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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.01.2004
Aktenzeichen: 6 TG 3098/03
Rechtsgebiete: BZRG, GastG


Vorschriften:

BZRG § 51 Abs. 1
BZRG § 52 Abs. 1 Nr. 4
GastG § 21 Abs. 1
Das Verbot, im Bundeszentralregister getilgte oder zu tilgende strafgerichtliche Verurteilungen zu verwerten (§ 51 Abs. 1 BZRG), gilt auch für die Untersagung der Beschäftigung unzuverlässiger Personen gem. § 21 Abs. 1 GastG.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

6 TG 3098/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Gaststättenrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Schulz, Richterin am Hess. VGH Dyckmans, Richterin am Hess. VGH Fischer

am 13. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin und des Beigeladenen wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 20. Oktober 2003 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen das in der vorläufigen gaststättenrechtlichen Erlaubnis vom 24. September 2003 enthaltene Beschäftigungsverbot wiederhergestellt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen hat - unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses auch insoweit - die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin und des Beigeladenen vom 6. November 2003 - begründet am 27. November 2003 - gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 20. Oktober 2003 ist zulässig (§ 146 Abs. 1 und 4 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess - RmBereinVpG - vom 20. Dezember 2001 [BGBl I S. 3987]) und begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen das in der vorläufigen gaststättenrechtlichen Erlaubnis vom 24. September 2003 enthaltene Beschäftigungsverbot zu Unrecht abgelehnt. Zwar lässt sich die Rechtmäßigkeit des von der Antragstellerin angegriffenen Beschäftigungsverbots betreffend ihren Ehemann - den Beilgeladenen - bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht eindeutig klären; die notwendige Interessenabwägung gebietet es aber, dem Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegenüber den von der Antragsgegnerin vorgetragenen öffentlichen Interessen den Vorrang einzuräumen.

Die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beschäftigungsverbots lässt sich nach Auffassung des Senats im Eilverfahren nicht endgültig klären; insbesondere bieten die dem Senat vorliegenden Akten nicht genügend Anhaltspunkte dafür, um der Antragstellerin als Inhaberin der Gaststättenerlaubnis die Beschäftigung ihres Ehemannes gemäß § 21 Abs. 1 GastG zu untersagen.

Nach § 21 Abs. 1 GastG kann dem Gewerbetreibenden die Beschäftigung einer Person in einem Gaststättenbetrieb untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.

Das Verwaltungsgericht ist in der angegriffenen Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von der Behörde getroffene Unzuverlässigkeitsprognose im Sinne des § 21 Abs. 1 GastG nicht zu beanstanden sei. Dabei legen die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht der Unzuverlässigkeitsprognose zunächst die rechtskräftigen Verurteilungen des Beigeladenen aus den Jahren 1988 bis 1992 zu Grunde, die mittlerweile aus dem Bundeszentralregister getilgt worden und dementsprechend im aktuellen Führungszeugnis des Beigeladenen vom 10. September 2003 nicht mehr enthalten sind. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts dürfen die vorbezeichneten Taten und Verurteilungen dem Beigeladenen gemäß § 51 Abs. 1 BZRG im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden. Die Ausnahmevorschrift des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG ist demgegenüber weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Nach dem Wortlaut des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG darf die frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG nur dann berücksichtigt werden, wenn der Betroffene unter anderem die Zulassung zu einem Gewerbe beantragt, falls die Zulassung sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde; das Gleiche gilt, wenn der Betroffene die Aufhebung einer die Ausübung eines Gewerbes untersagenden Entscheidung beantragt. Die Vorschrift beschränkt die Ausnahmen von einem grundsätzlichen Verwertungsverbot demzufolge ausdrücklich auf denjenigen Betroffenen, der die Zulassung zu einem erlaubnispflichtigen Gewerbe begehrt. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 52 BZRG kommt eine entsprechende Anwendung auf Personen, die selbst nicht die Zulassung zu einem Gewerbe beantragen, nicht in Betracht (vgl. dazu: Metzner, Gaststättengesetz, Kommentar, 6. Auflage, 2002, § 4 Rdnr. 129, m.w.N., wonach die Ausnahmevorschrift des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG im Zweifel eng auszulegen ist, vgl. auch: BVerwG, 26.03.1996 - 1 C 12/95 -, für die Erteilung bzw. den Widerruf der Waffenbesitzkarte).

Die Unzuverlässigkeitsprognose im Sinne des § 21 Abs. 1 GastG lässt sich auch nicht mit dem Hinweis rechtfertigen, der Beigeladene sei insgesamt 52-mal wegen verschiedener Delikte (u.a. Einbruchdiebstahl, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Körperverletzung etc.) polizeilich auffällig geworden. Diesem Vorwurf liegen offensichtlich zwei Telefaxe des Polizeipräsidiums Südosthessen vom 10. September 2003 zu Grunde, in denen mitgeteilt wird, wann der Beigeladene dort polizeilich in Erscheinung getreten ist; in der überwiegenden Zahl der Fälle - genannt sind insgesamt nur 7 - ist vermerkt "Verfahrensausgang unbekannt" und in einem Fall "Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO aus sonstigen Gründen". Dass es sich um 52 Einträge handelt, lässt sich nur einem handschriftlichen Zusatz auf dem zweiten Telefax entnehmen. Ein Telefax des Polizeipräsidiums Nordhessen vom 11. September 2003 nennt polizeiliche Erkenntnisse ausschließlich aus den Jahren 1989 mit dem Hinweis "Verfahrensausgänge unbekannt"; ein weiteres Telefax des Polizeipräsidiums Osthessen nennt Erkenntnisse aus den Jahren 1983 und 1984 und enthält wiederum den pauschalen Hinweis, der Beigeladene sei insgesamt 52-mal in Erscheinung getreten. Schließlich lassen sich aus einem Vermerk des Polizeipräsidiums Nordhessen vom 12. September 2003 insgesamt 17 "Strafanzeigen/Ermittlungsverfahren" aus den Jahren 1985 bis 1991 entnehmen, die zum Teil Gegenstand der Verurteilungen aus den Jahren 1988 bis 1992 gewesen sind und deren staatsanwaltschaftliche Aktenzeichen im Übrigen dort nicht bekannt sind. Für den Fall, dass die Beklagte aus den Mitteilungen der Polizeibehörden Schlussfolgerungen auf eine etwaige Unzuverlässigkeit des Beigeladenen i. S. d. § 21 Abs. 1 GastG ziehen wollte, hätte sie die den jeweiligen Mitteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte weiter aufklären müssen.

Als "Tatsachen" im Sinne des § 21 Abs. 1 GastG kommen danach bisher allenfalls diejenigen Taten in Betracht, die den drei rechtskräftigen Verurteilungen zu Grunde liegen, welche im Führungszeugnis des Beigeladenen vom 10. September 2003 enthalten sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die erste Tat bereits 25 Jahre zurückliegt und nur aus besonderen Gründen (vgl. § 33 Abs. 2 Nr. 3 BZRG) noch im Führungszeugnis enthalten ist; sie vermag daher nicht ohne weiteres die Unzuverlässigkeitsprognose zu tragen. Auch die beiden verbleibenden Verurteilungen vom ....... wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe (auf Bewährung) und vom ..... wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen in Tateinheit mit gemeinschaftlichen unerlaubten Betreibens einer Anlage zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10,00 € rechtfertigen ohne weitere Ermittlungen nicht die Annahme, dem Beigeladenen fehle die erforderliche Zuverlässigkeit für jede Art von Mitarbeit im Gaststättenbetrieb der Antragstellerin. Genügend Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin lediglich als sogenannter Strohmann für einen unzuverlässigen Hintermann - den Beigeladenen - fungiert, lassen sich den Verwaltungsvorgängen bislang ebenfalls nicht entnehmen. Allein die Tatsache, dass ursprünglich der Beigeladene selbst die Gaststättenerlaubnis beantragt hat und die Beklagte die Erteilung wegen Unzuverlässigkeit i. S. d. § 4 GastG abgelehnt hätte, genügt dafür so lange nicht, wie nicht erkennbar wird, dass die Antragstellerin dem Beigeladenen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung einräumt.

Lässt sich eine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des angegriffenen Beschäftigungsverbots nicht treffen, so hängt der Erfolg des Eilantrags der Antragstellerin von der vorzunehmenden Interessenabwägung ab, die zulasten der Antragsgegnerin ausgeht. Die Antragsgegnerin hat das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO damit begründet, dass der Beigeladene auf Grund seiner polizeilichen Auffälligkeiten über genügend kriminelles Potential verfüge, um innerhalb kürzester Zeit weitere kriminelle Tätigkeiten in der Gaststätte zu planen bzw. auszuführen oder die Gaststätte in einen Treffpunkt krimineller Dritter zu verwandeln; insbesondere bestehe die Gefahr, dass unbeteiligte Dritte in Straftaten verwickelt bzw. Opfer von Straftaten würden. Da die vorliegenden Akten nicht genügend Anhaltspunkte dafür bieten, davon ausgehen zu können, dass der Beigeladene die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 21 Abs. 1 GastG nicht besitzt, lassen sich auch die von der Antragsgegnerin prognostizierten Gefahren nicht hinreichend belegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 2 und § 14 Abs. 1 GKG; der Senat lehnt sich dabei an die Festsetzung durch das Verwaltungsgericht an, die von den Beteiligten nicht in Frage gestellt worden ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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