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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.03.2005
Aktenzeichen: 6 TG 3675/04
Rechtsgebiete: KWG, VwVfG


Vorschriften:

KWG § 37
VwVfG § 37 Abs. 1
Eine behördliche Anordnung zur Abwicklung unerlaubter Bankgeschäfte ist dann hinreichend bestimmt, wenn das Ziel der Abwicklung für das betroffene Unternehmen deutlich wird. Es ist nicht geboten, dass die Behörde selbst die Auswahl unter verschiedenen Abwicklungsmodalitäten trifft.

Die vorstehenden Grundsätze gelten auch, wenn die Behörde einen Abwickler bestellt hat. Das Unternehmen kann in diesem Fall den Erlass behördlicher Weisungen an den Abwickler zu den Modalitäten der Abwicklung beantragen.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

6. Senat

6 TG 3675/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Wirtschafts- u. Wirtschaftsverwaltungsrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Schulz, Richterin am Hess. VGH Dyckmans, Richterin am Hess. VGH Fischer

am 23. März 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 15. November 2004 abgeändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 28. September 2004 wird in vollem Umfang abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 90.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin zu Unrecht teilweise mit der Begründung stattgegeben, dass die von der Antragsgegnerin unter Nr. III. der streitbefangenen Verfügung getroffenen Regelungen nicht hinreichend bestimmt seien. Dies gilt schon für die Verfügung in der ihr ursprünglich am 28. September 2004 gegebenen Gestalt. Durch die ergänzende Verfügung vom 3. Dezember 2004, mit der die Antragsgegnerin den Bedenken des Verwaltungsgerichts teilweise Rechnung getragen hat, ist jedenfalls keine Änderung zum Nachteil der Antragstellerin eingetreten.

In Nr. III. 1 der Verfügung vom 28. September 2004 hat die Antragsgegnerin die unverzügliche Abwicklung der von der Antragstellerin unerlaubt betriebenen Finanzkommissionsgeschäfte angeordnet. Die Anordnung begegnet auf der Grundlage des von der Behörde zutreffend herangezogenen § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG keinen rechtlichen Bedenken. Die Vorschrift setzt lediglich voraus, dass die Finanzkommissionsgeschäfte, die gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG zu den Bankgeschäften gehören, wie im vorliegenden Fall ohne die nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis betrieben werden. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss eine dahingehende Feststellung getroffen, die die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht infrage gestellt hat. Die Antragsgegnerin musste sich daher nicht damit begnügen, nach § 44c KWG Auskünfte über die Geschäftsangelegenheiten der Antragstellerin einzuholen und die Vorlage von Unterlagen zu verlangen, wozu sie schon berechtigt wäre, wenn lediglich Tatsachen vorlägen, die die Annahme rechtfertigten, dass die Antragstellerin Bankgeschäfte ohne Erlaubnis betreibt; sie durfte vielmehr gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG die sofortige Einstellung des unerlaubten Betriebes und die unverzügliche Abwicklung dieser Geschäfte anordnen.

Die Antragsgegnerin hat auch die Art und Weise der von der Antragstellerin vorzunehmenden Abwicklung der Finanzkommissionsgeschäfte in der streitbefangenen Verfügung ausreichend bestimmt. Die von der Antragsgegnerin in der Verfügung getroffenen Regelungen lassen im Zusammenhang mit den einschlägigen Vorschriften des Kreditwesengesetzes für die Antragstellerin, deren Sicht als Adressatin des Verwaltungsakts für das Maß der nach § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - zu fordernden Bestimmtheit der Verfügung maßgeblich ist (BVerwG, Urteil vom 22.01.1993 - 8 C 57.91 - NJW 1993, 1667, 1668), hinreichend deutlich werden, was die Behörde von ihr verlangt. Die Abwicklung zielt nämlich gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG auf die von der Antragstellerin ohne Erlaubnis betriebenen Geschäfte als solche (zur Bedeutung der Zielvorgabe für die Bestimmtheit von Verwaltungsakten: BVerwG, Beschluss vom 22.04.1996 - 11 B 123.95 - NVwZ - RR 1997, 278, 279); diese unerlaubten Geschäfte sollen rückabgewickelt werden. Die Abwicklung gem. § 37 Abs. 1 KWG schließt daher die Erfüllung aufgrund dieser Geschäfte bestehender vertraglicher Verpflichtungen aus und unterscheidet sich damit von der Zielsetzung her grundlegend von der Abwicklung eines ursprünglich mit einer Erlaubnis ausgestatteten Instituts nach § 38 Abs. 1 Satz 1 KWG. Diese Form der Abwicklung schließt die Erfüllung der bis zur Aufhebung oder zum Erlöschen der Erlaubnis in Einklang mit dem Kreditwesengesetz eingegangen Vertragspflichten ein (Fischer in: Boos/Fischer/Schulte - Mattler, KWG, 2. Auflage, § 38 Rdnr. 4 f.). Die damit nach dem Gesetz entscheidende Zielvorgabe der Abwicklung gem. § 37 Abs. 1 KWG wird für die Antragstellerin aus den von der Behörde getroffenen Regelungen deutlich.

Dabei ist es rechtlich unbedenklich, dass die Antragstellerin den Umfang der angeordneten Abwicklung nicht schon dem nur aus einem Satz bestehenden Tenor des auf § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG gestützten Teils der Anordnung (III. 1) entnehmen kann; denn sie kann den zum Verständnis erforderlichen Aufschluss ohne weiteres aus den Befugnissen des im nächsten Satz (III. 2) bestellten Abwicklers, insbesondere anhand einer beispielhaften Aufzählung (III. 3), und der Begründung des Verwaltungsakts entnehmen. Die nicht auf die Erfüllung von der Klägerin eingegangener Verpflichtungen, sondern auf die Rückabwicklung der Geschäfte gerichtete Zielsetzung zeigt sich dabei an der vorgesehenen Rückforderung etwa gezahlter Provisionen oder Vergütungen, an der Rückzahlung oder Erstattung von Anlegergeldern (hierzu besonders Seite 25 der Verfügung), an der Auskehrung von Veräußerungserlösen und an der Kündigung von Geschäften. Hieran hat sich durch die Ergänzung, die Nr. III. 1 der Verfügung vom 28. September 2004 durch Nr. I der Verfügung vom 3. Dezember 2004 erfahren hat, nichts geändert.

Der beschließende Senat teilt nicht die von dem Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss vertretene Meinung, dass die Antragsgegnerin bereits bei der Anordnung der Abwicklung die Auswahl unter verschiedenen Abwicklungsmodalitäten selbst hätte treffen müssen, um ihrer Verfügung hinreichende Bestimmtheit zu verleihen. Hier ist im Auge zu behalten, dass die Anordnung der Abwicklung nach § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG nicht zwingend mit der Bestellung eines Abwicklers nach Satz 2 der Bestimmung verbunden ist. Solange aber das Unternehmen oder seine Organe die Abwicklung selbst durchführen, mögen Anordnungen der Behörde, die die Modalitäten der Abwicklung im Einzelnen vorgeben, zwar geeignet seien, ein einwandfreies und zügiges Vorgehen des Unternehmens zu befördern. Sie können sich aber im Einzelfall für das Unternehmen als belastend darstellen, da sie dessen Auswahl unter mehreren gleichermaßen rechtmäßigen und unter Umständen sogar gleichermaßen zweckmäßigen Modalitäten einschränken, ohne dass dies aus Rechtsgründen erforderlich wäre. Zur Vermeidung unverhältnismäßiger Eingriffe ist es daher grundsätzlich geboten, eine übermäßige Regelungsdichte von Abwicklungsverfügungen nach § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG zu vermeiden. Damit wird es zugleich möglich, dass das abwickelnde Unternehmen auf tatsächliche Umstände, die erst während des Abwicklungsvorgangs hervortreten, in flexibler Weise reagieren kann. Darüber hinaus sieht § 37 Abs. 1 Satz 2 KWG vor, dass die Behörde für die Abwicklung Weisungen erlassen "kann", d.h. Konkretisierungen vornehmen kann, aber gerade nicht muss. Auch dies macht deutlich, dass grundsätzlich das Unternehmen für die Art der Abwicklung verantwortlich ist und die Behörde erst in zweiter Linie verpflichtet sein soll.

An den Anforderungen an die Bestimmtheit der Abwicklungsanordnung als solcher ändert sich durch die Bestellung eines Abwicklers, wie sie hier erfolgt ist, nichts. Aus dem Wortlaut des § 37 Abs. 1 Satz 2 KWG lassen sich keine Anforderungen an die Bestellung eines Abwicklers entnehmen, die über die Vorraussetzungen für die Anordnung der Abwicklung als solcher hinausgingen. Solche Anforderungen lassen sich auch weder der Entstehungsgeschichte noch dem Zusammenhang des § 37 Abs. 1 Satz 2 KWG mit anderen Rechtsvorschriften entnehmen. Soweit eine ordnungsmäßige Abwicklung der Geschäfte durch das Unternehmen selbst nicht zu erwarten ist, wie dies nach den Feststellungen der Antragsgegnerin, auf die sie in der Beschwerdebegründung unwidersprochen verweist, hier der Fall ist, kann die Behörde einen Abwickler bestellen. In der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, der zu einer Neufassung des § 37 KWG und der Möglichkeit der Einsetzung eines Abwicklers geführt hat, werden solche Fälle, in denen die Abwicklung besonders überwacht werden muss, als kritische Fälle bezeichnet. Die Bestellung des Abwicklers dient dabei der Überwachung und Durchführung der Anordnungen der Behörde vor Ort und zugleich der Entlastung der Behörde, die nicht über das hierfür notwendige Personal verfügt. Die Behörde braucht dabei die vom Abwickler - falls erforderlich - selbst durchzuführenden Abwicklungshandlungen nicht im höheren Maße durch ins Einzelne gehende Regelungen festzulegen, als dies oben ausgeführt ist. Vielmehr soll dem Abwickler die Kompetenz eines Geschäftsführers und damit eine selbstständige Stellung zukommen (BT-Drs. 13/7142 Seite 91). Dementsprechend hat der Senat schon in seinem Beschluss vom 9. April 2003 - 6 TG 160/03 - ausgeführt, dass die Befugnisse des Abwicklers die Geschäftsführung aller vom (damaligen) Antragsteller vertretenen Gesellschaften für sämtliche Maßnahmen, die erforderlich seien, um die Abwicklung der dort unerlaubt erbrachten Finanzportfolioverwaltung zu gewährleisten, umfasse. Die Reichweite der Befugnisse des Abwicklers wird darüber hinaus im Kreditwesengesetz selbst in § 37 Abs. 2 deutlich, wonach der Abwickler zum Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmens berechtigt ist. Die Insolvenzeröffnung führt nicht allein dazu, dass im Interesse der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger jede Rückzahlung von Einlagen an Anleger, wie sie für die Abwicklung ohne Erlaubnis betriebener Bankgeschäfte kennzeichnend ist, unterbleibt und damit das Abwicklungsverfahren als solches nicht fortgesetzt werden kann, sondern sie bewirkt auch, dass selbst erlaubte Geschäfte, die von der Anordnung der Abwicklung nicht betroffen waren, nicht mehr fortgesetzt werden können. Zugleich setzt die Berechtigung des Abwicklers zur Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens voraus, dass der Abwickler zunächst zu prüfen hat, ob das Vermögen des Geschäftsbetriebs ausreicht, um sämtliche aufgrund der unerlaubten Bankgeschäfte geleistete Einlagen zurückzuzahlen (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 24.07.2003 - IX ZB 4/03 - WM 2003, 1800). Während die mit dem Insolvenzverfahren zusammenhängenden Befugnisse des Abwicklers seine selbstständige Rechtsstellung deutlich machen, wird durch die Notwendigkeit, vor der Einleitung eines Insolvenzverfahrens die Vermögenslage des betroffenen Unternehmens zu prüfen, deutlich, dass die Bestellung des Abwicklers zeitlich einer umfassenden Klärung der Geschäftslage des betroffenen Unternehmens und der auf dieser Grundlage überhaupt erst denkbaren Regelung der Abwicklungsmodalitäten entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts vorangehen kann.

Schließlich erweisen sich die von dem erstinstanzlichen Gericht erhobenen Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit der streitbefangenen Verfügung auch im Hinblick auf die der Antragstellerin zukommenden Rechtsschutzmöglichkeiten als unbegründet. Nach § 37 Abs. 1 Satz 2 KWG kann die Bundesanstalt für die Abwicklung Weisungen erlassen, die sie nicht allein an das selbst abwickelnde Unternehmen, sondern gegebenenfalls auch an den von ihr bestellten Abwickler richten kann. Damit besteht für das von der Abwicklung betroffene Unternehmen und hier für die Antragstellerin die Möglichkeit, sich mit Anträgen auf Erlass entsprechender Weisungen an die Behörde zu wenden; diese Weisungen können die Abwicklungsmodalitäten und damit auch die Befugnisse des Abwicklers betreffen. Falls die Behörde den Anträgen nicht entspricht, stehen dem Unternehmen die gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe einschließlich der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO und - falls erforderlich - des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu Gebote.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist im Übrigen auch begründet, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Verwaltungsgericht der Antragstellerin hinsichtlich der Nummern IV - VI der streitbefangenen Verfügung vorläufigen Rechtsschutz gewährt hat; denn die angefochtene Entscheidung beruht insoweit entscheidend auf der unzutreffenden Annahme, dass Nr. III der Verfügung nicht hinreichend bestimmt sei.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG. In Anlehnung an die von den Verfahrensbeteiligten nicht infrage gestellte Streitwertfestsetzung für den ersten Rechtszug geht der Senat dabei für die Verfügung Nr. III. 1 von dem in § 52 Abs. 2 GKG vorgesehenen Auffangwert von 5.000,00 € für die Abwicklungsanordnung als solche aus. Die Bestellung des Abwicklers gemäß Nr. III. 2 und 3 wird mit 50.000,00 € bewertet, die Duldungsverfügung nach Nr. IV. 1 und die Zutrittsverfügung nach Nr. IV. 2 mit jeweils 5.000,00 €. Für die Zwangsgeldandrohung unter Nr. V kommt die Hälfte des angedrohten Zwangsgeldes, soweit es sich auf die hier allein noch streitbefangene Anordnung Nr. IV bezieht, in Höhe von 25.000,00 € in Ansatz. Hieraus ergibt sich der für das Beschwerdefahren insgesamt festgesetzte Wert von 90.000,00 €.

Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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