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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 29.11.2002
Aktenzeichen: 6 UE 2235/98.A
Rechtsgebiete: GG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 16a
AuslG § 51 Abs. 1
Für die Frage der Rückkehrgefährdung eines Kurden, der sich im Bundesgebiet öffentlich als Kriegsdienstverweigerer bekannt hat, ist entscheidend, ob Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass er bei seiner Rückkehr in die Türkei von der Polizeibehörde im Rahmen der Einreisekontrolle dem Verdacht der Mitgliedschaft oder der Unterstützung der PKK ausgesetzt sein wird.

Allein der Anschluss an Kriegsdienstverweigerungsorganisationen oder die Teilnahme an Kriegsdienstverweigerungsaktionen genügt für die Annahme einer Rückkehrgefährdung nicht.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

6 UE 2235/98.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen

Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Schulz, Richter am Hess. VGH Heuser, Richterin am Hess. VGH Fischer, ehrenamtlichen Richter Zucker, ehrenamtlichen Richter Bachmann

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers zu 1) wird zurückgewiesen.

Der Kläger zu 1) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger zu 1) kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger zu 1), ein am geborener türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit aus der Provinz Sirnak, begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Er reiste am 2. April 1994 mit dem Bus über den Grenzübergang Kapikule aus seinem Heimatland aus und kam am 6. April 1994 auf dem Landweg über einen unbekannten Grenzübergang in die Bundesrepublik Deutschland und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Bei seiner persönlichen Anhörung im Rahmen der Vorprüfung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 11. April 1994 gab der Kläger zu 1) an, am 7. Juli 1987 hätten sich vier PKK-Leute im Dorf aufgehalten. Die Sicherheitskräfte hätten dann das Dorf umstellt und es habe eine bewaffnete Auseinandersetzung gegeben, bei der 16 Personen getötet worden seien, darunter ein Onkel von ihm. Nach diesem Vorfall seien sie nach Idil umgezogen in der Hoffnung, dass man sie dort in Ruhe lasse. Das sei aber nicht der Fall gewesen.

Am 21. März 1992 habe er an einer Kundgebung anlässlich des Newroz-Festes teilgenommen. Sie hätten Feuer gemacht und demonstriert. Dabei sei er festgenommen und zur Polizeistation gebracht worden. Dort habe man ihn geschlagen und mit kaltem Wasser übergossen, auch sei er an den Geschlechtsteilen gezogen worden. Nach zwei Tagen Haft habe man ihn wieder freigelassen.

Am 15. August 1993, dem Jahrestag des Beginns des bewaffneten Kampfes, habe er wieder an einer Demonstration teilgenommen. Dort seien ca. 300 Leute festgenommen worden. Er sei drei Tage in Haft gewesen und dort auch gefoltert worden. Nach seiner Freilassung habe er mit seinen Eltern die Situation besprochen und diesen gesagt, dass er ausreisen wolle. Er sei nach Istanbul gefahren; Eltern, Frau und Kinder habe er zurücklassen müssen. Zuerst habe er in Istanbul bleiben wollen, wo er auch eine Arbeit als Verputzer gefunden habe. Bei einer Kontrolle durch die Polizei sei er aber geschlagen worden, als diese erkannt hätten, dass er aus Sirnak komme. Er habe danach Angst gehabt, festgenommen zu werden, da die Polizei ihm gesagt habe, er müsse die Stadt wieder verlassen. Dann habe er sich entschlossen, nach Deutschland zu gehen.

Auf Befragen gab er an, anlässlich der Feierlichkeiten zum Newroz-Fest hätten sie auf einem großen Platz in Idil Autoreifen angesteckt. Er wisse die Zahl der Teilnehmer nicht genau; in ihrem Vorort seien es ca. 100 Leute gewesen. Die Polizei habe die Straßen abgesperrt, so dass die Demonstrationszüge nicht hätten zusammenkommen können. Außer ihm seien etwa 40 - 50 Personen festgenommen worden. Die anderen seien geflüchtet, als man sie angegriffen habe. Sie hätten erst friedlich gefeiert und um ihre Feuer getanzt. Dann seien die Spezialeinheiten gekommen und hätten sie aufgefordert, die Kundgebung zu beenden. Danach hätten sie sie angegriffen. Die Kundgebung sei nicht genehmigt gewesen, da die Staatsorgane immer gegen Kundgebungen seien.

Befragt, warum er verhaftet worden sei, erklärte er, seine Schuld sei die Teilnahme an den Feierlichkeiten gewesen. Der Grund dafür, dass er geschlagen worden sei, liege darin, dass er beschuldigt worden sei, die PKK zu unterstützen und deren Aufruf zur Feier des Newroz-Festes nachgekommen zu sein. Nach zwei Tagen Haft sei er wieder entlassen worden und nach Hause gegangen. Vom 21. März 1992 bis zum 15. August 1993 habe er keine Schwierigkeiten mit der Polizei oder den Sicherheitsbehörden gehabt.

An der Kundgebung vom 15. August 1993 in Idil hätten etwa 4000 Personen teilgenommen. Er wisse nicht genau, ob die Demonstration erlaubt gewesen sei oder nicht; er glaube, dass es sich um eine nicht genehmigte Kundgebung gehandelt habe, weil die Sicherheitsbehörden eingeschritten seien. Die Demonstration sei zunächst friedlich verlaufen; nachdem sie angegriffen worden seien, seien die Leute geflüchtet. Ca. 300 Personen seien festgenommen worden. Auf Befragen gab er an, es seien keine gezielten Festnahmen gewesen. Als man aber auf der Polizei gemerkt habe, dass er schon das Jahr zuvor wegen der Teilnahme am Newroz-Fest verhaftet worden sei, habe er sich nackt ausziehen müssen und man habe ihn mit kaltem Wasser übergossen. Auch bei der ersten Festnahme sei er auf diese Weise behandelt worden. Beim ersten Mal habe er allerdings keine Elektroschocks bekommen, erst beim zweiten Mal. Auf die Frage der Polizei, warum er an der Kundgebung teilgenommen habe, habe er erklärt, teilgenommen zu haben, weil viele Kurden daran teilgenommen hätten. Nach drei Tagen habe man ihn wieder freigelassen. Er habe dann Angst bekommen, getötet zu werden. Man habe ihm vorgeworfen, die PKK zu unterstützen, ihr Unterkunft und Essen gegeben zu haben. Seine Familie sei bekannt dafür gewesen, dass sie keine Freunde der türkischen Regierung seien. Die Polizei habe ihn bedroht, man werde ihn töten.

Befragt erklärte der Kläger zu 1), nach Bedarf habe er die PKK mit Lebensmitteln unterstützt. Er sei auch ihrem Aufruf gefolgt, an Demonstrationen teilzunehmen. Die Regierung habe gewusst, dass sie die PKK unterstützt hätten. Sie hätten das vermutet, weil er auch an der Demonstration teilgenommen habe. Befragt, wie die Polizei auf den Verdacht gekommen sei, er unterstütze die PKK, erklärte er, man habe ihn mehrmals aufgefordert, Dorfschützer zu werden. Dies habe er aber jedes Mal abgelehnt. Er habe ihnen gesagt, dass er ein Geschäft habe und er das Geld, was man als Dorfschützer bekomme, nicht brauche. Lehne man ab Dorfschützer zu werden, gerate man automatisch in den Verdacht, mit der PKK zusammen zu arbeiten, gleich ob man sie tatsächlich unterstützt habe oder nicht.

Auf Befragen gab der Kläger zu 1) an, er sei ca. einen Monat nach seiner letzten Verhaftung nach Istanbul gegangen. Seine Familie habe er zurückgelassen, weil sein Leben in Gefahr gewesen sei; er habe auch nicht so viel Geld gehabt. Bei den 6.000 DM für seine Ausreise habe es sich um seine Ersparnisse gehandelt; auch habe er seinen Laden verkauft.

Auf die Frage, warum er nicht an einen anderen Ort in der Türkei gegangen sei, antwortete der Kläger zu 1), er sei zunächst nach Istanbul gegangen, um dort zu leben. Er habe aber dort Schwierigkeiten bekommen, weil er aus Sirnak komme. Dieselben Schwierigkeiten würde er auch woanders bekommen. Er befürchte, bei der Rückkehr in die Türkei festgenommen zu werden. Wahrscheinlich werde man ihn töten, weil er illegal ausgereist sei.

Nach Ende der Anhörung gab der Kläger zu 1) noch an, 1987 von Spezialeinheiten verletzt worden zu sein; sein Bein sei gebrochen worden.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte mit Bescheid vom 7. April 1995 den Antrag des Klägers zu 1) auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie das Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliege, im Übrigen aber keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorlägen.

Dieser Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1) am 28. April 1995 zugestellt und nach einem Aktenvermerk am 27. April 1995 dem Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten - dem Kläger zu 2) - zugeleitet; ausweislich des Eingangsstempels ist er dort am 4. Mai 1995 eingegangen.

Der Kläger zu 1), dessen Familie sich zwischenzeitlich ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, erhob am 9. Mai 1995 und der Kläger zu 2) am 15. Mai 1995 Klage vor dem Verwaltungsgericht Kassel.

Zur Begründung der Klage verwies der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1) auf das Vorbringen im Vorverfahren und trug unter Verweis auf zahlreiche Quellen vor, dass Kurden in der Türkei einer Gruppenverfolgung unterlägen, dass ihnen keine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stehe und dass abgeschobene kurdische Asylbewerber festgenommen und dabei gefoltert würden.

Der Kläger zu 1) beantragte,

unter Abänderung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. April 1995 die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und die Klage des Bundesbeauftragten abzuweisen.

Der Kläger zu 2) beantragte,

den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. April 1995 aufzuheben, soweit die Feststellung nach §§ 51 Abs. 1, 53 Abs. 4 AuslG getroffen worden ist.

Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe zu Recht wegen fehlender Asylerheblichkeit die Anerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG versagt. Gründe, die zu einem Abschiebungshindernis nach § 51 Abs. 1 AuslG führen könnten, seien nicht vorgebracht und auch nicht ersichtlich. Exilpolitische Aktivitäten seien nicht geschildert und nicht nachgewiesen. Aufgrund der Stellung eines Asylantrags erfolge bei Rückkehr in die Türkei ebenfalls keine politische Verfolgung. Bei einer Abschiebung könne es zwar zu einer eingehenderen Befragung kommen. Jedoch fänden in der Regel keine über das Maß hinausgehenden Personenkontrollen statt. Zu einer Strafverfolgung komme es allenfalls, wenn der abgeschobene Asylbewerber im Fahndungscomputer registriert sei, was jedoch keine politische Verfolgung darstelle. Auch Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG bestehe nicht.

Die Beklagte beantragte,

die Klagen abzuweisen.

Mit seinem auf die mündliche Verhandlung vom 21. August 1996 ergangenen, am 26. August 1996 verkündeten Urteil hob das Verwaltungsgericht auf die Klage des Klägers zu 2) den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. April 1995 auf, soweit darin die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und das Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich der Türkei festgestellt werden, und wies die Klage des Klägers zu 1) ab.

Dieser habe keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Er habe nämlich seine türkische Heimat im April 1994 nicht als politisch Verfolgter verlassen und ihm drohe bei heutiger Rückkehr politische Verfolgung auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Seine Abschiebung in die Türkei sei auch nicht nach § 53 Abs. 4 AuslG unzulässig.

Der Kläger zu 1) stamme zwar aus einer der zehn Notstandsprovinzen der Südosttürkei und habe auch Misshandlungen durch die dortigen Sicherheitskräfte erlitten, die als politische Verfolgung zu qualifizieren seien. Zweifelhaft sei allerdings, ob seine Ausreise im April 1994 mit den Übergriffen durch die Sicherheitskräfte im März 1992 und August 1993 noch in dem erforderlichen Kausalzusammenhang stünden. Dies könne aber dahinstehen, denn der Kläger zu 1) sei nicht als politisch Verfolgter ausgereist, da er sich den Drangsalierungen und Übergriffen durch ein Ausweichen in Gebiete der Westtürkei, insbesondere deren Großstädte, hätte entziehen können, da er sich in seiner kurdischen Heimat nur marginal politisch betätigt habe.

Es lägen keine Umstände vor, aus denen zu schließen sei, dass dem Kläger zu 1) diese inländische Fluchtalternative im Frühjahr 1994 nicht offengestanden habe oder heute nicht offen stehe oder dass er bei heutiger Rückkehr in die Türkei politischer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Die Gefahr von verschärften Verhörmethoden bei der Einreise in die Türkei bestehe nicht. Der Kläger zu 1) habe sich weder in seiner Heimat noch in der Bundesrepublik Deutschland in auffallender Weise politisch betätigt und es sei auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er wegen seiner Verbindung zu anderen Personen die Aufmerksamkeit der türkischen Sicherheitskräfte erweckt habe.

Aus den dargelegten Erwägungen folge auch, dass der Kläger zu 1) bei seiner Rückkehr nicht mit menschenrechtswidriger Behandlung rechnen müsse.

Auf den Zulassungsantrag des Klägers zu 1) vom 28. September 1996 hat der 12. Senat des Hess. VGH mit Beschluss vom 10. Juni 1998 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

Zur Begründung der zugelassenen Berufung hat der Kläger zu 1) vorgetragen, das Verwaltungsgericht habe zwar konzediert, dass er vor seiner Ausreise politische Verfolgung erlitten habe, ihn aber gleichwohl nicht als vorverfolgt behandelt, weil ihm in der Westtürkei eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung gestanden habe. Eine solche habe ihm jedoch weder vor Verlassen der Türkei zur Verfügung gestanden, noch stehe sie ihm im Fall seiner Rückkehr zur Verfügung. Schon aufgrund der Rückgriffsmöglichkeit auf die zwar illegalen, aber faktisch existierenden "fisleme"-Dateien der Polizei drohten bei der Einreise intensive Befragungen unter Einsatz von Folter und Misshandlungen, zumal der Kläger zu 1) aus einem familiären Umfeld stamme, das - separatistischer Gesinnung und Betätigung verdächtig - erheblich im Blickfeld der türkischen Sicherheitskräfte gestanden habe und weiter stehe. Ein weiterer Verwandter (Neffe) des Klägers zu 1) sei nach gerichtlichem Verfahren wegen aktiver Betätigung für die PKK bzw. ERNK vor seiner Ausreise als Asylberechtigter durch Bescheid vom 6. Oktober 1997 anerkannt worden; dieser habe diese Anerkennung im Verfahren vor dem VG Arnsberg erstritten.

Darüber hinaus habe der Kläger zu 1) an der Veranstaltung der türkischen Kriegsdienstverweigerer-Organisation am 26. Januar 1998 in Köln-Hürth teilgenommen. Er habe dort vor dem türkischen Konsulat mit 24 weiteren Kurden seine persönlichen Kriegsdienstverweigerungsgründe vorgetragen und unter Angabe des vollständigen Namens und der Adresse eine vorgefertigte Erklärung unterzeichnet, die dann der türkischen Botschaft, verschiedenen türkischen Presseorganen sowie dem Generalkonsulat der Türkei übersandt worden sei.

In der mündlichen Berufungsverhandlung am 29. November 2002 hat der Kläger zu 1) erklärt, er habe an vielen Demonstrationen teilgenommen und an türkische Behörden gerichtete Erklärungen unterzeichnet, allerdings könne er sich nicht mehr an alle Demonstrationen erinnern. An der (Kriegsdienstverweigerer-) Informationsveranstaltung in Darmstadt im Jahr 2002 habe er nicht teilgenommen, wohl aber an einer Hungerstreikaktion in Hannover im Jahr 2000.

Der Kläger zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 26. August 1996 abzuändern und die Beklagte zu der Feststellung zu verpflichten, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise die Voraussetzungen des § 53 AuslG vorliegen.

Der Kläger zu 2) und die Beklagte haben sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert und keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und die Behördenakte des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge betreffend den Kläger zu 1).

Des Weiteren wird Bezug genommen auf die den Verfahrensbeteiligten übersandten Erkenntnisquellenlisten des Senats (Kurden [Stand vom 7.11.2002], Sippenhaft und Kriegsdienstverweigerung) sowie eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Oktober 2001 an das VG Saarlouis, die sämtlich Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Die durch Beschluss vom 10. Juni 1998 zugelassene und auch sonst zulässige Berufung (§ 78 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 3 AsylVfG, § 124a Abs. 3 VwGO a. F.) ist nicht begründet und daher zurückzuweisen.

Das mit dem Berufungsverfahren verfolgte Klagebegehren ist dahingehend zu verstehen, dass der Kläger zu 1) auch weiterhin die Anerkennung seiner Asylberechtigung im Sinne des Art. 16a GG anstrebt und im Übrigen die Abweisung der Klage des Klägers zu 2) gegen die im Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bereits getroffene Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG und des § 53 Abs. 4 AuslG zu erreichen sucht.

Soweit der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, die Anerkennung seiner Asylberechtigung nicht weiter zu verfolgen, hat er damit sein ursprüngliches, auf die genannte Anerkennung gerichtetes Begehren, wie es auch noch in seinem in der Berufungsbegründungsschrift vom 24. Juni 1998 enthaltenen Antrag formuliert ist, nicht rechtswirksam aufgegeben.

Die Erklärung, die in dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Antrag zum Ausdruck kommt, nämlich das ursprüngliche auch auf Anerkennung der Asylberechtigung gerichtete Begehren nicht weiter verfolgen zu wollen, stellt wegen des unverzichtbaren Erfordernisses der Eindeutigkeit prozessualer Erklärungen weder zweifelsfrei eine Klagerücknahme dar noch eine teilweise, auf die Abweisung seiner Klage durch das erstinstanzliche Urteil beschränkte Berufungsrücknahme, was gleichfalls in Betracht gezogen werden könnte. Da diese Erklärung aus dem genannten Grund prozessuale Wirkungen nicht entfaltet, ist sie für das Gericht unbeachtlich (vgl. dazu in Bezug auf eine Klagerücknahme: Kopp, VwGO, 13. Aufl., § 92 Rdnr. 13, 15), so dass im Berufungsverfahren sowohl über das Anerkennungsbegehren des Klägers zu 1) als auch über die durch das erstinstanzliche Gericht erfolgte Aufhebung des den Kläger zu 1) begünstigenden Teils des Bundesamtsbescheides vom 7. April 1995, die der Kläger zu 1) mit seiner Berufung gleichfalls angreift, zu entscheiden ist.

Der Kläger zu 1) hat in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung weder einen Anspruch auf Anerkennung seiner Asylberechtigung im Sinne des Art. 16a GG noch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder des § 53 AuslG in seiner Person vorliegen. Dem entsprechend hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Klage des Klägers zu 1) abgewiesen und auf die Klage des Klägers zu 2) den Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. April 1995 aufgehoben, soweit darin hinsichtlich des Klägers zu 1) die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie das Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG festgestellt worden sind.

1.

Zunächst hat der Kläger zu 1) keinen Anspruch darauf, als Asylberechtigter anerkannt zu werden.

Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne des mit dem früheren Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG übereinstimmenden Art. 16a Abs. 1 GG genießt, wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341 = EZAR 200 Nr. 1). Wer unverfolgt seinen Heimatstaat verlassen hat, ist nur dann als Asylberechtigter anzuerkennen, wenn ihm aufgrund eines beachtlichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung droht (§ 28 AsylVfG; BVerfG, 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 = EZAR 200 Nr. 18; BVerwG, 20.11.1990 - 9 C 74.90 -, BVerwGE 87, 152 = EZAR 201 Nr. 22). Eine Verfolgung ist in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschn. A Nr. 2 GK als politisch im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG anzusehen, wenn sie auf die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische Überzeugung des Betroffenen zielt (BVerfG, 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG, 17.05.1983 - 9 C 874.82 -, BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5, u. 26.06.1984 - 9 C 185.83 -, BVerwGE 69, 320 = EZAR 201 Nr. 8). Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck und nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315, 344 = EZAR 201 Nr. 20; zur Motivation vgl. BVerwG, 19.05.1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258 = EZAR 200 Nr. 19). Werden nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind allerdings nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a.a.O., u. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, a.a.O.; BVerwG, 18.02.1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7). Die Gefahr einer derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG, 03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ 1986, 760 m.w.N.). Die Prüfung der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert eine qualifizierende Betrachtungsweise, die neben der Eintrittswahrscheinlichkeit auch die zeitliche Nähe des befürchteten Eingriffs berücksichtigt (BVerwG, 14.12.1993 - 9 C 45.92 -, EZAR 200 Nr. 30). Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a.a.O.; BVerwG, 25.09.1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 = EZAR 200 Nr. 12 m.w.N.). Die Asylanerkennung kann wegen anderweitigen Verfolgungsschutzes, insbesondere nach Einreise aus einem sicheren Drittstaat ausgeschlossen sein (Art. 16a Abs. 2 GG; §§ 26a, 27, 29 Abs. 1 und 2 AsylVfG, Anlage I zum AsylVfG; vgl. vor allem BVerfG, 14.09.1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 49 = EZAR 208 Nr. 7).

Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, von sich aus umfassend die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse substantiiert und in sich schlüssig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen, so dass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, 08.05.1984 - 9 C 141.83 -, EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ 1985, 36, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, EZAR 630 Nr. 23 = InfAuslR 1986, 79, u. 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25), und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen festzustellen (vgl. BVerwG, 22.03.1983 - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG, u. 18.10.1983 - 9 C 473.82 -, EZAR 630 Nr. 8 = ZfSH/SGB 1984, 281). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es dagegen, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, 23.11.1982 - 9 C 74.81 -, BVerwGE 66, 237 = EZAR 630 Nr. 1). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist (BVerwG, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, a.a.O.).

Bereits aufgrund der persönlichen Angaben des Klägers zu 1) gegenüber dem Bundesamt, er sei am 2. April 1994 mit dem Bus über den Grenzübergang Kapikule aus seinem Heimatland ausgereist und am 6. April 1994 auf dem Landweg über einen unbekannten Grenzübergang in die Bundesrepublik Deutschland gelangt, ist wegen der so genannten Drittstaatenregelung die begehrte Anerkennung als Asylberechtigter ausgeschlossen.

Nach Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Hierauf kann sich nach Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a AsylVfG nicht berufen, wer aus einem sicheren Drittstaat einreist. Diese Regelung begrenzt somit den Kreis der Asylberechtigten von vornherein auf diejenigen politisch Verfolgten, die bei der Einreise des Schutzes gerade in Deutschland bedürfen, weil sie noch an keinem anderen Ort vor Verfolgung sicher waren. Soll der Ausländer allerdings in seinen Herkunftsstaat, der nicht sicherer Drittstaat ist, abgeschoben werden, so sind die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG stets zu prüfen (Vgl. BVerfG, Urt. vom 14. 05. 1996 - 2 BvR 1938, 2315/93 - , NVwZ 1996, 700 ff.).

Entscheidend für die Asylversagung ist der Nachweis der Einreise aus einem sicheren Drittstaat. Der Nachweis aus welchem sicheren Drittstaat der Ausländer eingereist ist, ist nicht erforderlich (BVerwG, Urt. vom 07. 11. 1995 - 9 C 73.95 - , BVerwGE 100, 23 [31]).

Die dargestellte Drittstaatenregelung findet auf den Kläger zu 1) Anwendung, da dieser nach Inkrafttreten dieser Regelung (30. 06.1993 / 01. 07. 1993) am 6. April 1994 auf dem Landweg und damit zwingend über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.

2.

Der Kläger zu 1) hat auch keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, so dass die darauf bezogene Aufhebung des Bundesamtsbescheids durch das Verwaltungsgericht zu Recht erfolgt ist.

Die Voraussetzungen für die als Flüchtlingsanerkennung geltende Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG (vgl. §§ 3, 4 AsylVfG) decken sich in dem hier maßgeblichen Umfang mit denen für die Asylanerkennung (vgl. dazu BVerwG, 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a.-, NVwZ 1994, 500; BVerwG, 18.01.1995 - 9 C 48.92 -, BVerwGE 95, 42 = EZAR 230 Nr. 3).

Nach diesen zuvor unter 1. dargestellten Grundsätzen kann aufgrund der persönlichen Angaben des Klägers zu 1) vor dem Bundesamt am 11. April 1994, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 21. August 1995 und vor dem erkennenden Senat am 29. November 2002, des schriftlich erfolgten Vortrags des Klägers zu 1) sowie aufgrund der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden, dass der Kläger zu 1), an dessen kurdischer Volkszugehörigkeit der Senat keinen Zweifel hat, bis zu seiner Ausreise aus der Türkei wegen seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe oder aus individuellen Gründen politisch verfolgt war.

In ständiger, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1) sowie den übrigen Verfahrensbeteiligten auch bekannter Rechtsprechung geht der Senat davon aus, dass Kurden in den Notstandsprovinzen im Südosten der Türkei seit Mitte 1993 einer Gruppenverfolgung ausgesetzt waren, dass ihnen aber generell eine inländische Fluchtalternative in der Westtürkei zur Verfügung stand (vgl. Urteile des Senats vom 14. Oktober 1998 - 6 UE 900/98.A und 6 UE 214/98.A -).

Die Maßnahmen des türkischen Staates in den kurdischen Siedlungsgebieten, insbesondere in den Notstandsgebieten im südöstlichen Grenzgebiet, wie etwa in Sirnak, richteten sich zunächst im Wesentlichen gegen die Kampfaktionen der PKK. Ab Mitte des Jahres 1993 verschärften sich die Auseinandersetzungen zwischen den türkischen Sicherheitskräften und der PKK und richteten sich - im Sinne von Strafaktionen - auch gegen die Zivilbevölkerung, wobei zunehmend sogar Massaker an kurdischen Zivilisten vom Militär in Kauf genommen wurden ohne einen konkreten Anhaltspunkt dafür zu haben, dass es sich bei den jeweiligen Personen um Anhänger oder Unterstützer der PKK handelte, um dadurch jedenfalls auch mittelbar - durch Abschreckung und Einschüchterung der kurdischen Zivilbevölkerung - den militärischen Kampf gegen die PKK zu erleichtern. Einem kurdischen Volksangehörigen, der in den Notstandsgebieten des Südostens der Türkei lebte, drohte daher politische Verfolgung durch Aktionen der türkischen Sicherheitskräfte, da deren Angriffe gezielt auch die Zivilbevölkerung in Anknüpfung an ihre kurdische Volkszugehörigkeit wahllos trafen, um diese von einer aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit für möglich gehaltenen Unterstützung der PKK abzuhalten.

Ein aus einem der unter Ausnahmezustand gestellten Gebiete stammender kurdischer Volkszugehöriger konnte indes in der Türkei in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Ausreise des Klägers zu 1) leben, ohne dass ihm politische Verfolgung drohte, wenn er sich außerhalb der Notstandsprovinzen, vor allem in den Großstädten Ankara und Istanbul, niederließ und soweit er in seiner Heimat allenfalls der marginalen Unterstützung der PKK verdächtig war, ohne sich aktiv und hervorgehoben für separatistische Bestrebungen einzusetzen. Unter den genannten Voraussetzungen war für kurdische Volkszugehörige der genannten Gebiete jedenfalls grundsätzlich ein unbehelligtes Leben in der Westtürkei möglich, wo sie auch eine hinreichende Existenzmöglichkeit finden konnten (s. auch Auswärtiges Amt [AA] vom 31.03.1998, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei [im Folgenden: Lagebericht]).

Der Kläger zu 1) hat glaubhaft dargelegt, in seiner Heimatprovinz Sirnak, die noch bis zum Entscheidungszeitpunkt zu den Notstandsprovinzen gehörte (s. AA, 09.10.2002, Lagebericht S. 16), von den schweren Zusammenstößen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der dortigen Bevölkerung anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes (Newroz) am 21. März 1992 und weiterhin bei einer Kundgebung Mitte August 1993 betroffen und menschenrechtswidrigen Übergriffen durch die türkischen Sicherheitskräfte in Idil ausgesetzt gewesen zu sein. Die diesbezüglichen Schilderungen des Klägers zu 1) decken sich mit den Erkenntnissen des Senats über die damalige allgemeine Lage in der Provinz Sirnak.

Indes genießt Asylrecht grundsätzlich nur, wer sich landesweit in einer ausweglosen Lage befindet (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/96 u.a. -, BVerfGE 80, 315). Dem Kläger zu 1) wäre es nach Einschätzung des Senats möglich gewesen, den geschilderten, im heimatlichen Bereich drohenden Gefahren dadurch auszuweichen, dass er sich in der Westtürkei niedergelassen hätte, denn er war nicht von landesweit reichenden Maßnahmen der Sicherheitskräfte bedroht.

Der Kläger zu 1) hat bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt vorgetragen, im März 1992 an einer Kundgebung anlässlich des Newroz-Festes teilgenommen zu haben. Er sei zusammen mit etwa 40 -50 Personen festgenommen worden; nachdem Spezialeinheiten die Demonstration aufgelöst hätten, sei er für zwei Tage in Haft genommen worden. Bei einer weiteren Kundgebung in Idil im August 1993, an der etwa 4000 Personen teilgenommen hätten, seien wiederum Sicherheitskräfte eingeschritten und hätten die Teilnehmer angegriffen. Ca. 300 Personen, darunter auch er, seien festgenommen worden. Nach drei Tagen Haft, an denen er wiederum von der Polizei misshandelt worden sei, sei er wieder freigelassen worden. Nach diesen Vorkommnissen hat der Kläger zu 1) seine Heimatprovinz verlassen, sich in Istanbul niedergelassen und dort auch als Verputzer eine Arbeitsstelle gefunden.

Der Annahme einer hinreichenden Verfolgungssicherheit des Klägers zu 1) in Istanbul steht nicht seine Schilderung entgegen, bei einer dortigen Kontrolle durch die Polizei habe er Schläge erhalten, als diese erkannt hätten, dass er aus Sirnak komme, und es sei ihm gesagt worden, er müsse die Stadt wieder verlassen. Der Kläger zu 1) hat lediglich vorgetragen, polizeilich überprüft worden zu sein; von einer Verhaftung oder gar einer Vernehmung unter Anwendung von Folter hat er nicht berichtet. Auch hat er nicht geschildert, dass ihm bei dieser Überprüfung die Vorkommnisse in Idil aus den Jahren 1992 und 1993 vorgehalten worden seien.

Gezielt auf die Person des Klägers zu 1) gerichtete Ermittlungsmaßnahmen der türkischen Sicherheitskräfte vor dem Hintergrund eines konkreten Verdachtes einer - strafbaren - Unterstützung der PKK durch den Kläger zu 1) sind schon im Zusammenhang mit den zweimaligen Verhaftungen in Idil nicht anzunehmen, denn der Kläger zu 1) ist jeweils im Rahmen der Auflösung von Massenkundgebungen zusammen mit einer größeren Zahl anderer Demonstrationsteilnehmer aufgegriffen worden und nach zwei oder drei Tagen wieder entlassen worden. Der Kläger zu 1) selbst hat, zum Ablauf der Kundgebung vom 15. August 1993 befragt, in der Anhörung beim Bundesamt angegeben, es habe sich nicht um gezielte Festnahmen gehandelt.

Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar geworden, dass aufgrund dieser - gemessen an der seinerzeit in den Notstandsgebieten üblichen Haftdauer kurzfristigen - Verhaftungen weitere, gezielt gegen seine Person gerichtete und zudem landesweite Verfolgungsmaßnahmen zu besorgen waren. Dagegen spricht bereits, dass es - wie oben ausgeführt - bei einer Überprüfung des Klägers zu 1) durch die Polizei in Istanbul bei dieser Kontrolle und ein paar Schlägen durch die Polizei geblieben ist und die polizeiliche Überprüfung nicht zu einer Verhaftung und intensiven Vernehmung des Klägers zu 1) geführt hat.

3.

Der somit unverfolgt ausgereiste Kläger zu 1) kann die Feststellung des Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG nur bei nachträglichem Eintritt eines Verfolgungstatbestandes erreichen. Hierfür sind nicht die strengen Voraussetzungen wie für die Anerkennung als Asylberechtigter zu erfüllen (vgl. dazu § 28 AsylVfG und BVerfG, 26.11.198116 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 = EZAR 200 Nr. 18; BVerwG, 20.11.1990 - 9 C 74.90 -, BVerwGE 87, 152 = EZAR 201 Nr. 22).

Vielmehr setzt ein Nachfluchtgrund im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG nur voraus, dass dem Asylbewerber aufgrund von Umständen, die nach seiner Ausreise aus dem Heimatland eingetreten sind, für den Fall seiner Rückkehr dort gegenwärtig und in absehbarer Zeit politische Verfolgung droht. Für die Prognose der Verfolgungsgefahr ist der Maßstab anzulegen, ob dem unverfolgt ausgereisten Asylbewerber politische Verfolgung bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, 24.03.1998 - 9 B 995.97 -).

Bei Anlegung dieses Maßstabs ist festzustellen, dass der Kläger zu 1) nach der Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats jedenfalls in die Gebiete außerhalb der z. Z. noch bestehenden Notstandsprovinzen der Türkei zurückkehren kann, ohne dort von politischer Verfolgung bedroht zu sein.

Es kann hier offen bleiben, ob im Zeitpunkt der Entscheidung im vorliegenden Verfahren nach wie vor eine - wie oben bereits dargelegt vom Senat ab Mitte des Jahres 1993 angenommene - örtlich begrenzte Gruppenverfolgung von Kurden in den Notstandsprovinzen der Türkei festzustellen ist; nach einer neueren Entscheidung des 12. Senats des Hess. VGH vom August 2002 ist davon auszugehen, dass eine Gruppenverfolgung kurdischer Volkszugehöriger seit etwa Beginn des Jahres 2002 nicht mehr angenommen werden kann, nachdem sich die Lage im Südosten der Türkei in den letzten Monaten erheblich verändert hat. Kurdischen Volkszugehörigen könne daher die Rückkehr sowohl in die noch unter Notstandsrecht stehenden Provinzen als auch in alle Gebiete außerhalb der Notstandsprovinzen zugemutet werden; auf das Bestehen einer zumutbaren inländischen Fluchtalternative und die Möglichkeit, dort das notwendige Existenzminimum zu erzielen, komme es insoweit nicht mehr an (s. Hess. VGH, Urteil vom 05.08.2002, - 12 UE 2982/00.A -, juris-Dokument).

Jedenfalls steht aber auch dann, wenn man zugunsten des Klägers zu 1) eine weiterhin vorliegende örtlich begrenzte Gruppenverfolgung von Kurden in den z. Z. noch bestehenden Notstandsprovinzen der Türkei annimmt, für Kurden generell sowohl unter Sicherheitsaspekten als auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung, die auch bei einer erzwungenen Rückkehr in die Türkei ohne Gefahr politischer Verfolgung erreicht werden kann. Dies hat der Senat in dem zuvor schon genannten Urteil vom 14. Oktober 1998 - 6 UE 214/98.A - festgestellt. Der Senat stützt seine Einschätzung, dass außerhalb der stets auf die Notstandsprovinzen beschränkten Gruppenverfolgung eine politische Verfolgung der Gruppe der Kurden nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, (auch) auf neuere Erkenntnisquellen, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit die bereits in der oben zitierten, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1) und auch den übrigen Verfahrensbeteiligten bekannten Senatsentscheidung vom 14. Oktober 1998 - 6 UE 214/98.A - getroffenen Feststellungen nicht erschüttern, sondern vielmehr bestätigen.

Der Senat geht davon aus, dass - insbesondere auch nach der Festnahme und Verurteilung des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan - türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit nach wie vor in den Gebieten außerhalb der Notstandsprovinzen verfolgungsfrei leben und diese auch bei einer erzwungenen Rückkehr in die Türkei ohne Gefahr politischer Verfolgung sicher erreichen können. Das Auswärtige Amt hat zwar im unmittelbaren Anschluss an die Festnahme des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan am 15. bzw. 16. Februar 1999 angesichts der (damals) hochemotionalisierten Atmosphäre zu bedenken gegeben, dass ein erhöhtes Risiko einer besonderen Gefährdung für abzuschiebende Türken kurdischer Volkszugehörigkeit bestehe (AA, ad-hoc-Bericht zur aktuellen Lageentwicklung in der Türkei nach der Festnahme Öcalans vom 25.02.1999). In der Folgezeit hat das Auswärtige Amt seine Einschätzung allerdings dahin gehend revidiert, dass ein erhöhtes Risiko einer besonderen Gefährdung nur für solche abzuschiebenden Personen bestehe, die sich bereits zuvor in der Kurdenfrage engagiert hätten (AA, 07.09.1999, Lagebericht S. 21 f.). Anhaltspunkte dafür, dass seit der Festnahme und Verurteilung Öcalans eine erhöhte Rückkehrgefährdung für türkische Staatsangehörige allein aufgrund ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit bestände, lassen sich auch den übrigen Erkenntnisquellen jüngeren Datums - insbesondere den Gutachten von Oberdiek an das VG Berlin vom 29.04.1999, von Rumpf an das VG Darmstadt vom 19.06.2000 und von Kaya an das VG Sigmaringen vom 10.03.2001 - nicht entnehmen.

Auch die in jüngerer Zeit bekannt gewordenen Fälle, in denen Rückkehrer bei oder nach der Einreise in die Türkei menschenrechtswidrig behandelt worden sind bzw. sein sollen, geben dem Senat keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzurücken oder diese auch nur zu modifizieren. Die so genannten Referenzfälle, die insbesondere in den Gutachten von Oberdiek, Kaya, amnesty international und Rumpf an das VG Sigmaringen aus den Jahren 1998 und 1999 sowie den Lageberichten des Auswärtigen Amtes seit 1998 angeführt werden, sind nicht geeignet, eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür zu begründen, dass türkische Staatsangehörige allein wegen ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit mit politischer Verfolgung bei oder nach der Einreise in die Türkei zu rechnen haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Gründe, aus denen die betreffenden Rückkehrer bei oder nach der Einreise in die Türkei menschenrechtswidrig behandelt worden sind bzw. sein sollen, oft nur schwer recherchieren und verifizieren lassen; in einer Vielzahl der Fälle sind Art und Ausmaß der behaupteten Misshandlung nicht bekannt bzw. ist der Wahrheitsgehalt der gemachten Angaben zweifelhaft. Bei einem Teil der genannten Fälle wird lediglich vermutet, dass die jeweiligen Rückkehrer verschwunden sind, ohne dass nähere Einzelheiten bekannt sind. Nicht aussagekräftig sind auch diejenigen Fälle, in denen Besonderheiten in der Person bzw. im Verhalten des jeweiligen Rückkehrers vorliegen, die zur Festnahme und gegebenenfalls Misshandlung oder Folter geführt haben können. Selbst wenn man die verbleibenden Referenzfälle für aussagekräftig hält und eine Dunkelziffer berücksichtigt, lässt sich eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass jeder Kurde mit politischer Verfolgung bei oder nach der Einreise in die Türkei zu rechnen habe, nicht begründen. Dabei ist davon auszugehen, dass die einzukalkulierende Dunkelziffer entsprechend den Ausführungen von Oberdiek in seinem Gutachten an das VG Sigmaringen vom 22. September 1998 (S. 39 f.) etwa bei 50 % anzusiedeln sein dürfte; die Angaben von Kaya in seinem Gutachten an das VG Sigmaringen vom 15. Januar 1999 (S. 2) - wonach etwa 80 % aller abgeschobenen, aus Kurdistan stammenden Asylbewerber festgehalten, verhört und misshandelt würden - sind demgegenüber nicht belegt. Die Zahl der verbleibenden Referenzfälle einschließlich einer einzukalkulierenden Dunkelziffer von etwa 50 % ist indessen im Verhältnis zur Gesamtzahl der abgeschobenen Rückkehrer - nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. September 1999 (S. 36) im Jahr 1998 6.640 Personen und nach dem Lagebericht vom 24. Juli 2001 (S. 42) im Jahr 1999 6.083 Personen und im Jahr 2000 5.003 Personen - derart gering, dass eine asyl- und abschiebungsrechtlich relevante Rückkehrgefährdung jedenfalls nicht bei allen Türken kurdischer Volkszugehörigkeit besteht.

Der Kläger zu 1) ist auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse bei einer Rückkehr in die Türkei politischer Verfolgung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt. Er weist keine individuellen Besonderheiten auf, welche die Annahme rechtfertigten, dass er anders als kurdische Volkszugehörige im Allgemeinen diese Gebiete außerhalb der Notstandsprovinzen bei einer erzwungenen Rückkehr nicht ohne Gefahr politischer Verfolgung erreichen und dort nicht verfolgungsfrei leben könnte.

Nach verschiedenen Gutachten und Auskünften, die teilweise bereits in der zitierten Entscheidung des Senats vom 14. Oktober 1998 näher dargestellt worden sind, müssen ehemalige Asylbewerber, die in die Türkei abgeschoben werden oder freiwillig einreisen, an der Grenze mit längerfristiger Polizeihaft rechnen, während von den türkischen Behörden geprüft wird, ob sich der Betreffende politisch gegen den türkischen Staat betätigt hat oder Informationen über exilpolitische Organisationen geben kann.

Ein als Asylbewerber identifizierter Rückkehrer muss danach bei der Einreise regelmäßig damit rechnen, dass er zunächst festgehalten und einer intensiven Überprüfung unterzogen wird. Dies gilt insbesondere, wenn gültige Reisedokumente nicht vorgewiesen werden können. In diesem Falle erfolgt regelmäßig eine genaue Personalienfeststellung (unter Umständen mit einem Abgleich der Angaben der Personenstandsbehörde und des Fahndungsregisters) hinsichtlich Grund und Zeitpunkt der Ausreise aus der Türkei, Grund der Abschiebung, eventueller Vorstrafen in Deutschland, Asylantragstellung und Kontakten zu illegalen türkischen Organisationen im In- und Ausland (vgl. auch: AA, 07.09.1999, Lagebericht). Diese Einholung von Auskünften, während der der Rückkehrer meist in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache festgehalten wird, kann bis zu mehreren Tagen dauern. Da den türkischen Behörden bekannt ist, dass viele türkische Staatsbürger aus wirtschaftlichen Gründen mit dem Mittel der Asylantragstellung versuchen, in Deutschland ein Aufenthaltsrecht zu erlangen, werden Verfolgungsmaßnahmen nicht allein deshalb durchgeführt, weil der Betroffene in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, sondern nur, wenn sich konkrete Anhaltspunkte für eine Mitgliedschaft oder Unterstützung der PKK ergeben. Liegt gegen den Betroffenen nichts vor, so wird er in der Regel nach spätestens zwei oder drei Tagen wieder freigelassen. Anders ist es, wenn Personen wegen konkreter Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten, insbesondere durch Unterstützung der PKK, durch die politische Abteilung der Polizei in Haft genommen werden; dann besteht die reale Gefahr von asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen bis hin zum Verschwinden von Personen (s. auch AA, 07.09.1999, Lagebericht).

Dass der Kläger zu 1) bei seiner Einreise oder später am Ort einer inländischen Fluchtalternative, beispielsweise in einer Großstadt im Westen der Türkei, asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sein wird, ist danach nicht beachtlich wahrscheinlich.

Der Kläger zu 1) hat im Berufungsverfahren vorbracht, er habe an einer Veranstaltung der türkischen Kriegsdienstverweigerer-Organisation am 26. Januar 1998 in Köln-Hürth teilgenommen. Er habe dort vor dem türkischen Konsulat zusammen mit anderen Kurden seine persönlichen Kriegsdienstverweigerungsgründe vorgetragen und unter Angabe seines vollständigen Namens und der Adresse eine vorgefertigte Erklärung unterzeichnet, die dann der türkischen Botschaft, verschiedenen türkischen Presseorganen sowie dem Generalkonsulat der Türkei übersandt worden sei. Auch habe er noch eine Vielzahl ähnlicher Veranstaltungen besucht, an alle könne er sich aber nicht mehr erinnern.

Der Anschluss an die türkische Kriegsdienstverweigererorganisation "Savas Hizmetini Reddedenler Girisimi (SHRG) / Initiative der türkischen Kriegsdienstverweigerer in der Bundesrepublik" oder an die "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen" sowie die Teilnahme an von diesen Organisationen durchgeführten Aktionen, sind nicht grundsätzlich bereits geeignet, konkrete Anhaltspunkte für eine Mitgliedschaft oder Unterstützung der PKK zu liefern, die bei der Einreisekontrolle den Betreffenden in den Verdacht separatistischer Propaganda und der PKK-Nähe rücken, so dass dessen Überstellung an die politische Abteilung der Polizei nach den vorangegangenen Ausführungen zur Einreiseüberprüfung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte.

Zum einen handelt es sich bei den genannten Organisationen nicht um solche, deren Zielsetzung auf die Bekämpfung der türkischen Staatsideologie des Prinzips der Unteilbarkeit von Nation und Territorium der Republik Türkei gerichtet ist, sondern vielmehr um Gruppierungen, die sich allgemeinen humanitären und pazifistischen Zielen verpflichtet fühlen und die in erster Linie dem von ihnen als Menschenrecht propagierten Recht auf Kriegsdienstverweigerung (speziell bzw. auch) in der Türkei Geltung verschaffen wollen. So wird etwa aus der - dem Gericht vorliegenden, im vorliegenden Verfahren in der mündlichen Verhandlung angesprochenen - Kriegsdienstverweigerungserklärung vom 26. Januar 1998, die von Aktionsteilnehmern vor dem türkischen Generalkonsulat in Köln-Hürth unterzeichnet und an das Konsulat gesandt worden ist, deutlich, dass die hinter dieser Erklärung stehenden zuvor genannten Organisationen damit die in der Türkei seit vielen Jahren andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen, von denen die kurdische Bevölkerung betroffen ist und die bereits zahlreiche Todesopfer gefordert haben, nicht nur zum Anlass genommen haben, die türkische Regierung aufzufordern, diesen Krieg zu beenden, stattdessen nach einer politischen Lösung zu suchen und auch in der Türkei ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu gewährleisten, sondern dass damit vor allem der Aufruf an die Menschen erfolgt, Vorbild für andere zu sein, den Kriegsdienst selbst nicht anzutreten und Kriegsdienstverweigerer zu unterstützen. Dies unterstreicht deutlich, dass die beschriebenen Zielsetzungen der beiden Kriegsdienstverweigererorganisationen in keiner Weise mit denen der PKK im Einklang stehen. Auch wenn die Teilnehmer an den Aktionen dieser Kriegsdienstverweigerervereinigungen bewusst ihre Identität preisgegeben haben, so ist aus den dargestellten, bei diesen Aktionen eindeutig im Vordergrund stehenden Zielen nicht zu befürchten, dass sich für die türkischen Behörden bei der Einreisekontrolle in Bezug auf die immer größer werdende Zahl der Teilnehmer an solchen Aktionen konkrete Anhaltspunkte für deren separatistische Einstellung ergeben.

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass diese immer wieder in ähnlicher Weise ablaufenden Aktionen mit öffentlichen Aufrufen gegen den Kriegsdienst verbunden sind, in denen auch das türkische Militär scharf kritisiert wird.

Da die türkische Verfassung ein Recht auf Verweigerung des Wehrdienstes nicht kennt (s. Rumpf an VG Darmstadt vom 22.03.1995; AA an VG Hamburg vom 27. Oktober 1997) und von einem Vorrang der nationalen Sicherheit vor dem Gewissen und der Religion ausgeht, ist Kriegsdienstverweigerung nach türkischem Recht strafbar, ebenso wie bereits der Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung. In Betracht kommen nach Rumpf insbesondere die Straftatbestände Art. 153 TStGB [Aufforderung zum Ungehorsam] und Art. 155 TStGB [Entfremdung des Volkes vom Militär] (s. Rumpf an VG Darmstadt vom 22.03.1995); des Weiteren ist auch eine Bestrafung nach Art. 159 TStGB [Beleidigung der Streit- und Sicherheitskräfte] möglich (s. Rumpf an VG Darmstadt vom 14.01.1998 sowie Kaya an VG Kassel vom 09.02.1998).

In einer vom VG Kassel eingeholten Stellungnahme des Max-Planck-Institutes für Ausländisches und Internationales Strafrecht vom 20. Dezember 1999 sieht die Gutachterin Dr. Silvia Tellenbach den Tatbestand des Art. 155 TStGB sowie des auf letztgenannte Vorschrift inhaltlich verweisenden Art. 58 MStGB dadurch als erfüllt an, dass vor dem türkischen Generalkonsulat in der Öffentlichkeit ein Protestschreiben verlesen wird, in dem eine Aufforderung an eine unbestimmte Anzahl von Menschen geht, den Militärdienst zu verweigern. Der in Art. 155 TStGB genannte Strafrahmen (2 Monate bis 2 Jahre Gefängnis und Geldstrafe) liege um 50 % höher, wenn die Tat gemäß Art. 4, 5 ATG als terroristische Tat eingestuft werde; nicht jede Abwerbung vom Militärdienst könne aber eo ipso als terroristische Tat (= Hilfsaktion für die PKK) angesehen werden. Straftaten nach Art. 58 MStGB könnten auch als Auslandstat verfolgt werden. In Betracht zu ziehen sei weiterhin der Straftatbestand des Art. 159 TStGB; dessen Strafmaß liege bei 1 - 6 Jahren Zuchthaus. Art. 4 TStGB sehe eine Verfolgung dieser Tat als Auslandstat von Amts wegen vor; vorab bedürfe es dazu eines Verfolgungsersuchens des zuständigen (Verteidigungs-) Ministeriums. Die Verurteilung einer Auslandstat gemäß Art. 159 TStGB sei in der Rechtsprechung bisher nicht feststellbar gewesen, wenn auch nicht ausgeschlossen werden könne, dass es solche Verurteilungen geben könnte.

In einem am ergangenen Urteil des Strafgerichts Midyat, an dessen Echtheit der erkennende Senat nicht zweifelt (s. AA, 29. Oktober 2001 an das Verwaltungsgericht des Saarlandes), ist es - soweit ersichtlich erstmals - zu einem strafgerichtlichen Verfahren nach Art. 159 TStGB im Zusammenhang mit Kriegsdienstverweigerungsaktionen von Kurden in Deutschland gekommen. Das genannte türkische Gericht gelangte in diesem Verfahren zu der eindeutigen Feststellung, dass die Einreichung der von den (acht) Angeklagten selbst unterschriebenen Erklärungen, deren Inhalt im Strafgerichtsurteil näher dargestellt wird, an das türkische Generalkonsulat in Deutschland den Straftatbestand des Art. 159 TStGB erfüllt.

Aufgrund des (Amnestie-) Gesetzes Nr. 4616 vom 21.12.2000 stellte das Gericht die öffentliche Klage gegen die Angeklagten zurück und wies darauf hin, dass das Verfahren wieder aufgenommen werde, wenn innerhalb von fünf Jahren eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe erfolgt, die gleichartig oder schwerer sei als die zur Rede stehende.

Nach Taylan, der sich auf die Angaben von in politischen Verfahren tätigen türkischen Rechtsanwälten stützt, ist die Zahl solcher und ähnlicher Verfahren als sehr gering einzuschätzen. Wegen der umfassenden persönlichen Angaben auf dem unterschriebenen Protestschreiben sei der türkischen Staatsanwaltschaft anscheinend nichts anderes übrig geblieben, als Anklage zu erheben. Ein weiteres Verfahren wegen Unterstützung der PKK hielten seine Informanten nur dann für vorstellbar, wenn zusätzliche Verbindungen zur PKK nachgewiesen werden könnten (Taylan, 23.06.2001 an VG Saarlouis).

In einem vom Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1) im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachten von Oberdiek vom 22.11.2001 teilt letzterer mit, dass es sich bei dem zuvor dargestellten Strafverfahren von Midyat um das erste ihm bekannte Verfahren handele, in dem nach Art 159 TStGB wegen der geäußerten Absicht, den Kriegsdienst zu verweigern, angeklagt und geurteilt worden sei. Die meisten in der Türkei nach der besagten Vorschrift durchgeführten Verfahren ließen sich als "Gesinnungsjustiz" bezeichnen, die die Person in ihrer (oppositionellen) politischen Überzeugung treffen soll. Das Verfahren in Midyat sei nicht wegen der erklärten Verweigerung des Militärdienstes eröffnet worden, sondern weil Worte wie "schmutziger Krieg", "Mordmaschine" und "Massaker" verwendet worden seien. Das Wort "Kurdistan" hätte ebenfalls zu einer Anklage nach Art. 8 ATG führen können; auch dieser Artikel werde im Rahmen der "Gesinnungsjustiz" eingesetzt.

Bei den acht Angeklagten aus dem Verfahren vor dem Strafgericht Midyat handele es sich allesamt um Personen aus dem Kreis Idil (Provinz Sirnak). Sirnak sei in den 80'er Jahren nur aus militärischen Gesichtspunkten heraus zu einer Provinzhauptstadt geworden. Die gesamte Provinz sei stark umkämpft gewesen und es könne behauptet werden, dass die PKK Teile dieser Provinz beherrscht habe. Jugendliche aus dieser Region, die sich nicht als Dorfschützer bewaffnen ließen und sich noch dazu ins Ausland abgesetzt hätten, seien mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Verdacht der aktiven Unterstützung der PKK ausgesetzt; dies gelte umso mehr, wenn sie erklärt hätten, dass sie nicht gegen Angehörige der PKK kämpfen wollten. Dies werde seine Konsequenzen bei einer Rückkehr der genannten Angeklagten in die Türkei haben. Mit dem Verfahren von Midyat seien sie "aktenkundig" geworden und würden bei einer Einreise nach einer Überprüfung der Identität vermutlich nicht sofort wieder auf freien Fuß kommen. Neben den Kreiswehrersatzämtern dürfte auch die politische Polizei ein Interesse an ihnen haben. Schon die Polizei am Flughafen könnte "grob" werden, da es sich in deren Augen um "Vaterlandsverräter" handele; Folter und Misshandlung würden nicht nur als Verhörmethode eingesetzt, um an Geständnisse zu gelangen, sondern eben auch als eine Art "Vorstrafe" für "Verbrecher", "Verräter" oder "Terroristen". Eine anschließende Überstellung zur politischen Polizei hält Rumpf in diesem Zusammenhang für durchaus wahrscheinlich. Die Ernsthaftigkeit der Verweigerung würde nicht nur mit entsprechenden Fragen überprüft werden, sondern ganz sicher auch Schläge oder feinere Formen der Folter einschließen.

Vor allem die zuletzt wiedergegebenen gutachterlichen Stellungnahmen von Taylan und Oberdiek lassen erkennen, dass es für die Einschätzung der Rückkehrgefährdung nicht maßgeblich auf die in der Türkei zu erwartende Bestrafung wegen einer öffentlich abgegebenen Erklärung zur Kriegsdienstverweigerung ankommt. Entscheidend ist vielmehr zum einen, ob im konkreten Einzelfall davon ausgegangen werden kann, dass der Betroffene in das Blickfeld der türkischen Behörden gerückt und für diese identifizierbar geworden ist, wie etwa durch die in vielen Fällen erfolgte Übersendung der hier in Rede stehenden Erklärungen an ein türkisches Konsulat mit voller Namens- und Adressangabe. Vor allem aber ist von Bedeutung, ob daneben auch konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der an Kriegsdienstverweigerungsaktionen der beschriebenen Art Teilnehmende bei seiner Rückkehr in die Türkei von der Polizeibehörde im Rahmen der Einreisekontrolle dem Verdacht der Unterstützung der PKK ausgesetzt sein wird. Die bloße "Abwerbung vom Militärdienst" ist - wie die Gutachterin Dr. Tellenbach des Max-Planck-Institutes für Ausländisches und Internationales Strafrecht in ihrem Gutachten vom 20. Dezember 1999 ausführt, nicht "eo ipso" als terroristische Tat (= Hilfsaktion für die PKK) anzusehen.

Diese Einschätzung der Rückkehrgefährdung von Kurden, die sich im Bundesgebiet öffentlich als Kriegsdienstverweigerer bekannt haben, findet ihre Bestätigung auch in dem publik gewordenen, im Gutachten von Oberdiek ebenfalls angesprochenen Fall des aus Midyat stammenden Kriegsdienstverweigerers A. D..

Letzterer ist nach Angaben des Niedersächsischen Flüchtlingsrates (s. Connection e.V. / Rudi Friedrich, Asyl und Kriegsdienstverweigerung Beispiel Türkei, [Anhang] vom 16.05.2000) im Jahr 1992 kurz vor Ablauf seines Militärdienstes aus der türkischen Armee desertiert, 1995 nach Deutschland geflüchtet und verweigerte hier 1997 öffentlich den Militärdienst, indem er unter Angabe seiner vollständigen Personalien ein entsprechendes Schreiben an diverse türkische Behörden übermittelte. In diesem Schreiben bezeichnete er die Türkei als einen faschistischen Staat, dem er als Kurde nicht dienen wolle. Bei seiner Einreise ist er von der Polizei verhaftet, dann deren politischer Abteilung überstellt und von letzterer nach seinen Angaben 24 Stunden lang unter Folter verhört worden; dem Auswärtigen Amt ist es allerdings nicht möglich, die Angaben zu den Misshandlungsvorwürfen eindeutig zu verifizieren (s. AA, 24. 07.2001, Lagebericht, S. 21). Wegen Desertion und Flucht ins Ausland ist er von einem Militärgericht zu 2 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt worden. Die bereits 1997 erhobene Anklage auf der Grundlage von Art. 8 ATG führte nicht zu einer Verurteilung. Das Staatssicherheitsgericht Diyarbakir sprach D. von dem Vorwurf der "separatistischen Propaganda" im März 1999 frei (s. auch Oberdiek vom 22.11.2001).

Die Überstellung D. an die politische Abteilung der Polizei erfolgte ersichtlich aufgrund der zum Zeitpunkt der Abschiebung bereits existenten Anklage wegen Art. 8 ATG, mithin also, weil der Betreffende aufgrund der erhobenen Anklage bei der Einreisekontrolle durch die Flughafenpolizei in den Verdacht separatistischer Propaganda und der PKK-Nähe gerückt war.

Ähnliche Bewertungskriterien liegen letztlich auch dem Beschluss des Petitionsausschusses vom 07.11.2001 zugrunde, wenn dort darauf abgestellt wird, dass die türkische Zeitung "Hürriyet" die aktiv in Erscheinung getretenen Kriegsdienstverweigerer bei ihrer Aktion am 01.12.2000 in Hannover in einem mit Foto versehenen zweiseitigen Bericht als PKK-Anhänger bezeichnet habe. Mit der Veröffentlichung und der Denunzierung der Kriegsdienstverweigerer als PKK-Anhänger - so der Petitionsausschuss - müsse damit gerechnet werden, dass die türkischen Behörden diese Aktion in einen antitürkischen, prokurdischen, politischen Zusammenhang stellten; es sei daher nicht auszuschließen, dass dem Petenten aufgrund der in dem Hürriyet-Artikel ausgesprochenen Verdächtigungen erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit drohten.

Nach den oben beschriebenen Kriterien für eine Rückkehrgefährdung erscheint es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger zu 1) bei einer Rückkehr in die Türkei im Rahmen der Einreisekontrolle asylerheblichen Maßnahmen ausgesetzt sein wird, weil er an Kriegsdienstverweigerungsaktionen in der beschriebenen Weise teilgenommen hat. Belegt ist allein die Teilnahme des Klägers zu 1) an der Aktion in Köln-Hürth am 26.01.1998, da dessen Unterschrift auf der dem Senat vorliegenden und in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Unterschriftenliste zu dieser Veranstaltung mit Angabe von Name und Adresse zu finden ist. Ob der Kläger zu 1) - wie er in der Verhandlung vorgetragen hat - noch an weiteren Aktionen dieser Art teilgenommen hat, kann hier dahingestellt bleiben, denn auch wenn man dies zu Gunsten des Klägers annimmt, sind jedenfalls keine konkreten Anhaltspunkte erkennbar geworden, die den zuvor näher beschriebenen Verdacht der Polizei bei einer Einreise des Kläger zu 1) in die Türkei hervorrufen könnten, der eine mit körperlicher Misshandlung von asylerheblicher Intensität verbundene weitere Vernehmung durch die politische Abteilung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte.

Der Kläger zu 1) gehört nicht zu den von dem strafgerichtlichen Verfahren von Midyat Betroffenen, er ist damit insoweit auch nicht "aktenkundig" geworden, wie Oberdiek es in seinem Gutachten vom 22.11.2001 bezeichnet. Da der Kläger zu 1) ebenso wie die von dem Urteil des Strafgerichts Midyat Betroffenen aus Idil stammt, hätte auch ein gegen ihn eingeleitetes Verfahren vor dem Strafgericht in Midyat verhandelt werden müssen; ein solches Verfahren wird vom Kläger zu 1) selbst gar nicht behauptet.

Entscheidend für den Senat ist darüber hinaus, dass die vom Kläger zu 1) geschilderten Umstände vor seiner Ausreise nicht dafür sprechen, dass er gezielt gegen seine Person gerichteten Ermittlungsmaßnahmen der türkischen Sicherheitskräfte vor dem Hintergrund eines konkreten Verdachtes einer - strafbaren - Unterstützung der PKK ausgesetzt war. Wie oben unter 1. bereits ausgeführt, war dies schon im Zusammenhang mit den zweimaligen Verhaftungen in Idil in den Jahren 1992 und 1993 nicht anzunehmen, denn der Kläger zu 1) ist jeweils im Rahmen der Auflösung von Massenkundgebungen zusammen mit einer größeren Zahl anderer Demonstrationsteilnehmer aufgegriffen worden und nach zwei oder drei Tagen wieder entlassen worden. Der Kläger zu 1) selbst hat zudem, zum Ablauf der Kundgebung vom 15. August 1993 befragt, angegeben, es habe sich nicht um gezielte Festnahmen gehandelt. Des Weiteren spricht der Ablauf der polizeilichen Überprüfung des Klägers zu 1) in Istanbul dagegen, dass gezielt - und zwar landesweit - gegen den Kläger zu 1) ermittelt wurde, denn die Kontrolle führte nicht zu einer Verhaftung oder gar zu einer intensiven Vernehmung; auch hat er nicht vorgetragen, dass ihm während der Überprüfung die Vorkommnisse in Idil vorgehalten worden seien.

Schließlich droht dem Kläger zu 1) bei seiner Rückkehr auch nicht deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung, weil er (möglicherweise) eine Bestrafung nach Art. 58 MStGB i.V.m. Art. 155 TStGB wegen Entfremdung des Volkes vom Militär (vgl. Rumpf an VG Darmstadt vom 22.03.1995 und Max-Planck-Institut an VG Kassel vom 20.12.1999) zu erwarten hat. Der genannte Straftatbestand des Militärstrafrechts ist auch als Auslandstat verfolgbar (s. Max-Planck-Institut an VG Kassel vom 20.12.1999, S. 4 oben). In letztgenanntem Gutachten kommt die Gutachterin des Max-Planck-Institutes Dr. Tellenbach zu der Feststellung, dass es trotz umfangreicher Recherchen in der Literatur zum Militärstrafrecht, in den veröffentlichten Entscheidungen des Militärkassationshofs und des Kassationshofs sowie Nachfragen bei einer Reihe von Juristenkollegen, darunter einem Richter am Militärkassationshof, der selbst zu Art. 155 TStGB publiziert habe, nicht gelungen sei, auch nur einen Fall zu finden, bei dem eine im Ausland stattgefundene Abwerbung vom Militärdienst Gegenstand des Verfahrens gewesen sei (S. 5).

Da davon auszugehen ist, dass die Rolle des Klägers zu 1) bei der Veranstaltung vor dem türkischen Generalkonsulat in Köln-Hürth am 26.01.1998 sowie auch an weiteren Kriegsdienstverweigerungsdemonstrationen von eher untergeordneter Bedeutung war- Gegenteiliges ist von ihm nicht vorgetragen worden - ist entsprechend der nachvollziehbaren Einschätzung der Gutachterin Dr. Tellenbach in dem zitierten Gutachten die Gefahr, dass der Kläger zu 1) wegen der Teilnahme an diesen Demonstrationen verfolgt werden könnte, als gering einzuschätzen.

Im Übrigen ist selbst bei einer zu erwartenden Bestrafung wegen "Wehrkraftzersetzung" nach Art. 58 MStGB i.V.m. Art. 155 TStGB nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger zu 1) in Anknüpfung an seine kurdische Volkszugehörigkeit eine härtere Bestrafung drohte als türkischen Staatsangehörigen nichtkurdischer Abstammung in der gleichen Situation. Nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 02.06.1998 gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die ethnische Zugehörigkeit bei der Festsetzung des Strafmaßes von Belang wäre. Kaya gelangt in seinem Gutachten an das VG Kassel vom 09.02.1998 zu dem Ergebnis, bei der Strafzumessung werde u.a. berücksichtigt, ob der Betreffende "türkischer oder kurdischer Abstammung" sei. Indes beruft sich Kaya bei seiner Einschätzung auf eine nicht näher beschriebene "Praxis". An einer gerichtlichen Praxis dürfte es aber wegen der zuvor dargestellten, von der Gutachterin Dr. Tellenbach recherchierten Nichtfeststellbarkeit von Verfahren betreffend die im Ausland erfolgte Abwerbung vom Militärdienst gerade fehlen. Es scheint deshalb alles dafür zu sprechen, dass es - wie vom Auswärtigen Amt ausgeführt - tatsächlich keine Anhaltspunkte für eine entsprechende gerichtliche Strafzumessungspraxis gibt. Nach allem kann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer drohenden asylerheblichen Bestrafung ausgegangen werden.

Den vom Kläger zu 1) angeführten weiteren exilpolitischen Aktivitäten, von denen er lediglich eine einzelne, nämlich die Teilnahme an einem Hungerstreik in Hannover im Jahr 2000, näher konkretisiert hat, kommt ebenfalls keine für einen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG rechtserhebliche Bedeutung zu.

Eigene exilpolitische Aktivitäten von relevanter Bedeutung für die Frage seiner Rückkehrgefährdung hat der Kläger zu 1) damit nicht vorgetragen. Denn exilpolitisches Verhalten türkischer Staatsangehöriger ist nur dann asylrechtlich relevant, wenn es in herausgehobener und erkennbarer Stellung für eine in der Türkei verbotene Organisation erfolgt, d. h. wenn Aktivitäten entfaltet werden, die nach türkischem Recht strafbar sind und türkische Sicherheitsbehörden davon erfahren haben (AA, Lagebericht vom 24.07.2001; Rumpf, 12.01.1999 an VG Berlin).

Schließlich droht dem Kläger zu 1) bei einer Rückkehr in die Türkei auch nicht deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung, weil er seiner Verpflichtung zur Ableistung des Wehrdienstes - wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen hat - bisher nicht nachgekommen ist.

Weder die Heranziehung zum Wehrdienst als solche noch die Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung für sich allein betrachtet ist asylrelevant, und zwar auch dann nicht, wenn diese von weltanschaulich autoritären Staaten ausgehen (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: BVerwG, 06.12.1988 - 9 C 22.88 -, BVerwGE 81, 41 = EZAR 201 Nr. 17). Eine politische Verfolgung im Zusammenhang mit der Heranziehung zum Wehrdienst kann nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass mit der Heranziehung zum Wehrdienst auch beabsichtigt ist, Wehrpflichtige wegen asylerheblicher Merkmale, insbesondere wegen einer wirklichen oder vermuteten, von der herrschenden Staatsdoktrin abweichenden politischen Überzeugung zu treffen, z. B. durch politische Disziplinierung, Umerziehung oder Einschüchterung (BVerwG, a.a.O.).

Der Wehrpflicht in der Türkei unterliegt jeder männliche türkische Staatsangehörige. Die Wehrpflicht beginnt nach dem türkischen Wehrpflichtgesetz (Gesetz Nr. 1111 vom 21.06.1927) am 1. Januar des Jahres, in dem das 20. Lebensjahr vollendet wird und endet am 1. Januar desjenigen Jahres, in welchem der Pflichtige das 40. Lebensjahr vollendet. Gemäß Art. 5 Abs. 4 des türkischen Wehrpflichtgesetzes endet die Wehrpflichtzeit allerdings nicht, bevor der Wehrdienst nicht angetreten worden ist (s. Rumpf an VG Ansbach vom 12.02.1999). Nach Art. 63 MStGB ist Wehrdienstentziehung mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren bedroht; Art. 66 des Militärstrafgesetzbuchs sieht für Fahnenflucht Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu drei Jahren vor; bei Flucht ins Ausland beträgt das Strafmaß nach Art. 67 des Militärstrafgesetzbuchs drei bis fünf Jahre Freiheitsentzug (AA, Lagebericht vom 24.07.2001, S. 20 f.). Die Gerichte orientieren sich in der Praxis - die sich durch öffentliche Zustellung entsprechender Urteile über das Türkische Amtsblatt verfolgen lässt - am unteren Bereich des Strafrahmens. Die Verurteilungen schwanken zwischen sieben Tagen und fünf Monaten; darüber hinaus - bis zu 15 Monaten - gehen die Strafen nur bei Anwendung von Art. 66 Militärstrafgesetzbuch, der voraussetzt, dass der Wehrdienst bereits angetreten wurde. Die Urteile weisen überwiegend die Umwandlung der Freiheitsstrafen in Geldstrafen aus, die umgerechnet - inflationsbedingt - nur geringe DM-Beträge ergeben (Rumpf an VG Augsburg vom 23.01.2001; vgl. auch Taylan an VG Saarlouis vom 23.06.2002).

Danach kommt zwar eine Bestrafung des Klägers zu 1) wegen Wehrdienstentziehung in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass eine etwaige Bestrafung an seine kurdische Volkszugehörigkeit anknüpfen könnte oder dass er bei der Überprüfung an der Grenze wegen der Nichtableistung des Wehrdienstes einer asylrechtlich relevanten Behandlung unterzogen werden würde, lassen sich den vorliegenden Erkenntnisquellen nicht entnehmen; insbesondere sind einschlägige Präzedenzfälle nicht belegt.

Dem Kläger zu 1) droht auch durch die noch bevorstehende Einberufung zum Wehrdienst keine politische Verfolgung. Das türkische Militär hat zwar seine frühere Praxis geändert und setzt türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit während des Wehrdienstes auch in ihrer Herkunftsregion ein (AA, Lagebericht vom 07.09.1999, S. 14); dies galt auch für die Phase der militärischen Auseinandersetzung zwischen den Streitkräften und der PKK (AA, Lagebericht vom 9.10.2002, S. 32 ). Kurdischstämmige Wehrdienstleistende sind aber grundsätzlich keinen besonderen Schikanen oder Diskriminierungen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit ausgesetzt (AA, Lagebericht vom 9.10.2002, S. 32).

Schließlich vermag auch das Vorbringen des Klägers zu 1), er stamme aus einem familiären Umfeld, das - separatistischer Gesinnung und Betätigung verdächtig - erheblich im Blickfeld der türkischen Sicherheitskräfte gestanden habe und noch stehe, unter dem Gesichtspunkt der "Sippenhaft" eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende politische Verfolgung des Klägers zu 1) bei einer Rückkehr in die Türkei nicht zu begründen.

Wie der Senat in dem dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1) und auch den übrigen Verfahrensbeteiligten bekannten Beschluss nach § 130a VwGO vom 14. November 2002 (6 UE 2701/98.A) entschieden hat, gibt es im türkischen Strafrecht ein Institut der Sippenhaft nicht; Verfolgungsmaßnahmen sind auch gegenüber Familienangehörigen von Straftätern grundsätzlich unzulässig. Allerdings spielt der Zugriff auf Angehörige in der Polizeiermittlungspraxis durchaus eine Rolle, insbesondere um den Aufenthaltsort von Gesuchten zu erfahren (Rumpf 09.08.1995 an VG Darmstadt; AA, 14.08.1995 an VG Mainz; Oberdiek, 17.02.1997 an VG Hamburg). Das Recht der Aussageverweigerung ist gewährleistet; es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass es zu Übergriffen kommt (AA, 21.04.1997 an VG Bayreuth und 05.01.1999 an VG Braunschweig sowie 03.08.1999 an VG Stuttgart). So wird darüber berichtet, dass Familienangehörige aktiver PKK-Angehöriger menschenrechtswidrig behandelt werden, da angenommen wird, dass auch sie die PKK unterstützen (Gesellschaft für bedrohte Völker, 14.03.1997 an VG Hamburg; amnesty international, 15.04.1998 an VG Hamburg). Nach Kaya (11.03.1998 an VG Berlin) ergeht bei Personen, die per Haft- oder Festnahmebefehl gesucht werden, alle drei Monate ein Befehl durch die Republikanischen Staatsanwaltschaften, nach dem das Haus der betreffenden Personen durchsucht wird, sodass dort lebende Angehörige mindestens alle drei Monate einmal Belästigungen durch die Sicherheitskräfte ausgesetzt sind. Besonders betroffen von solchen Maßnahmen sind Verwandte ersten Grades sowie Ehegatten; dies folgt daraus, dass sich die Verwandtschaft bezüglich Eltern, Kindern und Geschwistern anhand der Eintragungen im Personalausweis des Betroffenen sofort erkennen lässt, da daraus die Namen von Vater und Mutter hervorgehen. Für Ehegatten gilt im Ergebnis Entsprechendes, weil die Personenstandsregistrierung einer Frau mit der Eheschließung an den Ort verlegt wird, an dem ihr Ehemann gemeldet ist (Dinc, 11.02.1998 an VG Berlin). Bei anderen, weitläufigeren Verwandten (Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen) können hingegen die Verwandtschaftsverhältnisse nicht so leicht über Personenstandsregister in Erfahrung gebracht werden (Kaya, 16.03.1997 an VG Gießen; Taylan, 15.05.1997 vor VG Gießen).

Bei der Einreise in die Türkei erfolgt eine genaue Kontrolle der Personalien des Einreisenden, insbesondere wird geprüft, ob sein Name auf der Fahndungsliste steht, etwa bei Vorliegen eines Haftbefehls, oder ob Ein- oder Ausreiseverbote oder andere "Besonderheiten" im oben genannten Sinne vorliegen. Eine systematische Kontrolle auf "Sippenhaft" ist nicht bekannt und wäre auch aus praktischen Gründen allenfalls eingeschränkt möglich. Wenn die Betroffenen nicht selbst die fraglichen Verwandtschaftsverhältnisse angeben, lässt sich bei der Einreise anhand der Eintragungen im Personalausweis allenfalls eine Verwandtschaft zu den oben genannten nahen Angehörigen feststellen. Die weitere Verwandtschaft - etwa zu Onkel, Tante, Cousin und Cousine - ist allein durch Kontrolle der Personalien nicht festzustellen. Um solche Verwandtschaftsverhältnisse festzustellen, müssen aufwendige Nachforschungen bis "hinunter" zum Heimatort angestellt werden (Kaya, 16.03.1997 an VG Gießen; Taylan, 15.05.1997 vor VG Gießen). Bei der Kontrolle der Personalien einer Person werden nur die persönlichen Daten dieser Person überprüft. Nachforschungen bei der Einreise konzentrieren sich in erster Linie auf Einreiseverbote oder Fahndungsmaßnahmen gegen den Rückkehrer selbst. Die Situation von Verwandten oder die Beziehung zu diesen wird bei Gelegenheit der Einreisekontrollen grundsätzlich nicht erforscht; Kaya (16.03.1997 an VG Gießen) sieht bei Verwandten zweiten und dritten Grades nur eine "geringe Wahrscheinlichkeit", dass diese Personen unter Druck gesetzt werden. Eine Festnahme bloß wegen des "Verdachts auf Verwandtschaft" ist nicht anzunehmen (Taylan, 15.05.1997 vor VG Gießen). Die von Rumpf (15.05.1997 und 20.08.1997 an VG Hamburg und 24.07.1998 an VG Berlin) sowie von amnesty international (19.02.1998 und 15.04.1998 an VG Hamburg) geschilderten Fälle betreffen vornehmlich Situationen aus dem Südosten der Türkei, bei denen es regelmäßig um dort "gesuchte" Verwandte ging. Bei der Prüfung der Sicherheit bei Einreise und Aufenthaltsnahme in der Westtürkei kommt es aber nicht darauf an, ob und inwieweit in den Heimatgebieten der Kurden in der Südosttürkei Repressalien gegen die Familienangehörige von Gesuchten erfolgen.

Anders ist die Gefährdungssituation zu beurteilen, wenn Personen nach der Einreise in ihren Heimatorten in der Südosttürkei wohnen (Kaya, 16.03.1997 an VG Gießen), vor allem wenn es sich um kleinere Siedlungsgebiete (Dörfer) handelt (Taylan, 15.05.1997 vor VG Gießen). Das Auswärtige Amt bestätigt, dass im Rahmen von Fahndungsmaßnahmen Familienangehörige zu Vernehmungen z.B. über den Aufenthalt von Gesuchten geladen werden (AA, Lagebericht vom 07.09.1999 und Auskunft vom 03.08.1999 an VG Stade). Die Einbeziehung des persönlichen Umfelds eines Gesuchten gehört zu einer routinemäßig durchgeführten Ermittlungsarbeit. Angesichts der dabei von türkischen Sicherheitskräften verwandten Vernehmungsmethoden sind nach wie vor Übergriffe zu verzeichnen, was auch vom Auswärtigen Amt bestätigt wird (AA, 03.08.1999 an VG Stuttgart). Der Zugriff auf nahe Angehörige setzt indes regelmäßig gezielte polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den betreffenden Angehörigen voraus. Den Erkenntnisquellen ist nicht zu entnehmen, dass sich die in der Türkei festzustellende Praxis von sippenhaftähnlichen Maßnahmen auch auf Angehörige von bloßen Sympathisanten terroristischer staatsfeindlicher Organisationen erstreckt. Nach Oberdiek (05.05.1999 an VG Stuttgart) kommt es bei weiterer Verwandtschaft wie z.B. Cousin darauf an, ob aus dem Verhalten des Betroffenen zusätzliche Verdachtsmomente in Richtung auf politische Tätigkeiten geschöpft werden können, und inwieweit es zu Denunziationen im Heimatort kommen kann. Es gibt indes keine Erkenntnisse über besondere Verfolgungsmaßnahmen gegen minderjährige Kinder türkischer Staatsangehöriger, die nach türkischem Recht verfolgt werden und sich im Ausland aufhalten (AA, 05.03.1990 an VG Hannover, Oehring, 18.06.1990 an VG Hannover; Oberdiek, 05.05.1999 an VG Stuttgart). Auch Familienangehörige von in der Türkei als Terroristen gesuchten Personen wie etwa des Führers der PKK, Öcalan, und des Cemil Isik wurden während ihres Aufenthalts in der Türkei nicht behelligt (AA, 05.03.1990 an VG Hannover); allerdings wurde der Bruder des PKK-Führers im September 1990 vorübergehend festgenommen, als er mit gefälschtem Pass zusammen mit seinen sechs Kindern auf eine griechische Ägäisinsel fliehen wollte (SZ, 25.09.1995). In die Türkei zurückkehrende kurdische Volkszugehörige werden nicht allein deswegen verfolgt, weil Verwandte im Ausland als Asylberechtigte anerkannt sind (Taylan, 10.05.1995 an VG Mainz) oder dort ein Asylverfahren betreiben (Kaya, 20.05.1995 an VG Mainz; Taylan, 25.02.1996 an VG Neustadt a.d.W.; AA, 05.01.1999 an VG Braunschweig und 03.08.1999 an VG Stuttgart; Kaya, 28.12.1999 an OVG Greifswald). Es gibt jedoch Berichte darüber, dass der Ehegatte eines in Deutschland politisch aktiven Asylbewerbers bei einer Rückkehr in die Türkei mit menschenrechtswidriger Behandlung rechnen muss (amnesty international, 18.01.1993 an VG Köln), dass insbesondere gegen Frauen mittels entwürdigender Übergriffe vorgegangen wird (amnesty international, 14.11.1994 an VG Bremen) und dass von derartigen Beeinträchtigungen auch die Familienangehörigen von Verschwundenen (amnesty international, September 1995) und von Asylberechtigten (amnesty international, 22.07.1996 an VG Stuttgart) betroffen sind.

Unmittelbar bei der Rückkehr besteht die Gefahr einer Festnahme wegen PKK-Aktivitäten Verwandter nach Auskunft von Kaya (17.03.1997 an VG Stuttgart) nicht, da den Grenzstationen keine Listen derjenigen, die sich der Guerilla angeschlossen haben, mitgeteilt werden und dies auch bei den üblichen Nachforschungen nicht bekannt werden dürfte. Allerdings kann dies bei Rückkehr in die Heimatregion durch dortige Nachforschungen bekannt werden und zur Festnahme führen (Kaya, 17.03.1997 an VG Stuttgart). Repressalien sind auch dann nicht wahrscheinlich, wenn der betreffende "hauptverdächtige" Verwandte nicht mehr lebt oder in Haft ist oder sich dauerhaft im Ausland, zumal mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus aufhält. In diesen Fällen wird es regelmäßig nicht plausibel sein, dass die türkischen Sicherheitsbehörden auf den Rückkehrer - sofern das Verwandtschaftsverhältnis bekannt wird - massiv Druck ausüben, um des eigentlich Gesuchten habhaft zu werden. Auch ist nicht zu erwarten, dass ein Angehöriger von vornherein und zwangsläufig dem Verdacht ausgesetzt ist, er teile die politische Meinung des gesuchten Verwandten, oder er habe sich an dessen Aktivitäten beteiligt (Rumpf, 15.05.1997 an VG Hamburg).

Unter Berücksichtigung dieser Gutachten und Auskünfte droht dem Kläger zu 1) bei einer Rückkehr in die Türkei nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung unter dem Gesichtspunkt der "Sippenhaft". Die in der Berufungsbegründung vorgetragene, vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg erstrittene Anerkennung eines Neffen des Klägers zu 1) als Asylberechtigter sowie die Anerkennung der Asylberechtigung eines Cousins des Klägers zu 1) durch den erkennenden Senat in der parallel ergangenen Entscheidung vom selben Tage vermögen eine Rückkehrgefährdung nicht zu begründen. In Bezug auf Letzteren ist eine Unterdrucksetzung schon deshalb wenig wahrscheinlich, weil den türkischen Behörden - wie bereits dem Urteil des Strafgerichts Midyat wegen Beleidigung des Militärs vom 25. 01.2001 betreffend den Cousin des Klägers zu 1) zu entnehmen ist - der Aufenthaltsort dieses Cousins bekannt ist; zudem sind Repressalien auch dann nicht wahrscheinlich, wenn der betreffende "hauptverdächtige" Verwandte sich dauerhaft im Ausland, zumal mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus aufhält - wie hier der zuvor genannte Cousin des Klägers zu 1) -. Letzteres Argument gilt auch in Bezug auf den vom Kläger zu 1) in der Berufungsbegründungsschrift namentlich benannten Neffen, zumal auch dieser Verwandtschaftsgrad eine Gefährdung unter Sippenhaftaspekten nach den obigen grundsätzlichen Ausführungen nicht nahe legt.

Dem Kläger zu 1) steht in den westlichen Landesteilen der Türkei, insbesondere in Istanbul, sowohl unter Sicherheitsaspekten als auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Diese - wie oben näher dargelegt - für Kurden grundsätzlich vom Senat angenommene Möglichkeit ist auch unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Klägers zu 1) für diesen als gegeben zu betrachten.

Wie oben unter 1. zu der Vorfluchtsituation des Klägers zu 1) bereits ausgeführt ist, hat dieser etwa einen Monat nach der Verhaftung am 15. August 1993 seine Heimatprovinz verlassen, ist nach Istanbul gegangen und hat dort als Verputzer gearbeitet.

Da gezielt auf die Person des Klägers zu 1) gerichtete Ermittlungsmaßnahmen der türkischen Sicherheitskräfte schon zum damaligen Zeitpunkt nicht anzunehmen waren und sich nach den vorangegangenen Ausführungen auch nicht aus den von ihm vorgebrachten Nachfluchtgründen ergeben, sind Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger zu 1) nicht die zumutbare Möglichkeit offen stehen sollte, sich außerhalb seiner Heimatprovinz, beispielsweise in einer Großstadt der Westtürkei, niederzulassen und sich dort auch eine wirtschaftliche Existenzgrundlage zu schaffen, nicht erkennbar. Der Kläger zu 1) war bereits in Istanbul wohnhaft und hatte dort auch eine sein Auskommen sichernde Beschäftigung gefunden; es ist nicht erkennbar, warum ihm dies unter den momentanen Verhältnissen im Westen der Türkei nicht wiederum gelingen sollte.

Kann der Kläger zu 1) nach alledem die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach Maßgabe des § 51 Abs. 1 AuslG nicht verlangen, so zeigt sich weiter, dass er sich auch nicht auf einen solchen Schutz nach Maßgabe des § 53 AuslG zu berufen vermag. Denn ist er gemäß den bisherigen Ausführungen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der ernsthaften und konkreten Gefahr ausgesetzt, im Fall seiner Rückkehr in die Türkei mit asylerheblichen oder anderweitigen unmenschlichen oder erniedrigenden Repressalien überzogen zu werden, so kann auch sonst nicht angenommen werden, dass er nicht abgeschoben werden dürfte, weil diese Abschiebung nach Maßgabe der allenfalls in Betracht kommenden Absätze 1, 4 oder 6 des § 53 AuslG unzulässig sei.

Insbesondere kommt auch ein Abschiebungsschutz nach Absatz 4 der genannten Vorschrift nicht in Betracht. Die Abschiebung in ein Land, das - wie die Türkei - ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht kennt, stellt keinen Verstoß gegen Art. 9 EMRK dar, da die zitierte Regelung der EMRK ein völkerrechtlich anerkanntes (Menschen-) Recht auf Wehrdienst-/ Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen nicht umfasst (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 02.09.1998 - 5 Bf 418/98.A, InfAuslR 1999, 105; OVG Saarlouis, Beschluss vom 05.06.2001 - 9 Q 105/00 -).

Der Kläger zu 1) hat die Kosten des Berufungsverfahrens (einschließlich der Kosten des Berufungszulassungsverfahrens) zu tragen, da die Berufung keinen Erfolg hat (§ 154 Abs. 2 VwGO); Gerichtskosten werden gemäß § 83b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO i.V.m. § 167 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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