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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.05.2006
Aktenzeichen: 6 NG 1741/05
Rechtsgebiete: Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse, BörsG, VwGO


Vorschriften:

Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse §§ 39c - 39s
BörsG § 29 S. 1
VwGO § 47 Abs. 6
VwGO § 91
Es besteht hier kein Rechtsschutzbedürfnis an einer vorläufigen Außervollzugsetzung von Verteilungsregelungen betreffend die Zuteilung von Aktienskontren an Skontroführer in einer Börsenordnung, wenn die Regelungen durch Zuteilungsentscheidungen bereits vollständig umgesetzt sind.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

Az.: 6 NG 1741/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Wirtschafts- u. Wirtschaftsverwaltungsrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Schulz, Richterin am Hess. VGH Fischer, Richter am Hess. VGH Heuser, Richterin am Hess. VGH Lehmann, Richter am VG Ehrmanntraut

am 5. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 300.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO die vorläufige Außervollzugsetzung von Bestimmungen der Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse in der Fassung vom 15. März 2005 (BörsenO), welche die Verteilung der Aktienskontren des amtlichen und geregelten Marktes betreffen.

Auf Grundlage dieser Regelungen nahm die Antragsgegnerin zum 1. Juli 2005 eine vollständige Neuverteilung der Aktienskontren des amtlichen und geregelten Markts vor. Mit Bescheiden vom 20. Mai 2005 wies die Antragsgegnerin den Beigeladenen zu 1) bis 10) entsprechend den für sie ermittelten Punkteguthaben befristet bis zum 31.12.2006 Skontren zu, wogegen sie den Zuteilungsantrag der Antragstellerin mit Bescheid vom gleichen Tage ablehnte, weil das ermittelte Punkteguthaben der Antragstellerin weniger als 3000 Punkte betrug und auch keine Berücksichtigung als neuer Skontroführer erfolgte. Die von der Antragstellerin gegen die Zuteilungsbescheide sowie die ihr gegenüber ergangene Ablehnung eingelegten Widersprüche hat die Antragsgegnerin mittlerweile mit Widerspruchsbescheiden vom 13. April 2006 zurückgewiesen, nachdem die Antragstellerin diesbezüglich eine Untätigkeitsklage bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main erhoben hat. Darüber hinaus hat die Antragstellerin bei dem Verwaltungsgericht unter dem 8. März 2006 einen Antrag gemäß § 123 VwGO anhängig gemacht, mit dem sie eine Verpflichtung zur vorläufigen Zuteilung von Aktienskontren begehrt (1 G 919/06).

Die Antragstellerin hat am 20. Mai 2005 in der Hauptsache ein Normenkontrollverfahren bezüglich der §§ 39c - 39s BörsenO, soweit diese die Zuteilung von Aktienskontren im amtlichen und geregelten Markt zum 1. Juli 2005 betreffen, anhängig gemacht (6 N 1388/05) und mit am 1. Juli 2005 eingegangenem Schriftsatz den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO gestellt, der zunächst ebenfalls die die Verteilung von Aktienskontren zum 1. Juli 2005 betreffenden Regelungen in der BörsenO zum Gegenstand hatte.

Mit Schriftsatz vom 16. März 2006 hat die Antragstellerin ihr Begehren dahingehend erweitert, auch diejenigen Bestimmungen der BörsenO vorläufig außer Vollzug zu setzen, die die Zuteilungsperioden ab dem 1. Januar 2007 betreffen. Die Antragsgegnerin hat der Antragsänderung nicht zugestimmt.

Die Antragstellerin hält ihr Begehren für zulässig und sieht insbesondere die geltend gemachten Bedenken gegen ihr Rechtsschutzbedürfnis als ungerechtfertigt an. Sie führt hierzu unter näherer Darlegung aus, sie könne ungeachtet des Umstandes, dass die Verteilung der Aktienskontren für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2006 bereits vorgenommen worden sei, nicht auf eine vorrangige Möglichkeit der Inanspruchnahme von Individualrechtsschutz verwiesen werden. Darüber hinaus bestehe jedenfalls im Hinblick auf die Regelungen für die künftigen Skontrenverteilungen, die im Wege einer zulässigen Antragsänderung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden seien, ein Rechtsschutzbedürfnis.

In der Sache macht die Antragstellerin unter näherer Darlegung geltend, der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zur Abwehr schwerer Nachteile geboten, da die angegriffenen Verteilungsregelungen willkürlich und diskriminierend seien und dadurch das Grundrecht der Antragstellerin in Art. 12 Abs. 1 GG auf Zugang zu der Tätigkeit als Führer von Aktienskontren des amtlichen und geregelten Markts in grober Weise verletzt werde. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Nachteile seien für die Antragstellerin existenzgefährdend und könnten von ihr nicht länger hingenommen werden.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

anzuordnen, dass die Bestimmungen der Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse in der Fassung vom 15. März 2005 über die Verteilung der Aktienskontren des amtlichen und geregelten Markts (§§ 39c bis 39s BörsenO), soweit diese die Zuteilung von Skontren zum 1. Juli 2005 betreffen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht anzuwenden sind, und ergänzend anzuordnen, dass die Bestimmungen der Börsenordnung über die Verteilung der Aktienskontren des amtlichen und geregelten Markts (§§ 39c bis 39s BörsenO) bis zur Entscheidung in der Hauptsache auch insoweit nicht anzuwenden sind, als die Zuteilungsperioden ab dem 1. Januar 2007 betroffen sind.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

Sie hält den Antrag bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig. Sie führt in diesem Zusammenhang aus, die erfolgte Antragsänderung sei mangels Sachdienlichkeit nicht zuzulassen. Ergänzend führt sie aus, der Antrag sei jedenfalls unbegründet und verteidigt in diesem Zusammenhang unter näherer Darlegung die angegriffenen Regelungen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO ist bereits unzulässig.

Soweit die Antragstellerin ihr Begehren nachträglich auf diejenigen Regelungen erstreckt hat, welche die künftigen Verteilungen von Aktienskontren zum Gegenstand haben, ist die darin liegende Antragsänderung nach § 91 VwGO unzulässig, weil die Antragsgegnerin dieser Änderung nicht zugestimmt hat und sie sich auch nicht als sachdienlich darstellt.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handelt es sich keineswegs um eine bloße Umstellung eines inhaltlich unveränderten Begehrens, die dazu dienen soll, den geäußerten Bedenken des Berichterstatters im Erörterungstermin Rechnung zu tragen, sondern es wird mit der Einbeziehung der die künftigen Verteilungen betreffenden Regelungen in das Verfahren ein neuer zusätzlicher Streitstoff eingeführt. In diesem Zusammenhang ist von entscheidender Bedeutung, dass die Regelungen zwar inhaltlich aufeinander aufbauen, die Regelungen für künftige Neuverteilungen aber doch - nicht unerhebliche - Modifikationen enthalten, die für sich betrachtet bislang nicht Gegenstand der von dem Gericht und von den Verfahrensbeteiligten angestellten Überlegungen waren. Insbesondere hatten bislang weder der Senat noch die Antragsgegnerin sowie die Beigeladenen Anlass und Gelegenheit, sich mit den dadurch zusätzlich aufgeworfenen Fragen auseinander zu setzen. Unter diesem Gesichtspunkt würde die Zulassung dieses weiterreichenden Streitstoffes die Verhinderung einer Entscheidung eines aufgrund des bisherigen Vorbringens entscheidungsreifen Verfahrens mit sich bringen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stellt gerade das einen in der Rechtsprechung anerkannten Grund dar, eine Klage- bzw. Antragsänderung als nicht sachdienlich abzulehnen (BGH, Urteil v. 04.10.1976 - VIII ZR 139/75 -, NJW 1977, 49; VGH Mannheim, Urteil v. 14.10.1993 - 2 S 2689/91 -, VBlBW 1994, 147). So verhält es sich im vorliegenden Fall, da der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO mit dem bisherigen Verfahrensgegenstand - wie sich aus den nachfolgenden Darlegungen ergibt - wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ablehnungsreif ist.

Der Antragstellerin steht kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, soweit es ihr um die vorläufige Außervollzugsetzung derjenigen Regelungen in der BörsenO geht, welche die Verteilung von Aktienskontren zum 1. Juli 2005 zum Gegenstand haben.

Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt insoweit schon deshalb, weil die Verteilung der infrage stehenden Aktienskontren bereits vollständig vollzogen war, als der vorliegende Antrag anhängig gemacht wurde.

Das fehlende Rechtsschutzbedürfnis liegt dagegen nicht etwa in einem generellen Vorrang von Individualrechtsschutz nach den §§ 80, 80a und 123 VwGO gegenüber dem Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO begründet. Vielmehr kann von einem solchen generellen Vorrang nicht ausgegangen werden (vgl. hierzu: Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, Loseblattsammlung, Stand: Juli 2005, § 47 Rdnr. 151 m.w.N.), weshalb auf die umfangreichen Ausführungen der Antragstellerin zu diesem Gesichtspunkt nicht näher einzugehen ist.

In der hier vorliegenden Fallkonstellation ist der Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO jedoch gleichwohl nicht geeignet, die Rechtsstellung der Antragstellerin in Bezug auf ihr eigentliches Ziel, Aktienskontren des amtlichen und geregelten Markts für den laufenden Verteilungszeitraum vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2006 zugeteilt zu bekommen, zu verbessern. Nach einer verbreiteten obergerichtlichen Rechtsprechung und Auffassung im Schrifttum, welcher der Senat sich anschließt, ist eine vorläufige Außervollzugsetzung eines Bebauungsplanes nicht mehr geeignet, zu Gunsten eines davon nachteilig betroffenen Antragstellers etwas zu bewirken, wenn die Festsetzungen des Bebauungsplanes durch Baugenehmigungen bereits (nahezu vollständig) umgesetzt sind (OVG Koblenz, Beschluss v. 10.04.1983 - 10 D 1/83 -, NVwZ 1984, 43; OVG Münster, Beschluss v. 21.12.1993 - 10 a B 2460/93.NE -, NVwZ-RR 1994, 640; Beschluss v. 22.02.1994 - 10 a B 3422/93.NE -, BAS 56, Nr. 38; Beschluss v. 09.12.1996 - 11 a B 1710/96.NE -, NVwZ 1997, 1006; OVG Lüneburg, Beschluss v. 04.10.2004 - 1 MN 225/04 -, BauR 2005, 532; Beschluss v. 23.06.2005 - 2 MN 46/05 -, NVwZ-RR 2005, 691; Schoch in Schoch-Schmidt/Aßmann/Pietzner, a.a.O.; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., 1998, Rdnr. 631). Die einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO verbietet lediglich die künftige Anwendung der Norm, erklärt sie jedoch weder rückwirkend oder vorläufig für nichtig, noch greift sie - ebenso wenig wie die Entscheidung in der Hauptsache - in den Bestand der auf ihrer Grundlage etwa bereits ergangenen Verwaltungsakte ein oder verbietet deren Ausnutzung durch den Begünstigten.

Da diese Grundsätze, wie nachfolgend aufzuzeigen sein wird, uneingeschränkt auf den vorliegenden Fall übertragbar sind, vermag die Antragstellerin mit dem vorliegenden Antrag ihre Rechtsstellung nicht mehr zu verbessern.

Dem steht zunächst nicht entgegen, dass sich die ergangenen Zuteilungs- und Ablehnungsbescheide wegen einer unzulässigen Mitwirkung betroffener Skontroführer als nichtig erweisen könnten. Zwar trifft es zu, dass einige der Beigeladenen als Mitglieder des Skontroführerausschusses an den Zuteilungsentscheidungen beteiligt waren, indem mit dem Skontroführerausschuss das Benehmen hergestellt wurde. Soweit die Antragstellerin hierin eine unzulässige Mitwirkung Beteiligter im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 HVwVfG erblickt, erscheint dies aber bereits höchst zweifelhaft. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin spricht vieles dafür, dass die Skontroführer in diesem Zusammenhang nicht für die Antragsgegnerin als Behörde tätig geworden sind, sondern eigene Kompetenzen als Interessenvertreter der Gemeinschaft der Skontroführer wahrgenommen haben. Davon abgesehen dürfte § 20 Abs. 1 Nr. 1 HVwVfG hier schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil § 29 Satz 1 BörsenG, wonach über die Verteilung der Skontren die Geschäftsführung im Benehmen mit einem Ausschuss, in dem die Skontroführer angemessen vertreten sein müssen, entscheidet, dem entgegenstehen dürfte. Nach dieser spezielleren und damit vorrangigen Verfahrensvorschrift ist die Mitwirkung von Skontroführern an den Verteilungsentscheidungen ausdrücklich vorgesehen und kann deshalb schwerlich zugleich einen Verfahrensmangel darstellen. Vielmehr nimmt es der Gesetzgeber zu Gunsten einer angemessenen Interessenvertretung der Gemeinschaft der Skontroführer und des Einbringens besonderer Sachkunde hin, dass im Einzelfall der Versuch einer Geltendmachung eigener persönlicher Interessen nicht völlig ausgeschlossen werden kann.

Jedenfalls liegt kein zur Nichtigkeit führender offensichtlicher und besonders schwerwiegender Fehler vor. Der Umstand, dass die Mitwirkung eines Beteiligten im Gegensatz zur Mitwirkung anderer ausgeschlossener Personen in § 44 Abs. 3 Nr. 2 HVwVfG nicht genannt ist, bedeutet lediglich, dass die Annahme der Nichtigkeit nicht von vornherein ausscheidet, sondern sich nach § 44 Abs. 1 HVwVfG beurteilt. An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch gerade.

Die mangelnde Eignung des von der Antragstellerin zur Erlangung von Rechtsschutz eingeschlagenen Weges entfällt auch nicht dadurch, dass die gegenüber den Beigeladenen ergangenen Zuteilungsbescheide einerseits und der Ablehnungsbescheid gegenüber der Antragstellerin andererseits nicht in Bestandskraft erwachsen sind, da sie von der Antragstellerin zunächst mit Widersprüchen und mittlerweile mit bei dem Verwaltungsgericht anhängigen Klagen angegriffen wurden. Für den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für einen Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist nicht maßgeblich, ob die auf Grundlage der angegriffenen Regelungen bereits ergangenen Verwaltungsakte unanfechtbar geworden sind, sondern ob sie wie hier bereits ergangen sind (so auch: OVG Münster, Beschluss v. 22.02.1994, a.a.O.; OVG Lüneburg, Beschluss v. 23.06.2005, a.a.O.). Wie bereits ausgeführt, könnte eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO den bereits erlassenen Bescheiden der Antragsgegnerin nicht ihre Wirksamkeit nehmen und würde insbesondere auch die Beigeladenen nicht daran hindern, von den ihnen gegenüber ergangenen Zuteilungen weiterhin Gebrauch zu machen. Eine lediglich in die Zukunft wirkende vorläufige Außervollzugsetzung der zugrunde liegenden Regelungen könnte daher allenfalls mittelbare Auswirkungen auf die von der Antragstellerin angestrengten Individualrechtsschutzverfahren haben, was für die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht ausreichen kann.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind die zur Umsetzung von Bebauungsplänen durch erteilte Baugenehmigungen entwickelten Grundsätze auch nicht deshalb auf die vorliegende Fallkonstellation unanwendbar, weil hier im Rahmen des in Anspruch genommenen Individualrechtsschutzes mit der angestrebten Zuteilung von Aktienskontren ein Verpflichtungsbegehren verfolgt wird. Das schon deshalb nicht, weil sich das Vorgehen der Antragstellerin gerade nicht darin erschöpft, die Zuteilung von Aktienskontren in dem noch laufenden Zuteilungszeitraum durchzusetzen, sondern zu diesem Zweck die bereits ergangen Zuteilungen an die Beigeladenen in dem erforderlichen Umfang rückgängig gemacht werden müssten, weil ansonsten keine Aktienskontren zur Verfügung stehen, die der Antragstellerin zugeteilt werden könnten. Insoweit liegt hier rechtlich und auch nach der von der Antragstellerin tatsächlich eingeschlagenen Vorgehensweise genauso der Fall einer Drittanfechtung vor, wie in den Fällen der durch Baugenehmigungen umgesetzten Bebauungspläne. Indem die Verteilung der zur Verfügung stehenden Aktienskontren bereits erfolgt ist, liegt auch insofern ein vollständiger Vollzug der angegriffenen Verteilungsregelungen vor.

Aber auch wenn man das Verpflichtungsbegehren für sich betrachtet, ist der Antragstellerin mit der vorläufigen Außervollzugsetzung der Verteilungsregelungen nicht geholfen. Wie schon wiederholt ausgeführt wurde, würde dies keineswegs unmittelbar und automatisch zu einer Neuverteilung der Aktienskontren führen, schon gar nicht zwangsläufig mit einem für die Antragstellerin positiven Ergebnis. Gerade weil der Antragstellerin auch bei einer eventuellen Notwendigkeit, neue Verteilungsregelungen treffen zu müssen, ein weiter Spielraum verbliebe, und es daher durchaus vorstellbar erscheint, dass die Antragsgegnerin auch bei einer auf veränderter Grundlage vorgenommenen Verteilung leer ausgeht, ist es für sie mit der bloßen vorläufigen Außervollzugsetzung der jetzigen Verteilungsregelung nicht getan.

Die Antragstellerin kann daher ihr eigentliches Ziel, vorläufig eine Zuteilung von Aktienskontren für den noch laufenden Zuteilungszeitraum zu erhalten, allenfalls im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erreichen.

Soweit die Antragstellerin hiergegen einwendet, sie werde damit auf einen rechtlich zweifelhaften Weg verwiesen, etwa, weil in der Rechtsprechung teilweise die Möglichkeit einer Verpflichtung zur Neubescheidung im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO für zweifelhaft gehalten wird, vermag dies jedenfalls nicht durch die Zulassung einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO "korrigiert" werden. Wenn die Inanspruchnahme von Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO aus Gründen, die in der Rechtsnatur der Sache liegen, in Frage gestellt wird, würde es im Gegenteil eine unzulässige Umgehung darstellen, wollte man stattdessen die vorläufige Außervollzugsetzung der zugrunde liegenden Norm über eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zulassen. Wie der 4. Senat des beschließenden Gerichtshofs in einer vergleichbaren Fallkonstellation entschieden hat, ist eine Umgehung des Grundsatzes, dass der Bauherr sein Verpflichtungsbegehren auf Erteilung einer Baugenehmigung nicht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO erstreiten kann, auch nicht dadurch möglich, dass er im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Außervollzugsetzung einer Norm begehrt, aufgrund deren die beantragte Baugenehmigung versagt wurde (Beschluss v. 12.06.1995 - 4 NG 1454/95 -).

Schließlich verlangt auch das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht, die Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO innerhalb des Anwendungsbereiches von § 47 Abs. 1 VwGO stets zur Verfügung zu stellen. Effektiver Rechtsschutz kann vielmehr grundsätzlich auch durch eine Inzidentprüfung im Rahmen einzulegender Individualrechtsschutzmittel gewährt werden. Erweist sich im Einzelfall ein solcher Individualrechtsbehelf als unzulässig oder aus anderen Gründen als nicht Erfolg versprechend, ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, in Gestalt eines Antrages nach § 47 Abs. 6 VwGO einen zusätzlichen Rechtsschutz zu verschaffen (OVG Münster, Beschluss v. 22.02.1994, a.a.O.). Vielmehr würde sich eine solche Vorgehensweise, wie bereits ausgeführt, als unzulässige Umgehung darstellen.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, durch Äußerungen der vormaligen Berichterstatterin im Vorfeld bzw. unterbliebene Hinweise des Senats nach Eingang des Antrages zu der eingeschlagenen Verfahrensweise veranlasst bzw. in der Annahme deren Richtigkeit bestärkt worden zu sein, ist schon im Ansatz nicht erkennbar, inwiefern dies allein - als zutreffend unterstellt - entgegen den vorstehenden Ausführungen zur Zulässigkeit des vorliegenden Antrages führen könnte.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass dem Antrag nach den vorstehenden Ausführungen von vornherein ein Rechtsschutzbedürfnis fehlte, da zum Zeitpunkt der Antragstellung die Verteilung der Aktienskontren bereits vorgenommen war. Frühere Hinweise des Senats hätten daher an der Unzulässigkeit des eingeschlagenen Weges nichts ändern können. Im Übrigen geht die Hinweispflicht des Gerichts nach § 86 Abs. 3 VwGO auch nicht so weit wie die Antragstellerin meint. Insbesondere gehört nicht dazu, eine allgemeine Rechtsberatung des Inhaltes vorzunehmen, bereits im Vorfeld eines noch anhängig zu machenden Verfahrens Empfehlungen über die richtige Vorgehensweise abzugeben.

Ohne dass es darauf noch ankäme, kann auch nicht festgestellt werden, dass die vormalige Berichterstatterin sich gegenüber dem Bevollmächtigten der Antragstellerin dahingehend geäußert hat, ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO sei ohne weiteres zulässig und über ihn werde zeitnah zusammen mit dem Hauptsacheverfahren entschieden. Die von dem Bevollmächtigten der Antragsgegnerin eingeholte Erklärung der vormaligen Berichterstatterin, die mit ihrer Billigung in das Verfahren eingeführt wurde, lässt eine solche Annahme nicht zu, auch wenn der Bevollmächtigte der Antragstellerin an seiner Sichtweise festhält.

Die Antragstellerin hat als Unterlegene nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG und § 52 Abs. 1 GKG.

Hinsichtlich der Bezifferung des wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin am Ausgang des Verfahrens folgt der Senat unter Zurückstellung von Bedenken deren Angaben zu den von ihr befürchteten wirtschaftlichen Nachteilen, da die Tragfähigkeit der von der Antragsgegnerin hiergegen erhobenen Einwendungen ohne eine umfassende und vertiefte Prüfung, für die im Rahmen einer Streitwertfestsetzung kein Anlass besteht, nicht zu klären ist und dem Senat daher hinreichende Anhaltspunkte für eine anderweitige Bemessung fehlen. Dieser Betrag ist im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des hier verfolgten Eilrechtsschutzes zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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