Weise nennenswert entlastet würde, ist bereits wegen der vergleichsweise geringen Zahl der nach ihrer Vorstellung zum freihändigen Verkauf geeigneten Pflanzenschutzmittel wenig wahrscheinlich. Selbst wenn aber den Händlern von Pflanzenschutzmitteln durch einen verstärkten Personaleinsatz wirtschaftliche Nachteile entstünden, könnte dies von ihnen nicht mit Erfolg gegen die Einbeziehung weitgehend unbedenklicher Mittel in die Verbotsregelung des § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG ins Feld geführt werden. Da wegen des unstreitig rechtmäßigen Ausschlusses "gefährlicher" Pflanzenschutzmittel vom Selbstbedienungsverkauf in jedem Fall fachkundiges Personal zur Verfügung gestellt werden muss, handelt es sich lediglich um einen begrenzten Mehraufwand, der bei Abwägung mit den betroffenen Belangen des Allgemeinwohls nicht entscheidend ins Gewicht fällt. Eher hypothetisch ist die den Händlern von Pflanzenschutzmitteln nach Ansicht der Klägerin unzumutbar verschlossene Möglichkeit, zur Vermeidung der mit dem Verbot verknüpften Beratungspflicht nur noch frei verkäufliche Pflanzenschutzmittel anzubieten.

e)

Mit dem Erlass des generellen, alle Pflanzenschutzmittel erfassenden Verbots des Selbstbedienungsverkaufs in § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG hat der Gesetzgeber entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch nicht gegen seine Verpflichtung verstoßen, identischen Gefährdungen in Gesetzen unterschiedlicher Materien einheitlich zu begegnen und nicht Gefahrenlagen in einem Gesetz ohne triftigen Grund zuzulassen, die er in einem anderen unterbindet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 1 BvR 1972/00 u.a. -, BVerfGE 107, 186 [197]). Das von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte Chemikalien- und Biozidrecht ist, soweit es die Abwehr von Gefahren anbelangt, in seiner Zielrichtung nicht mit der des Pflanzenschutzrechts identisch. Dieses dient nach § 1 PflSchG dem spezifischen Zweck des Schutzes von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen vor Schadorganismen bzw. nichtparasitären Beeinträchtigungen sowie der Abwendung von Gefahren, die durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln oder durch andere Maßnahmen des Pflanzenschutzes, insbesondere für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Naturhaushalt, entstehen können. Das Chemikalienrecht zielt dagegen umfassend darauf ab, den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe und Zubereitungen zu schützen (§ 1 Chemikaliengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 2008, BGBl. I S. 1146 - ChemG -). Die Regelung über die Abwehr von Gefährdungen, die durch gefährliche Stoffe und Zubereitungen in Bezug auf den Einsatz zum Pflanzenschutz entstehen, wird der speziellen Rechtsmaterie des Pflanzenschutzrechts überlassen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 ChemG). Dies gilt auch ausdrücklich für die Verordnungsermächtigung zur Einschränkung des Vertriebs nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 Buchst a) ChemG, die gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 ChemG von der speziellen Regelung in § 22 PflSchG verdrängt wird. Dieses bleibt folglich durch das für bestimmte Stoffe und Zubereitungen nach der Gefahrstoffverordnung erlassene Selbstbedienungsverbot gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juni 2003; BGBl. I S. 867, zuletzt geändert durch Verordnung vom 21.Juli 2008, BGBl. I S. 1328, - ChemVerbotsV - unberührt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 ChemVerbotsV).

Der Gesetzgeber hat damit die Möglichkeit eröffnet, mit Blick auf die besonderen Bedürfnisse und Erfordernisse des Pflanzenschutzes ggf. weitergehende Anforderungen zu stellen. Hierfür bestehen auch zureichende Gründe, denn bei der Verwendung von Stoffen und Zubereitungen zum Pflanzenschutz können in Folge des unmittelbaren Einbringens in die Umwelt besondere Gefahrenlagen entstehen, die anders geartete oder weiter reichende Maßnahmen erfordern können als etwa bei der Abwehr und Vermeidung von Gefährdungen durch Waschmittel, Baustoffe u.s.w. Überschneidungen können allerdings vor allem bei Biozid-Produkten auftreten, weil diese - wie Pflanzenschutzmittel - dazu bestimmt sind, Schädigungen durch Schadorganismen zu verhindern (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 1 ChemG). Bei diesen durch Biozide bekämpften Schadorganismen handelt es sich allerdings in erster Linie um solche, die für den Menschen, seine Umgebung und von ihm hergestellte Produkte unerwünscht oder schädlich sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 ChemG). Diese Produkte haben folglich einen anderen Anwendungsbereich als Pflanzenschutzmittel (z.B. Desinfektionsmittel, Beschichtungsschutzmittel, Holzschutzmittel, vgl. die Liste der Produktarten in Anhang V der Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten, ABL L 123/1). Dies auch dann, wenn sie zur Bekämpfung von tierischen oder pflanzlichen Schädlingen verwendet werden sollen, wie etwa Insektizide, Mittel gegen Nagetiere oder Algenbekämpfungsmittel. Rechtlich problematisch gestaltet sich hier allenfalls im Einzelfall die Einordnung von sowohl im Hausbereich als auch im Pflanzenschutz verwendbaren Mitteln als Biozid-Produkte oder Pflanzenschutzmittel (z.B. Moosentferner für Terrasse und Rasen, vgl. hierzu der Hinweis in der Stellungnahme des Bundesrats, BR-Drucks. 534/1/07, S. 11, 12). Dies ändert indessen an den grundsätzlichen Unterschieden beider Rechtsmaterien und der Befugnis des Gesetzgebers, diesen durch verschieden ausgestaltete Vorschriften Rechnung zu tragen, nichts.

3.

Das unbeschränkte Verbot des Selbstbedienungsverkaufs von Pflanzenschutzmitteln greift schließlich nicht in unzulässiger Weise in das Grundrecht der Klägerin auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG ein.

Ein Verstoß gegen das grundrechtliche Gleichbehandlungsgebot liegt zunächst nicht darin begründet, dass die Klägerin als Betreiberin eines Gartenmarktes in Bezug auf die Vertriebseinschränkung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG gegenüber anderen Gewerbetreibenden in vergleichbarer Lage ungleich behandelt und dadurch benachteiligt würde. Das gesetzliche Verbot des Selbstbedienungsverkaufs von Pflanzenschutzmitteln gilt für den gesamten Einzel- und Großhandel von Pflanzenschutzmitteln, so dass sämtliche Händler von dem Gesetz in gleicher Weise betroffen sind.

Gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot, Gleiches gleich und Ungleiches unterschiedlich zu behandeln, hat der Gesetzgeber auch nicht dadurch zum Nachteil der Klägerin verstoßen, dass er "ungefährliche" und "gefährliche" Pflanzenschutzmittel ohne Differenzierung dem Verbot des freihändigen Verkaufs unterworfen hat. Gegen diese Generalisierung sind, wie ausgeführt, keine rechtlichen Bedenken zu erheben.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten auf § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1 ZPO i. V. m. § 167 VwGO.

Die Entscheidung wirft grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit der (teilweisen) Vereinbarkeit des § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG mit Verfassungsrecht auf, so dass die Revision gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen ist.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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